THEMA: Reisebericht: Mit Fahrrad, Bus und Zug durch Kuba
23 Aug 2020 21:17 #593869
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  • Martina56 am 23 Aug 2020 21:17
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Guten Abend Guko,

interessant Dein Bericht für mich von den untouristischen Orten auf Cuba. :blink: Ich genieße Deine Erzählungen sehr und die Bilder noch mehr. Und ja, das Salzwasser heilt die Wunden. :) Habe ich erst vor 2 Monaten in Südfrankreich auch erfahren... Nur die Zahnkrone auf Abwegen konnte das Salzwasser auch nicht retten. :S
Aber solche Dinge sind nur Nebensache!
Liebe Grüße
Martina
2020: Februar/März Kuba und mehr martinasreisen.blog/
2019 Mai/Juni: Botswana - Caprivi - Vic Falls hier im Forum www.namibia-forum.ch...-okavango-delta.html
2018 Sizilien, Äolische Inseln, La Reunion und mehr: martinasreisen.blog/
2018 Ost-Sizilien und Liparische Inseln Reisebericht: www.umdiewelt.de/mTravelogue.php?t=9215&m=p
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26 Aug 2020 18:06 #594012
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  • Gu-ko am 26 Aug 2020 18:06
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Martina56 schrieb:
Guten Abend Guko,

interessant Dein Bericht für mich von den untouristischen Orten auf Cuba. :blink: Ich genieße Deine Erzählungen sehr und die Bilder noch mehr. Und ja, das Salzwasser heilt die Wunden. :) Habe ich erst vor 2 Monaten in Südfrankreich auch erfahren... Nur die Zahnkrone auf Abwegen konnte das Salzwasser auch nicht retten. :S
Aber solche Dinge sind nur Nebensache!
Liebe Grüße
Martina
Danke :)
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26 Aug 2020 19:19 #594014
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  • Gu-ko am 26 Aug 2020 18:06
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Media Luna – Manzanillo

Ich wäre gerne noch einen Tag im sympathischen Media Luna geblieben, aber die Zeit drängt und ich möchte nicht schon wieder einen Ruhetag einlegen. Mein heutiges Ziel ist die Hafenstadt Manzanillo, mit über 100 000 Einwohner die zweitgrößte Stadt der Provinz Granma.


Wieder unterwegs – zwischen Media Luna und Manzanillo

Die Landstraße führt auch heute schattenlos und wie mit dem Lineal gezogen, durch endlose Zuckerrohrplantagen. Der löchrige Straßenbelag erinnert an einen Schweizer Käse, die Schlaglöcher, Risse und Spurrillen zwingen mich zum Slalomfahren.


Landschaft Ostkuba

Später wechseln Zuckerrohrfelder mit Weide- und Ackerland. Gut genährte Kühe grasen unter schlanken Königspalmen. Rinder sind in Kuba Staatseigentum, wer eine Kuh tötet muss nach kubanischem Strafrecht mit bis zu 10 Jahren Gefängnis rechnen, für den illegalen Handel mit Rindfleisch drohen fünf Jahre.

Noch habe ich die Landstraße fast für mich allein, doch das soll sich im Verlaufe des Tages ändern.


Öko-Landwirtschaft

Vor allem die kleinen Privatbauern bearbeiten ihre Felder noch mit von Ochsengespannen gezogenen Holzpflügen. In den Staatsbetrieben geht es zwar moderner zu, effizient ist deren Arbeitsweise auch nicht. Trotz fruchtbarer Böden muss Kuba den größten Teil seiner benötigten Lebensmittel importieren.

An einer Straßenkreuzung, im Schatten eines mächtigen Baumes, mache ich ein Päuschen. Radfahren macht hungrig und ich habe noch ein paar angeschmolzene Schokoriegel im Gepäck.

Während ich meinen Schokoriegel kaue, taucht wie aus dem Nichts ein Campesino auf. Ein Gesicht aus Falten und Bartstoppeln, ein Mund fast ohne Zähne. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Er nuschelt etwas Unverständliches, ich verstehe bloß einzelne Worte:

„nieto“ (Enkel) und „familia“ (Familie).

Da ich gerade einen Schokoriegel im Mund habe, nuschle ich freundlich etwas zurück und so nuscheln wir eine Weile hin und her, bis er ein dickes, leicht ramponiertes Fotoalbum aus einem Beutel zieht und aufklappt.

