Mystische Laguna Torre oder: Bye-bye Wanderpumps
Es gibt unzählige Wandertouren in El Chalten. Zum Start gehen wir einen echten Klassiker an, die Tour zur Laguna Torre. Die Wetterprognose klingt gut, und so nehmen wir nach dem Frühstück die insgesamt rund 22 Kilometer, für die sieben Stunden veranschlagt werden, gut gelaunt in Angriff.
Der Weg führt zügig aus dem Ort heraus nordwärts. Auf den ersten Kilometern geht es sanft, aber stetig bergauf, es sind jedoch insgesamt keine großen Höhenunterschiede zu überwinden.
Die Strecke ist wunderschön. Wir sind früh dran und noch sind außer uns kaum andere Wanderer unterwegs.
In einem kleinen Waldstück entdecken wir ein Magellanspecht-Weibchen. Ich beobachte es fasziniert und so dauert es eine Weile, bis ich das permanente, penetrante Geräusch um uns herum registriere.
Ein paar Meter weiter wird das durchdringende Gezeter immer lauter, und der Verursacher linst unweit des Weges vorwitzig aus seiner Baumhöhle.
Wir setzen uns auf einen Baumstamm und harren der Dinge, die da kommen mögen. Der kleine Kerl mit Sturmfrisur veranstaltet ein Heidenspektakel ...
... und endlich, wir haben schon fast eine halbe Stunde gewartet, lässt sich die Mutter erweichen und füttert ihren ungeduldigen Filius.
Die Aktion ist leider schnell vorbei. Die Mutter fliegt davon, der kleine Specht zieht sich in seine Höhle zurück. Wir warten weiter ab, doch bis auf das unentwegte Krakeelen aus dem Baumstamm war's das mit der Show.
Weiter geht es durch die abwechslungsreiche Landschaft. Wir laufen durch offenes Gelände mit vielen Aussichtspunkten, urwüchsigen Wald und ein weites Tal, am Fluss Fitz Roy entlang, die Berge vor uns immer im Blick.
Zuletzt müssen wir die Gletschermoräne überwinden.
Und dann sind wir da. Vermutlich war der Cerro Torre, der nun direkt vor uns liegt, am Vortag zumindest für einige Momente zu sehen. Doch obwohl es sonnig geworden ist, versteckt er sich an diesem Tag - wie beinahe immer - in den Wolken. Er ist verflixt scheu, dieser Berg.
Die Aussicht ist dennoch grandios. Der grüne See, die Berge dahinter und der leuchtende Glaciar Grande verfehlen ihre Wirkung nicht - es ist eine beinahe mystische Atmosphäre.
Wir machen ausgiebig Rast und picknicken, erst als es immer voller wird, kehren wir um. Auf dem Rückweg kommen uns viele Wanderer entgegen und wieder sind wir froh über unseren relativ frühen Start am Morgen.
Wir laufen einige Kilometer gemeinsam mit einem älteren Ehepaar aus Südafrika, das seit fast ein Jahr mit seinem kleinen Wohnmobil durch Südamerika tourt. Beide sind sehr nett und haben faszinierende Geschichten auf Lager. Heimweh haben sie nicht, aber demnächst, so erzählen sie, wollen sie wieder einmal in die Heimat reisen, um ihre Enkelkinder zu sehen. Was sie danach machen, wissen sie noch nicht. Irgendwie macht es mir immer Mut, wenn wir solch spannende Menschen auf unseren Reisen treffen ...
Bei dem kleinen Magellanspecht legen wir noch eine Pause ein. Er ist zwar nicht zu überhören, lässt sich jedoch nicht noch einmal blicken.
Ich bin begeistert von der Tour, allerdings zuletzt auch maulig: An einem meiner Wanderschuhe hat sich die Hartschale verformt und drückt nun unentwegt gegen den Knöchel, der höllisch schmerzt. Ich denke, dass die Steigeisen am Perito Moreno das Problem ausgelöst haben, was letztlich auch egal ist, denn zu ändern ist es nicht mehr.
Ich würde am liebsten barfuß gehen und quäle mich auf den letzten Metern ins Ziel. Nach fast zehn Stunden zurück am Hotel, fliegen die nichtsnutzigen Treter - die mir allerdings jahrelang gute Dienste geleistet haben - im hohen Bogen in den Müll. Auf Nimmerwiedersehen! Dumm nur, dass ich nun gerade noch zwei Paar Schuhe in petto habe - wenig wandertaugliche Flip Flops und Turnschuhe. Ob ich damit auf unseren nächsten Trips weit komme?