Santiago de Cuba - Chivirico
Um 6 Uhr klopft es an meine Zimmertüre.
„Desayuno“ (Frühstück)
Ich habe so fest geschlafen, dass mich nicht einmal der Hahn in Nachbars Garten wecken konnte.
In der Küche erwartet mich ein Frühstück, das ausgereicht hätte, eine Kleinfamilie satt zu machen. Normalerweise habe ich um diese Zeit noch keinen Hunger, aber heute haue ich rein was geht, wer weiß, wann es wieder etwas zu essen gibt.
Als ich vor Sonnenaufgang die Casa verlasse, sind Santiagos Straßen noch dunkel und fast menschenleer. Das Fahrrad ist beladen wie ein Packesel und ich muss mich erst noch an das veränderte Fahrverhalten gewöhnen. Ich frage mich, ob ich nicht doch zu viel Gepäck dabeihabe, allerdings machen schon die 6l Wasser einiges an Gewicht aus. Ein Wasserverbrauch von 6-7 Litern an einem heißen Fahrradtag ist nicht ungewöhnlich.
Unterwegs ist es manchmal schwierig, an unbedenkliches Trinkwasser zu kommen. Zwar kann man an jeder Hütte um Wasser bitten, aber man weiß nie, aus welchen Tanks oder Kübeln dieses geschöpft wird. Zur Sicherheit habe ich einen Vorrat an Micropurtabletten (Wasserdesinfektion) dabei.
Die Straße Richtung Chivirico ist leicht zu finden. Inzwischen sind schon ein paar Camiones und Pferdekutschen unterwegs, beladen mit Menschen auf dem Weg zur Arbeit. Noch ist die Luft angenehm kühl. Die ersten Strahlen der Morgensonne tauchen die Landschaft in ein sanftes Licht. Ich freue mich auf den Tag.
Zwischen Santiago und Chivirico
Kubanische Camiones ziehen gerne fettige, schwarze Rauchfahnen hinter sich her. Vor allem, wenn sie in den unteren Gängen beschleunigen. Vermutlich ist der Diesel von schlechter Qualität, oder die Motoren zu versifft, um eine halbwegs saubere Verbrennung zu erreichen. Jedes Mal, wenn mich so ein Luftverpester überholt, werde ich minutenlang in eine Rußwolke eingehüllt. Ich versuche dann die Luft anzuhalten, bis sich der schlimmste Gestank verzogen hat. Beim Radfahren kann man die Luft allerdings nicht lange anhalten…
Doch schon wenige Kilometer hinter Santiago gehört mir die Straße praktisch alleine. Immer seltener tauchen Fahrzeuge auf, der Verkehr wird ländlicher, gelegentlich eine Maquina, Pferdegespanne, oder Reiter.
Küstenstraße zwischen Santiago und Pilon
Ich komme gut voran, das Fahrrad läuft wie von selbst. Ich überhole Radfahrer und Pferdekutschen, ab und zu winkt mir ein Campesino hinterher. Kleine Gehöfte und bunte Holzhäuschen flitzen vorbei. Schlanke Palmen, die in Gruppen beieinanderstehen, setzen hübsche Akzente in die Landschaft. Und dann sehe ich endlich das Meer. Tiefblau und glitzernd liegt es vor mir.
Die Straße führt jetzt entlang der Küste, vorbei an kleinen Stränden, die Playa Bueycabon, Playa El Frances oder Mar Verde heißen. Diese Strände sind nicht vergleichbar mit den Touristenstränden in Varadero oder Guardalavaca. Sie sind dunkel, oft steinig, dafür fast immer menschenleer.
Die Küstenstraße zwischen Santiago und Pilon ist einsam und verkehrsarm, eine Traumstrecke für Radfahrer
Gegen 10 Uhr mache ich an der Playa El Frances eine erste Pause. Der Strand ist sandig und es gibt knorrige Bäume, die Schatten spenden. Es könnte ein hübscher Ort sein, wenn nicht reichlich Plastikmüll, zerdrückte Bierdosen und Glasscherben herumlägen. Vermutlich wird der Strand an Wochenenden von Santiagueros besucht und es gibt niemand, der anschließend saubermacht.
Ich futtere ein paar Kekse und einen Schokoriegel. Dann springe ich ins Wasser und wasche mir den Schweiß von den Knochen. So langsam wird es warm und die erste 1,5l Wasserflasche ist bereits leer.
