THEMA: Das volle Programm (Reisebericht Tansania 12/13)
11 Feb 2013 12:47 #275522
  • Topobär
  • Topobärs Avatar
  • Beiträge: 5461
  • Dank erhalten: 8844
  • Topobär am 11 Feb 2013 12:47
  • Topobärs Avatar
9.Tag (So. 30.12.2012)
Selous Game Reserve – Kisaki

103km

Wie immer, wenn es morgens auf Gamedrive geht, verzichten wir auf das Frühstück. Dafür gibt es später dann einen Brunch.

Unser Ziel heute morgen ist das Gebiet südlich und östlich des Lake Tagalala, mit seinen Sand-Rivers. Bei den Sand-Rivers handelt es sich um Nebenarme des Rufiji Rivers, die nur zur Regenzeit Wasser führen und ansonsten ein ausgetrocknetes tiefsandiges Trocken-Flussbett aufweisen. Ganz ähnlich, wie man es von den Revieren in Namibia kennt.

Kilometerweit geht es durch tiefen Sand. Die meiste Zeit brauchen wir die Untersetzung. Luft ablassen ist nicht nötig. Zum Glück, denn so gut die Ausrüstung des Wagens ist, gehören Luftpumpe oder Kompressor doch nicht dazu. Dazu muss aber auch gesagt werden, dass sandige Strecken in Tansania sehr selten sind.



Tiere sehen wir bei dieser morgendlichen Ausfahrt leider nur sehr wenige, so dass wir schon um 9:00Uhr zurück auf der Campsite sind.

Es sieht nach Regen aus, so dass ich beschließe, zunächst das Zelt abzubauen. Ein guter Entschluss, denn kaum ist es abgebaut, ergießt sich ein kräftiger Schauer über uns, aber das Makuti-Dach hält dicht, so dass wir ungestört essen können.

Nach einer halben Stunde ist der Regen weiter gezogen, doch er hat ausgereicht, dass die Landschaft großflächig unter Wasser steht.



Wir beratschlagen, was wir mit dem Rest des Tages anstellen sollen, und entscheiden uns, im großen Bogen durch die Kiyanguru Plains zum Matambwe Gate zu fahren, wo wir den Park heute verlassen wollen. Als wir starten, ist das Wasser an den meisten Stellen schon wieder verschwunden und auch die Wege sind schon recht gut abgetrocknet, jedoch immer noch recht rutschig.

Nach ein paar Kilometern kommen wir an einen Graben, den wir die letzten Tage schon mehrfach durchfahren haben, so dass ich mir trotz des Matsches, der sich jetzt am Grund gebildet hat, keine allzu große Sorgen mache. Der Graben ist recht steil und weißt am Grund einen scharfen Knick auf, so dass wir ihn aufgrund unseres großen Hecküberstands nur sehr langsam durchfahren können. Dadurch fehlt uns der Schwung und als die Hinterräder im Schlamm am Grund des Grabens sind, ist Feierabend. Ich hatte eigentlich darauf gebaut, dass die Vorderräder genug Traktion haben, um Die Hinterräder aus dem Schlamm zu ziehen, aber der Weg ist noch zu rutschig. Das ist der Nachteil bei den Pisten in Nationalparks, man steigt ungern aus, um den Weg genau zu begutachten, da man ja nicht weiß, wer hinter den Büschen liegt und die Stelle, wo sich gestern die Löwen paarten, ist nicht allzu weit entfernt.

Wat nu war die Frage. Aufgrund der Lage des Fahrzeuges war von außen kein herankommen an den Kofferraum. Glücklicherweise gab es eine kleine Durchreiche zum Fahrgastraum, so dass ich auf diesem Wege die Schaufel herausfrickeln konnte. Die Schaufel hatte ab diesem Moment dann ihren Stammplatz direkt hinter dem Fahrersitz, wo ich jederzeit an sie herankommen konnte. Den Highlift konnte man in dieser Situation überhaupt nicht einsetzen – ich wäre aber auch nicht an ihn herangekommen, da er ebenfall im Kofferraum seinen Platz hatte. :unsure:

