Spektakuläre Fahrt nach Punta Arenas
Ein letztes Mal genießen wir am frühen Morgen den schon zum Ritual gewordenen Blick auf den Beagle-Kanal, dann kehren wir dem "Ende der Welt" und dem "Tor zur Antarktis" endgültig den Rücken. Ein zügiges, wie immer nicht besonders herausragendes Frühstück, dann verstauen wir unser Gepäck so gut es geht im ziemlich klein geratenen Kofferraum unserer "Schrottkarre". Punkt acht Uhr sind unterwegs in Richtung Punta Arenas.
Rund 630 Kilometer beträgt die Strecke, für die Google rund acht Stunden veranschlagt. Zudem wir haben den einen oder anderen Umweg nebst Stopp geplant. Wir haben keine rechte Vorstellung, wie lange wir wohl brauchen werden, und eher großzügig kalkuliert. Wie sind die Straßenverhältnisse, wie schnell geht es an der Grenze, wie verlässlich fahren die Fähren an der Magellanstraße und werden wir dort vielleicht Schlange stehen müssen? Wir wissen es nicht.
Das Wetter ist trüb und regnerisch, wird aber besser, als wir die Berge hinter uns lassen. Die Landschaft verändert sich, die hügeligen Wälder hinter Ushuaia wechseln über in die Steppe Feuerlands. Die Weite fasziniert mich, es sind kaum andere Autos unterwegs und wir fühlen uns auf dieser endlos scheinenden Straße noch mehr ans Ende der Welt versetzt als zuvor in Ushuaia.
An der Grenze zu Chile ist schon deutlich mehr los. In dem Gewimmel finden wir schließlich die richtigen Schlangen und dann geht alles reibungslos seinen behördlichen Gang. Papiere hier, Stempel da, schließlich heißt es für uns "Adios Argentina". Wenn auch nur für ein paar Tage.
Kurz hinter der Grenze bei San Sebastian werden meine schlimmsten Albträume wahr. Die Schotterpiste ist extrem holprig, etwas später zudem schmal und verstopft. Wir sind umzingelt von gigantischen amerikanischen Trucks, die uns kaum wahrzunehmen scheinen. Unser fragiles Vehikel kämpft sich wacker über dicke Steine und durch tiefe Schlaglöcher, doch es leidet - und ich gleich mit. Oh weh, soll das etwa bis Punta Arenas so gehen?
Nach rund 40 Kilometern ist der Horror an einer Abzweigung zum Glück vorbei - es war schlichtweg eine Baustelle, in der wir relativ lange feststeckten. Rechts führt nun eine nagelneue, perfekt asphaltierte Straße nach Punta Arenas. Wir biegen jedoch nach links auf eine gute Schotterstraße ab, über uns kreist der erste Condor am Himmel.
Nur 20 Minuten sind es von hier zum Parque Pinguino Rey, den ich unbedingt besuchen möchte. Ich war deshalb überglücklich, als sich herausstellte, dass wir ohnehin fast daran vorbeifahren. Königspinguine kommen eigentlich nur südlich des Südpolarkreises vor. Und so staunte die Besitzerin des riesigen Geländes an der Bahia Inutil, einer Meeresbucht an der Magellanstraße, nicht schlecht, als vor einigen Jahren Königspinguine bei ihr angeschwommen kamen und auch blieben.
Wir haben vorsorglich am Vortag eine (kostenfreie) Reservierung auf der Homepage vorgenommen. Ich weiß nicht, ob das notwendig ist, aber wir werden tatsächlich danach gefragt. Außer uns sind noch eine Gruppe tapferer Radfahrer und einige Touristen-Paare hier. Es soll zuweilen wetterbedingt schwierig sein, die Bucht zu erreichen. Doch an diesem Tag scheint die Sonne und auch mit den gefürchteten patagonischen Winden haben wir immer noch keine Bekanntschaft gemacht.
Nach einer kurzen Einweisung dürfen wir los und ich bin heilfroh, dass wir diesen Schlenker mit in unsere Tour eingebaut haben. Irgendwie hatte ich mir alles viel schwieriger vorgestellt - ein immer wiederkehrender Gedanke auf dieser Reise.
