Graaff-Reinet und das Valley of Desolation
Unser Stopp für eine Nacht in Graaff-Reinet war nicht nur dafür da, die Strecke vom Mountain Zebra National Park nach Oudtshoorn zu unterbrechen. Wir wollten vor allem ins Valley of Desolation, von dem wir immer wieder gehört und gelesen hatten.
Trotz des morgendlichen letzten Gamedrives waren wir bei unserer Ankunft mal wieder ziemlich früh dran. Keine eineinhalb Stunden brauchten wir für die rund 130 Kilometer lange Strecke über die R61, die uns mit ihren vielen Tafelbergen rechts und links richtig gut gefiel.
Unsere Unterkunft "The Whyte House" - ruhig am Ortsrand und dennoch zentral gelegen - war schnell gefunden. Besitzer Rob, ein sympathischer, unkonventioneller und zupackender Typ, unterbrach sein Mittagessen und zeigte uns flugs unser liebevoll eingerichtetes Zimmer. Vielleicht ein Hauch zuviel Nippes für meinen Geschmack, doch Rob liebt Antiquitäten und hat sich gemeinsam mit seiner Ehefrau Amie ein kleines Paradies geschaffen. Alles in Eigenregie gebaut, ein fleißiger Selfmade-Mann und auf jeden Fall bewundernswert.
Rob eilte wieder davon, nicht allerdings ohne uns mit einer ganzen Reihe von Tipps zu versorgen. Das macht er gut und gerne, wir profitierten mehrfach davon. Der Weg zum Ortskern und zurück sei sicher, auch bei Nacht, erklärte er, und dass ich auf der keinen Kilometer langen Strecke zur Somerset Street mit ihren schönen kleinen Cafes, Restaurants und Boutiquen so meine liebe Not hatte, lag nicht an potenziellen Wegelagerern, sondern der Affenhitze, die an diesem Tag herrschte. Wir schnappten nach Luft wie Fische auf dem Trocknen.
Auf augenfällig breiten Straßen, damit einst Fuhrwerke und Kutschen problemlos darauf wenden konnten, spazierten wir vorbei an schönen Häusern, imposanten Villen im kapholländischen und viktorianischen Stil sowie am örtlichen Cricket- und am Bowling Club.
Parsonage Street
Zeugen der langen, kolonialen Historie der 1786 gegründeten „Perle der Karoo“. Überhaupt begegnete uns in Graaff-Reinet, der viertältesten Stadt Südafrikas, auf Schritt und Tritt Geschichte. Allerdings zum Teil auch erst am nächsten Morgen bei der Weiterreise mit dem Auto, denn es war einfach zu heiß, um die Kleinstadt gänzlich per pedes zu erkunden.
Über 220 denkmalgeschützte Gebäude aus allen Zeitepochen soll es im beschaulichen Graaff-Reinet geben, dessen Bürger einst durch die Zucht von Merinoschafen und Angoraziegen zu Wohlstand gekommen waren.
Das Stadtbild ist fraglos hübsch, wenn auch vor allem rund um die zentrale Groot Kerk nicht frei von Elend und Armut.
Wer nur wenig Zeit hat, sollte sich zumindest die Parsonage Street anschauen, eine der ältesten Straßen der Stadt, an deren Ende auch das Reinet House liegt. Das zwischen 1805 und 1812 unter anderem von Sklaven erbaute Pfarrhaus ist heute ein Museum (drin waren wir allerdings nicht). Die ehemaligen Sklavenunterkünften des Stretch's Court gehören heute zum Drostdy Hotel, mehr als ein Blick durch den Zaun aus einer Seitenstraße war nicht drin.
Reinet House
"Our Yard", Robs erster Tipp in der Somerset Street, entpuppte sich als Volltreffer mit seinen stilvollen Cafes und Galerien rund um einen Innenhof. Tapfer und schwitzend setzten wir uns nach draußen in den Schatten, während sich die Einheimischen nach drinnen verzogen, wo die Klimaanlagen brummten.
Im Schneckentempo schlichen wir schließlich zurück zu unserer Unterkunft und machten uns auf den Weg zum nur wenige Kilometer entfernten Valley of Desolation - viel zu früh, wie Rob vollkommen richtig anmerkte. Unterm Strich hätten gut zwei Stunden für den Besuch ausgereicht und das Licht ist am späten Nachmittag ohnehin am schönsten - hinterher weiß man eben immer mehr.
