THEMA: Namibia 2019: Zwischen Spitzkoppe und Sambesi
03 Mai 2020 11:30 #587983
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Hummeldumm

Am Morgen ausschlafen. In Ruhe frühstücken. Vielleicht noch ein kleiner Spaziergang. Anschließend in aller Gelassenheit nach Windhoek. Dort noch etwas essen. Dann zum Flughafen. Autorückgabe, Nachtflug nach Frankfurt, Weiterflug nach Hamburg. Schließlich noch ein ganzer Tag Urlaub in der Heimat, bevor es zurück an die Arbeit geht - so lautete der Plan.

Dass daraus nichts werden würde, wussten wir ja nun schon eine Weile. Um 13 Uhr müssen wir an diesem Tag, der ursprünglich der letzte auf dieser Reise war, am Hosea Kutako sein. So wünscht es die Air Namibia, die unseren Rückflug verschoben und für diese Uhrzeit den Shuttle zum dadurch notwendig gewordenen Hotel festgelegt hat. Wir haben um einen späteren Zeitpunkt gebeten, aber vergebens. Da hilft kein Lamentieren, und so stehen wir in aller Herrgottsfrühe auf, bekommen netterweise sogar ein Frühstück und rollen um Sieben vom Gelände der Ohange Lodge.



Nun heißt es Kilometerfressen. Etwa 440 sind es, und wir kommen bestens voran. Es nieselt immer noch leicht, doch je näher Windhoek rückt, desto sonniger wird es. Überpünktlich sind wir am Flughafen, die Autorückgabe geht ebenso glatt wie zügig über die Bühne, auch bei unserer dritten Namibia-Reise sind wir ohne Platten davongekommen.

Die Dame am Air-Namibia-Schalter ist bemerkenswert unfreundlich, und ich sehe es ihr anfangs nach, denn die Mitarbeiter der Pleite-Airline machen sicher eine schwere Zeit voller Ungewissheit durch. Wir sind offenbar die einzigen Shuttle-Kandidaten und müssen noch warten, wie lange ist ungewiss, auch habe ich Sorge, dass wir vergessen werden, und so frage ich nach 40 Minuten vorsorglich, wann es denn wohl soweit sei.

Das würden wir ja dann schon sehen, blafft die Dame barsch, oha, der Kunde ist König, wenn auch nicht hier. Nunmehr leicht gereizt merke ich an, dass wir ganz offenkundig ohne Not zu dieser frühen Ankunft genötigt worden seien. Das hört der Sonnenschein hinter der Schalterscheibe so richtig gern und weist mich unverhohlen unverschämt an, einen Sitzplatz in der Halle zu suchen und gefälligst nicht zu nerven. Nun gifte ich zurück. Wir hätten den Schlamassel schließlich nicht zu verantworten und auch keine große Freude daran, und wenn Blicke töten könnten, würde es diesen Reisebericht nicht geben.

Um 14.20 Uhr dann der knappe Befehl "Go!" Nur zu gern, bloß wohin? Keine Antwort, aber wir latschen vorsorglich einem Air-Namibia-Mitarbeiter hinterher, der zwar nicht mit uns spricht, aber ein Ziel zu haben scheint. Quer übers Gelände folgen wir ihm zu einem Parkplatz mit Firmenwagen, der Motor läuft, wir steigen ein - und warten wieder. Warten eine halbe Stunde, ich frage den Fahrer, was ist los, die Crew eines verspäteten Fluges fehlt noch, wann der landet, ihr ahnt es schon, man weiß es nicht.

Der Motor läuft und läuft, irgendwann, so überlege ich, werden wir tanken müssen, ohne uns auch nur einen Meter vom Fleck bewegt zu haben, doch dann gehen die Türen auf, die Crew steigt ein, kein Gruß, kein Blick, wir haben uns schon fast dran gewöhnt, doch immerhin, wir fahren. Endlich.

