THEMA: Südafrika 2022/23: Aller guten Dinge sind drei
16 Apr 2023 11:12 #665353
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Hallo ihr Lieben,

vom 28. Dezember 2022 bis zum 25. Januar 2023 waren wir in Südafrika. Die Zahl drei spielte bei dieser Reise eine unerwartet wesentliche Rolle, denn es war nicht nur unsere dritte Tour zum südlichsten Zipfel des afrikanischen Kontinents nach 2012 (Garden Route) und 2017 (Panoramaroute und Krüger), sondern wir brauchten auch drei Anläufe, um sie schließlich zu realisieren.



Zweimal hatten wir die Reise Pandemie-bedingt verschoben, und wenn das überhaupt irgendetwas für sich hatte, dann die Tatsache, dass die geplante Runde mit jedem Jahr um ein paar Tage länger wurde. Warum das so kam, kann ich noch nicht einmal genau sagen. Vielleicht war es der Frust, vielleicht hatte ich in der Zwischenzeit noch mehr attraktive Stationen und Unterkünfte gefunden, ganz sicher aber spielte uns die leidige Fußball-WM in Katar in die Karten, die uns durch ihre Austragung im Winter in unserem Job eine ungewöhnlich lange Pause ermöglichte.









Sicher hat jeder von uns in den vergangenen Jahren die Erfahrung machen müssen, dass Reisen ausfielen oder zumindest verschoben wurden, und so war ich bis zuletzt skeptisch, dass diesmal nun also tatsächlich aller guten Dinge drei sein sollten. Dummerweise hatte ich schließlich auch guten Grund für meine Zweifel, denn Thomas verbrachte die Weihnachtstage kurz vor dem Abflug bei seiner Familie im Münsterland. Einen Tag vor Heiligabend rief er mich dann relativ verzweifelt an und überbrachte die niederschmetternde Nachricht, dass sein Vater an Corona erkrankt sei. Er hatte natürlich engen Kontakt mit ihm gehabt, und nun war guter Rat teuer.

Ich kürze das Drama ab, Thomas kehrte postwendend nach Hamburg zurück, wir schlossen uns ein, testeten und testeten und hofften inständig, dass der Kelch einmal mehr an uns vorübergehen würde. Die Frage, was wir tun würden, wenn wir zum Beispiel schwach positiv wären, uns aber gut fühlten, hing unausgesprochen in der Luft. Wir mussten glücklicherweise auch keine Antwort darauf finden, denn wir blieben negativ, und dass ich mich am Abreisetag trotz Negativtest urplötzlich hundeelend fühlte, war wohl eher der Nervenanspannung während der vorangegangenen Zitterpartie geschuldet. Erst in Südafrika und noch innerhalb der gängigen Inkubationszeit zu erkranken, war natürlich eine weitere unschöne Möglichkeit. Das Risiko mussten wir in Kauf nehmen, und dieser Fall trat dann auch nicht ein.

Am Ende waren wir rund einen Monat unterwegs, zum ursprünglichen Plan von 2020 waren zunächst noch zwei Nächte Kogelberg und im Folgejahr zudem noch zwei Nächte im Camp Figtree (Addo) sowie eine dritte Nacht in De Hoop hinzugekommen.





Wir wollten etwas Zeit in Kapstadt verbringen, wo wir uns auf ein Wiedersehen mit unseren (Forums-)Freunden Ingrid und Helmut (franzicke) freuten, einen Abstecher an die Westküste machen und dann entlang der Garden Route auf ähnlichen, aber nicht denselben Pfaden wandeln wie 2012.









Im Anschluss sollte es nordwärts zum Addo Elephant sowie zum Mountain Zebra National Park gehen, denn so ganz ohne Wildlife wollten wir bei einer Afrikareise auch nicht sein. 2012 waren wir stattdessen in einem Private Game Reserve gewesen, das war ganz schön, aber für unseren Geschmack auch zu sehr Zoo, wir hofften auf andere Eindrücke in den Nationalparks.







Über Graaff-Reinet und Oudtshoorn würde uns dann der Weg in die Winelands führen, wo wir zum Abschluss noch ein paar entspannte Tage verbringen und es uns so richtig gut gehen lassen wollten.

Der Plan im Einzelnen:
28.12.22 - 1.1.23 Derwent House, Kapstadt
1. - 3.1. Grootvlei Guest Farm, Lamberts Bay
3. - 5.1. Oudebosch Eco Cabins, Kogelberg Nature Reserve
5. - 8.1. De Hoop Collection, De Hoop Nature Reserve
8. - 10.1. Dolphin Dunes Guest House, Wilderness
10. - 12.1. Christiana Lodge, Plettenberg Bay
12. - 14.1. Storms River Mouth Rest Camp, Tsitsikamma-Nationalpark
14. - 16.1. De Old Drift Guest Farm, Addo (Sundays River Valley)
16. - 18.1. Camp Figtree, Addo Elephant National Park
18. - 20. Mountain Zebra NP Rest Camp (Rock Chalet)
20. - 21.1. The Whyte House, Graaff-Reinet
21. - 22.1. De Zeekoe Guest Farm, Oudtshoorn
22. - 25.1. Bonne Esperance Guest House, Stellenbosch



Geflogen sind wir mit Emirates über Dubai, es war eine preisliche Entscheidung, die wir aber trotz relativ großer Einsparmasse von mehrere Hundert Euro auch ein wenig bereuten. Wir hingen mitten in der Nacht gefühlte Ewigkeiten am Flughafen in Dubai herum, zumal es auf beiden Wegen über die Wüste massiv gewitterte (und auch schüttete). Zudem sind Strecke und damit Flugzeit natürlich viel länger. Als sich uns beim Anflug auf Kapstadt der Tafelberg in voller Schönheit zeigte, waren aber alle Sorgen und Strapazen der vergangenen Tage auf einen Schlag vergessen.



Ich würde mich über virtuelle Begleitung auf unserer Tour sehr freuen! Ich verspreche, es läuft zwar unterwegs nicht alles glatt, aber doch sehr vieles, und sputen muss ich mich auch, weshalb ich auch versuchen werde, zu straffen und diesmal mehr Bilder bei weniger Text für sich sprechen zu lassen.

Liebe Grüße und bis hoffentlich bald,
Betti

Letzte Änderung: 02 Jul 2023 17:38 von Beatnick.
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17 Apr 2023 19:51 #665514
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Kapstadt, Teil I

An unser erstes Mal in Kapstadt 2012 habe ich sehr gemischte Erinnerungen. Thomas hatte sich kurz zuvor in Namibia einen folgenreichen und vor allem hartnäckigen Magen-Darm-Infekt eingehandelt, er schaffte gerade eben und glücklicherweise „unfallfrei“ den kurzen Flug aus Windhoek, klappte dann aber im Hotelzimmer völlig ausgelaugt zusammen und lag mehrere Tage höchst derangiert im Bett.

Ich gurkte in der Zeit vornehmlich mit dem Hop-on-Hop-Off-Bus durch die Gegend, das war eine ziemlich angenehme und außerdem sichere Möglichkeit, sich die viereinhalb Millionen-Metropole im Alleingang zu erschließen. Aber natürlich hatten wir uns das Ganze etwas anders und vor allem als gemeinsame Unternehmung vorgestellt.

Die pfiffige Dame an der Rezeption konnte sich das Elend schließlich nicht mehr mit ansehen und organisierte kurzerhand (an Silvester) den Hausbesuch eines "German doctor". Der hatte dann zielsicher das richtige Medikament zur Hand und schon am nächsten Tag war Thomas zwar noch etwas wackelig, aber immerhin kerzengerade auf den Beinen. Seither gehören Antibiotika zum festen Bestandteil unserer Reiseapotheke.



