Die Jagd
Es ist wie immer noch dunkel, als wir morgens an unserem Zelt abgeholt und zum Wagen begleitet werden. Aber mild, und so können wir uns ziemlich schnell aus unseren Jacken schälen. Für mich als bekennende Frostbeule fängt der Tag damit schon mal gut an.
Ein einsamer Löwenmann steuert erst in unsere Richtung und läuft dann direkt am Auto vorbei. Im Gesicht ist er ganz schön vermackelt, das Leben in der Mara ist kein Ponyhof ...
Nach dem überfüllten Crossing am Vortag hatten wir beschlossen, unsere Strategie zu ändern und antizyklisch an die Sache heranzugehen. Die beste Zeit für die Flussüberquerungen, so heißt es, liegt zwischen 10 und 12 Uhr. Aber diese merkwürdigen Gnus sind wirr, da weiß man nie, und so gehen diese Spektakel zuweilen sogar nachts über die Bühne. Wir wollen also unser Glück am Nachmittag versuchen, um so möglicherweise dem Rummel zu entgehen.
Wir geraten allerdings in einen anderen. Wir haben keine Ahnung, was Ones an diesem Vormittag vorhat und fragen auch nicht, aber sein Ziel sind die fünf Geparde. Als wir fündig werden, streifen sie entspannt durch die Gegend und sind wieder ein faszinierender Anblick.
Dass wir ihn mit vielen anderen Menschen teilen, versteht sich fast von selbst. Aber diesmal ist so manches anders, denn der weiße Jeep der Ranger verbreitet schon durch seine bloße Anwesenheit Angst und Schrecken.
Die Methode ist relativ schlicht, aber effektiv: Die Ordnungshüter machen Fotos von den Autos, die abseits des Weges stehen und fangen diese dann entweder direkt am Ort ab oder schicken ihnen unangenehme Post. Ob es dabei immer mit rechten Dingen zugeht, möchte ich leise bezweifeln. So berichteten unsere beiden deutschen Camp-Freundinnen von einer Situation, als ihr Fahrer die Wahl hatte, entweder den Weg zum Office einzuschlagen oder direkt bei den Rangern bar zu bezahlen - die deutlich preisgünstigere Variante ...
Alle halten sich brav an die Regeln, was gleich viel weniger Stress bedeutet. Zumal Ones wie schon bei der ersten Begegnung den anderen Autos immer ein Stück vorauseilt. Seine Stärken, das haben wir längst erkannt, liegen deutlich im fahrerischen Bereich, beim "Spotten" dagegen ahnen wir leichte Defizite.
Die Tiere halten sich ziemlich lange parallel zum Weg, einen rechten Plan haben sie scheinbar nicht.
Und immer wieder Pinkelpäuschen. Sind so richtige Obermacker, diese Kater.
Der bewusste Baum wird übrigens einen Tag später Schauplatz unseres morgendlichen Picknicks.
Eine ganze Weile beobachten wir die Fünf und sind von ihrer Show begeistert! An einer Weggabelung biegen wir schließlich ab. Uns reicht es eigentlich, es ist ja auch ziemlich voll, Ones zögert. Wir lassen das Schicksal entscheiden. Laufen die Cheetahs geradeaus oder nach rechts, fahren wir weiter. Folgen sie uns, bleiben wir noch.
Ones hat uns strategisch günstig in der Nähe von Gnus platziert. Die haben gerade keinen Blick für uns und alle Hände voll zu tun ...
Die Geparde laufen tatsächlich in unsere Richtung, registrieren die Gnus, verteilen sich - und dann geht plötzlich alles ganz schnell.
Ein Gepard stürmt auf die Gnus zu und guckt ein Jungtier aus, ...
... hat allerdings die Rechnung ohne die Mutter gemacht, die energisch einschreitet.
Nun übernimmt ein Trio, wir sind völlig elektrisiert, denn das Geschehen spielt sich nun in unmittelbarer Nähe unseres Autos ab.
Ich bin komplett gebannt von den Ereignissen vor meiner Nase, da rauscht etwas durchs Bild. Ein Jeep, er rast mit Vollspeed direkt neben den Tieren her. Rücksichtslos, gegen jede Regel, unverschämt. Wir sind erst völlig verdattert, dann außer uns vor Wut. Zumal wir zunächst denken, dass dieser Wild-West-Stunt den Tieren die Jagd vermasselt hat - was nicht der Fall ist, wie später die Fotos zeigen, sie hätten das Gnu ohnehin knapp verpasst. Viel besser macht es diese Ungehörigkeit allerdings nicht. Wo sind die Ranger, wenn man sie braucht?
Der Jeep braust quer durch die Savanne davon, wir sind absolut fassungslos - und fragen uns vergeblich, was Zweck dieser dreisten Aktion war. Jeder Fotoversuch geht bei hohem Tempo auf diesem holprigem Boden grandios in die Hose, ohnehin hatten die Touris erkennbar lange Brennweiten an Bord.
Es dauert lange, bis meine akuteste Wut verraucht ist. Gleichzeitig bin ich glücklich über diese einmalige Szene, die uns bis heute begeistert. Vorwärts, rückwärts und einmal um die eigene Achse - willkommen in der Achterbahn!