THEMA: Argentinien/Chile - Gletscher, Gipfel und Geysire
03 Jun 2019 14:59 #557942
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  • Beatnick am 03 Jun 2019 14:59
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Spektakuläre Fahrt nach Punta Arenas

Ein letztes Mal genießen wir am frühen Morgen den schon zum Ritual gewordenen Blick auf den Beagle-Kanal, dann kehren wir dem "Ende der Welt" und dem "Tor zur Antarktis" endgültig den Rücken. Ein zügiges, wie immer nicht besonders herausragendes Frühstück, dann verstauen wir unser Gepäck so gut es geht im ziemlich klein geratenen Kofferraum unserer "Schrottkarre". Punkt acht Uhr sind unterwegs in Richtung Punta Arenas.



Rund 630 Kilometer beträgt die Strecke, für die Google rund acht Stunden veranschlagt. Zudem wir haben den einen oder anderen Umweg nebst Stopp geplant. Wir haben keine rechte Vorstellung, wie lange wir wohl brauchen werden, und eher großzügig kalkuliert. Wie sind die Straßenverhältnisse, wie schnell geht es an der Grenze, wie verlässlich fahren die Fähren an der Magellanstraße und werden wir dort vielleicht Schlange stehen müssen? Wir wissen es nicht.

Das Wetter ist trüb und regnerisch, wird aber besser, als wir die Berge hinter uns lassen. Die Landschaft verändert sich, die hügeligen Wälder hinter Ushuaia wechseln über in die Steppe Feuerlands. Die Weite fasziniert mich, es sind kaum andere Autos unterwegs und wir fühlen uns auf dieser endlos scheinenden Straße noch mehr ans Ende der Welt versetzt als zuvor in Ushuaia.



An der Grenze zu Chile ist schon deutlich mehr los. In dem Gewimmel finden wir schließlich die richtigen Schlangen und dann geht alles reibungslos seinen behördlichen Gang. Papiere hier, Stempel da, schließlich heißt es für uns "Adios Argentina". Wenn auch nur für ein paar Tage.

Kurz hinter der Grenze bei San Sebastian werden meine schlimmsten Albträume wahr. Die Schotterpiste ist extrem holprig, etwas später zudem schmal und verstopft. Wir sind umzingelt von gigantischen amerikanischen Trucks, die uns kaum wahrzunehmen scheinen. Unser fragiles Vehikel kämpft sich wacker über dicke Steine und durch tiefe Schlaglöcher, doch es leidet - und ich gleich mit. Oh weh, soll das etwa bis Punta Arenas so gehen?

Nach rund 40 Kilometern ist der Horror an einer Abzweigung zum Glück vorbei - es war schlichtweg eine Baustelle, in der wir relativ lange feststeckten. Rechts führt nun eine nagelneue, perfekt asphaltierte Straße nach Punta Arenas. Wir biegen jedoch nach links auf eine gute Schotterstraße ab, über uns kreist der erste Condor am Himmel.



Nur 20 Minuten sind es von hier zum Parque Pinguino Rey, den ich unbedingt besuchen möchte. Ich war deshalb überglücklich, als sich herausstellte, dass wir ohnehin fast daran vorbeifahren. Königspinguine kommen eigentlich nur südlich des Südpolarkreises vor. Und so staunte die Besitzerin des riesigen Geländes an der Bahia Inutil, einer Meeresbucht an der Magellanstraße, nicht schlecht, als vor einigen Jahren Königspinguine bei ihr angeschwommen kamen und auch blieben.



Wir haben vorsorglich am Vortag eine (kostenfreie) Reservierung auf der Homepage vorgenommen. Ich weiß nicht, ob das notwendig ist, aber wir werden tatsächlich danach gefragt. Außer uns sind noch eine Gruppe tapferer Radfahrer und einige Touristen-Paare hier. Es soll zuweilen wetterbedingt schwierig sein, die Bucht zu erreichen. Doch an diesem Tag scheint die Sonne und auch mit den gefürchteten patagonischen Winden haben wir immer noch keine Bekanntschaft gemacht.

Nach einer kurzen Einweisung dürfen wir los und ich bin heilfroh, dass wir diesen Schlenker mit in unsere Tour eingebaut haben. Irgendwie hatte ich mir alles viel schwieriger vorgestellt - ein immer wiederkehrender Gedanke auf dieser Reise.



Wie schon auf der Isla Martillo muss ich mich erst einen kleinen Moment daran gewöhnen, dass die Tiere nicht wie in meiner Vorstellung auf Eis, sondern auf der grünen Wiese stehen.