Wie schon auf der Isla Martillo muss ich mich erst einen kleinen Moment daran gewöhnen, dass die Tiere nicht wie in meiner Vorstellung auf Eis, sondern auf der grünen Wiese stehen.
Wir müssen einigen Abstand halten, ein Zaun, ein markierter Weg sowie ein kleiner Flusslauf sind die Grenzen. Übermäßig viel Aktivität darf man nicht erwarten, Königspinguine sind nicht die temperamentvollsten aller Geschöpfe und üben sich meist in vornehmer Zurückhaltung. Dennoch bin ich fasziniert von dieser Kolonie und freue mich, dass sie offenbar beständig wächst.
Links, zwo, drei, vier...
Man kann die Königspinguine auch mit einer Tagestour von Punta Arenas aus besuchen. Das ist dann schon sehr weit und ich möchte nicht beurteilen, ob der Weg lohnt, denn man wird zwangsläufig zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Ich kann jedoch sagen, dass uns schon allein die wunderschöne Landschaft in dieser Region und ihre Abgeschiedenheit zumindest bei gutem Wetter begeistert hat.
Etwas mehr als eine Stunde verbringen wir bei den Pinguinen, dann machen wir uns wieder auf den Weg. Hinter dem Abzweig ist die Straße in tadellosem Zustand und wir kommen zügig voran.
Trotzdem ist die Fähre über die Magellanstraße, die Feuerland vom Festland trennt, noch immer die große Unbekannte in unserer Zeitrechnung. Wir haben (bei viel Pech) von langen Schlangen und mehrstündigen Wartezeiten gelesen, und als die Bahia Azul in Sicht kommt, sind wir sehr gespannt, was uns erwartet.
Es ist das genaue Gegenteil dessen, womit wir gerechnet hatten: gähnende Leere. Keine Menschen, keine Autos weit und breit. Wir rollen langsam bis zum Ende der Straße vor und sehen, wie die Rampe der Fähre unten am Wasser just geschlossen wird. Hmpf, so ein Pech! Ich will gerade den Rückwärtsgang einlegen, da senkt sich wie von Zauberhand die Klappe und uns wird wild gewunken. Als letztes Auto flutschen wir an Bord - was für ein Dusel!
Wir besorgen uns im Bauch der Fähre Tickets, dann genießen wir während der kurzen Überfahrt den tollen Blick.
Thomas ganz happy. Es läuft wie am Schnürchen!
Hinter uns liegt Feuerland und vor uns Chile in goldenem Licht. Noch 170 Kilometer sind es bis Punta Arenas.
Nur mal so Kilometer abspulen, das funktioniert hier allerdings nicht. Es gibt einfach zu viel zu sehen. Immer wieder Landschaft ...
... und eine Art "Geisterstadt". Die Estancia San Gregorio war einst eine gigantische Ranch, die vornehmlich Wolle produzierte. Wir hatten im Vorfeld nichts von ihr gehört oder gelesen, doch an einem spontanen Stopp führt für uns kein Weg vorbei. Es ist ein kurzer, aber faszinierender Blick in die Vergangenheit.
Sonne und Wolken wechseln sich ab und sorgen für eine einzigartige Gewitterstimmung.
Ich werde am Steuer (weil ich glaube, dass ich es besser kann) ganz unruhig bei all den Farben und Eindrücken und würde am liebsten alle paar Kilometer anhalten. So kommen wir aber natürlich nie ans Ziel und Thomas als Fotograf auf dem Beifahrersitz (weil er es definitiv besser kann) hat alle Hände voll zu tun.
Am frühen Abend erreichen wir schließlich Punta Arenas. Unser Hotel Jose Nogueira liegt nicht nur zentral, sondern ist überdies ein echtes Schmuckstück, und die tüchtige kleine "Schrottkarre" darf im Hof wohlverwahrt übernachten. Wir sind erschöpft, aber glücklich: Es war eine lange, spektakuläre Fahrt, und selten hat das Motto "Der Weg ist das Ziel" für uns so gut gepasst!
Müde ist sie. Es war ein langer, aber auch wunderbarer Tag.