Das Fazit: Eine tolle Reise und ein großer Wunsch
Diese Reise überhaupt antreten zu können, war alles andere als selbstverständlich - und hatte mit Timing und Zufall zu tun. Andalusien fiel aus, Island ließ uns rein und wir schlugen kurzerhand zu.
Auch wenn die Insel nicht wie leergefegt war, weil die Isländer ihre Ferien im eigenen Land verbrachten, so war die Qualität des Reisens doch eine andere als beispielsweise im Jahr zuvor. Erst wenige Wochen waren bei unserer Ankunft verstrichen, seit sich Island dem internationalen Tourismus zumindest in Teilen wieder geöffnet hatte. Die Hotspots waren deutlich weniger überlaufen und vor allem keine der mir so verhassten Reisebusse unterwegs. Das zu erleben, war sicherlich ein Privileg. Von Glück möchte ich nicht sprechen. Dafür war uns das Unglück, das Corona mit sich brachte, viel zu bewusst.
Einsam am Raudisandur
Dennoch: Auf Island, zu der Zeit fast frei von aktiven Fällen, war Corona praktisch kein Thema - und rückte auch für uns angenehm in den Hintergrund. Drei Wochen dauerte unsere Realitätsflucht. Es hätten auch sechs sein dürfen. Angebote wie "In einer Woche rund um Island" oder "Die Höhepunkte Islands in 9 Tagen" gibt es zuhauf. Natürlich ist das möglich. Aber sinnvoll? Eher nicht.
Die grandiose Natur, ihre Vielfalt zu entdecken und zu begreifen, kostet Zeit. Hinzu kommt der Faktor Wetter. 2019 hatten wir großes Glück und in den 15 Tagen fast durchgehend Sonne. So wolkenlos blau hat sich uns der Himmel diesmal kaum gezeigt. Immerhin blieb es oft genug so trocken, dass wir unserer Aktivitäten durchziehen konnten. Doch vor allem die erhoffte Mitternachtssonne ließ uns im Stich. Was schade war.
Mitternachtssonne am späten Abend am Jökulsarlon - so richtig will sie nicht.
Interessanterweise hatten wir oft gutes Wetter in den Bereichen der Insel, die wir noch nicht kannten (Hvitserkur, Latrabjarg, Westfjorde) und Regen an den Plätzen, die wir im Vorjahr wolkenfrei erlebt hatten (Myvatn, Snaefellsnes). Das war immerhin akzeptabel
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Hvitserkur bei Sonnenschein
Die Isländer hatten insgesamt einen harten Winter hinter sich mit viel Schnee und großer Kälte. Schotterpisten waren teilweise erst kurz vor unserem Abflug freigegeben worden. Der Sommer fiel dann alles in allem normal aus - anders als der Traumsommer 2019 mit Wärme und Sonne, den wir bei unserer Premiere erwischt hatten. Einige Wochen nach unserer Rückkehr 2020 gab es dann ein zweiwöchiges Hoch mit stahlblauem Himmel und Sonnenschein satt. Nur hatte sich da das Corona-Zeitfenster schon wieder geschlossen.
Grundsätzlich ist Island immer schön. Aber sobald die Sonne scheint, explodieren die Farben. Gerade dann ist der Suchtfaktor immens. Wir hatten im vorletzten Sommer zu viel davon und sind wohl abhängig fürs Leben.
Traumsommer auf Island 2019 - Sonne satt
Zu den Besonderheiten der zweiten Reise zählen unsere intensiven Begegnungen mit den Puffins. Wir wussten, wir würden sie in dieser Jahreszeit sehen. Ahnten aber nicht, an wie vielen Orten und wie zahlreich. Viele Stunden haben wir mit und bei ihnen verbracht; es war keine Minute zuviel.
