In die Westfjorde
Die isländischen Westfjorde - viel haben wir darüber gehört und gelesen. Abgelegen, einsam, ursprünglich sollen sie sein und auch abseits der üblichen Touristenpfade. Das klingt gut und wir sind gespannt auf den ältesten Teil des Landes, in dem die Vulkane schon lange erloschen sind.
170 Kilometer sind es von Laugarbakki nach Drangsnes, unserem ersten Übernachtungsstopp in den Westfjorden. Über eine gute Schotterpiste geht es immer an der Küste entlang, wir umrunden malerische Fjorde und werden einmal mehr mit fantastischen Ausblicken belohnt.
Immer wieder halten wir an. Weil die dünn besiedelten Landstriche so schön...
...und wild sind wie die Frisuren ihrer haarigen Bewohner.
Wir sind mal wieder ein Bummelzug. Der Weg ist das Ziel, hier noch mehr als ohnehin schon auf dieser Reise, denn die Gegend an sich ist eine einzige Sehenswürdigkeit. Schöner geht's kaum.
Der Ort Holmavik kurz vor Drangsnes
Trotzdem kommen wir schon mittags in Drangsnes an und drehen noch eine Extraschleife über die raue 645 in Richtung Norden.
Eine tolle Strecke: bröckelige Felswände und Buchten voller Treibholz, unglaubliche Stille und das Gefühl absoluter Abgeschiedenheit.
Noch weiter nach Norden auf der 643 entlang der viel gelobten Strandir Coast drehen wir schließlich um. Die Piste ist schlecht und die Umgebung nicht schöner als das, was wir bislang gesehen haben.
Im winzigen Drangsnes beziehen wir im Malarhorn Guesthouse ein rustikales, aber großes Zimmer mit Blick auf eine versteinerte Trollfrau in die eine und auf die vorgelagerte Insel Grimsey in die andere Richtung.
Gute Planung ist bekanntlich alles, aber diese Insel ist mir irgendwie durchgerutscht. Zweimal am Tag schippert ein kleines Boot hinüber zum unbewohnten, privaten Eiland, das ein wahres Vogelparadies und im Sommer Heimat Tausender Papageitaucher ist. Eine Stunde früher, und wir hätten die Nachmittagstour bei bestem Wetter noch erwischt.
So verbringen wir einen entspannten Resttag in dem verschlafenen Fischerort, in dem - im besten Sinne - der Hund verfroren ist.
Die Uhren ticken spürbar anders. Als wir an der Rezeption ein Ticket für die Bootstour am nächsten Morgen buchen wollen, ernten wir erstaunte Blicke. Das sei ganz und gar unnötig, versichern unsere freundlichen Gastgeber, wir sollen einfach am nächsten Morgen um 9 Uhr am Ableger sein. Kein Stress, keine Eile, anders als zum Beispiel an der Südküste, wo rechtzeitige Reservierungen fast schon eine Notwendigkeit sind, und auch anders als Zuhause. Fühlt sich nach Urlaub an. Und nach etwas, worum ich die Einheimischen insgeheim beneide: Ruhe und Gelassenheit.
Die Stimmung im knackvollen Restaurant unseres Gästehauses ist entspannt und das Essen hervorragend, wer ahnt denn sowas am gefühlten Ende der Welt? Thomas schwärmt vom fangfrischen Fisch, der ihm vom ebenso sympathischen wie exzentrischen Chef ans Herz gelegt worden war. Ein Alt-Punk mit Beatles-Fimmel, eine merkwürdige Mischung, Pilzköpfe auf seinem T-Sirt, an den Wänden und aus den Boxen. The Long And Winding Road, irgendwie passend für die Westfjorde...
Am nächsten Morgen ist es nicht mehr sonnig, aber weiterhin trocken, wir packen zusammen, frühstücken schnell und gehen die wenigen Meter hinunter zum Mini-Hafen, wo uns der Kapitän Marke "Seebär" auf seinen antiken Kutter lotst. Nur zwei weitere Paare sind mit an Bord, und kaum haben wir den Hafen verlassen, sind wir umringt von Vögeln.
Es ist nur ein Katzensprung hinüber, wir fahren erst ein Stück um die Insel herum, können den Kormoranen und Dreizehenmöwen direkt ins Nest schauen...
...und klettern dann an Land. Nichts als Felsen, Gras und Vögel. Ein Paradies, unberührt und wild, es riecht nach Wiese und Vogelkäfig.
Aaaachtung! Wachtposten am Anleger
Der Bootsführer gibt uns zwei Stunden, dann sollen wir wieder am Steg sein, und außerdem grobe Anweisungen. Nicht zu nah an die Klippen gehen, nicht zu unserem Schutz, sondern dem der Papageitaucher, und auf jeden Schritt achten, denn einen Weg gibt es nicht und das Gelände ist uneben. Wir stehen etwas unschlüssig in der Gegend herum, aber das war's. Er lächelt freundlich, worauf wartet ihr?
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und wate voran durchs hohe Gras, am Abend werden wir uns nach Zecken absuchen, zum Glück ohne Erfolg. Erst auf der Rückfahrt erfahren wir, dass der Guide krank geworden ist und normalerweise bei den Touren dabei. Ich weiß nicht, inwieweit Dinge dann anders laufen.
Wir genießen jedenfalls unsere Freiheit, fühlen uns wie Robinson und schon wieder wie im Wunderland. Erst an der Steilküste, später am Strand gehen wir entlang, überall Puffins, die Schnäbel voller Fische. Grimsey ist wohl auch für sie ein richtig guter Ort, ihre Anzahl soll konstant hoch sein im Gegensatz zu Südisland.
Die Zeit vergeht wie im Flug, ein grandioser Ausflug, am Mittag kehren wir zurück, setzen uns ins Auto und fahren weiter hinein in die Westjorde. Unser nächstes Ziel heißt Isafjördur, Islands wohl abgelegenste Metropole 235 Kilometer westwärts.