Auf den Fuchs gekommen
Der Abschied aus Seydisfjördur wird uns nach zwei wunderbaren Tagen leicht gemacht. Den Pass hinter dem Ort, wo es am Vortag noch so aussah,...
...überqueren wir nun gefühlt im Blindflug.
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.
Wir haben nur 135 Kilometer vor uns und alle Zeit der Welt, weshalb ich einen Abstecher zum 60 Kilometer entfernten Hengifoss eingeplant hatte, der ein wenig abseits der üblichen Touristenrouten liegt. Doch bei diesem Wetter? Wir sind unschlüssig...
Allerdings, in Island weiß man ja nie, wir überlegen hin und her und fahren schließlich doch zum südwestlichen Ende des Lagarfljot-Sees, wo der Wasserfall hoch über dem Tal in den Felsen thront. Bis zum Parkplatz an der Straße 931, die von Egilsstadir rund um den See führt, hat sich die Lage kaum verändert, es nieselt, pfui Spinne, mein Ding ist das nicht, doch immerhin ist der Wasserfall von unten zu sehen und nicht von Wolken verhangen. Eine Familie geht an uns vorbei, kleine Kinder, wasserdicht verpackt, also wirklich, wenn die das schaffen... Wir schultern die Rucksäcke und gehen den 45-minütigen steilen, aber dennoch leichten Aufstieg tapfer an.
Ein erster Stopp am attraktiven Wasserfall Litlanesfoss macht Hoffnung, kein Regen mehr, immerhin.
Wir gehen weiter, der Hengifoss (=hängender Wasserfall) rückt näher, sein Tosen auch, aus rund 130 m stürzt er in die Tiefe und ist damit der dritthöchste Wasserfall der Insel.
Dann zeigt sich sogar die Sonne, bloß gut, dass wir uns überwunden haben. Das Glück und die Tüchtigen, man weiß ja, wie das läuft (manchmal zumindest
), wir freuen uns und sind begeistert von der Kulisse.
Thomas klettert über Geröll und einen Bach näher heran, ich setzte mich auf einen Felsen und staune. Auch über die roten Streifen im Gestein, die Natur macht schon wundersame Sachen.
Wir bleiben lange, wie so oft, auch weiter unten am Litlanesfoss mit seinen beeindruckenden Basaltsäulen. Sieht aus wie von Menschenhand gemacht, ist es aber nicht, ein Wunder, schon wieder.
Zurück am Auto sind wir happy, das Timing war goldrichtig, der Regen kehrt zurück und begleitet uns durch menschenleere Gegenden, die zunächst grün sind und dann schwarz. Der Schicksalsberg gehört nach Neuseeland, das weiß ich genau, sonst würde ich Ausschau halten nach Sam, Frodo und dem verhängnisvollen Schatzzzzzzz.
Wir biegen ab von der Ringstraße auf die Schotterpiste 901. Nur acht Kilometer sind es nach Mödrudalur, dem höchstgelegenen Hof Islands auf 469 m inmitten der weiten Ebene Mödrudalsöræfi.
Der Himmel ist verhangen und uns dennoch gnädig, der 1.682 m hohe Tafelvulkan Herdubreid zeigt seine unverwechselbare Silhouette. Anders als im Vorjahr, da hatte sich die Königin der isländischen Berge bei unserem Kaffeestopp in Mödrudalur hinter Wolken versteckt.
Mödrudalur ist das Tor zum Hochland, und die wüstenartige Landschaft faszinierte mich 2019 so sehr, dass ich unbedingt einmal in einem der Grassodenhäuser auf dem Hof übernachten wollte. Ich hatte mit einem schlichten Zimmer gerechnet, doch das Gegenteil ist der Fall. Rustikal, aber stylisch, mit Blick vom Bett auf den Herdubreid - , ich bin hin und weg; auch von der riesigen Gemeinschaftsküche, deren gemütliche Kaminecke bevölkert ist von isländischen Familien in dicken Socken. Ein Haus betreten in Schuhen, auf Island ein No-Go.
Unsere Unterkunft Fjalladyrd in Mödrudalur
Nebenan auf der Wiese huscht etwas. Thomas ist irritiert, ich auch, dann Begeisterung: drei kleine Polarfüchse, wir hätten nicht gedacht, welche zu sehen; wir stürmen nach draußen, die Kameras im Anschlag, die Schuhe hatten wir anbehalten, nicht sehr isländisch, aber ein Glück.
Die Racker sind unsere Nachbarn, ihr Bau ist nur wenige Meter entfernt. Scheu sind sie nicht, wenn auch nicht handzahm.
Wir werden sie noch ein paarmal sehen, sie sollen verwaist sein, was angeblich häufiger vorkommt. Ich hoffe, das sind wahre Geschichten und die Kleinen nicht nur eine Touristen-Attraktion. Süß sind sie allemal und augenscheinlich auch mit ihrem Los zufrieden.
Polarfuchs, auf den (etwas konsternierten Hof-)Hund gekommen
Obwohl nicht weit von der Ringstraße, wirkt Mödrudalur vollkommen abgelegen. Das Flair ist ländlich und idyllisch, das urige Restaurant Fjallakaffi bekannt für Lammgerichte und isländische Spezialitäten; wenn auch nicht für Vegetarier, für die der Farmer nicht viel übrig hat. Fleisch ist sein Gemüse.
Wir sagen den Füchsen Gute Nacht...
...und schlafen wie die Babys. Schade, dass es am nächsten Tag schon weitergeht.
Wenn auch nicht ganz so bald, denn nach dem Frühstück haben wir Pläne. Hinter dem Campingplatz beginnt ein schöner, wenig begangener Wanderweg, der mit Holzpflöcken gekennzeichnet ist und mitten hineinführt in die verwunschene Ebene.
Der Pfad ist zugewuchert und manchmal kaum zu erkennen, die Natur wild und unberührt. Es ist ein Traum, auch ohne Blick auf den Herdubreid, der sich am Morgen nicht zeigt.
Vögel sind unsere einzigen Begleiter,...
...die eine oder andere Brücke existiert nicht mehr, doch es finden sich immer Stellen, an denen die Bäche überquert werden können. Schließlich kehren wir schweren Herzens um, es wird Zeit, und ich bedaure, dass wir nicht noch eine zweite Nacht eingeplant haben.
Wir verabschieden uns von den Füchsen, die sich an diesem Tag etwas weiter auf die Ebene hinausgewagt haben,...
...dann geht's zurück auf die Ringstraße und westwärts zum Myvatn, dem Mückensee.