Wir müssen einigen Abstand halten, ein Zaun, ein markierter Weg sowie ein kleiner Flusslauf sind die Grenzen. Übermäßig viel Aktivität darf man nicht erwarten, Königspinguine sind nicht die temperamentvollsten aller Geschöpfe und üben sich meist in vornehmer Zurückhaltung. Dennoch bin ich fasziniert von dieser Kolonie und freue mich, dass sie offenbar beständig wächst.






Links, zwo, drei, vier...

Man kann die Königspinguine auch mit einer Tagestour von Punta Arenas aus besuchen. Das ist dann schon sehr weit und ich möchte nicht beurteilen, ob der Weg lohnt, denn man wird zwangsläufig zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Ich kann jedoch sagen, dass uns schon allein die wunderschöne Landschaft in dieser Region und ihre Abgeschiedenheit zumindest bei gutem Wetter begeistert hat.



Etwas mehr als eine Stunde verbringen wir bei den Pinguinen, dann machen wir uns wieder auf den Weg. Hinter dem Abzweig ist die Straße in tadellosem Zustand und wir kommen zügig voran.





Trotzdem ist die Fähre über die Magellanstraße, die Feuerland vom Festland trennt, noch immer die große Unbekannte in unserer Zeitrechnung. Wir haben (bei viel Pech) von langen Schlangen und mehrstündigen Wartezeiten gelesen, und als die Bahia Azul in Sicht kommt, sind wir sehr gespannt, was uns erwartet.



Es ist das genaue Gegenteil dessen, womit wir gerechnet hatten: gähnende Leere. Keine Menschen, keine Autos weit und breit. Wir rollen langsam bis zum Ende der Straße vor und sehen, wie die Rampe der Fähre unten am Wasser just geschlossen wird. Hmpf, so ein Pech! Ich will gerade den Rückwärtsgang einlegen, da senkt sich wie von Zauberhand die Klappe und uns wird wild gewunken. Als letztes Auto flutschen wir an Bord - was für ein Dusel!



Wir besorgen uns im Bauch der Fähre Tickets, dann genießen wir während der kurzen Überfahrt den tollen Blick.


Thomas ganz happy. Es läuft wie am Schnürchen!

Hinter uns liegt Feuerland und vor uns Chile in goldenem Licht. Noch 170 Kilometer sind es bis Punta Arenas.









Nur mal so Kilometer abspulen, das funktioniert hier allerdings nicht. Es gibt einfach zu viel zu sehen. Immer wieder Landschaft ...



... und eine Art "Geisterstadt". Die Estancia San Gregorio war einst eine gigantische Ranch, die vornehmlich Wolle produzierte. Wir hatten im Vorfeld nichts von ihr gehört oder gelesen, doch an einem spontanen Stopp führt für uns kein Weg vorbei. Es ist ein kurzer, aber faszinierender Blick in die Vergangenheit.









Sonne und Wolken wechseln sich ab und sorgen für eine einzigartige Gewitterstimmung.





Ich werde am Steuer (weil ich glaube, dass ich es besser kann) ganz unruhig bei all den Farben und Eindrücken und würde am liebsten alle paar Kilometer anhalten. So kommen wir aber natürlich nie ans Ziel und Thomas als Fotograf auf dem Beifahrersitz (weil er es definitiv besser kann) hat alle Hände voll zu tun.





Am frühen Abend erreichen wir schließlich Punta Arenas. Unser Hotel Jose Nogueira liegt nicht nur zentral, sondern ist überdies ein echtes Schmuckstück, und die tüchtige kleine "Schrottkarre" darf im Hof wohlverwahrt übernachten. Wir sind erschöpft, aber glücklich: Es war eine lange, spektakuläre Fahrt, und selten hat das Motto "Der Weg ist das Ziel" für uns so gut gepasst!




Müde ist sie. Es war ein langer, aber auch wunderbarer Tag.
Letzte Änderung: 23 Jul 2019 23:58 von Beatnick.
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03 Jun 2019 16:29 #557951
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Diese Bilder!!!!! Berauschend schön!! Dann das geschichtsträchtige Jose Nogueira Hotel, einfach toll.
LG
Malbec
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03 Jun 2019 21:39 #557985
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Hallo Malbec,

Malbec schrieb:
Diese Bilder!!!!! Berauschend schön!! Dann das geschichtsträchtige Jose Nogueira Hotel, einfach toll.

Schön, dass du so begeistert bist! Es ist ja tatsächlich nicht immer leicht, Stimmungen zu transportieren. Aber du kennst die Gegend natürlich auch... Zum Hotel werde ich im nächsten Kapitel noch ein bisschen was sagen. Aber heute nicht mehr ;)

Liebe Grüße und einen schönen Abend,
Bettina
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03 Jun 2019 23:11 #557991
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  • Mabe am 03 Jun 2019 23:11
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Die Pinguine sind echt der Hit!