Unverhoffte Begegnung: Polarfuchs in Mödrudalur
Über die Route hatte ich mir viele Gedanken gemacht. Viel im Netz gestöbert und gelesen. Das hat sich ausgezahlt. Die Strecken waren entspannt und die relativ großzügigen Zeitfenster haben uns die nötigen Puffer geboten, um überall bei akzeptablen Wetterbedingungen das zu unternehmen, was wir uns vorgenommen hatten. Noch immer gibt es in diesem kleinen Land wahnsinnig viel zu entdecken, die Wunschliste ist nicht kürzer, sondern eher länger geworden...
Thomas bei der Arbeit am Aldeyjarfoss
Was waren die Höhepunkte? Ehrlich gesagt alles. Island ist ein Gesamtkunstwerk von atemberaubender Schönheit.
Auch wir sind dem Charme der legendären Westfjorde erlegen, wo die Uhren spürbar anders ticken und der Massentourismus noch nicht gnadenlos zugeschlagen hat.
Ganz schön viel Wasser: Dynjandi im Herzen der Westfjorde
Doch das Hochland, die Südküste, die zauberhafte Halbinsel Snaefellsnes - all das hat seinen eigenen Reiz. Die wohl größte Überraschung waren die stillen Ostfjorde mit ihrer wilden, ungezähmten Natur; vielleicht einer der letzten Geheimtipps der Insel, die schwer damit zu kämpfen hat, dass ihr die vielen einzigartigen Naturwunder nicht zum Verhängnis werden. Corona hat der Landschaft eine Atempause verschafft, die sie wohl dringend benötigt. Die Spuren des Massentourismus sind dennoch unübersehbar, auch in einem zwangsläufig viel ruhigerem Reisejahr.
Landmannalaugar im Hochland
Diamond Beach
Haifoss
Unser Toyota RAV4 war der perfekte Wegbegleiter und wir haben es genossen, auch abseits der makellosen Asphaltstraßen unterwegs zu sein. Die Folgen sind einigermaßen fatal, denn nun sind wir für alles andere verdorben. Dumm nur, dass gerade das Auto in einem der teuersten Reiseländer der Erde finanziell extrem ins Kontor schlägt. Da müssen wir nun durch, auch bei einer dritten Island-Reise.
Unterwegs in den Westfjorden
Mit Island geht es uns wie mit Afrika: Je öfter wir dort waren, desto häufiger wollen wir hin. Und so werden hoffentlich noch viele Reisen auf die Insel aus Feuer und Eis folgen. In Kombination mit Färöer, mit weiteren Touren ins einsame Hochland, mit Neuentdeckungen und Wiederholungen. Zu anderen Jahreszeiten mit anderen Möglichkeiten. Mitternachtssonne, Nordlichter und Eishöhlen, da geht noch einiges.
Unterwegs im Hochland
Schreit nach einer Wiederholung: Pakgil
Mein Traum wäre eine Reise der Nase nach. Den Wetterbericht checken und los. Der Sonne hinterher, zumindest dem Licht. Als Nicht-Camper und in der Hauptreisezeit leider ein aussichtsloses Unterfangen.
Vor allem aber träume ich von einer Zeit ohne Corona. Vom Reisen überhaupt. Von Freiheit und sorglosen Plänen. Namibia und Südafrika sind gebucht, beides schieben wir vor uns her. Noch keine Lücke gefunden, die der Job verträgt. Es gibt Schlimmeres. Natürlich. Aber schön ist auch anders.
Ich hoffe, dass sich die Dinge bald zum Guten wenden. Der Stillstand aufhört, die Welt sich weiterdreht, uns offensteht. Es nicht eine Laune des Schicksals ist oder besonderem Wagemut geschuldet, dass eine Reise stattfindet. Die Neiddebatte endet und auch die um die Moral. Auf Island war die Welt in Ordnung, Corona kein Thema. Für eine kurze Zeit. Eine Wohltat!
Normalität. Alltag. Gesundheit. Und Reisen; nach Island, nach Afrika, nach Frankreich oder auch nur zwei Haustüren weiter. Zur Party von Freunden, zu einem Forumstreffen. Das wünsche ich mir. Und euch.
Bis dahin alles Liebe und bleibt gesund!
Sjáumst - Tschüss,
Betti