In Windhoek wird erst die Crew abgesetzt und dann wir, wie erhalten Gutscheine fürs Hotel, für ein Abendessen sowie ein einzelnes Telefonat und außerdem zwei Mini-Fläschchen Wasser, die zum Waschen gedacht sind, denn in Windhoek werden Leitungen gewartet oder repariert und das fließende Wasser fließt gerade nicht, sondern erst wieder in der Nacht.

Das Safari Court Hotel ist ein Riesenkasten und so gar nicht unser Ding, das Zimmer allerdings okay und einen Pool gibt es auch, dort wollen wir den Nachmittag verbringen. Mit Mühe ergattern wir zwei Stühle, die Liegen sind okkupiert von weiteren Gestrandeten, einer großen, fast 50-köpfigen und trotz früher Stunde reichlich bierseligen Schicksalsgemeinschaft: "Na, dssssseid ihr auch Air Namibia?"



Wir drehen wie die meisten eine Runde im Pool, besser dieses Wasser als keins, mein Haar müffelt nach Chlor und der Speisesaal beim Abendessen penetrant nach Hallenbad. Ein anderes deutsches Paar hat seine Reise komplett selbst gebucht und ist erstaunt, was wir alles bezahlt bekommen. Die zusätzliche Übernachtung, das Essen, sie müssen für all das selbst blechen, sie hätten ja schließlich die Wahl und könnten auch zwei Tage früher zurück, so die Begründung der Air Namibia. Ich finde das frech und bin froh, dass unsere Agentur die Dinge wohl bestmöglich für uns geregelt hat.

Bleibt die Frage, wann wir eigentlich am Morgen abgeholt werden, keiner weiß es so genau, uns hat man fünf Uhr gesagt, anderen halb Sechs, nur eine kleine Mütze Schlaf, dann sitzen wir um Punkt Fünf frisch geduscht (!) in der Lobby und warten. Mal wieder.
Nichts passiert, die Reisegruppen sind aufgeregt und immer in Bewegung, geht einer raus, rennen alle hinterher, muss einer aufs Klo, folgt ihm der Rest. Ich suche die versteckte Kamera, doch ohne Erfolg, es ist auch ohne eine Riesenshow.

Dann endlich tut sich was, ein Mini-Bus fährt vor, mit Platz für zwölf Personen, wenn auch ohne Gepäck. Die meisten drängeln, klammern sich an ihre Koffer, das reinste Affentheater, doch irgendwann ist eine erste Rutsche weg und dann noch eine zweite. Lange passiert nichts, dann ein dritter Mini-Bus, der Fahrer ist ehrlich, mehr seien nicht geplant, aber wir sollen uns nicht sorgen, er müsse zwar los, aber kümmere sich. Schlecht ist, wer Schlechtes denkt, aber ich glaube ihm kein Wort.

Wir sind noch zu Viert, es ist schon nach Sechs, und kein Schiff kommt. Thomas geht rein, zieht unseren kostenfreien Telefon-Joker an der Rezeption, das erinnert an Knast, zeigt aber Wirkung. Air Namibia tut erstaunt, wähnt alle am Flughafen, sie schicken jemanden, nur das kann dauern. Wir warten, natürlich, was auch sonst, dann der nächste Mini-Bus, er ist nach unserem Anruf am Hosea Kutako losgefahren und nun drängt mächtig die Zeit. Am Airport kommt es, wie es kommen muss, ein deftiger Anschiss beim Check-In, wir seien zu spät und wohl nicht bei Trost. Wir sprinten zum Gate und plumpsen in die Sitze - geschafft!



Ich blicke hinunter, hell leuchtet die Etoscha-Pfanne, schon jetzt habe ich Fernweh und könnte glatt von vorn beginnen. Ich lege mich der Länge nach über vier Sitze, denn wir haben jeder eine Reihe für uns, und schlafe sofort ein. Schlafe so lang und gut wie noch nie im Flieger, und träume von Afrika, von dieser Reise und den kommenden.

Und so ist alles, was für den Moment noch bleibt, ein dickes Danke für eure Begleitung - und ein Fazit, das in den nächsten Tagen folgen wird!

