Manzanillo - Bartolomé Masó
Am nächsten Morgen bin ich wieder mal früh auf den Beinen. Es ist noch dunkel und nicht einmal die Hähne krähen, als ich im engen Treppenhaus meiner Casa das Fahrrad bepacke. Die ersten Sonnenstrahlen streichen über das noch schläfrige Städtchen, als ich Manzanillo verlasse. Doch mit der Schläfrigkeit ist es bald vorbei. Als ich auf die Straße Richtung Bayamo stoße, herrscht dort trotz der frühen Stunde reger Verkehr. Menschen fahren, oder laufen zur Arbeit, LKWs, Busse und landwirtschaftliche Fahrzeuge überholen mich mit dröhnenden und rußenden Motoren.
Manzanillo – der erste Fahrradweg, den ich in Kuba gesehen habe
Aber, Kuba ist immer für eine Überraschung gut. Zum ersten Mal komme ich in den Genuss eines Fahrradweges. Ich wusste bislang nicht einmal, dass es so etwas in Kuba überhaupt gibt. Allerdings ist der Radweg eine abenteuerliche Angelegenheit voller Löcher und Bodenwellen. Radfahrer sind zwar vor dem recht dichten Verkehr geschützt, müssen aber gut aufpassen, nicht in einer der zahlreichen Furchen und Rillen hängen zu bleiben.
Straße Manzanillo - Bayamo
Auf Schildern wird immer wieder vor gefährlichen Streckenabschnitten gewarnt. Man bekommt die Zahl der Unfälle, Toten und Verletzten mitgeteilt. Ob es die Fahrweise positiv beeinflusst, weiß ich nicht.
Bei Sonnenaufgang verlasse ich Manzanillo
Eine erste Pause mache ich in Yara. Yara ist ein kleines Städtchen auf halben Weg zwischen Manzanillo und Bayamo. Hier zweigt die Straße nach Bartolomé Masó, meinem heutigen Tagesziel, ab.
Inzwischen bin ich mächtig durstig geworden und auch mein Magen knurrt hörbar. Das Frühstück heute Morgen in der Casa in Manzanillo war mehr als kärglich gewesen.
An der Hauptstraße sehe ich einige Stände mit Bocaditos (Sandwich) und einen Guarapo-Stand. Guarapo ist der aus frisch geschnittenem Zuckerrohr gewonnene Zuckerrohrsaft. Mittels einer Zuckerrohrpresse, die gleich hinter dem Verkaufsstand steht, wird der Guarapo frisch gepresst. Dabei wird das Zuckerrohr mehrmals zwischen zwei Walzrädern hindurchgezogen, bis kein Tropfen mehr herauskommt. Das Ergebnis ist ein milchiges, süßlich schmeckendes Getränk, das, mit geschreddertem Eis gekühlt, für 0,5 – 1 Peso MN (CUP), also etwa 0,03 € - 0,06 € verkauft wird.
Guarapopresse
Mir klebt von der staubigen Landstraße die Zunge am Gaumen und ich stürze mich zuallererst auf den Guarapo-Stand. Der Guarapo schmeckt so köstlich, dass ich erst nach dem fünften oder sechsten Glas aufhören kann zu trinken. Da der Zuckerrohrsaft mit Eis vermischt wird, hoffe ich, dass das Eis sauber ist. Ich vertraue mal meinem robusten Magen.
Die Verkäuferin strahlt mich an:
„Con eso tienes energía para todo el día“ (Das gibt dir Energie für den ganzen Tag)
Ein Campesino grinst mich an und ergänzt:
„Y por toda la noche“ (Auch für die ganze Nacht)
Alle Anwesenden kichern.
In Kuba gilt Guarapo als Wunder- und Heilmittel für alles Mögliche. Kubanische Männer schwören auf eine aphrodisierende und leistungssteigende Wirkung, für andere ist es ein Lebenselixier schlechthin. Für einen durstigen Radfahrer ist ein eiskalter Guarapo das Beste was ihm an einem heißen Tag passieren kann.
Da ich jetzt tatsächlich vor Energie strotze
, lege ich die letzten 20 km bis Bartolomé Masó ohne weitere Pausen zurück. Die Strecke ist wieder angenehmer zu fahren, kaum Verkehr und immer die Sierra Maestra vor Augen.
