THEMA: Dolce far niente – Tour 2023
26 Jul 2023 15:42 #670589
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  • ALM am 26 Jul 2023 15:42
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Und ganz zum Schluß noch eine Anekdote zum Sinnieren, die ich mir zum Ende aufsparte…

Während unseres Gespräches mit den Staatsdienerinnen und ihrem männlichen Kollegen am Grenzposten Panhandle auf botswanischer Seite kamen wir von Stöckchen auf Hölzchen und von dort auf die Familienrezepte unserer italienischen Baggage sowie auch zum Zigeunerschnitzel, welches sich seit geraumer Zeit nicht mehr so nennen lassen darf, weil gesellschaftspolitisch nicht als korrekt erachtet.
Das Grüppchen staunte nicht schlecht und lachte über diese, seiner Meinung nach, Posse. Warum sollte ein Gericht nach Jahrhunderten seines Daseins nicht mehr so zu nennen sein, wie vom Erfinder definiert? Wir erklärten zunächst den Ansatz der Namensbezeichnung, um dann ohne große Umschweife auf die heutige Zeit und den neuen Terminus dieses plattgehauenen, anschließend erst panierten und dann in viel Öl und Butter gebratenen und zum Schluß mit reichlich Paprika-Zwiebelsoße verunglimpften Fleischstücks zu kommen: Schnitzel nach Ungarischer Art, Puszta- oder Balkan-Schnitzel… Ganz nach individuellem Belieben des Gastwirtes oder des Verkosters eben.
Was jetzt die Magyaren mit den fahrenden, singenden Sinti und Roma zu tun hätten und warum ein Gericht nun unter die Fuchtel Budapests oder sogar des gesamten Balkans gestellt wurde, waren die folgenden Fragen, denen wir uns gegenübergestellt sahen und die ihre Beantwortungen finden sollten. Wir waren also ordentlich gefordert, obwohl in unserem Erholungsurlaub befindlich. Unsere diesbezüglichen Ausführungen und Hinweise, diskriminierende Bezeichnungen aus der Alltagssprache und deren Gebrauch zu löschen, entsprächen u. a. auch der logischen Fortentwicklung von Gesellschaften, wurden nur müde belächelnd.
Auch unser Beispiel, daß der Mohrenkopf jetzt als Schokoschaumkuß feilgeboten wird, konnte nicht ganz nachvollzogen werden. Wohingegen unsere eingeschobene Information über die nach wie vor in aller Munde und Medien befindliche Schwarzarbeit und die Schwarzen Kassen zu Irritationen führte; nicht wegen des Wortteils bzw. Adjektivs Schwarz. Nein, wegen purer Inkonsequenz. Da hatte das Grüppchen durchaus recht. Und gemeinsam suchten wir nach brauchbaren Alternativbezeichnungen für die an der Lohnsteuer und Sozialversicherung vorbei gezahlte Beschäftigung.
Unser, aus Mangel an vorhandenen Ideen, naiverweise gemachte Vorschlag Buntarbeit, unter Anlehnung an colored, wurde verständlicherweise nicht goutiert. Man erinnerte sich sofort an colored people… Ging gar nicht, sowohl in historischer Betrachtungsweise, als auch in rein konzeptioneller Art. Denn die botswanischen Grenzer*innen wandten berechtigterweise ein, daß Schwarz ja keine Farbe sei, ebenso wenig wie Weiß, und wir dann, Präzision mußte Präzision bleiben, da hatten sie keine Pietät, im Umkehrschluß ja auch als colored people fälschlicherweise zu bezeichnen wären. Auch hier hatten sie unsere vollste Zustimmung.
Unser dann folgender Vorschlag Locals wurde sofort stehenden Fußes zerrissen. Wir würden ja jetzt den Panhandle runterfahren und da sollten wir ja nicht auf die Idee kommen zu glauben, daß jeder Schwarze ein Local wäre. Nein!
Da zahlreiche Bewohner dieser Gegend mitnichten und mitneffen Lokale im geographischen Sinne wären, denn die kämen aus Angola. Dabei waberte ein leichtes, feindseliges, missgünstiges Ressentiment zwischen den zum Ausdruck gebrachten einzelnen Worten und wir, ebenfalls als nichtfarbigig soben korrekterweise Deklarierte, weil weiß..., obwohl eher gut von der Sonne gebräunt…egal… schauten uns verdutzt mit hoch gezogenen Augenbrauen und mit Stirnfalten fragend an.
Einfacher würde es sein, so das Dafürhalten der Grenzer, daß wir die Weißen seien und diese auch blieben und sie eben die Schwarzen, und gut oder schlecht, ganz egal, wäre es.
Auch sollten wir den Negerkuß Negerkuß und das Zigeunerschnitzel Zigeunerschnitzel sein lassen. Gott hätte sie beide selig.
Die aufgekommenen Fragen konnten also schlußendlich nicht abschließend ein Ende in, für alle der Gesprächsbeteiligten zufriedenstellenden, akzeptablen Beantwortungen finden und wir verabschiedeten uns.

