Thomas brachte in den folgenden Tagen die Idee ins Spiel, mit Schlauchkajaks zu reisen, die er hätte kostenlos besorgen können. Wir verwarfen die Idee zügig wieder, weil in den Flüssen des Amazonasgebiets auch zahlreiche Kaimane vorkommen, die dann unnötig mit Piranhas in Streit geraten, wenn sie versehentlich in ein Schlauchkajak beißen. Wir entschieden uns daher wieder für das Fahrrad als Verkehrsmittel. Das war allerdings auch nicht ideal, wie sich später herausstellte.
Wenige Wochen später trafen wir uns in Amsterdam und flogen von dort gemeinsam wie im Vorjahr, als wir uns auf dem Flughafen Schiphol erstmals trafen und im Anschluss gemeinsam durch Malawi radelten.
Wir hatten beim Entschluss zur Reise keine Landkarte (bis zum Beginn der Reise hatten wir immerhin eine), keinen Reiseführer (es gab schlichtweg keinen auf Deutsch oder Englisch) und keine Ahnung, aber davon immerhin reichlich. Wir wussten bei der Ankunft in Surinam nicht, ob es Links- oder Rechtsverkehr gibt oder wie die Währung heißt, wie der Wechselkurs aussieht oder das Preisniveau ist. All das interessierte uns vorher einfach gar nicht. Das einzige, was wir hatten, war ein gewisser Entdeckergeist, um dieses für uns unbekannte Gegend kennenzulernen. Und wir wussten, dass wir beide über eine vergleichbare Kondition, einen kompatiblen Humor und eine Gelassenheit verfügten, die uns einfach immer zu einer Lösung führen würde, egal welches Problem da auch kommen würde. Manche Probleme lösen sich ja fast von selbst, wenn man sich einfach erst mal einen Moment in den Schatten setzt, anstatt sofort in Panik zu verfallen.
Die einzige Vorbereitung (neben Impfungen und Malariaprophylaxe) war eine von Thomas gebuchte Unterkunft für die erste Nacht. Wir fanden ein Taxi, das uns und die Kartons mit den Fahrrädern (letztere mit etwas Seil ziemlich abenteuerlich aufs Dach gebunden) zur Unterkunft brachte. Dort wusste man von unserer Buchung nichts und sie war auch ausgebucht. Das ging ja schon mal gut los.
Für diejenigen, die im Erdkundeunterricht auch immer zum Kreide holen geschickt wurden:
Surinam liegt nördlich von Brasilien (Portugiesisch), östlich von British Guayana (Englisch) und westlich von Französisch Guayana (Französisch). Dieses gehört als französisches Gebiet heute tatsächlich zur EU, obwohl es in Südamerika liegt. Damit liegt auch das größte zusammenhängende Waldgebiet der EU in der Amazonas-Region Südamerikas und so gibt es in der EU nicht nur vierrädrige Jaguare, sondern auch vierbeinige. Im Norden grenzen Surinam und die beiden Guayanas an den Atlantik.
Surinam ist ein klassischer Vielvölkerstaat. Neben den indigenen Völkern leben heute vor allem die Nachfahren der afrikanischen Sklaven, der damals ausgewanderten Niederländer sowie viele Chinesen, Indonesier und Inder in Surinam. Christliche Kirchen, muslimische Moscheen und Hindutempel sieht man überall im Land. Und wer sich schon immer gefragt hat, warum die Fußballnationalmannschaft der Niederlande seit jeher relativ viele dunkelhäutige Spieler aufweist ... diese haben ihre Wurzeln in der ehemaligen Kolonie Surinam.
Surinam hatte zum Zeitpunkt der Reise prozentual zur Landesfläche den größten Regenwaldbestand mit damals 97%. Durch Abholzungen hat sich das inzwischen leider geändert. Das Klima war entsprechend heiß mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit, aber darüber muss man sich im Regenwald ja nicht wundern. Was uns jedoch wunderte, war die Tatsache, dass selbst die Bäume an den Straßen in der Hauptstadt Paramaribo so aussahen, als stünden sie mitten im Regenwald. Keine drei Meter weiter rauscht der Verkehr vorbei.
Fortsetzung folgt …
Gruß
Wolfgang