Wir verbrachten einen herrlichen gemeinsamen Tag am Kap der guten Hoffnung, schauten uns unterwegs Muizenberg sowie die Pinguine am Boulders Beach an und cruisten entspannt über den Chapman’s Peak zurück. Alles in allem war die Zeit in Kapstadt aber durch die besonderen Umstände eher knapp ausgefallen.

Wir hatten seinerzeit in Tamboerskloof gewohnt, das hatte uns sehr gut gefallen mit der Nähe zum Tafelberg und zur Kloof Street mit ihren netten Cafes, Restaurants und Boutiquen. Diesmal sollte es zur Abwechslung Camps Bay werden, das angepeilte Atholl House war aber partout nicht zu bekommen und so folgten wir ziemlich kurzentschlossen einem Tipp von Ingrid und buchten uns vier Nächte im Derwent House in Gardens direkt neben Tamboerskloof ein.

Das geschmackvolle Boutique Hotel entpuppte sich als hervorragende Wahl mit seiner zentralen Lage in der Nähe der Kloof Street, dem freundlichen, heimeligen Ambiente und überragenden Frühstück. Von unserem kleinen, aber gemütlichen Zimmer blickten wir auf den Pool und den Tafelberg, und Ingrid und Helmut wohnten auch nicht weit weg.



Wir hatten lange auf ein Wiedersehen mit unsere beiden Freunden warten müssen, nun war es schon am ersten Abend soweit. Ingrid hatte kurzerhand an unserem Ankunftstag einen Tisch im Grand Africa Cafe & Beach reserviert, und ich bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie Fakten geschaffen hat. Ist für uns doch der erste Abend nach einem langen und zudem noch stark verspäteten Flug oftmals ein verlorener. So aber waren wir nach einer schnellen Dusche zwar einigermaßen müde, aber auch gleichzeitig voller Tatendrang, und als die franzickes um die Ecke bogen und uns mit dem Auto einsammelten, war die Freude riesengroß.

Der Beach Club in der Nähe der V&A Waterfront punktet vor allem mit der tollen Lage direkt am Meer und der lässigen Atmosphäre, und als wir da so mitten im europäischen Winter mit leichtem Pulli und in beschwingter Stimmung über den Ozean blickten, realisierte ich zum ersten Mal: "Wir sind tatsächlich hier." Ich konnte es kaum fassen. Und auch, dass ganze vier Wochen vor uns liegen sollten.

Es war der denkbar beste Start in die Reise, später kippten wir ins Bett und schliefen wie die Murmeltiere. Einigermaßen früh und frisch waren wir wieder wach, was auch deshalb praktisch war, weil wir Pläne hatten. Den Botanischen Garten Kirstenbosch hatten wir beim letzten Mal sausen lassen müssen, diesmal wollten wir hin. Immer wieder hatten wir von der großartigen Kulisse am Osthang des Table Mountain gehört und gelesen und entsprechende Fotos gesehen.





Wir hatten uns nicht zuviel versprochen. Die Realität hielt den Erwartungen stand, übertraf sie vielleicht sogar. Zwar war die große Blütezeit bereits vorbei, doch wir genossen den am frühen Morgen noch einsamen Spaziergang unter riesigen Kampferbäumen und durch sattgrüne Landschaften. Eine Wohltat für die Sinne.









Weiter und weiter liefen wir hügelaufwärts, immer der Nase nach. Am Eingang waren wir gefragt worden, ob wir eine Wanderkarte benötigen, denn in der Gegend gibt es hervorragende Tracks, die unter anderem auf den Tafelberg führen. Wir verneinten, schließlich wollten wir uns nur ein wenig die Beine vertreten und Eindrücke sammeln. Als würde ich uns nicht besser kennen.



Es dauerte nicht lange, da fanden wir uns auf einem schmalen Höhenpfad wieder, der mit weitem Blick über den Botanischen Garten und die Umgebung an der Flanke des Tafelbergs entlangführt. Ich - mal wieder mit weißer Büx (natürlich) und nur in Turnschuhen unterwegs -, fragte vorsorglich einen entgegenkommenden Wanderer in Profikluft, ob der Weg absehbar wieder abwärts führen würde, und das war zum Glück der Fall.





Durch dichten Wald stiegen wir schließlich wieder zu den Gärten hinab und registrierten erstaunt, dass in den vergangenen zwei Stunden massenhaft Besucher angekommen waren und Wege wie Wiesen fluteten; natürlich war Kapstadt in den südafrikanischen Ferien überlaufen und Kirstenbosch bei Traumwetter ein beliebtes Ziel.

Bei einem großen Baum fanden ein perfektes Plätzchen, kaum ein Mensch verirrte sich abseits der Hauptwege hierher. Dafür aber jede Menge Vögel und Schmetterlinge, die emsig miteinander turtelten.











Mittags fanden wir dann, dass es an der Zeit wäre weiterzuziehen. Nur wohin? Wir überlegten hin und her, schließlich fiel unsere Wahl auf die Pinguinkolonie bei Simon's Town. Keine allzu weite Strecke, aber eine vor allem auf dem Rückweg sehr schöne, und Tiere gehen bei uns sowieso immer.





Wir wussten, es würde voll sein, so mitten an einem sonnigen Ferientag, das war schon 2012 so gewesen. Doch als wir dann endlich einen Parkplatz ergattert und uns auf den Weg zum Zugang gemacht hatten, machten wir große Augen. Die Schlange der Wartenden war ellenlang, und die gesamte Anlage sozusagen professionalisiert worden. Die Kassenhäuschen am Besucherzentrum erschienen uns imposant und kommen mittlerweile auch ohne Verniedlichung aus, es gibt Drehkreuze, einen Shop und eine Umfriedung, die wohl kaum mehr einen Durchschlupf lässt.

Seit 1982, als zwei Brutpaare an den Strand gekommen waren und eine kleine Kolonie gründeten, ist Boulders Beach Teil des Table Mountain National Park.







Es ist mutmaßlich sinnvoll, wenn nicht sogar bitter nötig, die Vögel in so exponierter Lage vor den Massen zu schützen und den Menschenstrom zu kanalisieren. Wir waren dennoch zunächst abgeschreckt, entschieden uns aber letztlich zu bleiben, wo wir ja nun schon einmal so weit gekommen waren. Einen dritten Besuch wird es aber wohl nicht geben (auch wenn die Einnahmen sicherlich nicht zuletzt dem Schutz der Tiere dienen).





Sind die Stege, die durch das sandige Reich der vom Aussterben bedrohten Brillenpinguine führen, erst einmal erreicht, ergeben sich aber immer noch wunderbare Aus- und auch Einblicke in das Leben der kleinen Frackträger, deren Zahl auf mittlerweile rund 3.000 angewachsen ist.









Die afrikanischen Pinguine waren einst auch als Jackass-Pinguine (=Esel-Pinguine) bekannt. Dieses stimmgewaltige Exemplar stand direkt unterhalb des Steges und machte dem Namen mit seinen Kreischlauten alle Ehre. Ob er damit einen Artgenossen, der aus der Ferne ähnlich verstimmt antwortete, anlocken oder eher abschrecken wollte, ist nicht überliefert:





Wir verbrachten rund eineinhalb Stunden bei den Pinguinen...