Kaffee und Kunst in "Our Yard"
Um 15.30 Uhr brannte die Sonne noch gnadenlos vom Himmel, als wir am Gate in den die Stadt umgebenden Camdeboo National Park hinein- und dann steil nach oben fuhren. Wir stoppten an den unterschiedlichen Aussichtspunkten und hatten einen tollen Ausblick auf das Umland und die Stadt fast 500 Meter unter uns.
Dann fuhren wir die letzten Meter weiter bis zum oberen Parkplatz und liefen zu Fuß zu den ersten, nah gelegenen Aussichtsplattformen mit Blick auf das von verwitterten Klippen durchzogene Tal. Es war herrlich da oben und auch friedlich. Bis auf ein anderes Paar und eine kleine Familie waren wir noch die einzigen Besucher.
Hingucker und fast immer im Blickfeld: die "Spandau-Koppe"
Wir wanderten zu den einzelnen Plattformen, die nah beieinander liegen und ein wenig unterschiedliche Perspektiven ermöglichen. Nach der dritten oder vierten kam keine weitere mehr, der Weg machte einen Knick und führte durch Dickicht zurück zum Parkplatz. Wir hatten uns jedoch den Crag Lizard Trail vorgenommen, der laut Beschilderung in einer großen Schleife an weiteren markanten Stellen vorbeiführt.
Der Pfad war steinig, uneben und so überwuchert, dass wir ihn schon gleich zu Beginn kaum mehr erkannten. Ich trat sofort den Rückzug an, denn ich fühlte mich überhaupt nicht wohl dabei, keine Ahnung zu haben, wohin ich eigentlich trat. Ich musste an Schlangen denken und an meine gebrochene Nase, und so lief ich ein Stückchen zurück und machte es mir auf einem Felsplateau mit grandioser Aussicht bequem.
Thomas dagegen lief unverdrossen weiter, er wollte mich auf dem Rückweg auf meinem Felsen oder bei einer der Plattformen wieder einsammeln.
Ich war froh über meine Entscheidung, setzte mich auf den warmen Stein und genoss die Stille, die von Zeit zu Zeit nur durch die Rufe der Adler oder das Gebrüll der Baboons unten in der Schlucht unterbrochen wurde. Das Echo war gewaltig und auch ein wenig spooky.
Manchmal hörte ich in der Ferne Stimmen, aber kein anderer Wanderer kam vorbei. Nur einige Vögel, die in einer Pfütze badeten und ein Raumschiff, das mich glücklicherweise nicht in ferne Galaxien entführte, sondern einfach weiterzog.
Nach knapp 40 Minuten war Thomas zurück. Der Pfad war immer unüberschaubarer und wilder geworden, den Weg zu den in der Karte markierten Stellen hatte er oft erahnen und sich erkämpfen müssen. Aber er war bis zum äußersten Punkt gekommen und zufrieden mit sich.
Wir schlenderten zurück zu den Plattformen, das Licht wurde immer besser und die Felsen färbten sich zusehends rot. Als die sinkende Sonne sie schließlich kaum mehr ausleuchtete, machten wir uns auf den Weg. Auch ein wenig notgedrungen, denn wir hatten am Nachmittag in einem Restaurant einen Tisch für 19.30 Uhr reserviert, der letzte mögliche Slot wegen Loadshedding.
Der Sonnenuntergang war spektakulär an diesem Tag, alles leuchtete pink, wir hatten nur leider nicht viel davon und keinen wirklich guten Blick. Sunset oder Abendessen, wir hatten uns entscheiden müssen, der Geist war willig, aber das Fleisch schwach - es wurde nach einem langen Tag das Dinner. Das Hello You Restaurant war indes ein weiterer toller Tipp von Rob, wir saßen im malerischen, grün umrankten Innenhof und ließen es uns richtig schmecken.
Pretty in Pink: Garten des "Whyte House"
Aus Zeitnot, aber schon auch wegen Sicherheitsbedenken hatten wir den Hinweis von Rob ignoriert, dass wir problemlos abends durch die Stadt spazieren könnten. Am Ende waren wir froh. Schon am Tag waren uns die vielen Stolperfallen und klaffenden Löcher auf den Bürgersteigen aufgefallen. Die zu umschiffen war nun nicht leichter geworden, denn als wir nach dem Essen zum Auto schlenderten, war es absolut stockfinster. Loadshedding. Nicht zum ersten und letzten Mal fragten wir uns auf dieser Reise, wie bloß dieses schöne Land bei solchen Einschränkungen auf die Füße kommen soll.