Nyiragongo
Kurz nach 9 Uhr sind wir an der Rangerstation, dem Startpunkt unseres Trekkings. Wir müssen etwas warten, da noch ein paar Leute fehlen. Gegen 10 Uhr sind alle da. Nach einem kurzen Briefing geht es los. Während des Trekkings legt man fast 1.500 Höhenmeter zurück. Beim Rangerposten beginnt der Aufstieg bei 1.989m, beim Kraterrand ist man dann auf 3.470m.
Unsere Gruppe besteht aus elf Personen verschiedener Nationalitäten. Zwei Ranger, die mit Gewehren und Funkgeräten bewaffnet, für unsere Sicherheit sorgen sollen begleiten uns. Wir haben sogar einen Koch, der mit Lebensmitteln beladen, schon früher losgegangen ist, damit er Zeit hat Essen vorzubereiten, wenn wir hungrig oben ankommen. Die Nachhut bilden die Träger, die mit den schweren Rucksäcken wirklich harte Arbeit leisten. Auch wir haben unser Gepäck einem Träger anvertraut, der unseren ca. 12 kg schweren Rucksack trägt. In der Gruppe ist auch ein Fotograf, der im Auftrag von National Geographic unterwegs ist. Er hat zwei Träger engagiert, einen extra für seine Fotoausrüstung.
Der Weg führt zunächst stetig bergauf durch einen lichten Wald. Auf dem Waldboden läuft es sich angenehm, die Bäume spenden Schatten und ab und zu hat man schöne Ausblicke über die Ebene nach Ruanda, zum Kivusee und zu den anderen Virunga-Vulkanen. Etwa jede Stunde wird eine kurze Pause gemacht. Die Ranger achten streng darauf, dass diese nicht länger als zehn Minuten dauert. Dann wird gnadenlos zum Weitermarsch gepfiffen.
Aufstieg
Bodyguard
Typische Vegetation oberhalb der Waldgrenze
45° Steigung
Nachdem wir die Baumgrenze hinter uns gelassen haben, wird der Aufstieg zunehmend steiler und auch schwieriger. Grobes vulkanisches Geröll bedeckt den Pfad und ich muss mich konzentrieren um nicht zu stolpern oder auszurutschen. Die Sonne brennt erbarmungslos, der Schweiß läuft in Sturzbächen den Körper hinab. Ich trinke viel Wasser, was unseren Träger freut. Der sieht ziemlich fertig aus, offensichtlich macht er diese Tour auch nicht jeden Tag.
Der Weg scheint nun schnurgerade zum Gipfel zu führen, also nicht in gemütlichen Serpentinen langsam und gemächlich nach oben, nein, kerzengerade, auf dem kürzesten und steilsten Weg. Auch beginnen nach zwei, drei Stunden permanenten Aufstiegs meine Beinmuskeln zu schmerzen. Jeder Schritt ist anstrengender als der vorherige. Obwohl wir jetzt schon mehrere Stunden unterwegs sind, scheint der Gipfel immer noch weit entfernt. Ich bemühe mich nicht zu oft Richtung Gipfel zu schauen und konzentriere mich stattdessen auf den nächsten Schritt.
Allmählich verschwindet die Sonne hinter dunklen Wolken. Es wird deutlich kälter und erste Regentropfen fallen. Wir werden von Wolken und Nebel eingehüllt, keine Sicht mehr, weder ins Tal noch zum Gipfel. Doch wir haben Glück. Gerade als das Unwetter so richtig loslegen will, erreichen wir eine Schutzhütte, die unterhalb des letzten und steilsten Aufstiegs zum Kraterrand steht.
