THEMA: Vom Rand des Höllenlochs ins Inselparadies
04 Okt 2016 20:36 #447037
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25.08.16 – Gyseni


Bevor der Text beginnt, mal ein Foto zum Anfang: die Aussicht von meiner Bel-Etage am Morgen auf den Lake Kivu


Der Kormoran ist auch erwacht und streckt seine Flügel

Nach dem Ausschlafen und vor dem Morgenessen mache ich noch eine kleine Fotorunde in der Lodgeanlage. Nicht nur der Bereich am Seeufer lädt zum Verweilen ein, auch die grünen Gärten mit den farbigen Blumen sind einen Blick wert. Pünktlich um 8.00 Uhr gesellt sich Picco dazu und wir erhalten ein feines Frühstück mit gefüllter Omelette, Toast, Butter, Konfi, Fruchtsalat und Pancakes.


Mahlzeit! Unser Frühstück mit einem kleinen Gast...


... der sich hinter dem Krug versteckt.

Ein kleiner Gecko leistet uns Gesellschaft. Oder will er von meinem Frühstück naschen? Er läuft über den Tisch und zeigt dabei ziemlich feine Manieren, indem er nicht (oder fast nicht) in mein Essen tapst. Trotzdem versuche ich, ihm klar zu machen, dass das mein Revier ist, bzw. mein Essen und er sich gefälligst was anderes suchen soll. Als er vor mir vor der Tischkante steht, nimmt er einen grossen Hops, springt mich an und landet schliesslich auf dem Boden. Ziemlich erschrocken von seinem Angriff weiss ich nun, dass Geckos recht gut springen können. Nun versucht der kleine Kerl, den nebenstehenden Stamm emporzuklettern. Gelingt ihm nicht, denn er rutscht immer wieder runter. Aber aufgeben gehört sich nicht und er kämpft munter weiter, klettert, rutscht, klettert, klettert, rutscht, klettert, rutscht, rutscht. Der arme Teufel kommt einfach nicht vom Fleck.


Lauf Forrest lauf... äähh kletter Gecko kletter

Wir geniessen unser Frühstück und beobachten dabei das Treiben auf dem See. Die Fischer kehren von ihrer nächtlichen Fahrt zurück. Manche singen dabei beim Rudern, die haben wohl noch zuviel überschüssige Kraft. Die letzten Zurückkehrenden werden mit einem Motorboot unterstützt. Jetzt weiss ich auch, woher das Logo von dieser Lodge stammt (s. Bild im vorheriger Bericht).


Rückkehr der Fischer am Morgen

Picco ist mit seiner Kamera wieder hinter den Vögeln her. Wir zählen vier Graufischer, ein Hammerkopf, ein Ibis, sowie einige Greifvögel. Und unser kleiner Freund, der Gecko, probiert weiterhin, den Stamm zu erklimmen. Keine Ahnung, was da oben so Tolles sein muss, dass der unbedingt da hoch will.
Um 9.30 Uhr verlassen wir die Lodge für einen Spaziergang und schlendern dem Ufer entlang. Am Markt, wo u.a. auch die zurückgekehrten Fischerboote verankert sind, erklärt uns ein junger Mann, der sich als Fischer ausgibt, die Technik des Fischens. Mit Kunstlicht, welches über einem unter Wasser liegenden Netz schwebt, locken sie die Fische an. Wenn sie dann um das Licht schwimmen – schwupps – wird das Netz eingezogen. Nach der Erzählung folgt das Geschäftliche: für 40$ würde er mit uns in einem der Boote für eine Stunde die Bucht und die heisse Quelle zeigen. Wir lehnen dankend ab, da zu teuer, geben ihm aber für seine Erklärungen rund ums Fischen ein kleines Trinkgeld. Wir folgen der Küstenstrasse entlang, lassen die grösste Brauerei Ruandas links liegen und kurz vor der Abbiegung zur heissen Quelle sehen wir den selbsternannten Fischer wieder. Picco macht nochmals deutlich den Ausdruck, dass wir keinen Guide brauchen und laufen weiter der Strasse nach.


