Es führt mE zu Nichts, lange zurückliegende Unrechtshandlungen (nur) durch die historische Brille des „Zeitgeistes“ zu betrachten, weil es leicht den Blick auf die jüngere Vergangenheit und Gegenwart verstellt. Man kann es ruhig auch „grundsätzlich“ und nicht nur „zeitgeistig“ betrachten.
Es gibt bez. die „Kolonialkriege“ keine Gräueltat und Verbrechen, die nicht davor und danach, bis heute, in diesem oder anderem geschichtlichen Kontext (PS: auch) begangen wurden. Alle sogenannten Kulturvölker haben Derartiges begangen und zu verantworten, und machen das auch heute noch. Genauso waren auch viele der kolonisierten indigenen Völker genauso verbrecherisch gegen die von ihnen unterdrückten und versklavten Indigenen, wie „ihre“ Kolonisten und Nachfolgegenerationen.
Die Methoden des Kolonialismus sind universell und zeitlos. Weil es doch klar ist, dass die Kolonisten, die von den sogenannt Indigenen (heute Einheimischen) ja nicht eingeladen und herbeigesehnt wurden, diese nur durch Unterdrückung und Terror zur Unterordnung und „produktiven Tätigkeit“ zwingen können und wenn das nicht ausreicht oder nichts hilft, dann eben durch Krieg, PS: Vertreibung, bis Ausrottung. Niederschlagung von Eingeborenenunruhen, hieß das damals lapidar. Und das ist vielerorts auch heute nicht anders als in der „Kolonialzeit“ die hier das Thema ist. Es gibt nämlich keinen
grundsätzlichen Unterschied zwischen einer ethnischen Säuberung in den Steppen Amerikas, des Amazonasdschungels, Hererolands, in Ruanda oder der Krajina, Srebrenica oder Xinjiang.
Das Einzige das sich seit 1945 in manchen Ländern verändert hat, ist aber GsD der Umgang mit dieser und „seiner“ Geschichte, wie z. B. die Anerkennung dieser Handlungen als das was sie waren und der Wille zu Wiedergutmachung in irgendeiner Art, von symbolisch bis materiell. Für mich ist das zivilisatorischer Fortschritt.
Ob Manches von nicht Ruanda-Dimension jetzt Völkermord/Genozid genannt wird oder anders, ist für mich persönlich keine Priorität, solange man die Ereignisse als das ansieht, was sie waren, nämlich Verbrechen, und die Nachfolgegenerationen die Konsequenzen daraus ziehen. Anerkennung und Wiedergutmachung gehören auch dazu. Letztere war aus diversen Gründen praktisch immer kollektiv, oft nur symbolisch und individuelle Entschädigungen die Ausnahmen. Genauso wie die Bestrafungen auch fast nur kollektiv waren.
Was mir bis heute in der historischen Betrachtung des Kolonialismus europäischer Prägung bei den Ottonormalverbrauchern (also nicht den Historikern) unterbelichtet erscheint, ist die Tatsache bzw. deren Würdigung, dass bis in das 20. Jhdt. alle großen sozialen Krisen Europas durch Auswanderung (= Kolonisierung Anderer) gelöst wurden. Die Masse der Kolonisten waren das Lumpenproletariat Europas. Die jetzt beklagte „Globalisierung“ ist also nichts Neues, sie wurde bloß nicht als negativ wahrgenommen, als sie nur eine Einbahnstraße war und Kolonialismus und "Auf in die Zukunft" hieß. Als die Welt dann „plötzlich“, aber nicht wirklich überraschend, voll war, hat sich das gewandelt.