THEMA: Völkermord an Herero
29 Mai 2021 16:17 #617336
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  • loser am 29 Mai 2021 16:17
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Es führt mE zu Nichts, lange zurückliegende Unrechtshandlungen (nur) durch die historische Brille des „Zeitgeistes“ zu betrachten, weil es leicht den Blick auf die jüngere Vergangenheit und Gegenwart verstellt. Man kann es ruhig auch „grundsätzlich“ und nicht nur „zeitgeistig“ betrachten.
Es gibt bez. die „Kolonialkriege“ keine Gräueltat und Verbrechen, die nicht davor und danach, bis heute, in diesem oder anderem geschichtlichen Kontext (PS: auch) begangen wurden. Alle sogenannten Kulturvölker haben Derartiges begangen und zu verantworten, und machen das auch heute noch. Genauso waren auch viele der kolonisierten indigenen Völker genauso verbrecherisch gegen die von ihnen unterdrückten und versklavten Indigenen, wie „ihre“ Kolonisten und Nachfolgegenerationen.
Die Methoden des Kolonialismus sind universell und zeitlos. Weil es doch klar ist, dass die Kolonisten, die von den sogenannt Indigenen (heute Einheimischen) ja nicht eingeladen und herbeigesehnt wurden, diese nur durch Unterdrückung und Terror zur Unterordnung und „produktiven Tätigkeit“ zwingen können und wenn das nicht ausreicht oder nichts hilft, dann eben durch Krieg, PS: Vertreibung, bis Ausrottung. Niederschlagung von Eingeborenenunruhen, hieß das damals lapidar. Und das ist vielerorts auch heute nicht anders als in der „Kolonialzeit“ die hier das Thema ist. Es gibt nämlich keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen einer ethnischen Säuberung in den Steppen Amerikas, des Amazonasdschungels, Hererolands, in Ruanda oder der Krajina, Srebrenica oder Xinjiang.
Das Einzige das sich seit 1945 in manchen Ländern verändert hat, ist aber GsD der Umgang mit dieser und „seiner“ Geschichte, wie z. B. die Anerkennung dieser Handlungen als das was sie waren und der Wille zu Wiedergutmachung in irgendeiner Art, von symbolisch bis materiell. Für mich ist das zivilisatorischer Fortschritt.
Ob Manches von nicht Ruanda-Dimension jetzt Völkermord/Genozid genannt wird oder anders, ist für mich persönlich keine Priorität, solange man die Ereignisse als das ansieht, was sie waren, nämlich Verbrechen, und die Nachfolgegenerationen die Konsequenzen daraus ziehen. Anerkennung und Wiedergutmachung gehören auch dazu. Letztere war aus diversen Gründen praktisch immer kollektiv, oft nur symbolisch und individuelle Entschädigungen die Ausnahmen. Genauso wie die Bestrafungen auch fast nur kollektiv waren.

Was mir bis heute in der historischen Betrachtung des Kolonialismus europäischer Prägung bei den Ottonormalverbrauchern (also nicht den Historikern) unterbelichtet erscheint, ist die Tatsache bzw. deren Würdigung, dass bis in das 20. Jhdt. alle großen sozialen Krisen Europas durch Auswanderung (= Kolonisierung Anderer) gelöst wurden. Die Masse der Kolonisten waren das Lumpenproletariat Europas. Die jetzt beklagte „Globalisierung“ ist also nichts Neues, sie wurde bloß nicht als negativ wahrgenommen, als sie nur eine Einbahnstraße war und Kolonialismus und "Auf in die Zukunft" hieß. Als die Welt dann „plötzlich“, aber nicht wirklich überraschend, voll war, hat sich das gewandelt. B) :whistle:
Letzte Änderung: 30 Mai 2021 10:35 von loser.
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29 Mai 2021 18:17 #617339
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loser schrieb:
Es gibt bez. die „Kolonialkriege“ keine Gräueltat und Verbrechen, die nicht davor und danach, bis heute, in diesem oder anderem geschichtlichen Kontext begangen wurden.

Ich bin da Deiner Meinung, wobei sich die Methoden halt ziemlich geändert haben (der IS verwendet aber noch die damaligen Methoden). Besonders König Leopold II von Belgien hat sich da ein "Denkmal" gesetzt.
de.wikipedia.org/wiki/Kongogr%C3%A4uel
8-10 Mio Menschen (etwa die Hälfte der damaligen Bevölkerung des Kongo) kamen damals um.