Gyseni (oder ein Teil davon, der Rest liegt hinter den Hügeln)


Der Frachthafen von Gyseni, im Hintergrund die Silos der grössten Brauerei Ruandas

Offenbar verirrt sich nicht so oft ein Tourist hierher, die Menschen schauen uns erstaunt und neugierig an, kleine Kinder winken uns Muzungus zu. Nach jeder Kehre denken wir, jetzt kommt dann sicher ein Restaurant, wo wir was trinken können. Es sind viele Kehren, die wir hinter uns lassen… wieder bei einer Kurve angelangt, sehen wir auf der anderen Seite neben einer Fischzucht ein grosses Gebäude. Yes, ein Hotel mit einem Restaurant, da sind wir uns schnell einig. Also legen wir nochmals ein paar hundert Meter zurück um vor dem Eingangstor des Gebäudes zu stehen: anhand eines Kreuzes und der Frauen in weissen Kostümen ahnen wir, dass es halt doch nicht unser ersehntes Restaurant ist, sondern eher sowas wie ein Kloster.


Fischzucht am Lake Kivu.


Immer wieder schön anzuschauen: der afrikanische Gerüstbau. Hat fast sowas wie Kunst am Bau...

Wir kehren um und nehmen den gleichen Weg zurück. Ein Abstecher zur heissen Quelle liegt noch drin, doch die ist eingezäunt. So erleben wir die „Attraktion“ nur von aussen und laufen zurück in die Lodge. Es ist um die Mittagszeit, der Verkehr auf und neben den Strassen hat zugenommen. Die kleinen Schüler haben aus, einige begleiten uns auf dem Weg und fragen immer wieder nach Money. Doch Picco und ich bleiben stur und bald gehen die kleinen Jungs ihren eigenen Weg.
Zurück im Hotel legen wir uns auf die faule Haut. Die bereitgestellten Liegestühle laden förmlich dazu ein. Nachdem die Batterien wieder aufgeladen sind, schnappe ich mir nochmals Kamera und Stativ und begebe mich auf Vogeljagd. Lange muss ich nicht suchen, denn ein Graufischer sowie ein Kormoran stehen fast Seite an Seite am Ufer.


Der Graufischer meckert, der Kormoran schaut betreten auf seine Füsse...


Ein schöner Platz hat er sich ausgesucht...

Weiter geht es zum Aussenbereich des Restaurants am See und… schon wieder ein Graufischer. Dankend nehme ich sein Angebot an ihn zu fotografieren. Offenbar geniesst er es im Rampenlicht zu stehen, seine Bewegungen und Allüren können fast von einem Model stammen.


Noch einer. Kontrollblick zum langen Lulatsch mit dem komischen runden Ding auf dem Ständer...

Gegen den späteren Nachmittag taucht dann Jean auf und zusammen besprechen wir noch den letzten Reisetag mit ihm. Er wird heute auch in Gyseni schlafen, jedoch nicht in der Lodge, sondern unweit davon und wie er sagt: «für mich ok, aber euch würde es nicht passen.» Naja, wer weiss… Vor dem Nachtessen verabschiedet er sich von uns und wir geniessen die letzten Stunden am Ufer des Lake Kivu; wiederum mit einem feinem Nachtessen. Währenddessen setzen die Fischer ihre Boote wieder ins Wasser und rudern auf den See hinaus, in der Hoffnung, ein paar Stunden später mit fetter Beute zurückzukehren. Ich beende den Tag wie ich begonnen habe - mit Fotos.