...und wollten dann via Chapman's Peak Drive nach Kapstadt zurückkehren. Kurz bevor wir ihn bei Noordhoek erreichten, stach mir ein Schild ins Auge. Cape Point Vineyards - da war doch was?! Das Derwent House hat die nette Angewohnheit, seinen Gästen am Abend drei Tipps für den nächsten Tag aufs Kopfkissen zu legen. Am Vorabend war dieser Ort einer davon gewesen, denn donnerstags findet auf dem Gelände des wunderschön an einem Berghang gelegenen Weinguts ein Foodmarket statt. Kurzerhand bog ich rechts ab, und weil der Markt erst zehn Minuten zuvor begonnen hatte, fanden wir auch noch einen Platz an einem der sich zusehends füllenden Picknicktische.





Wir holten Wein und unterschiedliche Leckereien von den Foodtrucks, genossen die traumhafte Kulisse, die relaxte Atmosphäre und blickten über die Reben weit in die Bucht. Ambiente können sie einfach, die Südafrikaner!

Am Ende eines erfüllten Tages fuhren wir zum zweiten Mal in unserem Leben den Chapman’s Peak Drive, die spektakuläre, neun Kilometer lange Küstenstraße entlang steiler Felswände, die 114 Kurven umfassen soll. Ich habe sie nicht gezählt.







Unterwegs in unserem feuerroten Spielmobil. Wir hatten uns bewusst für einen SUV entschieden, auch, weil wir in den Nationalparks mehr Bodenfreiheit und einen besseren Überblick haben wollten:



Das Wetter hatte uns zum Auftakt nach Strich und Faden verwöhnt, allerdings war es schon den ganzen Nachmittag über immer windiger geworden, und schon auf dem Weingut drohten die Ibisse über unseren Köpfen aus den Bäumen zu purzeln.





In Kapstadt stürmte es dann so sehr, dass wir um unsere Pläne am nächsten Tag fürchteten. Wir checkten unsere E-Mails, noch hatten die Veranstalter nichts gecancelt. Wir stellten uns den Wecker, doch auch so wurde ich in der Nacht mehrfach wach, weil der Sturm draußen alles umher- und wegfegte, was nicht niet- und nagelfest war. Wie zum Geier, fragte ich mich ein wenig verzagt, sollten wir denn bei diesem Orkan auf den Tafelberg wandern?

Letzte Änderung: 17 Apr 2023 23:23 von Beatnick.
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19 Apr 2023 21:04 #665656
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Kapstadt, Teil II - Der Tafelberg

Der Tafelberg und wir waren bislang noch nie so recht zusammengekommen. Natürlich hatten wir ihn von unten ausgiebig bewundert. Aber wir wollten auch rauf. Am liebsten per pedes, aber 2012 war der kränkelnde Thomas dafür nicht zu gebrauchen und für die Gondel blies tagelang der Wind zu stark - sie fuhr nicht. Als es dann am Tag unserer Weiterreise endlich windstill war und Thomas wieder auf den Beinen, wollten wir nach einem frühen Frühstück noch mal eben da rauf. Eine durchweg naive Vorstellung. Als wir um 8 Uhr die Straße zur Gondel hochrollten, reihte sich am Rand bereits Auto an Auto, und die Schlange für die Gondelfahrt ohne vorherige Ticketreservierung zeigte eine Wartezeit von schlappen drei Stunden an. Damit hatte sich der Fall erledigt.

Tafelberg mit V&A Waterfront 2012


Für die angepeilte Tour 2021 hatten wir gemeinsam mit den franzickes schon einen Plan mitsamt Route auf einen der ältesten Berge der Welt ausgeheckt, doch dann konnten wir die Reise wegen der Pandemie-Bestimmungen nicht antreten und Ingrid und ihr Ranger stiefelten ohne uns hoch. Beide bestätigten aber die gute Wahl der Guides, mit denen sie das Ganze angegangen waren, und so griffen auch wir auf die Agentur "like2hike" zurück.



Wir hatten dem kleinen Unternehmen zwei Termine zur Auswahl gegeben und die Wahl war nun auf diesen (letztmöglichen) Tag gefallen, weil die Wetterprognose vielversprechend ausgesehen hatte. Doch der Sturm in der Nacht sprach eine andere Sprache, und so sah es zwischenzeitlich leider ganz danach aus, als würden der Tafelberg und wir auch diesmal wieder getrennte Wege gehen.

Als der Wecker um 5.15 Uhr klingelte, peitschte die Palme neben unserem Balkon noch verdächtig heftig hin und her. Um 6 Uhr bewegten sich nur noch leise die Palmwedel. Und als wir um 6.30 Uhr wie vereinbart unsere Guides Rita und Christoph an der Cable Car Talstation trafen, wehte nicht mehr das leiseste Lüftchen. Wir konnten es kaum glauben. Auch Rita nicht, die - wie sie mir später gestand - eine fast schlaflose Nacht verbracht hatte vor Sorge, der Trip könne nicht stattfinden. Sie und Christoph, eigentlich Berufsmusiker und seit 2018 auch professionelle Bergführer, hatten zuletzt Pech gehabt mit vielen Ausfällen und kurzfristigen Absagen, vor allem Corona-bedingt.

Wir hatten unser Schicksal bei der Wahl des Tracks in die Hände unserer Guides gelegt, vorab auf Nachfrage ein paar Informationen zu eventuellen Wünschen (schöne Aussicht), Fitnesszustand, Schwindelfreiheit (beides okay) und Klettererfahrung (keine) durchgegeben.

Versper mit Rita - und einem gigantischen Ausblick


Bevor wir losliefen, informierte uns Christoph noch flugs und der Form halber über das korrekte Verhalten bei einem Überfall; nämlich ggf. bereitwillig alle Habseligkeiten herzugeben und sich keinesfalls zu wehren. Mir fehlte indes die Phantasie mir vorzustellen, dass Thomas seine Kamera so mir nichts, dir nichts herausrücken würde, und ein Blick auf seine missbilligend gerunzelte Stirn bestätigte das nur. Ich seufzte. Es blieb also nur zu hoffen, dass dieser (unwahrscheinliche) Fall nicht eintreten würde, und dann ging es auch schon los.



Direkt neben der Talstation stiegen wir in den India-Venster-Trail ein. Der Name sagte uns natürlich nichts, aber auf einem Pfad unter der Gondel entlang ging es ohne große Umschweife steil bergauf. Von 0 auf 100, ich kam ganz schön ins Schnaufen, aber war der Puls erst einmal oben, lief es sich ganz gut.



Es war ein herrlicher Morgen, mild und mit strahlendem Sonnenschein, und ich war glücklich. Wenn auch körperlich zu beansprucht, um mich mit Rita zu unterhalten, die perfekt Deutsch spricht und mir auf Anhieb sympathisch war. Christoph als Anführer unseres Quartetts ließ uns regelmäßig bei kleineren Stopps zu Atem kommen und erzählte viel über Kapstadt und die vielfältige Pflanzenwelt am Tafelberg, die uns auch wirklich beeindruckte. Ebenso wie die vielen Sunbirds, die uns umschwirrten. Für einen Moment bedauerten wir, aus Gewichtsgründen kein Tele eingepackt zu haben, doch es war eine goldrichtige Entscheidung. Das war relativ schnell und zweifelsfrei klar.







Denn der Weg wurde zusehends anspruchsvoller, schon mussten wir öfter die Hände zu Hilfe nehmen. Drehten wir uns um oder machten eine Pause, eröffneten sich überragende Aussichten über die Stadt und das Meer. Ich war so richtig in meinem Element.



