Hallo Ihr alle,
habt Ihr denn gar keine Angst, ordentlich Punkte in Flensburg zu kriegen? Wegen Drängelns, meine ich

Aber es freut mich natürlich, dass Ihr dran bleibt (oder hängt

)
Also, weiter geht's:
Ich setze mich auf dieselbe Bank, auf der kurz vorher (vermutliche - die Unschuldsvermutung soll auch in Afrika gelten -) Vergewaltiger, Mörder, Totschläger, Kindsmörder usw. gesessen haben. Mein Unbehagen wird immer größer ...

Meine Prozessstrategie hatte ich mir folgendermaßen zurechtgelegt: Alles zugeben, keine kleinlichen Streitereien, dann gibt es vielleicht mildernde Umstände und umso schneller sollte dann alles vorbei sein.

Der Staatsanwalt beginnt mit der Verlesung der Anklage. Gemäß meiner Strategie kommentiere ich die Punkte mit: „Yes, that’s right!“ usw., bis mich der Richter anschnauzt, ich möge doch den Staatsanwalt nicht unterbrechen.

Da habe ich nun so viele Gerichtsfilme gesehen, und dann das!
Nachdem der Staatsanwalt geendet hat, beginnt der Richter, mich zu befragen. Endlich kommt meine geniale Prozessstrategie zur Anwendung! Allerdings will ich es dann doch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass meines Erachtens der Blinker … Mist, jetzt fällt mir das englische Wort für Blinker nicht ein! „Indicator!“, kommt es von hinten aus dem Zuschauerraum. Bevor ich mich darüber freuen kann, dass Véro wieder da ist, blafft der Richter los: Wenn die Zuschauer sich nicht ruhig verhielten, ließe er den Saal räumen! Dann fragt er mich noch, ob es in Europa üblich sei, an Abzweigungen zu überholen. Die Frage muss ich natürlich verneinen, auch wenn diese (die Abzweigung, nicht die Frage!) als solche für mich nicht zu erkennen gewesen sei. Genial, meine Prozessstrategie, aber sich daran zu halten, fällt gar nicht so leicht ...

(Vielleicht hat Véro doch nicht ganz unrecht, wenn sie behauptet, ich hätte einen Dickkopf? I wo!)
Schließlich hat der Richter noch eine letzte Frage: Wie viel Bargeld ich denn jetzt bei mir trage? Uiiuiiuii!

Was soll die Frage? Und was soll ich sagen? Mir ist klar, dass ich ein Vielfaches eines Jahresgehalts des Durchschnittszuhörers (vielleicht sogar des Richters*) mit mir herumtrage. Sage ich die Wahrheit, fallen dann alle über mich her? Sage ich zu wenig und es kommt heraus, muss ich mich dann auch noch wegen Falschaussage vor Gericht verantworten? Um ehrlich zu sein: Ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe, jedenfalls hat man mich nicht sofort überfallen.

Der Richter kommt jetzt schnell zur Urteilsverkündung: Der Angeklagte wird verurteilt wegen … blablabla … zu einer Strafe von - Luftanhalten – 300 Zim$, ersatzweise 30 Tage Gefängnis! Nehmen Sie das Urteil an? Die Sitzung ist geschlossen!
Sollte ich jetzt behaupten, ich hätte lange überlegt, ob ich zahle oder nicht, dann würdet Ihr mir sowieso nicht glauben.

Und das mit Recht! Wenn ich es richtig erinnere, waren 300 Zim$ damals etwa 50 DM (das war vor der Hyperinflation in Zimbabwe!)
Wir gehen schnell zur Kasse und zahlen. Jetzt wird auch der Sinn der letzten Frage des Richters klar: man darf hier nur bar zahlen. Hätte ich die 300 Zim$ nicht bar gehabt, dann … lieber nicht dran denken! Ich erhalte eine Quittung
(FINES RECEIPT:
Zimbabwe-Government
Received from Karsten „Marke“
The sum of 300 Zim$
Prisoners name: unleserlich
Sentenced to $ 300 / 1 Month
...) und verlasse das Gericht als freier Mann.
Meine Gefühle kann ich Euch leider nicht beschreiben.
Damit endet der aufregende Teil der Geschichte. Im letzten Teil werde ich berichten, wie wir nach Harare zurückkehrten und wie sich der „vertrauenswürdige“ Autovermieter verhielt!
* Unsere Freunde lebten damals in Highlands, einem noblen Villenviertel von Harare. Um sie herum lebten neben Ausländern auch viele hohe Regierungsbeamte in den großen Villen. Die hielten auf ihren riesigen Grundstücken häufig Hühner, um die Eier zu verkaufen und so ihren kärglichen Sold aufzubessern.)