Ein Gewirr von Holzstangen auf dem See


Im Namengeben für Biere sind die Afrikaner sehr erfinderisch... den Turbo hab ich aber nicht gespürt. Und zur grossen bösen Mietzekatze bin ich auch nicht geworden...
Letzte Änderung: 04 Okt 2016 20:37 von Seven.
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04 Okt 2016 21:55 #447045
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  • marimari am 04 Okt 2016 21:55
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Hallo Seven,
schöner Reisebericht...lese gerne mit.
Vor allem geht es hier vorwärts (bei Picco dauert es wie immer ewigs ;) :cheer: )
Gruss M.
Nächste Reiseziele:
01.04.2024-25.05.2024: Tunesien
25.08.2024-31.10.2024: Sardinien, Umbrien, Sizilien
April 2025:Iran, Irak, Saudi Arabien, Oman, UAE oder Seidenstrasse Richtung Mongolei
www.polarsteps.com/marimariontour
www.instagram.com/marimari_on_tour/
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04 Okt 2016 22:22 #447050
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Hallo Seven,

Fast hätte ich die Reise verpasst! B)

Die Bilder vom Vulcano sind einfach spitze. :) Leider mussten wir darauf verzichten....

An Gyseni erinnere ich mich auch gerne. :cheer:

Freue mich schon auf die Fortsetzung.

LG
Annick
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06 Okt 2016 20:01 #447280
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Liebe Annick, liebe Marimari

Willkommen an Bord.

Schade, Annick, dass du den Vulkan nicht besteigen konntest. Aber was nicht war, kommt ja vielleicht noch...? ;)
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06 Okt 2016 20:49 #447295
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26.08.16 – Gyseni – Kigali
Heute geht es wieder zurück in die Hauptstadt Ruandas, vorher mit einem Abstecher zu Dian Fossey. Früh aufstehen ist angesagt, um 5.10 Uhr sitzen wir schon im Auto und fahren raus aus Gyseni. Das Frühstück haben wir von der Lodge in einem Sack mitbekommen. Essen werde ich es aber erst in Kigali… Trotz der so frühen Morgenstunde sind schon einige Menschen auf der Strasse.


Kurz nach Sonnenaufgang: geschäftiges Treiben auf und neben der Strasse

Der Tag nähert sich langsam und bevor wir im Officecenter ankommen, steht die Sonne schon über dem Horizont. Vom besagten Officecenter aus starten alle Touren, welche im Nationalpark angeboten werden, insbesondere Gorillatreckings, Wanderungen zu den Vulkanen oder eben zu Dian Fossey. Entsprechend viele Reisende hat es hier, wobei Picco und ich die einzigen sind, die sich für den Fossey-Trail entschieden haben. Um die wartenden Gäste zu unterhalten, tanzen Einheimische vor der Kaffee-/Teebude.


Dancing Stars of Rwanda - Ruanda sucht den Superstar - oder ähnlich...

Zusammen mit unserer Tourführerin Odile fahren wir zum Startpunkt unserer Trips. Beim Briefing hat sie uns das Leben von Dian Fossey erzählt (muss gegenüber Menschen ein ziemlicher Drachen gewesen sein...) und auch, was wir bei unserer Wanderung sehen, bzw. nicht sehen. Möglich zu sehen sind Antilopen, Büffel, Vögel. Eher unwahrscheinlich Gorillas. Wir laufen bei unserem Startpunkt im Dorf los und überwinden bis zum Regenwald einige Höhenmeter. Begleitet werden wir von drei Rangers, da die Büffel manchmal einen schlechten Tag haben und uns gefährlich werden könnten. Sagt man uns. Gesehen haben wir keinen der miesepetrigen Tiere.