Bei einige Passagen mussten wir richtig klettern, was unter der Anleitung von Rita und Christoph gut gelang und vor allem Riesenspaß machte. Hätte mir jemand im Vorfeld detailliert beschrieben, wie die Route beschaffen sein würde, hätte ich wahrscheinlich dankend abgelehnt. Nun aber hatten wir Freude daran, uns Meter um Meter nach oben zu schieben und selbst zu überraschen. Ohne die beiden hätten wir es allerdings sicher nicht geschafft - und richtigerweise auch gar nicht erst versucht oder zumindest zeitnah abgebrochen.



Schon relativ weit oben führte uns Christoph schließlich um einen Felsvorsprung herum. Wir ließen die Beine baumeln und plünderten die Frühstücksboxen, die uns das Derwent House mitgegeben hatte. Rita und Christoph hatten zudem Humus, Brot und einen Fruchtsalat für uns alle dabei und so schlemmten wir nach Herzenslust - und mit einer One Million Dollar View.





Zurück auf dem Trail machte der Weg einen Schlenker in Richtung Camps Bay. Links von uns die dramatischen, glatten Wände des Tafelbergs, rechts wieder neue spektakuläre Aussichten.





Und eine Pflanzenpracht, die wir inmitten dieser scheinbar unwirtlichen felsigen Landschaft nicht erwartet hatten.



Doch entgegen unserer sonstigen Gewohnheiten holten wir die Kameras kaum einmal aus dem Rucksack heraus und begnügten uns mit Handybildern, die Rita und Christoph netterweise von uns machten. Ein Service der beiden, den wir gerne nutzten, denn wir hatten keinen Sinn dafür und nicht nur sprichwörtlich alle Hände voll zu tun.



So langsam verließen uns die Kräfte, eine andere Gruppe überholte uns. "It needs to get done now", ächzte eine Britin in meinem Alter, ich musste lachen, aber sie sprach mir aus der Seele. Und dann, nach vier Stunden, war es vollbracht. Ein letzter Schritt, und wir standen auf der Spitze des Tafelberges. Erschöpft, aber auch stolz. Gemessen an unserer (ausbaufähigen) Fitness und Unerfahrenheit beim Klettern hatten wir uns gut geschlagen.





Bescheinigten uns auch Rita und Christoph, die sich hier oben von uns verabschiedeten und in Richtung Seilbahn stapften. Wir hatten die Zeit mit ihnen sehr genossen und uns durchgängig gut aufgehoben gefühlt. Wir wanderten noch ein wenig über das riesige, drei Kilometer breite Plateau und blickten in alle Richtungen, die vielen Menschen waren nach der relativen Einsamkeit auf dem Track ein kleiner Schock. Trotzdem war es schön dort oben, und zu entdecken gab es auch eine Menge.











Wir hofften mit der Gondel zurückfahren zu können, ich konnte mir kaum vorstellen, auch wieder herunterzulaufen - und wenn, dann auf einem deutlich leichteren Weg. Für mittags war wieder mehr Wind angekündigt worden, doch er blieb aus, und die Seilbahn fuhr (bevor sie ihre Tätigkeit einstellt, wird dreimal ein Signal gegeben, und dann heißt es sich sputen). Es dauerte eine Weile, bis wir in der Gondel waren, die Warteschlange war lang. Einmal drin, schwebten wir binnen sechs Minuten nach unten. Auch spektakulär, aber kein Vergleich zu unserem Wandererlebnis.



Unten angelangt gingen wir zum Auto, das wir am frühen Morgen noch direkt an der Talstation hatten abstellen können. Nun herrschte Verkehrschaos und jede noch so kleine Lücke war zugeparkt.

Zurück beim Derwent House gaben wir uns spontan den Nachmittag frei und streckten am Pool alle Viere von uns. Am Abend bekochten uns Ingrid und Helmut, sie freuten sich über unsere gelungene Tour und feierten den Gipfelsturm ;-) mit uns. Schon wieder so ein perfekter Abschluss eines wunderschönen Tages.

Unser Fazit zum Aufstieg über den India-Venster-Trail: Ein relativ kurzer und direkter, aber keineswegs leichter Weg. Großer Unterhaltungswert, sehr abwechslungsreich und unbedingt lohnenswert, aber für nicht klettererfahrene Wanderer wie uns auch anspruchsvoll. Mit einer guten Fitness und unter professioneller Anleitung aber gut machbar. Schwindelfreiheit hilft, wirklich exponiert ist man aber nicht, wenn man nicht will. Sicherung ist nicht nötig, streckenweise sind Leitern und Ketten als Kletterhilfen vorhanden. Die Ausblicke sind fantastisch. Ein ebenso spannender wie schöner Trail. Es gibt aber auch jede Menge Alternativen, wie zum Beispiel den Kasteelspoort Trail (den glaube ich die franzickes gewandert sind). Und wer weiß: Vielleicht machen wir den auch nochmal.

Kleiner Überblick über ausgewählte Routen:
like2hike.capetown/d...elberg-wanderrouten/

Letzte Änderung: 25 Jun 2023 11:09 von Beatnick.
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24 Apr 2023 18:09 #665961
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Happy New Year und nordwärts

An unserem letzten vollen Tag in Kapstadt stellten wir uns keinen Wecker, waren aber trotzdem wieder einigermaßen früh auf den (von der Kletterei noch etwas schweren) Beinen. Das Frühstück war ein Hammer und wir genossen es umso mehr im Schatten auf der Veranda, als wir am Vortag wegen der Tour auf den Tafelberg nicht dazu gekommen waren.

Dann fuhren wir mit dem Auto in Richtung Waterfront, am Silvestermorgen war die Stadt wie leergefegt. Wahrscheinlich schonten alle ihre Kräfte für später. Das kam uns gut zupass, wir rutschten binnen weniger Minuten durch die City und parkten in der Tiefgarage beim Zeitz Mocca, dem größten Museen für zeitgenössische Kunst in Afrika.

Das Museum stand auf unserer Todo-Liste sehr weit oben, und das zu Recht. Schon die Architektur ist sehenswert, und die Atmosphäre in dem alten, umgebauten Getreidesilo speziell. Fast schon mystisch. Kurzum: Uns fiel ein wenig die Kinnlade herunter, als wir den gigantischen Bau betraten.



Wir rauschten im gläsernen Aufzug nach ganz oben und überblickten vom Dach die noch immer stille Stadt. Dann fokussierten wir uns vor allem auf die Ausstellung "When We See Us" mit Werken schwarzer Künstler aus den vergangenen 100 Jahren (noch bis zum 3. September 2023). Wieder ein Tipp von Ingrid und wieder ein richtig guter.

Der Titel ist in Anlehnung an die Netflix-Miniserie "When They See Us" (2019) entstanden, die wir uns vor einigen Jahren angeschaut haben. Auch das lohnt sich.



Als wir das magische Mega-Museum nach über zwei Stunden verließen, blinzelten wir in die Sonne. Zurück in der Realität. Es war heiß geworden, und wir waren ein wenig planlos. Mir fiel der Zettel ein, der am Vorabend auf meinem Kopfkissen gelegen hatte mit den üblichen drei Tipps des Tages. Ich hatte ihn instinktiv eingesteckt.

Wir liefen nun also hinein ins Gewusel bei der berühmten Victoria & Alfred Waterfront, wo es uns allerdings wie schon 2012 viel zu rummelig war, und auf möglichst direkter Route einmal quer durch. Unterwegs erstand Thomas in der Markthalle eine riesige Tüte mit dem besten Biltong, das ihm je untergekommen ist, es war so viel, er hatte tagelang etwas davon.

