Ein Fressen für die Geier
In der Nacht habe ich ein bisschen gefröstelt und war froh über die Wärmflasche, die wir Abend für Abend im Bett finden. Bisher habe ich davon immer nur gehört oder gelesen - ein toller Service, ich könnte mich glatt dran gewöhnen.
Verwöhnprogramm für Weicheier? Da lachen ja die Hippos.
Frühes Aufstehen, kaltes Wasser, stinkige Brühe: Banalitäten, die ihnen glatt am breiten Hinterteil vorbeigehen.
Unsere erste nennenswerte Sichtung ist ein Löwenmann. Er hatte wohl eine harte Nachtschicht. Jedenfalls wirkt er ein wenig abgespannt, aber auch ziemlich imposant. Vorsorglich rühre ich mich keinen Zentimeter auf meinem Sitz. Man weiß ja nie, wie die Stimmung so ist nach wenig Schlaf.
Kaum ist die Sonne aufgegangen, verschwindet sie auch schon wieder hinter den Wolken. Hätte ich drei Wünsche frei, wäre einer davon sicher Licht.
Die Nacht hat Spuren hinterlassen. Marabus, Geier und eine Hyäne zanken um die Reste eines Gnus. Ein nicht immer appetitliches, aber unterhaltsames Frühstücksprogramm.
Die Hyäne legt einen Tanz hin wie Snoopy, um sich die Vögel vom Leib zu halten...
...gibt aber schließlich entnervt auf. Einen Teil der Beute schleppt sie mühsam weg, der Rest ist ein Fressen für die Geier.
Wieder fahren wir ziemlich weit südlich an den Mara-River. Es wird nun wärmer und heller, in der Ferne ziehen Gnus über die Hügel in unsere Richtung.
Das kann dauern. Macht aber nix, um uns herum ist ziemlich was los.
Endlich haben sich die Gnus in einiger Entfernung eng am Ufer zusammengedrängt. Ones hat die Hand schon am Zündschlüssel, um im Fall der Fälle schnell reagieren zu können. Dann löst sich das Gnu-Gewirr auf.
Also wieder warten.
Das Verhalten dieser Tiere ist kaum vorhersehbar, das haben wir mittlerweile gelernt. Ständig geraten sie aus dem Konzept, ändern ohne ersichtlichen Grund ihre Meinung. Die Herde wabert hin und her, irgendwann ist klar: Das wird nichts.
Wir fahren in Richtung Camp und kommen dort vorbei, wo wir schon einmal zumindest ein halbes Crossing beobachten konnten. Es sind einige Gnus da, aber auch sehr viele Autos. Es wird wild rangiert, wir schlucken jede Menge Staub. Wir reden nur darüber, andere tun etwas gegen die trockene Kehle: Links von uns wird eine Flasche Sekt geköpft, rechts gibt's Dosenbier und jede Menge Klönschnack. Jeder, wie er mag. Aber ich sag's mal in der Sportsprache: Fachpublikum ist das hier nicht.
Wir bitten Ones, die Party vorzeitig zu verlassen, und sind mit dieser Entscheidung und dem Vormittag eigentlich ganz zufrieden. Es waren schöne Sichtungen dabei und ein paar Tage haben wir ja auch noch. Aber so ein richtig tolles Crossing, das brennt mir doch langsam unter den Nägeln...