Kapitel 6: Ein ziemlich perfekter Kruger-Tag
Teil 1: Der Morgen
Im Morgengrauen stehe ich – wie immer, wenn ich im südlichen Afrika unterwegs bin – voller Energie auf. Warum gestaltet sich das in heimischen Gefilden nur immer so schwierig, mit ähnlichem Elan in den Tag zu starten?
Ein Schritt aus der Tür offenbart eine Landschaft, die noch im Zwielicht liegt. In morgendunstigem Rot und Schwarz liegt friedlich der Sabie. Und auch im Camp herrscht noch herrliche Ruhe. Ich setze mich auf eine Bank und sauge die Atmosphäre auf – die reine Luft, das blasser werdende Rot. Solche Momente genieße ich sehr.
Meine Familie wird heute früh im Camp bleiben – so früh mögen die Kinder nicht jeden Tag aufstehen und meine Frau bleibt an diesem Morgen dankenswerterweise bei ihnen.
Kurz vor Toresöffnung um 5.30 Uhr reihe ich mich in die kleine Schlange am Gate ein. Als sich der Park schließlich für seine Besucher öffnet, fahre ich nach Osten in Richtung S28 und Duke’s Wasserloch – in der Hoffnung, heute früh dort ein Date zu haben. Ich bin der einzige aus Lower Sabie, der diesen Weg einschlägt, die anderen Wagen fahren entweder am Sabie entlang gen Skukuza oder queren alsbald den Fluss in Richtung Norden.
Und so habe ich die Landschaft ganz für mich allein. Kurz nachdem ich die Tarroad verlasse, tauche ich ziemlich unvermittelt in dichten Morgennebel ein. Links und rechts kann man nur wenige Meter in den Busch schauen: Na das kann ja was werden!
Zum Glück befindet sich (die sichtbare) Sichtung Nummer Eins direkt am Weg: Einmal mehr eröffnet eine Tüpfelhyäne den Safaritag. Das Foto zeigt recht deutlich, mit welcher Suppe ich es heute früh zu tun habe.
Nur kurz bleibe ich bei der Hyäne und setze bald meinen Weg in Richtung Duke’s fort.
Weit komme ich aber nicht. Je weiter man sich vom Fluss entfernt, desto lichter wird zum Glück der Nebel und so kann ich in einiger Entfernung eine Bewegung im Busch ausmachen. Ein stattlicher Löwe bewegt sich genau auf mich zu! Ich halte an und versuche die schöne Katze auf Fotos zu bannen. Durch den dichten Bewuchs und den noch immer präsenten Dunst fällt das leider gar nicht so leicht.
Bald ist der Löwe so nah, dass die montierte Brennweite mir keine Chance mehr für weitere Aufnahmen gibt. Nur zwei Meter entfernt kreuzt das Tier die Piste und würdigt mich dabei keines Blickes. Ich sitze und genieße (und versuche dabei den Ärger zu verdrängen, nur einen Kamerabody mitgenommen zu haben…). Schon bald ist der Löwenkater im Busch verschwunden. Eine Begegnung, die einmal mehr deutlich macht, wie sehr manche Sichtungen dem puren Zufall geschuldet sind.
Es geht weiter in Richtung Duke’s Wasserloch – und nun wird mich nichts mehr aufhalten.
Als ich dort ankomme, genügt ein kurzer scannender Blick, um Endorphine freizusetzen. Meine Hoffnung hat sich erfüllt: Die zehn Löwen von gestern Abend sind noch vor Ort. Und heute Morgen steht die Sonne auf der richtigen Seite.
Ich suche mir einen guten Spot und nehme eine entspannte „Löwenbeobachtungshaltung“ ein. Die Katzen liegen faul herum. Mehr als einige Umlagerungen halten sie nicht für mich parat. Und so vergeht eine halbe Stunde. Ich allein mit zehn Löwen. Im vielbesuchten Kruger. Das ist schon eine tolle Sache.
Irgendwann bilden die Katzen einen richtigen Löwenhaufen. Über dieses Motiv freue ich mich sehr.