Wir ahnten nur die Richtung, erkannten aber hinter dem anderen Ende der Waterfront das Grand Africa Cafe & Beach wieder, wo wir den ersten Abend mit den franzickes verbracht hatten. Kurz dahinter fanden wir den gesuchten Oranjezicht City Farm Market. Ein wunderschöner Wochenmarkt mit regionalen Produkten, Ständen mit Essen aus aller Welt und toller Atmosphäre direkt am Meer. Wir kauften uns frischgepresste Säfte, mischten uns an den langen Bierbänken unter das kunterbunte Volk und ließen uns einfach anstecken von der guten Stimmung.

Als der Markt um 14 Uhr dichtmachte, liefen wir wieder quer durch die V&A Waterfront zum Parkhaus zurück. Unterwegs fielen uns die Seelöwen auf, die sich ungeachtet des Trubels um sie herum einen lauen Lenz machten und auf den Stegen räkelten. Eine Glaskasten zur Landseite schützt sie stellenweise vor allzu zudringlichen Besuchern.







Andere zogen im Wasser ihre Kreise oder tollten herum, einfach nur zum Spaß. Von oben konnten wir ihr entspanntes Treiben wunderbar beobachten.







Nur einmal wurde es hektisch, als sich zwei der Tiere plötzlich unverhofft auf einen vermeintlichen Artgenossen stürzten, der unterhalb des Steges auf den Felsen hockte. Er sah ohnehin schon ramponiert aus, dachte ich, mit seinem verstrubbelten Pelz. Erst bei seinem übereilten Rückzug ins Wasser erkannte ich am Schwanz und am Kopf, dass es sich nicht um eine Robbe (oder eine Ratte), sondern um einen Otter handelte. Thomas sah ihn auch und wollte noch ein Foto machen, doch er war auf und davon. Da waren wir platt.

Die Seelöwen waren nach dem kurzzeitigen Krawall schnell wieder im Floating-Modus, und es war so heiß, dass ich sie um ihr erfrischendes Bad ein wenig beneidete. Wiederum sah das Wasser nicht sehr einladend aus. Wir überließen sie schließlich ihrem Freizeitvergnügen und schlenderten weiter.



Noch nie waren wir in Bloubergstrand. Noch so etwas, das wir nachholen wollten, und das taten wir nun auch. Wir schafften es zügig heraus aus der Stadt, dann cruisten wir an der Küste mit dem langen, weißen Sandstrand entlang, jenseits der Bucht präsentierte sich der Tafelberg in voller Pracht. Für die Kitesurfer ist die Gegend ein Eldorado und ich war fast erstaunt, dass sie sich in dem Gewimmel nicht verhedderten.



Auf der anderen Seite der Straße ist dagegen vieles zugebaut und nicht unbedingt preisverdächtig schön, aber der Blick übers Wasser, der hat was. Wir parkten bei einer kleinen Feriensiedlung, wo es einen felsigen Abschnitt gibt und sich die Wellen spektakulär brechen.





In den natürlichen Pools fischten die Reiher und badeten die Kormorane, das hatte hohen Unterhaltungswert und gerne wären wir noch bis zum Sonnenuntergang bleiben. Doch es war der Silvesterabend und wir hatten etwas noch viel Besseres vor.









Auf dem Rückweg war der Verkehr stadteinwärts nun viel dichter geworden, das Partyvolk machte mobil. Auf dem Weg durchs Zentrum sahen wir Vorbereitungen auf die Neujahrsparade, aber auch viel Elend. Armut und Kriminalität seien in den vergangenen Jahren weiter hügelaufwärts gerückt, berichteten uns Einheimische.

In unserem Viertel unterhalb des Tafelbergs spürten wir davon nicht viel, ein Privileg, natürlich. Hotels und Häuser werden bewacht und der tapfere Wachmann vor unserer Herberge verabschiedete uns in den Abend, als wir uns zu Fuß auf den Weg zum nur wenige hundert Meter entfernten Cafe Paradiso machten, einem lässigen Klassiker in der Kloof Street.

Ingrid hatte einen Tisch reserviert, sie und Helmut waren schon da, und wir verbrachten einen herrlichen Abend mit tollen Gesprächen und richtig gutem Essen. Als wir um 23 Uhr eine weitere Flasche Wein bestellten, wunderten wir uns über den erstaunten Blick des Kellners und erst recht, als wir im Restaurant eine Viertelstunde später fast die letzten Gäste waren. Die Mitarbeiter stellten die Stühle auf die Tische. Hä? 45 Minuten vor dem Jahreswechsel?

Unser Fehler. Der Laden machte die Schotten um 23 Uhr dicht. So wie immer. Oha! Das hatten wir buchstäblich nicht auf der Uhr. Nun war Spontaneität gefragt, wir wackelten zurück zu unserem Hotel und stießen am Pool miteinander an. Das hatte auch seinen Reiz und war in der lauen Sommernacht urgemütlich.

Schließlich verabschiedeten sich unsere Freunde, zum Glück sollte es schon bald ein Wiedersehen geben. Nämlich am Ende unserer Reise, aber bis dahin war (leider und auch glücklicherweise) noch Zeit.

Für uns hieß es am nächsten Tag Abschied nehmen von Kapstadt. Wir hatten die Tage in vollen Zügen genossen, waren aber auch bereit für Neues. So früh am Neujahrsmorgen war kein Verkehr, noch einmal hielten wir bei Bloubergstrand, dann rollten wir auf der R27 weiter nordwärts.



Am 120 Kilometer von Kapstadt entfernten West Coast National Park bogen wir links ab, wir wollten zumindest einen Eindruck bekommen. Der war durchweg so positiv, dass wir beschlossen, irgendwann noch einmal wiederzukommen. Es gibt Bird Hides, Aussichtspunkte, die tolle türkisfarbene, an diesem Ferientag allzu belagerte Lagune und die Postberg-Sektion, die nur während der Blumenblüte von August bis September geöffnet ist. Zu dieser Jahreszeit wollen wir zurückkehren.





Grundsätzlich ist der Park eine Oase der Ruhe, das war auch diesmal so - mit eben Ausnahme der vielen badenden Urlauber rund um die Lagune. Besonders eindrucksvoll fanden wir Tsaarsbank Beach, wo der Atlantik mit voller Wucht gegen die Felsen kracht und sie unermüdlich rund schleift.







Wir liefen ab den Stränden entlang und in die Felsen, zwischen August und Oktober sollen sich hier Wale blicken lassen. Noch ein Grund, um wiederzukommen. Aber auch so sahen wir viele Tiere in dieser wilden Umgebung, vor allem Vögel, und wir ließen uns viel Zeit dabei, sie zu beobachten.





Wir hätten Stunden hier verbringen können, doch ich spürte, wie uns die Zeit weglief. Ich signalisierte Thomas, der Zeit und Raum vergessen hatte, "zehn Minuten noch". Er zog ein Gesicht, fügte sich aber in sein Schicksal. Sturer Westfale, der er ist, alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Ein letzter Blick zurück, dann ging es weiter. Wir mussten wieder fast ganz um die Lagune herum, um zum Parkausgang bei Langebaan zu gelangen, und das dauerte. Puh, wir hatten noch mehr als 150 Kilometer vor uns.



Wir entschieden uns dennoch, nicht über die N7 und Clanwilliam zu fahren, sondern hinter Piketberg auf die R366 und dann auf die R364 abzubiegen. Es war eine wunderschöne Fahrt durch herrliche, einsame Gegenden - zumindest vermeintlich.