Ich verfolge eure Route sehr aufmerksam. Bislang hatten wir eher Punta Arena bis Puerto Montt im Blick. Vielleicht sollten wir doch noch etwas weiter in den Süden...

Danke und Gute Nacht

Mabe
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04 Jun 2019 00:03 #557993
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Hallo Bettina,

habe soeben unseren Mietwagen um 2 Tage verlängert. Ich denke, diesen "Tagesausflug" zum "Pinguino Rey" sollten wir besser nicht organisiert machen. Bei der Landschaft und den zahlreichen Fotomotiven sind wir dann doch besser unabhängig. Sensationelle Fotos mit dramatischem Himmel.
Weißt du noch wie lange ihr von den Pinguinen nach Punta Arenas gebraucht habt?

Herzliche Grüße
Beate
Reiseberichte:
Patagonien 2020: Zwischen Anden, Pampa und Eis: namibia-forum.ch/for...n-pampa-und-eis.html
Das schönste Ende der Welt-Südafrika März 2017 namibia-forum.ch/for...rika-maerz-2017.html
Südafrika 2018-Ohne Braai gibt es keine Katzen namibia-forum.ch/for...es-keine-katzen.html
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04 Jun 2019 11:37 #558016
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Hallo ihr Lieben,

Mabe schrieb:
Die Pinguine sind echt der Hit!
Ich verfolge eure Route sehr aufmerksam. Bislang hatten wir eher Punta Arena bis Puerto Montt im Blick. Vielleicht sollten wir doch noch etwas weiter in den Süden...

Danke, Mabe! Wie sind auch Pinguin-Fans und da wird man dort unten schon sehr gut bedient :) Allerdings ist eure Tour schon sensationell und vielleicht ist eure Speicherkarte (die im Kopf, nicht die in der Kamera ;) ) ja auch irgendwann einfach mal voll...

Old Women schrieb:
habe soeben unseren Mietwagen um 2 Tage verlängert. Ich denke, diesen "Tagesausflug" zum "Pinguino Rey" sollten wir besser nicht organisiert machen. Bei der Landschaft und den zahlreichen Fotomotiven sind wir dann doch besser unabhängig.

Das finde ich so oder so immer besser. Insofern glaube ich, das ist eine gute Idee. Und ich denke, es ist auch völlig unkompliziert, das in Eigenregie zu unternehmen. So wie ich euch einschätze, wollt ihr ja vielleicht auch an der verlassenen Estancia, bei den Schiffswracks (es sind zwei) etc. einfach mal ein bisschen herumstromern. Das ist meiner Erinnerung nach übrigens tatsächlich nicht sehr weit von Punta Arenas entfernt.

Old Women schrieb:
Sensationelle Fotos mit dramatischem Himmel.

Vielen Dank! (auch von Thomas)

Old Women schrieb:
Weißt du noch wie lange ihr von den Pinguinen nach Punta Arenas gebraucht habt?

Leider nein. Ich will jetzt auch nix Falsches sagen, ich kann mich wirklich nicht erinnern. Aber es müsste ja ungefähr die Hälfte der Strecke Ushuaia - Punta Arenas insgesamt sein, kein Grenzübergang, aber Fähre natürlich, die Straße ist in hervorragendem Zustand und Verkehr existiert auch kaum. Ich würde grob One Way (so wie wir gefahren sind) 3 - 3,5 Stunden veranschlagen. Es ist ein schöner, längerer Tagesausflug, wenn man sich die Zeit nimmt und der Weg das Ziel ist. Wie zwei Gamedrives mit Pause bei den Pinguinen zwischendrin ;) Man kann ja auch mit einer Autofähre von Punta Arenas direkt nach Porvenir übersetzen und dann in die Bahia Inutil weiterfahren, allerdings fährt die Fähre meiner Kenntnis nach nicht jeden Tag und wenn, dann auch nur einmal täglich. Vielleicht wäre das eine Option: Einen Weg mit dieser Fähre (falls es zeitlich passt) und den anderen über "unsere" Strecke. Nur so eine Überlegung. Was ich nicht einschätzen kann, ist, inwieweit euch die Landschaft noch so richtig vom Hocker hauen kann, nachdem ihr schon vorher so viel Imposantes gesehen habt. Wir sind ja umgekehrt gefahren und viele Highlights kamen noch...

Ich hoffe, das hat ein bisschen geholfen.

Liebe Grüße, morgen geht es weiter,
Bettina
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