Kurz vor dem Eintritt in den Regenwald, ein Blick zurück auf Ruandas fruchtbare Felder


Picco geht im Regenwald mutigen Schrittes voran

Im Regenwald gewinnen wir weiter an Höhenmeter, bis der Weg langsam abflacht. Von weitem hören wir Gespräche, welche die vorauslaufenden Rangers mit ein paar anderen Mitarbeiter des Parks führen. Als wir näherkommen, sehen wir zu unserer Überraschung Gorillas im Gebüsch. Ziemlich versteckt, aber eindeutig zu identifizieren. Da wir aber Dian Fossey gebucht haben, drängt uns Odile zum Weitermarsch. Bei einer kleinen Lichtung mit Bänkchen halten wir für einen Moment. Es ist still und bewölkt. Fast schon ein wenig melancholisch. Nach dem Weitermarsch erreichen wir bald die Forschungsstation der Madame Fossey, bzw. was davon noch übrig ist. Von den Häusern ist nichts mehr zu sehen, nur noch die Fundamente stehen, hier und da ein verrostetes Ofenrohr. Kalt war’s also auch schon vor 30 Jahren...


Eine Schlafstätte war das mal, heute: ein paar Fundamentblöcke und ein verrosteter Ofen


Das Heim von Dian Fossey (oder was davon übrig geblieben ist: ein verrostetes Ofenrohr)

Die Grabstätte mit den Gorillas und von Foessy selbst wirkt sehr speziell, vor allem im Urwald mit den alten, grossen, knorrigen Bäumen. Still ist es (immer noch), kein Vogel zwitschert, kein Wind weht. Wir halten für eine Weile inne und machen uns auf den Rückweg.


Die Grabstätte der Gorillas und von Dian Fossey (im Hintergrund). Nebenan Odile


Das Grab von Dian Fossey, begraben neben ihrem Lieblingsgorilla Digit

Wir laufen denselben Weg zurück. Kurz bevor wir den Regenwald verlassen, ist der Weg zu unserer Überraschung versperrt. Zwei Gorillas haben es sich gemütlich gemacht und fressen Blätter der nebenstehenden Gebüsche. Nun kann auch Odile nicht anders und wir beobachten die Tiere. Weitere Mitglieder halten sich im Buschgebiet auf, wir sehen sie zwar nicht, aber durch die Bewegungen der Büsche oder Abbrechen von Ästen können wir sie lokalisieren.


So ein Weg ist schon gemütlich zum Sitzen und von den Büschen naschen


Platz machen? Nöö, nicht mit uns!


Wer meint, wir hätten die beiden Gorillas mit einem Mega-Ultra-Super-Suppenzoom näher geholt, nöö: hier der Beweis, wie nahe die Tiere sind. Der links ist übrigens der Picco, nur so nebenbei... damit ich ihn nun auch vorgestellt und somit das ganze Bild beschrieben habe...

Die beiden Gorillas vor uns machen keine Anstalten, den Weg zu verlassen, also müssen wir durch die Büsche, welche ausgerechnet hier mehrheitlich durch Brennesseln bestehen. Und tatsächlich erwischt es mich, es beginnt an einer Wade zu brennen und zu jucken. Wir fotografieren die Gorillas von der anderen Seite, soviel Zeit muss sein.
Zurück zu unserem Startpunkt ist auch Odile froh und glücklich, die Gorillas gefunden zu haben. Beim Abschied geben wir ihr ein Trinkgeld (wie auch den Rangern) und fahren zurück nach Kigali.
Beim Hotel angekommen, checken wir ein und werden in unsere Zimmer im 2. Stock geführt. Die Zimmer sind einfach aber zweckmässig eingerichtet. Und in Piccos Zimmer stehen sogar Unterwäsche und Socken zur Verfügung. :woohoo: Keine 30 Sekunden, als ich es mir bequem gemacht habe, klopft es an der Tür und mein Reisepartner fragt ungläubig: «hast du auch Unterwäsche in deinem Zimmer?» «Nöö, wieso? Hast du? :ohmy: » Tatsächlich, am Boden liegen Socken und am Knauf(!) der Schranktüre hängt ein Schlüpfer. Hahaahaa :laugh: , wie geil ist das denn, hat Picco in der Kürze schon ausgepackt und die Wäsche sortiert? Natürlich nicht, falsches Zimmer, neuer Schlüssel, neues Zimmer für ihn; und zwar nicht neben mir, sondern auf die andere Seite zum – sagen wir mal – Hof hin. Ein entscheidender Vorteil, wie sich später herausstellen sollte. Den Schrankknauf würde ich trotzdem auswechseln… :P

Nun heisst es auch hier Abschied nehmen von Jean, was uns nicht leichtfällt. Er ist ein lockerer und humorvoller Zeitgenosse, der sich sehr gut um seine Gäste kümmert und alles für uns gemacht hat. Danke Jean, gerne wieder einmal, wenn es in den Kongo geht. Auch er erhält von uns noch ein Trinkgeld und fährt dann los, zurück in seine Heimat.