Das Album ist gefüllt mit über Jahrzehnte gesammelte Fotos seiner Familie. Bilder von Babys und Kleinkindern, von Papas und Mamas, Tias und Tios (Tanten und Onkel), Primas und Primos (Cousinen und Cousins). Oft sind die fotografierten Personen um riesige rosarote Zuckertorten gruppiert, oder stehen vor kitschigen knallbunten Fotostudiohintergründen, oder einmal, auf das Foto ist er besonders stolz, klammern sich zwei Kinder im Krabbelalter auf einem Motorrad fest ("la moto del fotografo") und starren ernst, fast grimmig, in die Kamera. Auch die Personen auf den anderen Bildern blicken steif und angespannt. Auf keinem Foto lacht oder lächelt jemand. Ein Fototermin scheint in Kuba eine ernste Angelegenheit zu sein.

Kubanische Familien sind groß und als ich schon befürchte, das Album würde überhaupt kein Ende nehmen, taucht auf der Straße ein Camion auf. Der Campesino packt sein Album wieder ein und gibt dem Fahrer Zeichen anzuhalten. Er wünscht mir alles Gute für meine Reise und, dass Gott mich segne (que Dios te bendiga), dann klettert er auf die Ladefläche des LKWs und verschwindet genauso flugs wie er aufgetaucht ist.

Inzwischen ist es deutlich wärmer geworden. Jetzt erst merke ich, dass kleine, hochfrequent surrende Fluginsekten unablässig versuchen in meinen Ohren zu landen. Höchste Zeit für einen Ortswechsel. Den Kopf voller Bilder von unbekannten Menschen und rosaroten Zuckertorten fahre ich weiter Richtung Manzanillo.

Je näher ich Manzanillo komme, umso lebhafter wird die Straße. Trotz des teilweise sehr schlechten Straßenbelags brettern die Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit an mir vorbei. Camiones vollgestopft mit Menschen, aber auch PKWs, landwirtschaftliche Fahrzeuge und Motorräder.

Schwarzer, stinkender Dieselqualm wird wieder zum Problem. Dazu brennt die Sonne kräftig ins Gesicht und der Schweiß in den Wunden. Unter diesen Bedingungen macht Fahrrad fahren nicht wirklich Spaß.


Hässliche Plattenbauten bei Manzanillo

Manzanillo

Als ich Manzanillo erreiche, suche ich mir als erstes eine Unterkunft im Stadtzentrum. Ich bin froh, das Fahrrad für heute abstellen zu können. Anschließend wasche ich den Dreck der Straße aus meinen Wunden.

Doctora aus Pilon hatte mir eingeschärft, mindestens zweimal pro Tag alle Wunden gründlich mit Kernseife auszuwaschen und solange zu schrubben, bis sich der Fibrinbelag ablöst. Die Schrubberei hat zur Folge, dass die tieferen Verletzungen immer wieder zu bluten beginnen. Da es in diesem Teil Kubas kein Verbandsmaterial zu geben scheint, bleibt mir nichts anderes übrig, als nach der Reinigung ein Desinfektionsmittel aufzutragen und mit den offenen Wunden herumzulaufen.

Dass ich ein bisschen gruselig aussehe, merke ich immer wieder an den Reaktionen der Menschen, mit denen ich in Geschäften, Restaurants, oder auf der Straße in Kontakt komme:

„Dios mio, qué te pasó, eso no se ve bien, no es facil…“ usw (Mein Gott, was ist dir passiert, das sieht nicht gut aus, das Leben ist nicht einfach…“)


Manzanillo Parque

Manzanillo hat ein hübsches Zentrum. Um den Parque Céspedes gruppieren sich koloniale Gebäude, denen man spanische und maurische Einflüsse ansieht. Vor allem der Pavillon (die Glorieta) im Mittelpunkt des Parques beeindruckt durch eine Architektur, die man eher in Nordafrika erwarten würde. Überbleibsel einer Vergangenheit, als Kuba noch "die reichste Kolonie der Neuen Welt“ war.


Pavillon „Glorieta“


Manzanillo - Maurisch geprägte Architektur

Darüber hinaus wirkt Manzanillo auf mich eher etwas trist. Je weiter ich mich vom Zentrum entferne, umso unbelebter wirken die Straßen, umso vernachlässigter die Gebäude. Schade, mit etwas Pflege und Restauration könnte Manzanillo ein Schmuckstück sein.