Denn als wir die ersten Paradieskraniche unseres Lebens sahen, blieben wir mitten auf der Straße stehen, schließlich war weit und breit nichts und niemand in Sicht - dachten wir. Thomas sprang aus dem Auto und fotografierte, und ich beschloss schließlich, doch noch ein paar Meter weiter in einen kleinen Feldweg hineinzufahren und dort zu parken.

Kaum war auch ich ausgestiegen, steuerten zwei dicke Polizei-Bakkies mit Festbeleuchtung auf mich zu. Ich bekam einen Riesenschreck, wich instinktiv zurück und hob halb die Arme, doch die vier Polizisten, die nun in voller Montur auf mich zuliefen, winkten ab. Sie hatten uns (von wo auch immer) aus der Ferne beobachtet und waren nun nicht nur neugierig, was wir entdeckt hatten, sondern auch, wie die Qualität der Bilder sein würde.

Ich weiß nicht, was für Vorstellungen sie hatten. Aber sie waren ehrlich überrascht, was für ein Aufhebens wir um den südafrikanischen Nationalvogel machten. Und dürften die nächste Enttäuschung beim Blick auf den Monitor der Kamera erlebt haben, als sie Thomas umringten. Gegenlicht, Hitzeflimmern und die Vögel weit weg - da war nix herauszuholen. "Hmhmhm", machten sie. Gaben uns Tipps, wann und wo wir diese - für sie alltäglichen - Vögel entdecken könnten, verabschiedeten sich herzlich und brausten schließlich wieder so schnell ins Nichts zurück, wie sie daraus aufgetaucht waren. Ein sehr nettes, aber auch surreales Intermezzo.



Erstaunt, amüsiert und auch ein bisschen erleichtert gondelten wir weiter durch die grandiose Landschaft. Und nahmen uns einmal mehr vor, diesen Teil Südafrikas künftig noch einmal intensiver zu bereisen.

Am frühen Abend waren wir schließlich da. Bezogen unser Zimmer im Haupthaus der Grootvlei Guest Farm, das wir uns gewünscht hatten und das uns auch gut gefiel, und fuhren dann die paar Kilometer nach Lamberts Bay zurück. Wir hatten ein riesiges Loch im Magen und wollten zudem die Lage peilen. Ganz besonders beschäftigte uns die spannende Frage, ob wir die Vogelinsel mit ihrer großen Kaptölpel-Kolonie überhaupt würden besuchen können, wegen der wir gekommen waren. Der Zugang war zuletzt wegen Bauarbeiten gar nicht oder auch nur eingeschränkt möglich gewesen.

Wir parkten am Hafen, wo ein Damm zur drei Hektar kleinen Insel führt. Wir konnten die Vögel hören, vor allem aber riechen, sobald wir aus dem Auto kletterten. Der Guano verströmte eine strenge Note, an die wir uns erst gewöhnen mussten. Noch tagelang trugen unsere Klamotten einen leisen Hauch Eau de Guano. Auf den Dächern saßen Möwen und Kormorane, ganze Schwärme flogen über uns hinweg, und in der Ferne sahen wir Basstölpel dicht an dicht auf der Insel hocken - Vögel überall.



Das Kassenhäuschen hatte schon dichtgemacht, würde aber am Morgen seine Pforten öffnen. Wir waren erleichtert.

Blieb nur noch die Frage nach etwas Essbarem, die sich gar nicht so leicht beantworten ließ, denn in dem kleinen Fischerort sind Restaurants rar gesät. Isabellas Restaurant, wohl am bekanntesten und direkt gegenüber von Bird Island, hatte an dem Abend keine Speisen im Angebot, sondern nur Getränke (Loadshedding?). Roestyd gleich ums Eck sah verhalten vertrauenserweckend aus, aber mangels Alternativen versuchten wir unser Glück.

Der vierschrötige Wirt schickte uns zunächst wegen einer geschlossenen Gesellschaft weg, besann sich dann aber. Wahrscheinlich sahen wir verzweifelt aus. Wir setzten uns drinnen auf eine Holzbank, keine Speisekarte und kein Chichi, Thomas bekam eine Fleischplatte vom Grill und ich als Vegetarierin einen ganzen Berg Bratkartoffeln mit hausgemachtem Kartoffelsalat. Lecker! Wir waren im Paradies, und das ganz unverhofft.



Pappsatt, aber auch ein bisschen durchgefroren machten wir uns auf den Heimweg. Die Sonne schien, aber es war kalt an der rauen Atlantikküste, die so ganz anders war als alles in den Tagen zuvor. Ich fröstelte und freute mich nach dem langen Tag auf mein Bett. Aus dem Fenster blickten wir über die Dünen aufs Meer, ein spektakulärer Sonnenuntergang kündete von einer sternklaren Nacht. Als ich später ins Bad musste, waren die Sterne urplötzlich verschwunden. Ich konnte mir keinen rechten Reim darauf machen.
Letzte Änderung: 25 Apr 2023 23:46 von Beatnick.
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26 Apr 2023 21:31 #666053
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Vögel, Vögel und nochmals Vögel

Die Sterne waren in der Nacht glücklicherweise nicht dauerhaft von einem schwarzen Loch, sondern nur vorübergehend von Nebel verschluckt worden. Beim morgendlichen Blick aus dem Fenster war ich dennoch betrübt wegen der trüben Aussichten. Auch das Meer hatte sich in der Suppe verflüchtigt. Irgendwo da vorne musste es sein...



Aber nutzte ja nichts, wir standen trotzdem wie geplant mit den Hühnern auf - oder vielmehr mit den Kaptölpeln, derentwegen wir gekommen waren. Im Frühstücksraum waren wir die ersten Gäste und nach einem ordentlichen Rührei startklar. Wir fröstelten, als wir das Haus verließen. Nordseewetter. Swakop-Wetter. Oder beides. Kapuzenpulli, Jacke, Tuch für den Hals, hatten wir alles dabei und brauchten wir auch.

Lamberts Bay schön zu nennen, wäre die Übertreibung des Jahreshunderts. Der Nebel polierte den eher tristen Eindruck nicht gerade auf. Wir parkten direkt in der Hafenbucht, das Kassenhäuschen hatte schon geöffnet und wir zahlten gerade einmal 40 Rand (mittlerweile 50), etwas mehr als zwei Euro. Also fast nichts. Dafür bekommt man in unseren Augen eine Menge geboten.





Früher war Bird Island genau das: eine kleine Insel und nur bei Ebbe zu Fuß zu erreichen. Heute ist sie durch einen Wellenbrecherdamm mit dem Festland verbunden. Das ist zwar praktisch, aber auch zuweilen ein Problem, wenn sich Katzen oder andere Räuber den Laufsteg zunutze machen und in der Vogelkolonie auf Beutezug gehen.

Schon auf dem kurzen Weg hinüber wurden wir von Eindrücken fast erschlagen. Die Vögel waren überall. Flogen über und neben uns und veranstalteten ein Heidenspektakel. Dazu der strenge Geruch nach Guano - ich kam sensorisch kaum hinterher.



In den Felsen saßen Seeschwalben, common terns und die größeren, streng blickenden Greater crested terns. Die hatten wir vor allem in dieser Vielzahl auch noch nicht gesehen, und wir freuten uns jedes Mal, wenn sie in großen Scharen aufflogen.