Als ich weiterfahre, es ist später Vormittag, wird es richtig heiß. Es kommen ein paar Anstiege, die zwar nicht besonders steil sind, aber durch die Hitze, die zudem von der Straße reflektiert wird, ist es sehr schweißtreibend. Es gibt kaum Wind, stellenweise fahre ich wie durch einen Backofen. Zum Glück habe ich den Hut von La Abuela dabei. Ohne ihn hätte ich einen ordentlichen Sonnenbrand im Nacken und auf der linken Gesichtshälfte bekommen.
Schon gegen Mittag erreiche ich das Motel Guama. Das Motel liegt wenige Kilometer von Chivirico, meinem Tagesziel, entfernt. Die Lage ist toll, man hat von den Chalets einen schönen Ausblick auf die Bucht mit ihren Mangroveninseln. Der Standort und der günstige Preis (15 CUC) machen es zu einem Übernachtungs-Tipp auf dieser Küstenstrecke.
Motel Guama
Spontan beschließe ich die Nacht dort zu verbringen. Das Motel Guama ist, wie praktisch alle kubanischen Hotels, staatlich. Es ist für kubanische Touristen konzipiert, Ausländer dürften hier in der Minderheit sein. Die Angestellten solcher Hotels sind oft schlecht ausgebildet, unmotiviert und hoffnungslos unterbezahlt.
In der Rezeption sitzt eine gelangweilte Angestellte. Sie ist gerade dabei, ihre Fingernägel zu maniküren, als ich eintrete. Ohne ihre Tätigkeit zu unterbrechen, oder mich zu begrüßen, sagt sie:
„Todo completo“ (alles belegt)
Das ist irgendwie seltsam, denn ich sehe weder Autos noch Menschen auf dem Gelände. Keines der Chalets sieht bewohnt aus.
Ich frage deshalb mehrmals nach, ob nicht doch ein Zimmer frei sei, aber die Rezeptionistin bleibt dabei:
„Todo completo“
Schließlich meint sie, sie könne mir helfen, eine andere Unterkunft zu finden. Es gäbe in Chivirico eine Casa Particular, dort könne ich ein Zimmer bekommen. Sie drückt mir die Visitenkarte der Casa in die Hand und beschreibt den Weg.
Ich fahre enttäuscht weiter.
Ich bin nicht der einzige Radfahrer
Chivirico
Also fahre ich weiter bis Chivirico. Chivirico (ca. 5000 Einwohner) ist der letzte größere Ort bis Pilon. Es gibt zwei oder drei Casa Particulares, einen Laden, eine Bank, ein CUC-Restaurant und ein Peso-Restaurant.
Kaum sehe ich die ersten Häuser von Chivirico spricht mich ein Kubaner an. Er stellt sich als Casa-Besitzer vor und möchte mir ein Zimmer vermieten. Wie sich herausstellt, hat die Rezeptionsangestellte vom Motel bei ihm angerufen und meine Ankunft angekündigt.
Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich war das Motel nicht ausgebucht. Es ist in Kuba üblich, dass die Casa-Besitzer für die Vermittlung eines Gastes eine Provision bezahlen. Die Motelangestellte bekommt für jeden weitergeschickten Touristen 5 CUC/Nacht Vermittlungsbebühr. Damit verdient sie wahrscheinlich mehr, als mit ihrem regulären Gehalt. Und sie hat weniger Arbeit im Hotel. Auch das ist typisch für Kuba.
Viel zu tun gibt es in Chivirico nicht. Im kleinen Peso-Dorfrestaurant an der Hauptstraße esse ich zu Abend. Das einzige Gericht ist Oveja en Salsa, Arroz und Tostones (Schafbraten mit Soße, Reis und frittierte Bananenscheiben) für 33 CUP (ca. 1.60€). In den staatlichen Peso-Restaurants macht man nicht immer die besten Erfahrungen, aber hier haben sie das Essen wirklich lecker hingekriegt. Ich bestelle gleich noch eine zweite Portion.
Auch heute gehe ich früh schlafen. Meine Casa liegt im Zentrum Chiviricos. Alle Nachbarn haben ihre Fernseher, oder Musikanlagen, auf Anschlag gedreht, dazu mischt sich das Kläffen der Hunde und das allgemeine Geschnatter und Geschrei kubanischer Barios. Trotzdem schlafe ich schnell ein. Vielleicht habe ich mich schon etwas an die kubanische Lärmkulisse gewöhnt.