Ausgraben geht in einem Graben natürlich nicht, man kann nur unterstützende Maßnahmen erledigen. Das hieß in diesem Fall, eine Drainage schaufeln, damit nicht ständig Schlamm nachläuft und Äste vor die Räder legen. Solch klebrigen Morast wie hier hatte ich meinen Lebtag noch nicht erlebt. Innerhalb kürzester Zeit klebte derart viel Lehm an meinen Tewas, dass es mir die Schuhe von den Füßen zog, bzw. man wie auf Plateau-Sohlen ging. Da half alles nichts, hier kam man nur barfuss weiter. Aber auch ansonsten sah ich innerhalb kürzester Zeit wie ein Schwein aus. Nach einer halben Stunde dann der erste Befreiungsversuch. Wir kamen auch recht gut aus dem Grund des Grabens, aber kurz bevor wir den oberen Rand erreichten verloren wir die Traktion und rutschen wieder nach unten. Leider nicht in gerader Linie, so dass wir jetzt auch noch diagonal im Graben standen. :S

Alle weiteren Befreiungsversuche scheiterten, so dass wir jetzt versuchen mussten externe Hilfe zu bekommen. Gefunden werden wir hier sicherlich nicht so schnell, denn von außerhalb waren wir in dem Graben praktisch unsichtbar. Auch war hier in der Gegend ziemlich tote Hose. Kathrin hatte schon die ganze Zeit auf dem Autodach Ausschau gehalten und noch kein anderes Fahrzeug entdeckt.

Glücklicherweise hatten wir Handyempfang – unglücklicherweise fand sich nirgends in unseren Reiseführern eine Telefonnummer zum Selous Game Reserve und auch auf den Permits gab es nichts dergleichen. So versuchten wir es mit unserem Autoverleiher. Dieser musste jedoch zu seiner Verwunderung feststellen, dass die ihm bekannte Nummer, des für das Selous Game Reserve zuständigen Park Wardens, nicht mehr funktionierte. Aufgrund dieser Erfahrung kann ich nur jedem empfehlen, sich am Gate die aktuelle Nummer des Wardens aufschreiben zu lassen. Wir verständigten uns mit unserem Vermieter, dass wir zunächst einmal abwarten sollten, dass die Piste soweit abtrocknet, dass wir ausreichend Traktion haben, den Graben aus eigener Kraft zu verlassen, ansonsten werde man sehen – Hakuna Matata. :pinch:

Ich bereitete den Wagen mit Ästen vor den Rädern dann so gut wie möglich vor. Danach hieß es warten. Von Zeit zu Zeit hupte ich kräftig, wir wurden aber von niemandem erhört. Rings umher sahen wir Schauer übers Land ziehen. Wenn uns einer davon erreichen sollte, wäre ohne externe Hilfe eine sehr ungemütliche Nacht garantiert.

Irgendwann kam es, wie es kommen musste. Es fing an zu tröpfeln. Jetzt half kein weiteres Warten mehr – jetzt kam der ultimative Versuch. Ganz sanft Gas geben, damit die Räder möglichst nicht durchdrehen. Der Wagen setzt sich tatsächlich in Bewegung. Dann auf halbem Wege drehen die Räder trotzdem durch. Der Wagen beginnt wieder zurück zu rutschen. Jetzt habe ich nichts mehr zu verlieren und gebe Vollgas. Der Motor röhrt mit voller Drehzahl und die Reifen radieren auf dem Boden, dass es qualmt, aber der Wagen bewegt sich langsam wieder nach oben. JA – JAAAAAA – JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! Kathrin meint, meinen Schrei der Erleichterung habe man sicher noch an den Gates gehört. :woohoo:

Solange wir feststeckten hatte ich natürlich mal wieder nicht ans fotografieren gedacht. :(


Wie immer kann man auf einem Foto nicht wirklich erkennen, wie steil das Ganze war. Wenn Ihr aber genau hinschaut, könnt Ihr den Abdruck des am Heck befestigten Reserverades am Gegenhang entdecken. Das sagt schon einiges…


Der Weg in die Freiheit. Bei Black Cotton Soil reicht schon eine dünne feuchte Schicht an der Oberfläche, um die Piste in eine Rutschbahn zu verwandeln.

