Im Nachhinhein sehe ich die Reise gar nicht als so außergewöhnlich oder abenteuerlich. Die größte Schwierigkeit ist denke ich das Losfahren an sich. Man weiß nicht was auf einen zukommt, wird etwas passieren oder nicht? Wie kommt man mit dem Klima und der täglichen Anstrengung klar, vor allem mit der Einsamkeit und im Notfall nur auf sich alleing gestellt zu sein.
Auf dem weiteren Weg von Vredendal geschah mal wieder etwas tolles und total unerwartetes. Ein Auto hielt an und ein Mann kam auf mich zu. Erst hatte ich etwas zwiespältige Gedanken, was der wohl von mir wollte, vor allem war kein anderes Auto war in Sicht.
Allerdings zeigte sich die Westküste des Landes mal wieder als äußerst positiv, denn der Mann ist der Besitzer einer Unterkunft die auf meinem Weg nach Namibia liegt. Er meinte er freut sich immer über Radreisende und seine Unterkunft ist schon fast berühmt unter Radreisenden. Er gibt jedem den er sieht bescheid, dass man herzlich wilkommen bei ihm ist. Seine Frau und er fahren auch leidenschaftlich Mountainbike und sind große Namibiafans. Na gut dachte ich, das klingt doch super!
Also verkürzte ich die Etappe an diesem Tag und bog bereits in Nuwerus ab um auf der Hardeveld Lodge mein Lager aufzubauen.
Kobus der Besitzer erwartete mich schon und zeigte mir stolz Fotos von vielen Radreisenden, die bereits bei ihm Unterschlupf gefunden hatten.
Für 80 Rand ist der Zeltplatz auch mehr als studentenfreundlich und da man auch den Pool und ein Lese- und Wohnzimmer benutzen kann war das ein Volltreffer. Die sehr sauberen Sanitäranlagen hatte ich wie gewohnt für mich alleine und genoss es sehr mal wieder ordentlich zu duschen.
Gute Erholung war auch wichtig, denn der nächste Tag sollte mehr als anstrengend werden.
Kobus hatte mir sehr genaue und zuverlässige Informationen über den weiteren Streckenverlauf bis zur Grenze gegeben. Alles stimmte haargenau.
Die ersten 80km gingen locker von der Hand und ich traf um 10 Uhr meine ersten Mitstreiter (auch die einzigen der ganzen Reise).
Nach einem kurzen Austausch über die weitere Strecke verabschiedeten wir uns aber auch schon nach kurzer Zeit wieder. Die beiden starteten gerade los und ich war froh schon fast am Ziel zu sein.
Eigentlich wollte ich in Garies einkaufen gehen und Wasser auffüllen. Doch vor dem Supermarkt waren wirklich sehr viele Menschen, die scheinbar nichts besseres zu tun hatten als mich zu beobachten und vor allem mein Fahrrad unter eine genaue Analyse zu nehmen.
Ich fühlte mich mehr als unwohl das Fahrrad mit all meinem Hab und Gut vor dem Markt stehen zu lassen, schnell wäre es möglicherweise auf einem der herumstehenden Pick ups gelandet und weg, so schnell könnte ich gar nicht wieder aus dem Supermarkt heraus sprinten.
Vielleicht waren die Leute aber auch nur neugierig und wollten mir überhaupt nichts böses!
Ich hatte ein komisches Bauchgefühl und entschied mich nach einer kurzen Rast und einer schnellen Banane weiterzufahren und auf dem Weg das Wasser aufzufüllen.
Diese Entscheidung bereute ich nach kurzer Zeit zutiefst. Denn es ging genau nach den Angaben von Kobus erstmal einen langen und steilen Pass hoch, dann nur noch bergauf und bergab bis Kamieskroon.
Nach einer Stunde war der letzte Wassertropfen in meiner Kehle verschwunden, reichte aber bei langem nicht aus um mich ausreichend zu hydrieren.
Rauf, runter, rauf runter in der sengenden Hitze, ich schwitze und schwitze.
Ich entschied mich eine kurze Pause einzulegen doch auch diese Entscheidung war die falsche an diesem Tag.
Denn auf dem Parkplatz waren schon wieder diese Teufelsdornen mit ihrem 4 Stacheln die sich wie selbstverständlich in meinen Mantel bohrten.
Da kommt eins zum anderen und ich war nach dem Mantelwechsel wirklich demotiviert und kaputt.
Aber ich musste weiter um Wasser zu finden!
Im Nachhinhein hätte ich einfach ein Auto anhalten sollen um nach Wasser zu fragen. Allerdings preschten die meistens so schnell und kanpp an mir vorbei dass ich sehr wenig Hoffnung hatte und es daher gleich gelassen habe.
Die letzen 50 km bis Kamieskroon waren wie im Delirium. Alle gefühlten 100m musste ich anhalten um wieder kurzfristig Kräfte zu sammeln. Mein Po schmerzte und ich musste oft laut schreien wenn ich mich wieder in den Sattel setzte. In meinem Kopf wechselten die Gedanken nur zwischen "Ich kann nicht mehr" und "Doch du musst". Erstaunlich wie man sich mit nur 2 Gedanken stundenlang beschäftigen kann. (Viele fragten mich was man denn so den ganzen Tag denken würde).
Als ich in Kamieskroon ankam hatte der ortsansässige Supermarkt nur noch 10 Minuten offen und ich fuhr also dorthin so schnell meine Beine noch funktionierten. (Der Kopf gibt weitaus früher auf als die Muskeln, die Beine pedallierten einfach stetig weiter, obwohl das Gehirn schon sagt, "Nee es reicht, ich mag nicht mehr". Eine interessante Erkenntnis!)
Als ich dann fast (gefühlt) tod auf die Wiese am Campingplatz fiel und mir den süßen Einfachzucker einer echt eklig süß schmeckenden Limonade einflösste fiel mir auf dass die Haltbarkeitsdaten meiner gerade frisch eingekauften Lebensmittel teilweise bereits abgelaufen waren.
Der Laden hatte aber bereits geschlossen. Als ich den Frischkäse öffnete war dieser bereits am Rand verschimmelt. Was für ein Tag!
Normalerweise achte ich sehr auf meinen Körper und was ich ihm einflöße aber in diesem Moment schaffte ich die Gedanken zum Schimmel erstaunlich schnell beiseite und schaufelte mir einfach die andere, gute Hälfte des Frischkäses auf das Weißbrot.
Direkt neben meinem Schlafplatz auf dem Gras (ich war einfach zu fertig um mein Zelt aufzubauen, geschweigedenn die Luftmatratze aufzublasen) entdeckte ich eine Mauer mit einem kleinen Nachbarn.
Der Sternenhimmel war fantastisch und ich konnte meine letzten Kräfte aktivieren und nochmal die Kamera aus dem Rucksack fischen und drückte einfach schnell auf den Auslöser. Leider sind die Fotos natürlich verwackelt und nicht ganz scharf, aber in dieser Situation für mich einfach einzigartig. Ich schlief trotz der körperlichen und psychischen Müdigkeit sehr schlecht, vermutlich das restliche Adrenalin das sich nur langsam abbaute, oder was auch immer.