Auch der Genozid in Rwanda hat ja seine Ursprünge in der belgischen Kolonialzeit. Auch hier wurden die "belgischen Methoden" angewandt.

Gruß
Wolfgang
Mit dem Fahrrad unterwegs in Namibia, Zambia, Zimbabwe, Malawi, Tanzania, Kenya, Uganda, Kamerun, Ghana, Guinea-Bissau, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Rwanda, Südafrika, Eswatini (Swaziland), Jordanien, Thailand, Surinam, Französisch-Guyana, Alaska, Canada, Neuseeland, Europa ...
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Joshua Kwesi Aikins ( (ab Minute 12)) vertritt die Meinung, dass der deutsche Kolonialismus in die NS-Zeit nachgegriffen habe und auch den Alltagsrassismus von heute präge ... harter Tobak aus mein Sicht. Für Ingo Zamperoni scheint, das alles in Ordnung zu sein (fühlt sich dann aber auf den Schlipps getreten, wenn den öffentlichen Medien vorgehalten wird, sie würden einseitig bzw. bei bestimmten Themen zu unkritisch berichten).

Viele Grüße
Axel
Letzte Änderung: 29 Mai 2021 20:56 von aos.
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Damit hat es sich Herr Müller aber sehr einfach gemacht. So dürre Worte von einem Redakteur eines so großen Blattes - das erstaunt und enttäuscht mich. Und da muss ich tatsächlich erst einmal drüber nachdenken.
Gruß,
HeiVi
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30 Mai 2021 12:08 #617366
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@Joshua Kwesi Aikins
Der Rassismus der englischen, französischen, holländischen, italienischen, belgischen, spanischen, portugiesischen Kolonialisten und deren Verhalten in den Kolonien unterschied sich mE nicht wesentlich vom deutschen oder umgekehrt. Das ist gut dokumentiert. Den nichtweißen „Eingeborenen“ wurde damals Menschlichkeit schlichtweg nicht zuerkannt. Basta. Fast Alle dachten so, individuelle Ausnahmen gab es, waren aber in der Kolonialzeit noch Minderheiten. Am Oregon Trail waren die „Indianer“ die Feinde, also im Unrecht. Was sonst?

BuschIeute waren z. B. als „vermin“ eingestuft, durften ohne rechtliche Sanktionen erschossen werden, wenn sie hoheitliches Wild erlegten. Ich bin einmal in einer Afrikanasammlung auf ein Büchlein eines englischen „Jägers“ gestoßen, der darin über die weidgerechte Tötung von Buschleuten sinniert hat. Diese sollten zu Pferde zu Tode gehetzt werden, nur das fordere den Jäger so richtig, weil die Buschleute doch so gut laufen können. Erschießen sei unsportlich, wahre sportmanship verlangt die Hetzjagd.

Die Verwaltungsverordnungen und –praxis der britischen Verwaltungen in Kenya …. bis Natal war praktisch ident zur späteren Apartheiddoktrin der Buren, bzw. diese deren Fortschreibung zur Staatsdoktrin, allerdings zu einer Zeit, als der Rest der Welt bereits anfing sich davon zu lösen (Winds of Change/MacMillan bis De Gaulle/Algerien etc.). Trotz gleicher „Startbedingungen“ im Kolonialismus, können geschichtliche Weiterentwicklungen daraus sichtlich unterschiedlich ausfallen, bzw. entstand daraus nicht zwingend der RassenWAHN Hitlers und seiner Gefolgsleute. Die Japaner waren aber nahe dran. Es bestand auch damals Entscheidungsspielraum, der unterschiedlich genutzt wurde. Aber nicht unterschätzt werden sollte dabei die strategische Abhängigkeit GBs (und später auch der USA) von nichtweißem Kanonenfutter im Kampf gegen Hitler (und Japan), das ist aber eine eigene Geschichte.

Menschenwürde und –rechte sind erst junge Konzepte. In den 1950er/60er Jahren hätte wohl kaum eine Mehrheit bei uns gesagt, dass Schwarze die gleiche Menschenwürde wie Weiße haben bzw. gleiche Rechte haben sollten. Heute sind die Mehrheitsverhältnisse umgekehrt und die die das ablehnen, haben keine Macht mehr.
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