11. Februar: Endlich! Die Geburt der Gnus
Wir sind früh dran am nächsten Morgen, trotzdem mahnt uns Abraham zur Eile. Seit einigen Tagen kalben im Krater die Gnus. Und da diese freudigen Ereignisse in aller Regel bei Tagesanbruch über die Bühne gehen, müssen wir uns sputen. Es ist noch stockdunkel, als wir aufbrechen, und es gießt wie aus Kübeln. Schon gestern Abend habe ich den Wetterbericht gecheckt und die schlechte Prognose nur widerwillig zur Kenntnis genommen. Dass sie sich bewahrheitet, schlägt mir auf die Stimmung. Ich ermahne mich selbst, bete mir meine persönlichen Safari-Regeln vor. Die gehen ungefähr so:
- Niemals damit hadern, was andere gesehen und man selbst verpasst haben könnte. Jeder verpasst ständig irgendwo irgendwas - oder eben auch nicht.
- Die Dinge nehmen und schätzen, wie sie sind . Faktoren wie Sichtungsglück und Wetter hat man eben nicht in der Hand.
- Genießen, genießen, genießen
- Gedanklich füge ich speziell für diese Reise eine vierte Regel hinzu: Du bist bewusst in der Green Season hier. Also: Take it easy!
Nur, so richtig will das nicht fruchten. Da bin ich an einem der schönsten Plätze der Welt und dann das! Das Schlimmste für mich, die ich eine ausgesprochene Sonnenanbeterin bin: Es soll den ganzen Tag so bleiben. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Ich bin schlecht drauf.
Als zweites Auto rollen wir hinunter in den Krater. Unsere erste Begegnung: gleich drei Nashörner. Ein starker Auftakt, doch Licht und Entfernung lassen noch kein Foto zu. Wir halten uns nicht lange auf, fahren weiter zu den Gnus. Abraham erklärt uns, wonach wir schauen sollen: Gnus, die am Boden liegen und wahrscheinlich eine Gruppe von Artgenossen um sich herum geschart haben.
Wir müssen nicht lange suchen. Auf einer großen Grasfläche purzelt der Nachwuchs wie auf Verabredung fast zeitgleich. Das hat die Natur so vorgesehen, natürlich. Es ist dennoch faszinierend - der reinste Freiluft-Kreißsaal. Meine Laune bessert sich - na ja, ein wenig. Wir öffnen das Dach, es regnet noch stärker, falls das überhaupt möglich ist. Alles ist nass. Klamotten, Sitze, Taschen, wir schützen die Kameras so gut es geht.
Gnu-Kreißsaal
Regen bringt anscheinend Kindersegen.
Die Gnu-Mädels haben andere Sorgen. Manche gebären beneidenswert flott, andere quälen sich. Eine werdende Mutter tut sich besonders schwer, legt sich schließlich erschöpft hin. Aber nein, so geht es nicht! Sofort kommt die beste Freundin vorbei und drängt mit nachdrücklichen Nasenstupsern zum Aufstehen. Am Ende sehen wir fünf oder sechs Geburten - zum Glück allesamt erfolgreich. Wie schön, dass wir das noch miterleben durften!
Die Kehrseite der Medaille
Wir fahren weiter, der Regen drückt auf die Blase. Wir frühstücken bei geschlossenem Dach und beschlagenen Scheiben, dann endlich, gegen neun Uhr, lässt der Regen nach. Wir fahren durch ein Stück Wald, es ist tropisch hier, die Bäume und die Wiesen dampfen, eine tolle Stimmung. Meine Gemütsverfassung ist langsam wieder hergestellt. Innerlich schimpfe ich mit mir: Mensch, so tolle Dinge sehen und dann knötterig, das geht echt gar nicht.
Der Krater ist landschaftlich eine Wucht und anders als vor sechs Jahren komplett grün. Wir bilden uns ein, damals im Oktober mehr Herden gesehen zu haben, mögen uns aber auch täuschen. Es ist auf jeden Fall wieder ein tolles Erlebnis und auch das Wetter wird immer besser. Ab mittags scheint sogar die Sonne.
Ein Nashorn sehen wir auch noch einmal. Es bleibt allerdings auf Abstand. Daher nur ein Beweisbild:
Wir konzentrieren uns dann lieber auf die schönen Kronenkraniche direkt vor uns:
Zum ersten Mal hören wir den irren Sound einer balzenden Riesentrappe. Klingt, als würde jemand die Pauke hauen.
Mittags fahren wir noch einmal am "Kreißsaal" vorbei, der nun aber völlig verwaist ist. Wo sind denn bloß alle hin? 2010 mussten wir am frühen Nachmittag den Krater verlassen, diesmal haben wir ein Ganztagesticket. Dass das überhaupt möglich ist, wussten wir nicht. Wir haben es von der Agentur erfahren, über die wir gebucht haben. Zwischen 14 und 15 Uhr ist dann tatsächlich ein Großteil der Autos verschwunden. Diese Ruhe und Stille verstärkt das Gefühl, an einem eigentlich völlig isolierten, verwunschenen Ort zu sein.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Nur schwer trennen wir uns von einem großen Rudel Löwen, das wir am Morgen schon faul bei einem Riss entdeckt haben und das jetzt in Aktion ist.
Poah, bin ich satt...
Jetzt müssen wir uns wirklich beeilen. Diese Elefanten im schönsten Abendlicht sind aber noch einen Stopp wert:
Erst um zehn vor Sechs - zehn Minuten vor Toreschluss - sind wir wieder am Kraterrand angelangt. "Tschüs, Ngorongoro", sage ich halblaut und klinge wohl ebenso dankbar wie traurig: "Das wird wohl unser letzter Besuch gewesen sein." Thomas hört mich und sieht das anders: "Das glaube nicht."
Heute weiß ich: Er wird wahrscheinlich Recht behalten.