Da es schon späterer Nachmittag ist, bleiben wir im Hotel und gehen bald zum Nachtessen im Restaurant. Das Chicken Stroganoff schmeckt nicht wirklich nach Chicken, aber es sättigt. Zurück im Zimmer nehme ich teil am Stadtleben Kigalis, denn es liegt direkt auf der Strassenseite (und nicht auf der Hofseite wie dasjenige von Picco). Rufen, Hupen, Gas geben, einfach alles, was zu einer quierligen Stadt dazugehört. Das Dumme ist, die Fenster haben oben im Sturz durchgehend einen offenen Bereich mit Lüftungsgitter und Moskitonetz, so dringt der Lärm ungehindert ein. Noch dümmer ist, dass vor dem Hotel wohl in ganz Kigali die einzige Strasse liegt, welche gepflastert ist! Gibt nochmals ein paar Dezibel mehr, wenn ein beladener Laster über die Steine knattert. :angry: Trotzdem schlafe ich aber schnell ein, es war ein langer und intensiver Tag.


Die Aussicht von meinem Zimmer. Und wieder ein Gerüst, da klopft und freut sich das Bauherz!


Und hier das Corruptus delicti: die Pflasterstrasse vor meinem Zimmer. "Das sieht doch nett aus, schön ruhig und kein Verkehr. Was erzählt der Kerl denn da?" Wieso dass das so ist, wie es ist, folgt beim nächsten Kapitel. ;)
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07 Okt 2016 20:21 #447406
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27.08.16 – Kigali
00.58 Uhr steht auf dem Display meines Tablets, draussen auf der Strasse wird die Nacht zum Tag. 3.20 Uhr, verdammt, werden die denn nie müde? 7.00 Uhr, ein Lastwagen holpert mit Motorengeheul über das Kopfsteinpflaster. Ansonsten… Ruhe! Stille! S.I.L.E.N.C.E! Echt jetzt? Erst jetzt? Ich rapple mich vom Bett hoch, ziehe die Vorhänge zurück und schaue auf die Strasse. Nichts! Nada! Kein Mensch zu sehen. Kein Auto zu hören. Kein Motorrad das knattert. Diese gespenstische Ruhe hat einen Grund: Umuganda Day. Jeden letzten Samstag im Monat wird im ganzen Staat Ruanda geputzt, gehegt und gepflegt. Jede Familie stellt ein Mitglied zur Verfügung, um am Umuganda Day mitzumachen (so hab ich das mal irgendwo gelesen). Das bedeutet, statt lärmiger Strassenverkehr das Geräusch von Putzbesen zu hören.


Die Strasse zur rechten von unserem Hotel aus gesehen - wunderschön mit Pflastersteinen geschmückt.


Unser Hotel. Mein Zimmer im 2. Stock, dürfte das erste oder zweite von links sein

Picco und ich nehmen nach dem bescheidenen Frühstück einen Augenschein vor Ort. Es ist wirklich unglaublich! Hie und da ein Putzteufel oder Aufräumtrupp. Von Autos und Motorrädern (fast) keine Spur. Nur selten hören wir ein Fahrzeug in der Ferne. Noch seltener fahren sie an uns vorbei. Auch Einheimische sind kaum zu sehen. Wer nicht gerade einen Besen in der Hand hält, bleibt der Strasse fern. Wir kommen uns vor wie in einer Geisterstadt und schlendern manchmal mitten auf der Strasse durch die Gegend. Wahnsinn! So etwas sieht man auch nicht alle Tage. Natürlich wird das ausgenutzt und ausgiebig fotografiert. Nicht nur die leeren Strassen, auch gebäudemässig hat Kigali - jedenfalls in dem Bezirk in dem wir uns aufhalten - einiges zu bieten. Scheint das Bankenviertel zu sein...