Letzte Änderung: 03 Mai 2020 11:43 von Beatnick.
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05 Mai 2020 17:57 #588220
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Wegmütig

Dieser Bericht hat mich beinahe so bewegt wie die Reise selbst. Nicht nur, weil er mir so viel Spaß gemacht hat. Oder weil ich ihm den Berti zu verdanken habe, der extrem unternehmungslustig ist und hoffentlich eine große, reiseintensive Zukunft vor sich hat. Sondern auch, weil er eine ungeahnte Wendung genommen hat, und dieser geschuldet ist Berti derzeit vor allem eins: wegmütig. Ein mir ebenfalls neuer Begriff, der jedoch den Nagel auf den Kopf trifft, denn so geht es mir, so geht es Thomas und wahrscheinlich uns allen hier im Forum.



In den vergangenen Tagen habe ich noch einmal zu den Anfängen des Berichts zurückgeblättert - und dabei seine Metamorphose mit voller Wucht zu spüren bekommen. Sorglos von mir begonnen und von lieben und liebgewordenen virtuellen Begleitern nicht selten voller Vorfreude auf eine eigene Reise verfolgt, kamen mittendrin Corona und der damit einhergehende Lockdown. Aus Vorfreude wurde Wehmut - und für mich persönlich der Reisebericht zum Strohhalm. Als jemand, der eigentlich immer nach vorn guckt, schien mir plötzlich die Erinnerung vielversprechender als die Zukunft. Das soll so nicht sein und wird sich auch wieder ändern, half mir aber über den ersten Schock hinweg, den #wirbleibenzuhause bei mir ausgelöst hatte - auch dank eurer tollen Begleitung im Reisebericht, für die ich mich herzlich bedanken möchte.





Die Reise selbst, unsere dritte nach Namibia, hat uns nach anfänglichen Turbulenzen um Route, Kosten und deren Missverhältnis richtig gut gefallen. Den letzten Tag mit dem Air-Namibia-Trouble nehme ich natürlich davon aus, doch das hatten wir schon seinerzeit vor Ort getan und die Tour nach der Wegfahrt von der Ohange Lodge für eigentlich beendet erklärt. Ob ich nochmal mit der Airline fliegen würde, falls sie weiterhin existieren sollte? Ich weiß es schlichtweg nicht, finde aber grundsätzlich einen Non-Stop-Flug extrem verlockend.

Wir haben uns auf der Tour Zeit gelassen, wie wir das seit einigen Jahren generell tun, und das hat sich einmal mehr bewährt. Nur so können wir eintauchen in die jeweiligen Orte, den Blick für das schärfen, was ihn ausmacht und die Stimmungen auf uns wirken lassen.





Was waren die Highlights? Das lässt sich schwer beantworten, denn es war vor allem die große Bandbreite an Eindrücken, die diese Reise für uns besonders gemacht hat. Von den kargen, bizarren Felsen an der Spitzkoppe über die tierreiche Etoscha-Pfanne in die stillen, üppigen Flusslandschaften des Caprivi - diese sehr abwechslungsreiche Kombination mochten wir und können sie auch empfehlen.







Jedes unserer Ziele hatte etwas für sich. Die Spitzkoppe hat mein Herz im Sturm erobert, und ich will dorthin zurückkehren. Sie hat etwas Archaisches, Unvergängliches an sich, diese Landschaft, in der ich mich zeitlos fühlte und rundherum wohl. Die Spitzkoppen-Lodge hat ihren Anteil daran, aber längst nicht nur. Das zentrale Damaraland mit seinen wie hingeworfenen Steinhaufen mag ich sowieso, der Ausflug zu den Wüstenelefanten war unerwartet großartig, anders als der Blick hinunter vom Grootberg-Plateau. Der war auch groß, aber mit Ansage.







