Hallo Wolfgang,
ich verstehe jede:n, der:die sagt, dass man ein Land lieber richtig kennenlernen sollte als nur "durchzurauschen". Aber es ist eben unterschiedlich definiert, ab wann es sich für die Einzelnen nach "Eile" anfühlt. Und Langsamkeit ist ein Luxus, den man nur dann genießen kann, wenn man ihn sich auch leisten kann.
Neben den schon zur genüge diskutierten Punkten, dass es eine Zeit- und Budgetfrage ist (den meisten normal Arbeitenden wird nicht mehr als 3 Wochen am Stück seitens der Arbeitgeber ermöglicht, und viele sparen auf so eine Reise eine ganze Zeit) wollte ich auch nochmal den Punkt anbringen, dass immer mehr Menschen aus ökologischen Gründen nicht ständig fliegen wollen. Alles drei zusammen führt dann automatisch zu der Überlegung, die Reise muss es auch "wert" sein, dafür so viel Geld, Urlaubstage und CO2 zu verpulvern. Wie kann ich das vor mir rechtfertigen? Durch möglichst viele verschiedene Dinge, die ich erlebe. Und an die ich mich nachher auch erinnere. Bei 7 Tagen in einer Unterkunft kann ich natürlich viel mehr ausspannen und ein bisschen mehr sehen als bei 2 Tagen, völlig klar, doch was bleibt im Nachhinein? Die Erinnerung an eine einzige Unterkunft, eine Terrasse, einen Typus Frühstück, eine Aussicht. Ich erinnere ich mich an Urlaube, wo ich Unterschiedliches gesehen habe einfach intensiver. Wenn ich mich "nur" erholen will, muss ich nicht 5.000 € und 3 Tonnen CO2 verballern, da kann ich auch mit dem Zug nach Italien fahren für einen Bruchteil dessen dort am Pool liegen. Klar erschließt sich immer mehr Schönheit, je länger man irgendwo bleibt, doch diese "Kosten-Nutzen-Rechnung", wobei "Kosten" eben nicht nur Geld ist, müssen eben viele durchführen. Wenn ich weiß, dass es mich ein Viertel Monatsgehalt kostet, irgendwo am Pool zu liegen, kann ich mich dabei nicht so entspannen, wie wenn es für mich keine große Ausgabe ist...
Und dazu kommt eben, dass so zu reisen auch sehr viel Reiz hat. Wie auch schon sehr klug gesagt wurde: Viele leben doch in einem relativ gleichförmigen Alltagstrott, bei dem man ständig dasselbe tut. Gerade jetzt in Coronazeiten ist die Eintönigkeit für viele erdrückend gewesen. Den Urlaub nutzt man dann dazu, möglichst viel Neues zu erleben. Und das ist dann etwas, das emotional unglaublich erfüllend sein kann! Ebenso wie das Freiheitsgefühl, auch und gerade jetzt in Coronazeiten, Ausgangssperre, Homeoffice usw. Wenn man einen gut getakteten Alltag gewohnt ist, dann kann es auch schon sehr entschleunigend sein, einfach mal so in den Tag zu leben, auch wenn der Tag dann trotzdem relativ gut gefüllt ist. Das ist eben eine Frage dessen, wie der Urlaub sich in das sonstige Leben einfügt. Ich lasse mich ja nicht zum Botschafter ausbilden, sondern mache das zu meiner eigenen Erfüllung.
Ich sehe auch nicht, warum das nur ein Namibia-Phänomen sein sollte, ich reise eigentlich meistens so, dass es 2-3N Stopps sind, bei Camping noch häufiger 1-2N. Aber da in Namibia eben nicht nur die "Tagesziele" schön sind, sondern alles, lohnt sich diese Art zu reisen dort besonders. Denn es ist einfach überall schön. Auch im Auto auf der Schotterpiste kann ich dort Weite, Einsamkeit und Wildnis, Neues, Abenteuer und Abwechslung erleben. Deshalb lohnt sich ein Road Trip und "Fahrtage" dort weit mehr als woanders und es kommen sicher auch einige Menschen bewusst nach Namibia, die genau das suchen.
Um nochmal die Perspektive zu wechseln, was nicht als Kritik gemeint ist: Für mich persönlich ist es zum Beispiel nicht so erstrebenswert, viele Stunden an demselben Wasserloch im Auto zu schwitzen in der Hoffnung auf ein besonders tolles Bild. Das tolle Bild gibt es im Zweifel schon von anderen, warum sollte ich jetzt auch noch eins machen? Da lerne ich in der restlichen Zeit lieber das Land in allen Facetten kennen und erlebe ein paar verschiedene Dinge. Alles eine Frage dessen, was einen eben persönlich erfreut
Viele Grüße
Offbeat