Wir suchen uns erst einmal ein schattiges Plätzchen, um abzukühlen und durchzuatmen und zu beratschlagen, wie wir jetzt den Rest des Tages gestalten wollen. Immerhin haben wir 4h in dem Graben verloren.



Die Fahrt zu den Kinyanguru Plains war natürlich gestorben. Dafür reichte die Zeit längst nicht mehr. Wir beschließen, hier in der Umgebung noch einen kleinen Gamedrive zu machen und dann direkt zu unserer nächsten Unterkunft zu fahren. Ein wenig Entspannung haben wir uns heute verdient.

Das schöne an Afrika ist aber, dass man selbst an einem „gebrauchten“ Tag meist noch ein Highlight erlebt, das einen mit den Unannehmlichkeiten dieses Tages versöhnt. So auch bei uns. Wir waren noch gar nicht lange auf Pirsch, da entdecken wir unter einem Baum ein aus 8 Tieren bestehendes Rudel Wildhunde. Das Selous Game Reserve ist berühmt für seine große Population dieser seltenen Räuber.




Zwar ist auch hier aufgrund der Hitze nicht viel los, aber wir sind trotzdem glücklich, die Tiere überhaupt zu sehen und ganz so träge, wie ein Löwenrudel sind sie dann doch nicht.

Nachdem wir uns von den Wildhunden losreißen konnten, fahren wir auf direktem Weg zum Matambwe Gate. Unsere geplante Unterkunft, die Campsite des Selous Mbega Kisaki Annex Camps liegt nur wenige Kilometer hinter dem Gate.

Die Zufahrt ist sehr anspruchsvoll, ohne Untersetzung kommen wir den steilen, schlechten Weg nicht hoch. Im ersten Moment denken wir, das Camp wäre geschlossen, aber dann taucht doch jemand auf und führt uns herum.

Aufgrund der Lage am steilen Hang, wurden aufwendig terrassierte Stellplätze angelegt. Der Sanitärblock ist sauber und funktionell und es kommt auch reichlich Wasser aus den Leitungen – in Afrika keinesfalls selbstverständlich.



Da das Camp mitten im Wald liegt, ist vom Sonnenuntergang diesmal nichts zu sehen, der Sundowner findet natürlich trotzdem statt.

Zum Abendessen koche ich asiatisches Gemüse mit Oystersauce. Mit Einbruch der Dunkelheit schwärmen dann derart viele Nachtfalter, Käfer und sonstige Insekten umher, das es gar nicht so einfach ist, dieses vegetarische Gericht auch tatsächlich als solches zu genießen. :S
Letzte Änderung: 19 Jul 2013 16:44 von Topobär.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Eulenmuckel, panther, engelstrompete, Butterblume, Kiboko, baobab2, tomtom, Guggu, picco, KarstenB und weitere 1
11 Feb 2013 13:06 #275527
  • Butterblume
  • Butterblumes Avatar
  • Beiträge: 3700
  • Dank erhalten: 2664
  • Butterblume am 11 Feb 2013 13:06
  • Butterblumes Avatar
Hallo Topobär,
Wir waren noch gar nicht lange auf Pirsch, da entdecken wir unter einem Baum ein aus 8 Tieren bestehendes Rudel Wildhunde.

Das habt Ihr Euch aber auch wirklich verdient. Von meinem Bildschirm tropft noch das Adrenalin! :pinch:

Und danke für den Telefon-Nr.-Tipp! Wir werden die Telefon-Nr. in Zukunft beim Permitten kontrollieren.

Herzliche Grüße und Dank für die spannende Fortsetzung.
Marina
Das Morgen gehört demjenigen, der sich heute darauf vorbereitet. Afrikanische Weisheit

www.butterblume-in-afrika.de
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Topobär
11 Feb 2013 13:28 #275531
  • KarstenB
  • KarstenBs Avatar
  • Beiträge: 2266
  • Dank erhalten: 2723
  • KarstenB am 11 Feb 2013 13:28
  • KarstenBs Avatar
Hallo Topobär,

da war Marina schneller (bezüglich der "verdienten" Wild Dogs)! Habt Ihr versucht, rückwärts aus dem Graben zu kommen? Das hat uns mal in der Mara gerettet, als ich in einer Furt des Talek stecken geblieben bin. Habe allerdings beim Rückwärts-rausfahren die Heckstoßstange an den Wänden des Einschnitts abgerissen! :blush:

LG aus dem locker bewölkten Hamburg, auch von Véro, die auch mitreist!

