Hallo Gabi und Christian,
danke, dass ihr euch aus eurer Sicht zu meinen Gerdanken geäußert habt. Ich gebe euch beiden Recht. Christian sieht das natürlich aus der Perspektive des in Namibia Lebenden und auch als - das darf ich annehmen - Jüngerer. Gabi weist auf etwas hin, was auch mir so geht. Hatte noch vor Jahren der Farmer zu mir gesagt: "Das Auto kannst du da stehen lassen, auch wenn die den Schlüssel nicht abziehst, da kommt nichts weg!" Er sagt heute: "Hast du das Auto auch gut abgeschlossen?" Zum Glück hat sich auch die Autoindustrie auf die Veränderung eingestellt. Während früher mit nur einem Switch alle Türen aufgegangen sind, öffnet sich heute bewusst nur die Fahrertür. Klasse! Ich finde das gut, denn dann muss ich als Alleinfahrer nicht ständig alle Türen im Auge behalten. Außerdem schließen alle Türen nach ein paar Metern Fahrt wieder automatisch.
Aber lasst mich zum Abschluss noch ein paar Worte dazu schreiben, wie ich die Situarion sehe:
Zunächst bei uns:
Früher - ich wohne an der A9 - war die Autobahn vierspurig und nach Norden fast leer.
Heute ist sie sechsspurig, die rechte Spur von LKW-Kolonnen befahren, von 20 Fahrzeugen sind 18 aus Polen, die Abgase, die in unsere Stadt strömen, haben sich verzigfacht - es gibt keinen mehr in unserer Familie, der keine Allergie hat - die Lärmbelästigung bei Westwind ist nun Tag und Nacht. Aber alles wird nun viel schneller transportiert.
Früher habe ich um mein Grundstück einen Zaun gezogen, weil mir in der Nacht die Hasen und Rehe den Salat weggefressen haben.
Heute muss ich die Fenster des Hauses mit Panzerglas einbruchsicher machen, weil Räuberbanden aus dem Osten regelmäßig in die Wohnsiedlung eindringen. Aber den Salat fressen nicht einmal mehr Schmetterlingsraupen.
Früher habe ich im Winter über 1 Zentner Vogelfutter verfüttert, weil Aberhunderte von Vögeln sich bei hohem Schnee in unserem Garten tummelten.
Heute verfüttere ich 1 Kilo im ganzen Winter. Es gibt keinen Neuntöter, keine Rebhühner, viele andere Arten nicht mehr und auch der Haussperling, einst verhasst, weil er den jungen Salat vertilgte, gehört nun zu den bedrohten Arten. Aber ich spare enorm am Vogelfutter.
Früher bin ich 50 Meter weiter mit dem Einkaufskorb in den Laden um die Ecke gegangen und habe gekauft, was ich gebraucht habe und was in den Korb gepasst hat.
Heute laufe oder fahre ich mit dem Fahrrad 500 Meter in den Supermarkt, kaufe ein, was in den Korb passt und was ich brauche, auch wenn das Angebot 1000 mal größer ist. Manchmal kaufe ich auch weniger, wenn mich die Massen an Fleisch oder auch Schokolade (ich esse beides gerne!) anekeln, weil ich solche Berge als unappetitlich empfinde.
Früher habe ich mit den Nachbarn ein Gartenfest gefeiert und wir haben uns gegenseitig geholfen. Heute kann ich mit meinen Nachbarn nicht mal mehr reden, weil ich Depp kein Russisch verstehe und wenn sie ihre Parties feiern, bin ich nicht dabei.
O.K. ich bin eben ein Fossil! Vielleicht gehöre ich gar nicht mehr in diese moderne, viel bessere Welt? Wirklich besser?
Na. ich fahre ja nach Namibia, weil ich die "heile Welt" glaube da noch finden zu können. Irrtum! Da ist ja auch alles besser geworden!
Früher konnte man ohne Western Bypass und ohne großzügigen Straßenausbau in Seelenruhe durch Windhoek fahren.
Heute kann man durchrasen! Auch nicht schlecht!
Früher musste man sich auf Gravelroads durch den Caprivi - zum Teil noch im Militärkonvoi - plagen.
Heute düst man auf dem Highway zügig durch.
Früher war die Fahrt nach Epupa ein mehrtägiges Abenteuer, heute kann man in einem Rutsch durchs Kaokoveld.
Früher hatte ich weder Handy noch Cellphone oder Samrtphone oder Navi. Ich bin überall angekommen, habe aber öfter mal angehalten und mit leuten geredet. Das ist heute nicht mehr nötig, der Satellit steuert mich schon.
Naja, wenn ihr das Fortschritt nennt, dann muss ich euch aus eurer Perspektive natürlich Recht geben.
Aber:
Wenn einst in Windhoek nur noch aus dem Wasserhahn des Präsidenten ein paar Tropfen raus kommen,
wenn es auf der vierspurigen Autobahn in die Etoscha Staus gibt,
wenn dort dann das letzte Gürteltier sein Leben ausgehaucht hat,
wenn das letzte Nashorn von einem Wilderer erschossen wurde, weil der Geld für sein Samrtphone brauchte,
wenn nach vier Jahren Dürre auch der Baobab in der Regenzeit keine Blätter mehr bekommt,
wenn man an den Pads in der Etoscha mehr verdurstete und verhungerte Tiere als lebende sieht,
...
dann werdet auch ihr in Namibia feststellen, dass man Geld nicht essen und schon gar nicht trinken kann!
Nachdem ich ja "Nachdenkliches" in den Titel des Threads gestellt habe, erlaubt mir einfach dies als Schlusswort.
Viele liebe Grüße:
Burschi
Und trotzdem habe ich die Reise für 2017 schon gebucht.