Der Etoscha-Nationalpark ist nicht die Serengeti und nicht der Moremi, doch wir schätzen seine besondere Landschaft, die vielen natürlichen Wasserlöcher und die tollen Möglichkeiten der Tierbeobachtung. In dieser Hinsicht hat er uns auch diesmal wieder verwöhnt und so haben wir unseren Sichtungssack randvoll gemacht, bevor es in den Caprivi weiterging, wo wir vor allem auf Vögel geeicht waren.



Wir empfanden den Etosha auch diesmal nicht als überfüllt, wie überhaupt auf der gesamten Reise nichts, allerdings als deutlich zu trocken, was er ja bekanntermaßen auch war. Das hat nicht nur landschaftlichen Reiz sowie die kleinen Beobachtungen zwischen den Wasserlöchern genommen, sondern tat auch manchmal in der Seele weh. Unterm Strich überwog das Positive.







Der Caprivi war Neuland für uns und hat definitiv seinen Reiz. Eingebettet in eine Kombination mit anderen attraktiven Zielen, ist er mit seinem schwarzafrikanischen Flair, den einsamen Nationalparks und grandiosen Bootstouren ein besonderer Farbtupfer. Herausragend waren für uns die Trips mit Drotsky's sowie unsere Besuche bei den Karminspinten. Beides würde ich jederzeit wiederholen.









Schon fast ein wenig aus Trotz hatte ich ja beschlossen, den langen Weg nach Windhoek wieder zurückzufahren und nicht wie ursprünglich angedacht One Way zu planen. Tatsächlich hat uns das (etwas unerwartet) nicht gestört. Unsere beiden Zwischenstopps bei River Dance und Ohange haben uns überraschend viel geboten - darunter die so anrührende Begegnung mit dem Bushbaby-Baby. Es ist aber bestimmt keine schlechte Idee, noch bis zum Chobe oder gar bis zu den Vic Falls weiterzureisen und von dort zurückzufliegen. Es braucht entsprechend Zeit und Geld.



Als Fahrerin scheue ich mich vor nichts - außer vor Tiefsand. Strecke und Unterkünfte waren entsprechend ausgelegt, und das funktionierte gut. Ein paarmal haben wir im Caprivi auf geführte Gamedrives zurückgegriffen; auch, weil wir das von Zeit zu Zeit genießen. Über Bidvest als Autovermieter kann ich nichts Negatives sagen. Alles hat gut geklappt, und die Reifen haben auch diesmal wieder gehalten.

Am Ende unserer Reise kam der lang ersehnte Regen, und darüber haben wir uns sehr gefreut. Weil er sich schon immer mal andeutete und der Himmel gegen Nachmittag zuzog, mussten wir oft ohne das afrikanische Abendrot auskommen. Das war schade, doch alles in allem war das Wetter auf unserer Seite. Dass es im November sehr heiß war, liegt auf der Hand. In aller Regel haben wir keine Probleme damit.



Namibia hat uns auch beim dritten Mal begeistert, und von den Erinnerungen werde ich noch lange zehren - vielleicht sogar zehren müssen. Ende Dezember wollen wir nach Südafrika und freuen uns so sehr darauf. Die Route steht, die Reise ist gebucht, doch wer weiß, ob sie stattfinden kann. Wann geht es wieder los, wie geht es wieder los und wohin, die Ungewissheit schmerzt, die Stimmung schwankt, ihr wisst, wovon ich spreche.

Ich drücke uns allen die Daumen. Und danke euch für euer Interesse, eure Begleitung und eure eigenen Berichte, die ich in den nächsten Wochen intensiv verfolgen werde. Ob Ausflüge in die Vergangenheit, Lagerfeuer-Romantik oder phantastische Hochzeitsreisen - ich bin dabei. Nicht nur, aber auch als Ersatzdroge. Denn ganz ohne Afrika geht es nicht.

Passt auf euch auf, bleibt gesund und wie eine liebe Freundin immer zu sagen pflegt: Köpfchen über Wasser!

Liebe Grüße,
Betti-Berti und Thomas



Letzte Änderung: 05 Mai 2020 18:08 von Beatnick.
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