Landstraße nach Bartolomé Masó
Landstraße nach Bartolomé Masó
Bartolomé Masó
Bartolomé Masó ist ein Städtchen am Rande der Sierra Maestra. Nach der Einsamkeit der Landstraße wirkt Masó quirlig und voller Leben, aber tatsächlich ist es ein kleines Nest mit einer Central Azucarera (Zuckerfabrik), ein paar kioskartigen Geschäften entlang der Hauptstraße und dem Hotel Balcon de la Sierra.
Von Maso aus sind es nur noch 23 km bis Santo Domingo, bzw. bis zum Nationalpark Turquino, eine der unwegsamsten Gegenden Kubas. Im Nationalpark liegt die höchste Erhebung des Landes, der Pico Turquino. Von dem verschlafenen Bergdorf Santo Domingo aus kann man Wanderungen zur Comandancia de la Plata machen, der ehemaligen Kommandozentrale der kubanischen Revolutionäre. Unter anderen waren hier Ché Guevara und die Castro-Brüder Fidel und Raul.
Die Ausläufer der Sierra Maestra bei Bartolomé Masó
Ich bin vor ein paar Jahren schon einmal mit dem Fahrrad von Bartolomé Masó nach Santo Domingo gefahren. Das war, was Steilheit anbelangt, eine der extremsten Strecken, die ich jemals mit dem Fahrrad bewältigt habe. Damals beschrieb ich die Tour in einem Reisebericht wie folgt:
„Um es kurz zu machen, die ersten 15 km sind relativ locker zu fahren, mal geht’s hoch, dann wieder runter, durch eine faszinierende Berglandschaft. Dass es die Sierra in sich hat, wird mir auf den letzten sieben Kilometer vor Santo Domingo unmissverständlich klar. Was da kommt, sind keine ‚lomas‘ (Hügel), das ist Schinderei vom Feinsten. Ein Anstieg nach dem anderen, einer fieser als der andere. Dazu knallt die Sonne genau von vorne. Habe ich einen Anstieg geschafft, geht’s steil bergab und gleich dahinter ebenso steil wieder hoch. Der Straßenbelag besteht aus waschbrettartigem Beton, ansonsten hätten die Fahrzeuge mit ihren oft abgefahrenen Reifen keine Chance.
Schließlich wird es so steil, dass ich schieben muss. Aber selbst das Schieben des beladenen Fahrrades ist unglaublich anstrengend und schweißtreibend. Während ich mich dem Ende meiner Kräfte nähere, taucht plötzlich ein Campesino („Cuido animales“) wie aus dem Nichts auf und ohne viele Worte zu verlieren hilft er mir beim Schieben. Während wir eine Pause machen erzählt er von Unfällen, die sich auf der Strecke in den letzten Jahren ereignet hatten, vor allem Camiones (LKWs), deren Bremsen versagten. Wir essen Käse und Brot aus Maso, dann verschwindet er auf einem schmalen, steilen Trampelpfad.“
Diesmal werde ich mir diese Schinderei nicht antun. Stattdessen fahre ich zum einzigen Hotel und checke dort ein. Das Hotel Balcon de La Sierra ist eine angenehme Überraschung. Es liegt am Rande des Städtchens auf einer Anhöhe und man hat von dort einen phantastischen Blick auf die Berge. Für 15 CUC bekomme ich einen kompletten Bungalow, mit zwei Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche. Was will man mehr?
Hotel Balcon de La Sierra
Etwas oberhalb der Bungalows befindet sich eine Hotel-Bar mit Swimmingpool. Der Pool ist zwar wegen was auch immer geschlossen, aber von dort hat man die beste Aussicht auf die Umgebung. Links, die Gebirgsketten der Sierra, auf der rechten Seite weites Land, aus dem mehrere kegelförmige Bergen ragen.
Hotel Balcon de La Sierra – Sundowner zum Sunset
Der Tag verabschiedet sich zu einem prächtigen Sonnenuntergang, den ich bei einem Sundowner genieße. Später entstehen noch seltsame Lichterscheinungen am dunkler werdenden Himmel.
Seltsame Lichterscheinungen nach Sonnenuntergang