14. Mai 2007 – Johannesburg
Pünktlich um sieben Uhr morgens verlasse ich – todmüde und ziemlich zerknautscht, aber völlig überdreht – das Flugzeug. Gepäck einsammeln und ab damit auf den Wagen. Mein Transferservice zum Drifters Joburg Inn soll erst um zehn gehen. Drei Stunden Wartezeit und ich habe keine Ahnung, wie ich sie verbringen soll. Ich bin alleine und muss mein Gepäck bewachen. In der Wartehalle sitze ich ziemlich verloren auf meinem Wagen herum und beobachte, wie die 60 Jährigen das Gebäude verlassen. Glück gehabt.
Ein attraktiver junger Mann fällt mir ins Auge. Allerdings ist er wohl keiner der Mitreisenden, denn er hat eine Gitarre bei sich. Er bemerkt meinen Blick, bietet mit seinen Platz an und wir kommen ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass er südafrikanischer Popmusiker ist. Ich bekomme eine CD geschenkt und erfahre, dass er auf dem Weg zu Konzerten in Australien ist. Meiner Frage, ob er berühmt sei, weicht er aus. Auf dem Rückflug vier Wochen später erfahre ich, wie berühmt er in SA ist: Die südafrikanische Cosmopolitan – als seichte Reiselektüre gekauft – kürt den netten Herren auf Platz 24 der Sexiest Men Alive.
Nachdem er mich verlassen hat, lerne ich schließlich einen Teil meiner Mitreisenden kennen: Angeline und Adam aus Vancouver und den deutschen Peter. Erstere Mitte 20, letzterer geschätzte 35. Obwohl wir die beiden einzigen Deutschen auf der Tour bleiben sollen, ist er der einzige aus der Gruppe, dem ich in den nächsten Wochen nicht näher komme, was wohl hauptsächlich an meiner ablehnenden Haltung liegt. Er spricht kaum Englisch - warum er eine rein englischsprachige Tour gebucht hat, erschließt sich mir bis heute nicht. Das kanadische Pärchen ist mir hingegen von Anfang an sympathisch. Die Sorte Leute, bei denen man nach fünf Minuten das Gefühl hat, man würde sie schon ewig kennen.
Schließlich werden wir eingesammelt und zur Unterkunft gebracht, einem riesigen, wunderschönen, grünen Anwesen im Stadtteil Northcliff. Zu meinem Erstaunen bekomme ich ein Einzelzimmer zugewiesen – ich war vorab von Iwanowski informiert werden, dass mehrere Einzelreisende eventuell in einem Zimmer untergebracht werden. Nach einer ausgiebigen Dusche könnte ich den Tag für Erholung am Pool nutzen, bin aber noch viel zu aufgedreht und buche stattdessen die kombinierte Soweto/City-Tour.
Wie sich heraus stellt, bin ich an diesem Tag die einzige Teilnehmerin. Mein Guide, der mich im weißen Bus durch die Stadt kutschiert, mutiert innerhalb von fünf Minuten zu meinem großen, schwarzen Beschützer und klärt mich über die vorhandenen und übertriebenen Gefahren von Joburg auf. Wir absolvieren das volle Touriprogramm: Fahrt durch Soweto, Besuch im Apartheitsmuseum (großartig!), Regina Mundi Church, Nelson-Mandelas-Geburtshaus, Mittagessen im Shebeen und Besuch einer Wellblechhüttensiedlung. Hier übernimmt ein lokaler Guide die Führung. Ich werde in eine Hütte geführt, deren Bewohner zuhause sind. Ein einziger Raum, de Wände sind mit Zeitungen tapeziert, der Mann nur in Unterhose auf dem Bett liegend. Die Frau blickt mich emotionslos an. Mir wird gesagt, ich könne Fotos machen, aber ich wünsche mich nur ganz weit weg. Wieder im Freien ermuntert mich der Guide sehr eindringlich, zu spenden. Armutstourismus: Once and never again. Auf der anderen Seite hat mich die Tour begeistert, Soweto und seine Geschichte fasziniert.
Anschließend machen wir noch eine Tour durch die Innenstadt und einem kleinen Abstecher nach Hillbrow („You shouldn't get out here“). Das Museum Africa hat an diesem Tag leider geschlossen. Sollte es mich irgendwann (zum Beispiel nächstes Jahr zur Hochzeitsreise
) wieder nach Johannesburg verschlagen, möchte ich mir mehr Zeit nehmen, diese sehr extreme Stadt kennenzulernen.
Zurück im Drifters Inn treffe ich beim Abendessen (lecker Salat mit Hähnchen) auf eine weitere Mitreisende. Karen, ebenfalls Kanadierin. Ich halte sie für Mitte Zwanzig, es stellt sich jedoch heraus, dass sie bereits Mitte 30 ist, im hohen Management gearbeitet und schließlich alles hingeschmissen hat, um auf Weltreise zu gehen und ihr Leben neu zu gestalten.. Sie wirkt etwas unzugänglich und ich weiß nicht recht, ob sie nur müde ist oder mich unangenehm findet. Später wird unsere Reisegruppe zu einer ersten Besprechung einberufen. Wir sind acht Leute: Adam und Angeline, das junge kanadische Pärchen, Karen, Peter, der Deutsche, Dean und Deirdre, Australier Mitte fünfzig und ich, das Küken. Unser Guide heißt Erasmus und ist ein bäriger Bure, der einen etwas strengen Eindruck macht. Morgen geht es Richtung Krüger, wir sollen brav beginnen, unsere Prophylaxe zu nehmen. Ich habe Doxycilin dabei und werde im Laufe der nächsten Tage noch viel Freude damit haben.