22.9.2017: Tapetenwechsel
Am nächsten Morgen ist nicht alles, aber doch vieles anders. Die beiden Amerikaner, mit denen wir uns am Vorabend so nett unterhalten haben, sitzen schon im Wagen, rücken aber zusammen, als wir kommen. Die beiden anderen sind unbelehrbar und blockieren Reihe eins, hinten wäre frei, aber wir wollen nicht ausgerechnet zwei junge Flitterwöchler trennen, die am Vortag zu uns gestoßen sind. Also sitzt Thomas wieder auf dem Beifahrersitz, den er mittlerweile ohnehin richtig toll findet, und ich komme in der mittleren Reihe außen rechts unter.
Unser Guide hält sich nicht mit langen Vorreden auf, es geht schnurstracks auf die Pirsch, inklusive Fährtenlesen und allem Pipapo. Das gefällt uns schon deutlich besser, bleibt allerdings relativ ertraglos: Es ist nicht viel los im Revier.
Vermelden auch die andern beiden Wagen, und unser Guide fährt los. Und fährt und fährt. Ich glaube, wir umkurven Londolozi, das keine anderen Autos auf seinem Gelände gestattet, und sind auf jeden Fall in einem ganz anderen Gebiet unterwegs als an den Tagen zuvor.
Schließlich sind wir da (wo auch immer) und werden aufgeklärt. Wir sollen Ausschau halten nach einem Löwenrudel, das sich im Moment in dieser Gegend aufhält und auch so schnell nicht weiterziehen wird. Eine Löwin ist kürzlich Mutter von vier Jungtieren geworden und damit örtlich gebunden. Besuchen dürfen wir die Kleinen (zumindest proaktiv) nicht, denn sie sind noch keine drei Wochen alt. Wir fahnden also nach dem Rest der Familie.
Zunächst ohne Erfolg. Dann begegnet uns ein anderes Auto, sie haben das Rudel gerade verlassen, es liegt nicht weit entfernt faul im Gras herum. Na bestens! Wir machen uns auf den Weg, doch wir sind noch nicht weit gekommen, da ruft jemand: "Löwe! Mit Beute." Ich sehe die Katze nun auch, doch die Beute sieht für mich nach etwas anderem aus. Ich wage es kaum zu hoffen, doch tatsächlich: Die Löwenmama quartiert ihre Kids um und muss sie dafür per Luftpost von A nach B transportieren.
Wir bleiben stehen, schalten den Motor ab und schauen uns dieses faszinierende Schauspiel in aller Ruhe an. Das Baby baumelt von einer Seite zur anderen, ich wundere mich, dass dem Nachwuchs bei dieser Prozedur offenbar kein Haar gekrümmt wird.
Für die Löwenmama scheint das Hin und Her in der Hitze sehr anstrengend zu sein. Als sie ihr Junges in der neuen Residenz abgeliefert hat, braucht sie erstmal eine Pause, bevor sie japsend weiterzieht.
Wir sehen sie eine Zeit lang nicht, doch bis zu uns ist das freudige Maunzen der Kleinen bei ihrer Rückkehr zu hören. Schließlich taucht sie mit der nächsten Fracht auf. Als die Löwin auf dem Weg in ihre neuen vier Wände erneut im Gebüsch verschwindet, trennen wir uns schweren Herzens.
Das Löwenrudel ist mittlerweile nicht mehr da, das Gras plattgelegen, aber verwaist. Egal. Wir sind allesamt ganz aus dem Häuschen, unser Guide wird bei unserer Rückkehr in die Lodge von der Belegschaft wie ein Held gefeiert. Natürlich, es war reiner Zufall und ein Riesenglück, das uns diese Sichtung beschert hat, aber heute will ich nicht kleinlich sein: Er hat sich nach Kräften bemüht, und das hat sich nicht nur für uns, sondern auch für ihn ausgezahlt. Wir alle - inklusive Guide - hatten so etwas noch nie beobachtet.
Glücklich beziehe ich nach dem Frühstück wieder meinen Lieblingsplatz auf der Veranda, berichte den Affen trotz offenkundigen Desinteresses von meinem aufregenden Morgen, während Thomas einen Runde im Pool schwimmt. Schon jetzt freuen wir uns auf die nächste Tour, den letzten Nachmittagsdrive auf dieser Reise. Er wird uns nicht enttäuschen.