Karsten
Infos NordTZ 22 www.namibia-forum.ch...juli-22.html?start=0
RB Kenia 2020 www.namibia-forum.ch...pt-2020.html?start=0
Reisebericht Südtanzania 2013 www.namibia-forum.ch...lft-nicht-immer.html
Kurzbericht 7 Wochen Nam-Bots 2012 www.namibia-forum.ch...wochen-nam-bots.html
Bericht Zimbabwe 1995: ... 30 Tage Gefängnis www.namibia-forum.ch...tage-gefaengnis.html
Reisebericht 2008: 18 Nights in the Bush - ha-ha-ha www.namibia-forum.ch...e-bush-ha-ha-ha.html

Nordtansania Feb. 2015 - Kein RB www.namibia-forum.ch...imitstart=0&start=12]
Walking Safari Zimbabwe 97 www.namibia-forum.ch...ri.html?limitstart=0
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Topobär
11 Feb 2013 14:29 #275553
  • picco
  • piccos Avatar
  • Beiträge: 5783
  • Dank erhalten: 10917
  • picco am 11 Feb 2013 14:29
  • piccos Avatar
Hoi TopobärTopobär schrieb: Könnte das derselbe Baobab, nur von der anderen Seite, sein?

Topobär schrieb:
Nachdem wir uns von den Wildhunden losreißen konnten, fahren wir auf direktem Weg zum Matambwe Gate. Unsere geplante Unterkunft, die Campsite des Selous Mbega Kisaki Annex Camps liegt nur wenige Kilometer hinter dem Gate.
Das dürfte doch dieses Camp sein, oder irre ich mich?
Ich hatte das unterste Zelt...
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Topobär
11 Feb 2013 15:10 #275564
  • Flip
  • Flips Avatar
  • Beiträge: 234
  • Dank erhalten: 342
  • Flip am 11 Feb 2013 15:10
  • Flips Avatar
Hallo Topobär,
so eine Nacht im Schlammgraben hätte sich in Deinem spannenden Bericht sicher auch gut gemacht. :ohmy:
Ich kann aber verstehen, dass ihr heilfroh wart da wieder gut raus gekommen zu sein. Auf dem Bild sieht es tatsächlich nicht so wild aus. Aber ist halt nur 2D!
Ansonsten freue ich mich über jede weitere Etappe Deines tollen Reiseberichts.
Liebe Grüße
Philipp
Kinder, Katzen, KTP... Namibia Juni/Juli 2012
www.namibia-forum.ch...a-junijuli-2012.html
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Topobär
12 Feb 2013 09:25 #275685
  • Topobär
  • Topobärs Avatar
  • Beiträge: 5461
  • Dank erhalten: 8844
  • Topobär am 11 Feb 2013 12:47
  • Topobärs Avatar
@Karsten:
Rückwärts aus dem Graben fahren war leider überhaupt keine Option, da das Fahrzeugheck komplett am Gegenhang auflag.

@Picco:
Der Baobab könnte passen, vor allem da auch um "Deinen" eine Fahrspur ringsherum zu führen scheint.
Wir haben beim Selous Mbega Kisaki Annex Camp nur die Campsite gesehen. Deshalb kann ich leider nicht sagen, ob die von Dir gezeigten festen Zelte auch zu dem Camp gehörten, auf dem wir übernachtet haben.

@Philipp:
Mit Graben hätten wir uns sicher nicht die Nacht um die Ohren geschlagen. So wie der Wagen festsaß war Ausgraben völlig unmöglich. Es wäre aber eine sehr unbequeme Nacht geworden, da es in der Nähe keinerlei Möglichkeiten gegeben hätte, das Zelt aufzubauen. Wir hätten wohl im Auto übernachten müssen.

@Marina:
Das war erst der Beginn einer sich langsam steigernden Schlamm-Phobie.

@all:
Das gestern noch fehlende Foto unserer Campsite in Kisaki ist jetzt im RB eingefügt.
Letzte Änderung: 12 Feb 2013 10:53 von Topobär.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: picco