Einen Überblick über die winzige Insel hatten wir uns schnell verschafft. Einst gab es hier auch Brillenpinguine, doch das ist lange vorbei. Sie sollen zwar nicht wieder angesiedelt, aber in einer geplanten Station auf der Insel bei Bedarf aufgepäppelt werden, erzählte uns die nette Dame an der Kasse - irgendwann. Wir meinten Hoffnung in ihrer Stimme zu hören, aber auch Zweifel. Das Örtchen schwimmt nicht gerade im Geld.

Wir gingen zum kleinen Beobachtungsturm und stiegen in den ersten Stock hinauf. Von dort hat man einen freien Blick über die Kolonie. Wow! Hinten auf den Felsen saßen lauter Robben, im Nebel kaum zu erkennen.



Wir hofften, dass sich der Vorhang lichten würde und fotografierten uns erst einmal warm. Buchstäblich, denn es war kalt und zugig - und alles andere als leicht, die Vögel im Flug zu erwischen, die einer nach dem anderen an uns vorbeischossen und ihre riskanten Manöver flogen.









Die Zeit verrann, wir bemerkten es kaum, und bekamen Gesellschaft von weiteren Hobby-Fotografen. Eine nette kleine Runde, wir erhielten Reisetipps und Einblicke ins Leben an der Atlantikküste, alles sehr interessant. Ein Fotograf aus Kapstadt, der wegen der Vögel regelmäßig nach Lamberts Bay kommt, berichtete uns vom schleichenden Niedergang der Kleinstadt mit ihrem einst bedeutenden Fischereihafen, den er seit Jahrzehnten beobachtet. Mit dem Fischfang ist in Zeiten weltweiter Überfischung kein Reibach mehr zu machen.

Wir mochten das ungeschminkte Lamberts Bay mit seinem rauen Westküsten-Charme und hoffen das Beste für seine Bewohner. Und auch für die Vogelkolonie, deren Schicksal mit dem der Ortschaft verknüpft sein dürfte.







Im Laufe des Vormittags lichtete sich der Nebel und es wurde heller, das freute uns sehr. 2020 hatten wir Helgoland mit seinen beeindruckenden Basstölpeln besucht. Für mich sahen die Kaptölpel identisch aus, doch es gibt Unterschiede. Zum Beispiel den längeren Kehlstreifen bei den Kaptölpeln im Vergleich zu ihren mitteleuropäischen Verwandten.



Kurzbericht Helgoland im Forum

Es existieren nur wenige Orte, an denen Kaptölpel (Cape Ganets) brüten, auf Bird Island findet man sie zwischen Oktober und Februar. Die Insel ist einer der wichtigsten Brutplätze für die leuchtend weißen, gansgroßen Vögel mit dem intensiven Blick.



Bis zu 30.000 Exemplare versammeln sich hier und bieten nicht nur einen grandiosen Anblick, sondern auch eine imposante Geräuschkulisse.



In der Luft herrscht reger Flugverkehr und auf dem Boden hocken die Tiere dichtgedrängt nebeneinander. Die Paare sind sich in der Regel ein Leben lang treu. Während der eine Partner auf das Ei oder das Junge aufpasst, ist der andere auf Futtersuche auf dem Meer.



Lässt sich einer der Vögel bei der Landung zielgenau bei seiner Familie auf den Boden plumpsen, gibt es jedes Mal ein riesiges Theater. Weil der Partner halb ruppig, halb liebevoll willkommen geheißen werden muss - und weil die Vögel ihr winziges Fleckchen Erde ausgesprochen aggressiv verteidigen. Mit langen Hälsen und blitzschnellem Hacken geht es aufdringlichen Nachbarn an den Kragen.





Kaptölpel-Nachwuchs mit flaumigem Federkleid


Zwischendurch ging ich zum Aufwärmen einen Stock tiefer und setzte mich auf eine Holzbank, wo eine (leider stellenweise verkratzte) Plexiglasscheibe andere Perspektive ermöglicht. Ich überlegte. Sie sind fraglos schön, diese großen Vögel, aber auch wunderlich. Zanken steht ganz oben auf ihrer Todo-Liste, meist (scheinbar) wegen Nichtigkeiten.

Hat einer etwas Interessantes mit seinem langen Schnabel aufgehoben, wollen es andere sofort haben, und es wird darum gerungen, bis es der Finder freiwillig zurücklegt. Dann will es plötzlich niemand mehr.



Ein Tier würgte sogar freiwillig hastig eine Feder hinunter, weil es sich in seiner Bedrängnis partout nicht davon trennen wollte. Es schluckte schwer daran. Aber vielleicht handelt es sich bei all dem auch gar nicht um Streit, sondern um Liebe?! Das soll ja manchmal dicht beieinander liegen...





Wir verbrachten Stunden bei der Kolonie. Erst am Vormittag, dann am Nachmittag, das Ticket galt den ganzen Tag.









Langweilig wurde es uns nicht, keine Minute, aber wir sind bestimmt auch ein bisschen verrückt. Die Kolonie ist permanent in Aufruhr, ein ständiges Kommen und Gehen und dann dieser Krawall!



In dem scheinbar undurchdringlichen Chaos gibt es dennoch eine Grundordnung. Weiter hinten bilden die Familien eine riesige WG, weiter vorne kabbeln sich die Junggesellen. Der freie Streifen vor dem Beobachtungsturm, wie mit dem Lineal gezogen, ist die Start- und manchmal auch Landebahn - und regelrecht aufgeräumt.

Das ist wahrscheinlich auch nötig, denn die Tölpel sind mit ihrer Spannweite von fast zwei Metern elegante und geschickte Flieger, aber Start und Landung zählen nicht zu ihren Stärken.





Platz da, jetzt komm' ich!




Irgendwann - und das ist kaum zu glauben - waren wir satt von den vielen Eindrücken. Erneut zog Nebel auf. Es war Zeit zu gehen.





Geschnatter und Gezeter begleiteten uns über den breiten Steindamm und bis fast ins Restaurant Isabellas's gegenüber von Bird Island.





Thomas liebäugelte mit Cray Fish, einer Langustenart und Spezialität der Westküste. Doch die Inhaberin schüttelte bedauernd den Kopf. Nichts zu machen. Der Bestand ist bedroht und steht streng unter Schutz. Ein Problem für die Fischer und die Bewohner der Küste, aber natürlich eine Notwendigkeit. Auch dieses Paradies ist schwer angeschlagen. Wir wollen dennoch wiederkommen - auch gerne für mehr als 50 Rand.

Letzte Änderung: 26 Apr 2023 21:52 von Beatnick.
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Kogelberg Nature Reserve I: Im Land des Fynbos

Am Morgen unserer Weiterreise war der Nebel nicht gewichen, sondern eher dichter geworden. Bei Sonnenschein hätten wir zumindest noch einmal kurz eine Stippvisite bei Bird Island eingelegt, so aber packten wir in Ruhe unseren Kram zusammen, frühstückten und verabschiedeten uns dann von der Grootvlei Guest Farm. Keine überragende, aber solide Unterkunft für unsere Zwecke.

Nur wenige Kilometer hinter Lamberts Bay fuhren wir landeinwärts aus der Nebelwand heraus. Wir kennen das aus Swakopmund. Von jetzt auf gleich war alles anders, und mit der Sonne kehrte die Wärme zurück. Nach und nach landeten Schal, Jacke und Pullover auf der Rücksitzbank.

Knapp 340 Kilometer lagen vor uns, für die wir viereinhalb bis fünf Stunden veranschlagten. Unser Ziel hieß Betty's Bay, genauer gesagt Kogelberg Nature Reserve, und wir freuten uns sehr darauf, war es doch als später Joker in die Routenplanung gerutscht. Wir fuhren bewusst über Clanwilliam und Citrusdal, das ließ uns die Schönheit der Zederberge zumindest erahnen und bestärkte uns in dem Wunsch, diese Gegend während einer künftigen Reise noch einmal intensiver zu erkunden.

