Da ist was im Busch
Ich liebe die Mittagszeit im Camp. Obwohl (oder gerade deshalb?) im Alltag ein durch und durch urbaner Mensch, sauge ich die Naturgeräusche und die Ruhe auf wie ein Schwamm. Schon abends ist es hier ein Traum - aber mittags noch entspannter, weil viele Gäste ganztägig unterwegs sind. Wir hätten ebenfalls diese Möglichkeit. Doch auch wenn wir sonst auf Safari den Hals nicht vollkriegen, liebäugeln wir diesmal nicht ernsthaft damit. Zu schön ist diese Auszeit in den sonnigen Mittagsstunden.
Wenige Meter hinter unserem Zelt endet das Camp-Gelände, dort bietet ein kleiner Aussichtspunkt freien Blick auf den Fluss und das gegenüberliegende Ufer. Nach dem Essen setzen wir uns dort auf die Felsen, das Buschfeeling ist perfekt.
Vor uns die Hippos, um uns herum schwirren Vögel und Schmetterlinge - ich könnte wohl Wochen hier verbringen, ohne auch nur einen Fuß aus dem Camp zu setzen.
Mein Schönheitsschläfchen findet an diesem Tag allerdings ein jähes Ende. Es raschelt und fiept ums Zelt herum - oha, Ratten im Camp!
Bloß gut, dass mein vom Schlaf umnebeltes Gehirn Korrektur meldet: Eine Riesenbande Zwergmangusten scharrt und buddelt um uns herum. Thomas schleicht sich auf die Terrasse und ich beobachte das Treiben ganz bequem vom Bett aus. Das nenne ich Luxus!
Um 16 Uhr ruft die Pflicht, der Nachmittagsdrive beginnt mit Elefanten, fast schon eine Rarität zu dieser Jahreszeit. Die Dickhäuter scheinen für die Gnus nicht viel übrig zu haben und suchen während der Migration in aller Regel das Weite.
Ones hat von einem weiteren Leoparden gehört. Wir fahren eine ganze Weile, wohl bis ins Randgebiet der Mara, vorbei an winkenden Masai-Kindern und ihren Herden. Nicht weit davon entfernt finden wir den Leo - zumindest in der Theorie. Sehen können wir die Katze praktisch nicht. Damit ergeht es uns wie so ziemlich allen anderen, die Leopardin ist gut im Baum verborgen, das Licht bei mittlerweile wieder zunehmender Bewölkung denkbar schlecht. Erst als viele in der einmal mehr stattlichen Autoansammlung schon entnervt aufgegeben haben, weil sie mit ihren Handys kein brauchbares Selfie zuwege bringen, rücken wir vor in die erste Reihe und können sie entdecken.
Wir sind durch einen Graben und viel Grün von dem schönen Tier getrennt, was gut ist, denn diese natürliche Barriere sorgt trotz der Rangiererei in unserem Rücken für Distanz. Dass die Leopardin aktiv wird, steht allerdings in Anbetracht des Trubels nicht zu erwarten. Die Ranger tauchen auf, der Verkehrsknoten löst sich in Windeseile auf, nur wir und ein weiterer Jeep hinter uns bleiben stehen. Ones erklärt, wir befänden uns auf einem Weg. Ach so? Selten konnte ich Weg und Wildnis so schlecht voneinander unterscheiden wie in der Mara.
Kaum sind die Ranger verschwunden, sammeln sich die Autos wie magnetisch angezogen auf der anderen Seite des Grabens. Die Leopardin ist Mutter zweier Teenager-Cubs, erklärt Ones, wahrscheinlich fahnden die anderen nun nach ihnen. Es dämmert schon, wir nehmen nicht an, dass noch etwas passiert, und bleiben einfach stehen. Da ist plötzlich was im Busch. Ein hohes Fiepen, wieder Mangusten, panisch. Wohl das Werk eines der Halbstarken, die Mutter sprintet von ihrem Hochsitz herab und checkt die Lage. Die Show ist so schnell beendet, wie sie begonnen hat, gleich kehrt wieder Ruhe ein.
Den Abend verbringen wir mit Sam, einem Kenianer, den wir am von mir heißgeliebten Lagerfeuer kennen lernen. Er ist seit Jahren als Buschflieger vornehmlich in Tansania, Botswana, Sambia und Kenia unterwegs. Stundenlang reden wir über Afrika; Politik, Gesellschaft und natürlich Safaris - mit all ihren Vorzügen, aber auch Auswüchsen. Beides wird uns hier ungewohnt deutlich vor Augen geführt.