Dann so im Auto sitzend und den Wasserlauf des Okavangos nach unten abrutschend, überlegten wir, daß in unserem kleinen Alltag noch einige andere Bezeichnungen Gebrauch finden, die ebenfalls öffentlich zur Diskussion gestellt werden könnten oder müßten; jetzt nicht, weil rassistisch oder diskriminierend, aber doch sehr abwertend, herabwürdigend und ausgrenzend. Wie zum Beispiel die Spaghetti alla Puttanesca, übersetzt Nudel nach Nuttenart. Mmmmhhh… Zugegeben… Klingt sowohl im Original als auch in der Übersetzung mehr als unelegant und wenig Appetit einladend.
Aber Freudenmädchenspaghetti, dünne Rundlangnudeln nach Dirnen Art oder Gegen-Bezahlung-sich-hingebendem-Sex-Nudelteller… Nee… Ging und geht alles ebenfalls gar nicht.
So ließen wir sprachlich die Hurennudeln ebensolche und das in Gemüsetunke schwimmende Kalbsoberschalenstück auch, obwohl es bei uns sowieso seit jeher seinen ursprünglichen Namen innehatte, unabhängig von jeglichem avantgardistischen Neujargon. Sei es drum… Liebhaber von beiden waren und sind wir ja sowie keine und deshalb würden wir auch nie in die Verlegenheit kommen, eins von diesen oder alle zwei in irgendeiner profanen Gastwirtschaft oder in mit Sternen dekorierten Restaurants zu bestellen; egal, wie die Gerichte dort namentlich angepriesen würden.

Aber, ob colored, bunt, black, white oder local oder eben nicht und warum überhaupt diese Überlegungen... Ist dies alles wirklich wichtig oder nicht? Wir werden abermals darüber grübeln.
Letzte Änderung: 26 Jul 2023 23:12 von ALM.
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  • CuF am 27 Jul 2023 09:28
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Guten Morgen, lieber ALM,
sehr, sehr bedauerlich finde ich, dass Ihr dieses interessante Gespräch nicht in der Originalsprache aufzeichnen konntet!
Liebe Grüße von einer amüsierten
Friederike
Letzte Änderung: 27 Jul 2023 09:32 von CuF.
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CuF schrieb:
Guten Morgen, lieber ALM,
sehr, sehr bedauerlich finde ich, dass Ihr dieses interessante Gespräch nicht in der Originalsprache aufzeichnen konntet!
Liebe Grüße von einer amüsierten
Friederike


Moin Friederike,

da hast Du eigentlich so ziemlich recht.
Es wäre schön und oft sehr sinnvoll, wenn man betreffend einiger Konversationen auf einen O-Ton zurückgreifen könnte.
Gegebenenfalls sollte ich ein Diktiergerät auf unsere List "Für-Afrikareisen-notwendig-durchzuführende-Kleinanschaffungen" setzen... Nicht wahr?
Denn mit so einem Ding könnte nix mehr verschüttet gehen und wäre sogar gerichtsverwertbar zu verwenden ;-)

Herzlichst Alm
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