Die R44 führte uns geradewegs südwärts und schließlich durch die Winelands, vorbei an Stellenbosch, dem Endpunkt unserer Reise. Doch bis dahin war noch ganz viel Zeit - zum Glück.

Hinter Gordon's Bay wurde es spektakulär, als wir die letzten Kilometer auf dem Clarence Drive fuhren. Eine unglaublich schöne Panoramastraße mit atemberaubenden Ausblicken.



Die Kogelberg Mountains fallen hier stellenweise direkt bis ins Meer.



Bei Betty's Bay stoppten wir und kauften ein, die nächsten beiden Tage würden wir erstmals auf dieser Reise Selbstversorger sein. Die Gegend ist wunderschön, aber auch entsprechend beliebt, und so bildeten sich in der Ferienzeit lange Schlangen an der Kasse. Ich schaute ungeduldig auf die Uhr. So langsam geriet mein Zeitplan aus den Fugen. Um 16 Uhr schließt das Kogelberg Nature Reserve seine Pforten, und wir mussten rechtzeitig einchecken (heraus kann man als Tagesbesucher auch später, als Übernachtungsgast anhand eines Codes sowieso).



Die Einfahrt ins 18.000 Hektar große Natur-Reservat, die ein wenig versteckt kurz vor Kleinmond in einer Kurve liegt, verpassten wir um ein Haar. Erst im letzten Moment sahen wir das braune Schild. Kaum nach links abgebogen, betraten wir eine andere Welt. Ein verwunschenes, stilles Tal innerhalb der Hottentots-Holland-Bergkette und ziemlicher Kontrast zum Ferienhaus-am-Meer-Idyll, aus dem wir gerade kamen.







Von der Hauptstraße aus sind es zwei Kilometer bis zum Gate und dann ist es noch einmal ein Kilometer bis zum Nature Reserve Office. Dort checkten wir ein und fuhren schließlich noch ein kurzes Stückchen weiter bis zu einem kleinen Parkplatz. Ich hatte die Oudebosch Eco Cabins im Herzen der Fynbosregion per Zufall im Internet entdeckt und wollte sofort hin.

Die kleine Ansammlung von Hütten erinnert an Hobbiton, die Umgebung an die schottischen Highlands - zumindest, bis wir eine große Gruppe Paviane entdeckten, die friedlich auf dem Hügel hinter unserem Chalet hockte. Die Tiere nahmen Reißaus, sobald ich die Terrasse betrat. Sorry, guys! Dennoch ein gutes Zeichen. Offenbar war noch niemand so verrückt gewesen, sie zu füttern.



Die Anlage umfasst fünf moderne Chalets mit viel Glas und Holz, die sich um einen kleinen Bio-Pool mit torfigem, aber dennoch einladendem Wasser gruppieren. Neben uns bewohnte eine nette indisch-südafrikanische Familie aus Joburg zwei Häuschen, ein weiteres bezog ein junges Paar mit Kleinkind, das später noch eine größere Rolle für mich spielen sollte. Nur die Honeymooner-Hütte blieb frei.

Jede Unit ist in sich geschlossen und besteht aus zwei Teilen: einer großen Wohnküche auf der einen und einem Trakt mit zwei Schlafzimmern auf der anderen Seite.







Die bepflanzten Dächer sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern dienen auch der Isolierung, und die Anlage hat schon Preise für nachhaltiges Bauen mit erneuerbaren Materialien gewonnen. Besonders beeindruckt war ich von der Komposttoilette im geschmackvollen Bad, die ohne Wasser auskommt. Man schaufelt einfach aus einem kleinen Eimer zwei Schüppchen Torf hinterher, fertig. Eine nicht nur ökologisch einwandfreie, sondern auch überraschend geruchsneutrale Methode.

Wir fühlten uns auf Anhieb wohl, trotz durchaus vorhandener Mängel zum Beispiel im (allerdings perfekt ausgestatteten) Küchenbereich. Wie an der riesigen Schiebetür, die aus der Schiene gesprungen und daher sehr schwergängig war. Ein dicker Sprung in der Scheibe. Und der Geruch nach Fett, der vom vielen Braten und Grillen stammt und sich offenbar festgesetzt hat.

Doch wirklich ins Gewicht fiel das nicht. Das Ambiente ist schlichtweg großartig, und die Umgebung sowieso. Die europäischen Siedler hatten das bergige Gebiet einst als zu wild und rau für die Landwirtschaft befunden, und so blieb es nahezu unberührt.







Die Ruhe und Abgeschiedenheit, der Ausblick auf die schroffen Berge und die Naturnähe nahmen uns sofort gefangen. Eine üppig grüne und bezaubernde Landschaft, voller Fynbos, Vögel und anderer interessanter Bewohner.









Wir richteten uns in Windeseile ein, denn wir wollten noch einmal los zur Pinguinkolonie bei Betty's Bay. Die kleine Gemeinde unterhalb des Kogelberg Nature Reserve, aus der wir zuvor auch gekommen waren, ist gut 15 Minuten entfernt.





Der Zugang zum Schutzgebiet bei Stony Point hatte schon geschlossen, aber die Brillenpinguine sind auch in direkter Umgebung überall zu finden und wunderbar zu beobachten.

Früher war es wohl möglich, einfach zwischen ihnen umherzugehen. Heute gibt es eine Abtrennung, und das ist bestimmt auch gut so, auch wenn hier viel weniger Trubel herrscht als am Boulders Beach.

Das Setting ist grandios, vorne die Pinguine, der Strand und das Meer, im Hintergrund die Berge.







Es war schon nach 17 Uhr, als wir ankamen, und die Pinguine beendeten ihr Tagewerk. Nach und nach kamen sie aus dem Wasser.





Auch die normalerweise scheuen Klippschliefer räkelten sich direkt vor unserer Nase auf den von der Sonne gewärmten Steinen. Nur wenige andere Touristen waren um diese Uhrzeit noch da, eine friedliche Stimmung.









Viele Pinguine machten sich auf den Weg zu ihren Nistplätzen und wir mussten aufpassen, dass wir sie im Blick behielten und ihnen den Vortritt ließen. Überall um uns herum wuselte es.

Rechts vor links!


Einzeln oder in Kolonnen wackelten sie an uns vorbei und auf die dichten Sträucher zu, die hier überall wachsen. Manche wohnen direkt Parkplatz und man muss beim Wegfahren gut aufpassen, dass sich kein Tier unter dem Auto verborgen hält.



Überhaupt hat nicht jeder ein Appartement in erster Reihe mit Meerblick erwischt. Eine eigens für die Vögel konstruierte Leiter führt in den etwas weiter hinten und höher gelegenen ersten Stock. Die Tiere sind auch ohne Hände überraschend behände.



Feierabend!


Nach rund eineinhalb Stunden fuhren wir das kurze Stück zum Kogelberg zurück. Zu den Pinguinen wollten wir noch einmal zurückkehren, mal sehen, wann das am besten passte.





Abends kochten wir, öffneten in der Küche die riesige Glasfront und beobachteten, wie sich die Dunkelheit über das Tal senkte. Zwei Mangusten huschten vorbei, und die Insekten begannen ihr Nachtkonzert. Was für ein herrlicher Ort!
Letzte Änderung: 30 Apr 2023 11:06 von Beatnick.
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