Manzanillo

Der Himmel verfinstert sich zunehmend und plötzlich schüttet es wie aus Kübeln. Überall bilden sich Pfützen, Wasserläufe und kleinere Überschwemmungen. Im Nu sind Straßen und Plätze menschenleer, das gesamte Leben in den Straßen kommt zum Erliegen.

Als ich mich vor den Wasserfluten in ein Restaurant retten will, stellt sich mir eine uniformierte Angestellte in den Weg. Nachdem sie mich gründlich von oben bis unten betrachtet hat, sagt sie in abweisendem Ton:

„Aqui no se puede entrar en camiseta“ (Hier darf man nicht in einem T-Shirt eintreten)

Es ist eines dieser staatlichen Peso-Restaurants, in die man nur eingelassen wird, wenn man ordentlich gekleidet ist. T-Shirts, halblange Hosen, oder gar Sandalen gelten nicht als ordentlich.

Wunderlich ist diese Kleiderordnung vor allem deshalb, weil sich die meisten staatlichen Peso-Restaurants nicht gerade durch ein gehobenes Ambiente auszeichnen. Standard sind fleckige Tischdecken auf denen sich Fliegen tummeln, lange Wartezeiten trotz vieler, untätiger Angestellten, und kaltes Essen trotz langer Wartezeiten. Und wenn man satt werden will, bestellt man am besten gleich zwei Portionen. Dafür kostet ein Essen selten mehr als 1 CUC.

Da ich schon bei früheren Kubareisen mit der Kleiderordnung staatlicher kubanischer Restaurants konfrontiert wurde, habe ich in meinem Gepäck extra ein (ordentliches) Hemd mit Kragen. Aber jetzt gerade habe ich es nicht dabei. Zum Glück gibt es gegenüber einen Paladar, ein privat geführtes Restaurant, und dort bekomme ich, auf sauberen Tischtüchern ohne Fliegen B) , trotz meines ärmellosen T-Shirts, etwas zu essen.

Den Rest des Tages verbringe ich mit Wäsche waschen und chillen. Mehr als eine Nacht werde ich nicht in Manzanillo bleiben.
Letzte Änderung: 26 Aug 2020 19:22 von Gu-ko.
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26 Aug 2020 23:13 #594037
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  • CuF am 26 Aug 2020 23:13
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Lieber Gu-ko,
nicht nur Deine Fotos und überhaupt diese gesamte Reise sind/ist bemerkenswert . Auch Dein Humor gefällt mir sehr, vor allem diese Sequenz
„Kubanische Familien sind groß und als ich schon befürchte, das Album würde überhaupt kein Ende nehmen...“

.....ein sehr amüsiertes Danke - nicht ohne Deine Blessuren zu bemitleiden
Friederike
Letzte Änderung: 26 Aug 2020 23:16 von CuF.
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27 Aug 2020 18:53 #594063
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  • loser am 27 Aug 2020 18:53
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Hallo Gu-ko, ich bin Späteinsteiger...PS aber deswegen nicht weniger begeisterter Mitleser :)
Herzlichen Dank, deine Reiseberichte sind für mich immer was Besonderes.
Vor ein paar Monaten war (wo?) eine ungewöhnliche TV-Reportage über Kuba. Von einem (US?) amerikanischen Journalisten über den Alltag in Städten und am Land. Er hatte vor Jahrzehnten als junger Mann die Akzeptanz des damaligen Fidel Castro - Regimes gewonnen, Kontakte und Freundschaften geknüpft und so Reportagen über den kubanischen Alltag produziert. Über die folgenden Jahrzehnte hat er dann, in längeren Abständen, immer wieder dieselben Personen und Familien besucht und interviewed und so entstand eine sehr sympathische und sehr informative Dokumentation über das harte Leben von zwei Generationen einfacher kubanischer Bürger in der Stadt und am Land. Hätte dir wahrscheinlich gefallen…..aber du machst ja sowas selber. Respekt!!
Danke und Grüße, Werner
Letzte Änderung: 27 Aug 2020 19:15 von loser.
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30 Aug 2020 19:08 #594127
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  • Gu-ko am 26 Aug 2020 18:06
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CuF schrieb:
.....ein sehr amüsiertes Danke - nicht ohne Deine Blessuren zu bemitleiden
Friederike
Danke :)
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