22. September, Teil I: The Spotted Cat
Livingstone hatte am Abend trotz des regnerischen Wetters auf eine frühe Abfahrt am Morgen gedrängt. Noch früher als sonst also, denn der etwas weitere Weg führt uns wieder in die Gegend, wo wir tags zuvor schon gewesen und aus der wir - in den Augen unseres Guides - mehr oder minder unverrichteter Dinge wieder zurückgekehrt waren.
Es ist kühl und klamm, als uns der der mittlerweile schon vertraute Massai noch im Finsteren an unserem Zelt einsammelt. Noch immer ist der dunkle Himmel wolkenverhangen, doch die gefürchtete Black Cotton Soil bleibt uns (noch) erspart. Rund ums Malaika Camp ist es etwas rutschig, doch das legt sich schon nach wenigen Kilometern, weil der nächtliche Regen wie anscheinend häufig in der Mara sehr lokal geblieben war.
Wieder geht es in Richtung tansanischer Grenze im Süden, wo wir unsere Suche nach der "Spotted Cat" an der Stelle fortsetzen, wo wir am Vortag aufgehört hatten. Dass wir weiterhin keinen Leoparden gesehen haben, wurmt Livingstone. Im der ersten Morgendämmerung nehme ich das Fernglas zu Hilfe und schaue mir die noch müden Augen aus dem Kopf, um ihn bei seiner Mission nach Kräften zu unterstützen, glaube aber nicht wirklich an einen Erfolg. Diese gleichförmigen Landschaft wirkt irgendwie leer auf mich. Was natürlich nicht stimmt.
Innerlich habe ich die Sache schon abgehakt. Livingstone natürlich nicht. Hat er doch nicht nur mehr Ahnung als ich Hamburger Stadtpflanze, sondern auch ein Motto, das er wiederholt zitiert: "Niemals aufgeben." Schon gar nicht im Bush.
"Oh my Goooooood", sagt er schließlich fast schon beiläufig, aber mit extra langem "o". "I can see the leopard."
Was?! Wo?! Ich folge der Richtung seines Zeigefingers, mit Fernglas, ohne Fernglas - nichts. Ich realisiere die Katze erst, da stehen wir schon beim Baum, unter dem sie liegt. Es ist noch früh und weit und breit kein anderes Auto zu sehen. Wir genießen die Morgenstimmung und dieses seltene Privileg in der Mara.
Livingstone schaut sich um. Die Leopardin hat einen Sohn, nicht mehr sehr jung, aber auch noch nicht selbstständig. Weit kann er nicht sein. Schon nach wenigen Minuten taucht das Jungtier hinter einem Hügel auf und gesellt sich zur Mutter. Da sind wir doppelt platt.
Am Horizont tauchen Hyänen auf. Keine Gefahr für einen ausgewachsenen Leoparden, aber für das Junge. Die Leopardin faucht unwillig, aber da hilft nur der Rückzug.
Wir fahren einen riesigen Bogen und die beiden Tiere laufen direkt auf uns zu. In zügigem Tempo und begleitet von zwei zeternden Kronenkiebitzen, die wohl ein Gelege in der Nähe haben. "O my God", sagt Livingstone. "This Plover will get an Heartattack."
Schließlich tauchen die Leoparden in den Büschen eines Grabens ab, und wir sind glücklich über diese Sichtung, bei der wir lange und in Ruhe beobachten konnten.
Nur 200 Meter weiter kreuzt eine Cheetah unseren Weg.
Sie scheint hungrig zu sein, ist aber längst aufgeflogen.
Da ist nun nichts zu machen.
Andere hatten mehr Glück.
Hyänen haben einen Riss gemacht, wecken damit aber Begehrlichkeiten.
Die Jäger haben allergrößte Mühe, ihre Beute gegen die ungebetenen Gäste zu verteidigen.
Schließlich sind die Hyänen kugelrund und die Schlacht um die Reste beginnt.
Appetitlich geht anders. Wir haben noch nicht gefrühstückt und dabei bleibt es auch erst einmal...
Ich schlage vor, noch einmal zu den Leoparden zurückzukehren, doch Livingstone winkt ab. Die Katzen haben sich zurückgezogen, berichtet einer seiner Kollegen, der am Ort ist und längst nicht allein. Die Sichtung hat sich herumgesprochen. Eine ganze Reihe Autos hat sich eingefunden, und wir sind uns einig: Besser als am frühen Morgen wird es nicht. Der Tag ist noch jung - und schon gelungen. Der Rest ist Zugabe.
Wie diese badenden Zebras...
...und ein weiteres Kiebitz-Pärchen, das sogar einen Adler das Fürchten lehrt. Der Greif kann gar nicht so schnell starten, wie sich die tapferen Angreifer auf ihn stürzen und so ergreift er verzweifelt am Boden die Flucht.
P.S: Die gezeigte Leopardin hatte Livingstone ganz besonders ins Herz geschlossen, sie war offenbar eine gute Mutter und hat einer Vielzahl von Nachkömmlingen nicht nur das Leben geschenkt, sondern auch gesichert. Sie sei in die Jahre gekommen, sagte er im September mit leisem Bedauern, und tatsächlich starb das schöne Tier rund zwei Monate später. Der Sohn war zu dem Zeitpunkt knapp ein Jahr alt (wenn ich mich richtig erinnere) und in der Lage, sich selbst zu ernähren, weil Leoparden offenbar nicht sehr wählerisch sind und sich auch eine ganze Weile von "Kleinkram" wie Mäusen, Eidechsen, sogar Grashüpfern etc. über Wasser halten können. Bei unserer Rückkehr nach Kenia im Januar haben wir nach ihm gefragt, und er war wohlauf. Livingstone hatte ihn noch kurz zuvor in der Mara gesehen.