Wir schaffen es halbwegs trocken in die Hütte zu kommen. Ein eiskalter Wind peitscht eiskalten Regen vor sich her und davon reichlich. Dazu dumpfes Donnergrollen und Wetterleuchten aus Richtung des Gipfels. Auch in der Hütte regnet es, allerdings nicht so stark wie draußen. Wir sitzen, oder besser gesagt kauern etwa eine halbe Stunde in der dunklen, tropfenden Hütte, während es draußen Katzen hagelt. Im Nu entstehen am steilen Abhang überall klein Wasserfälle und Rinnsale die sich allmählich zu Sturzbäche vereinigen.
Unser Träger kommt eine viertel Stunde später, total durchnässt und fertig lässt er sich auf den Boden fallen. Die anderen Träger verspotten ihn weil er so langsam ist. Mir tut er leid, man sieht ihm an, dass er am Rande seines physischen Leistungsvermögens steht.
Ein Unwetter zieht auf
Es regnet Bindfäden
Der letzte Anstieg
Nach etwa einer halben Stunde hört der Regen so plötzlich auf, wie er begonnen hat. Unsere Ranger rufen zum Abmarsch. Auf geht’s. Das letzte Stück bis zu den Hütten am Kraterrand liegt vor uns. Es ist der steilste und auch unangenehmste Teil der Wanderung. Der Hang besteht aus scharfkantigen Lavafelsen und Geröll, sodass man ständig befürchten muss auszurutschen und sich an dem scharfkantigen Gestein zu verletzen. Jetzt ist es auch noch nass und rutschig.
Während wir den letzten Abhang emporkrabbeln, manchmal auf allen Vieren, beginnt es wieder zu regnen. Zunächst leicht, dann immer stärker. Als wir bei den Hütten ankommen prasselt es kräftig auf unsere Regenjacken. Wir können uns gerade noch in eines der Hüttchen retten. Es ist verdammt kalt hier oben, ich friere in meiner nassen Kleidung, fühle mich hungrig und erschöpft.
Als unser Koch erscheint und verkündet, er habe ein heißes Gemüsesüppchen gekocht, hätte ich ihm um den Hals fallen können. Wow, das ist jetzt genau das richtige. Auch brennt im Küchenzelt ein Feuer, welches unsere Kleidung einigermaßen trocknet, während wir Suppe löffeln.
Heißes Süppchen auf dem Nyiragongo
Schutzhütten auf dem Nyiragongo
Zurück in unserem Hüttchen. Die Hütten sind aus einem harten Kunststoff gefertigt. Sie haben die klassische Form eines Firstzeltes und sind gerade so groß, dass zwei Matratzen nebeneinander auf dem Boden Platz finden.
Wir hängen die feuchte Regenkleidung auf, was an den glatten schrägen Wänden gar nicht einfach ist. Dann hüllen wir uns in unsere Daunenjacken, kriechen in die Schlafsäcke und frösteln auf den Matratzen eine Weile vor uns hin. Draußen stürmt und tobt es was das Zeug hält. Es regnet nicht nur, jetzt hageln dicke Eiskörner gegen die Plastikwände der Hütten. Der Krach ist ohrenbetäubend.
Irgendwann lässt das Inferno etwas nach. Wir beschließen zum Kraterrand hochzuklettern und einen Blick auf den Lavasee zu werfen. Der Kraterrand befindet sich noch ein paar Meter über uns. Man muss einen kurzen, steilen Hang hochklettern. Kaum haben wir unsere Schutzhütte verlassen regnet es wieder stärker. Egal sage ich, ich will jetzt den Lavasee sehen. Gegen Sturm und eiskalten Regen ankämpfend krabbeln wir auf allen Vieren die letzten Meter über scharfkantiges Lavagestein zum Kraterrand hoch, blicken darüber und sehen – NICHTS!
Nebel im Krater
Tatsächlich sehen wir schon etwas: Nebel, Nebel, noch mehr Nebel und ein paar dunkle Felsen im Nebel. Aber keinen Lavasee, kein Höllenfeuer, nicht mal einen rosaroten Schimmer oder sonst etwas, was auf einem aktiven Vulkan hingedeutet hätte.