Für afrikanische Verhältnisse absolut moderne Gebäude. Und für afrikanische Verhältnisse untypisch wenige bis gar keine Menschen auf der Strasse


Auch hier: ich habe die Menschen nicht weggephotoshopt! Da war wirklich niemand!


Noch ein Schmankerl in Ruandas Hauptstadt


Es ist hell, es ist Tag, und keiner da! Willkommen in Ghosttown of Kigali


Das ist nicht etwa ein Verkehrspolizist, der seine Uniform zu Hause vergessen hat...


Daaa, ein Motorrad! Illegal unterwegs oder schon fertig mit putzen?


Und hier: ein weisser Bus auf der Strasse. Sammelt sicher die Putztrupps ein... Übrigens: man beachte die Deckel der Strassenlaterne. Bunt gemalt in den Farben von Ruanda's Flagge


Zur Abwechslung wieder mal ein Gebäude


Kreiselverkehr, wenn denn Verkehr wäre. Ohne den Umuganda Day hätten wir nie von dieser Position aus fotografieren können...

So wahl- und ziellos wir durch die Stadt laufen, ein Zielpunkt haben wir fest eingeplant. Ein Besuch im bekannten Des Mille Collines. Auf das steuern wir jetzt zu. Picco kennt das Hotel aus einem geschichtsträchtigen Film, Hotel Ruanda. Ich als Moviemuffel kenn den Film nicht – und es ist nicht der einzige, was Afrika betrifft (da war noch «Gorillas im Nebel» und noch einige andere, die ich schon wieder vergessen habe… Picco, weisst du noch welche?). Während des Genozids sollen hier 1000 Hutus und Tutsis Zuflucht gefunden haben. Das Hotel selbst war nicht Originaldrehort. Nach der Sicherheitskontrolle beim Eingang gehen wir an die Bar beim Pool und geniessen unsere Drinks – Wasser, Bananenshake, Fanta Orange. Hier lässt es sich gut leben und gut gehen. Sogar Hängematten und ein Massagebereich stehen für die Gäste bereit. Picco will aber mein Vorschlag nicht annehmen, seine müden Waden zu kneten. Mag ich verstehen, die Masseurin sieht so aus wie in der Zweifel Chips Werbung, da hört und spürt man nicht nur die Muskeln, sondern auch die Knochen brechen…
Bald nehmen wir Abschied vom Paradies und treten hinaus in die Realität. Die sieht so aus, dass die Putzteufel verschwunden sind und so langsam wieder Normalität einkehrt. Die Autos und Motobikes fahren, hupen und stinken wieder auf der Strasse, die Menschen kommen aus ihren Häusern raus. Wir kehren in unser Hotel zurück und verbringen die restliche Zeit im Restaurant oder im Zimmer, beim Dösen, Lesen oder Schreiben.
Das Nachtessen wollen wir mal auswärts zu uns nehmen. Wir laufen um 17.30 Uhr los in die Stadt, bzw. in der näheren Umgebung unseres Hotels. Doch trotz intensiver Suche in den Strassen finden wir kein Restaurant. So kehren wir halt zurück in unser Hotelrestaurant und geniessen einen Beefburger mit Pommes. Danach geht’s in die Heja. Natürlich muss ich nicht erwähnen, dass auf der Pflasterstrasse wieder der Teufel los ist. Alles was sich bewegen kann, bewegt sich auch! Nur ich nicht, meine horizontale Lage ändert sich von links nach rechts, von rechts nach links. Aber irgendwann packt mich der Tiefschlaf, gute Nacht!
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