Schließlich trifft ein zweites Fahrzeug ein. Leider verhalten sich dessen Insassen gar nicht gut. Aus einem Dachfenster heraus recken sie ihre Oberkörper, was den Löwen gar nicht gefällt – das wird in ihrem Verhalten ganz klar deutlich.
Ich versuche den Neuankömmlingen zu signalisieren, dass sie durch ihr idiotisches Tun das Rudel stören, habe aber leider wenig Erfolg damit. Nicht lange dauert es und die Löwen stehen auf, sehen sich kurz um, sortieren sich und ziehen von dannen.
Nach kurzer Zeit sind zehn Löwen unsichtbar geworden.
Ich bin sauer und kann es mir nicht verkneifen, meinen Mitbeobachtern ein paar Takte zu erzählen. Diese üben sich im stoisch-verständnislosen Dreinblicken.
Als ich schließlich wieder allein in Richtung Osten fahre, muss ich mich anstrengen, damit diese wunderschöne Sichtung mir nicht durch das Verhalten der anderen völlig verdorben wird. Noch während ich dies schreibe, merke ich, dass ich wieder ein wenig sauer werde… Also schnell weiter!
Mir kommt ein Gamedrive-Fahrzeug entgegen: Ich erzähle von dem Löwen-Exodus bei Duke’s, der Fahrer schüttelt fassungslos den Kopf und berichtet mir wiederum von einem weiteren Rudel, das weiter südlich an der S28 liegt.
Eigentlich wollte ich ja zurück ins Camp – hole mir aber übers Mobiltelefon die Erlaubnis ein, auch diese Löwen noch mitnehmen zu können.
Es geht also nach Süden.
Da es schon etwas später ist, erkennt man die Löwensichtung natürlich an einigen Autos, die bereits am Wegesrand stehen. Die Löwen selbst – es mindestens sechs an der Zahl – sind weit weg, liegen aber recht offen auf einer Grasebene. Mit dem Fernglas kann man ihr Herumliegen ganz gut verfolgen. Es bleibt hier aber bei einem Landschaftsfoto mit Löwensprengseln.
Entsprechend kurz bleibe ich vor Ort, denn unlängst habe ich von einem anderen hier Anwesenden den Tipp bekommen, dass wiederum weiter südlich eine Gepardin mit zwei Jungen unterwegs sein soll. Eine Chance, die drei zu sehen, möchte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.
Auch hier markieren wenige Fahrzeuge den Aufenthaltsort der Katzen. Als ich dort ankomme, ist es bereits wieder ziemlich heiß und die Geparden haben sich in den schattenspendenden Busch zurückgezogen. Ich muss eine ganze Zeit suchen, bis ich sie gefunden habe. Einen Winkel zu finden, aus dem sich die Katzen mehr oder weniger frei beobachten lassen, dauert bestimmt ebenso lange. Zuerst sehe ich nur Mutter Gepard, die hinter einem Busch hervorlugt.
Bald darauf taucht hinter ihr ein Köpfchen auf. Ein kleines Gepardenkind schaut aufmerksam zu mir herüber. Nummer zwei kann ich nur erahnen.
Bald legt sich die Geparden flach auf den Boden und wird unsichtbar. Eines der kleinen setzt sich aber zum Glück recht nett in Positur und schaut grummelig-niedlich in meine Richtung. Trotz der eingeschränkten Sicht bin ich über die Begegnung ungemein glücklich.
Ich bleibe noch eine ganze Weile und hoffe, dass sich hier noch etwas tut. Leider machen die Geparden aber keine Anstalten, ihren Schattenplatz zu räumen. Wer will es ihnen verübeln?
Da der Morgen bereits weit fortgeschritten ist, nehme ich die Teerstraße zurück nach Lower Sabie und freue mich auf meine Familie, die den Tag bisher ganz entspannt im Camp verbracht hat – mit Büchern, Spielen, Pool und ganz viel Spaß. Letzteren hatte ich heute Morgen zum Glück auch.