Hallo zusammen,
bitte einsteigen zur Weiterfahrt:
Übernachtung am Pistenrand ca. 93 km vor Uvinza - Kigoma
21. Februar 2013:
Am Morgen wurden wir von den schönsten aller Wecktöne sanft daran erinnert, dass nun der Tag anbricht. Das laute, kunstvolle Vogelgezwitscher um uns herum war einfach herrlich und es regnete nicht mehr
. Total erholt und ausgeschlafen standen wir auf. Der Wald war in dichten Nebel gehüllt und hatte etwas Gespenstisches an sich. Wir stellten Tisch und Stühle auf und frühstückten in aller Ruhe.
Wie gestern, huschten ein paar Waldbewohner scheu grüssend an uns vorbei, und blieben auf Distanz stehen um uns kichernd zu begutachten.
“Jambo!” rief Toni
“Jambo!” tönte es zurück
“Salama!”
“Salama!”
“Nutella!”
“Nutella!”
“Nutella? Na sag mal, gibst du schon wieder Sprachunterricht? “
Nur einer kam näher und starrte entsetzt auf unser Dachzelt. Toni erklärte ihm mit Händen und Füssen, dass das unser Schlafzimmer sei. Der Mann konnte es kaum glauben, kratzte seine ganzen Englischkenntnisse zusammen und sagte mit angewiderter Mine: “I don’t like this”.
Unser Übernachtungsplatz kurz vor der Weiterfahrt.
Dann fuhren wir in der Hoffnung los, dass der Anhängerzug und die beiden Lastwagen nicht mehr die Strasse blockierten und der Inder ausgebuddelt ist. Aber wie befürchtet, standen die drei LKWs immer noch da, aber wenigstens war der Inder weg.
Die Jungs begrüssten uns freudig und fragten, wo wir denn so lange geblieben seien. Sie machten alle einen völlig erschöpften und übernächtigten Eindruck. Stolz zeigten sie uns eine Umfahrung, welche sie durch den Wald gemacht hatten, indem sie Bäume gefällt und Äste auf den morastigen Waldboden gelegt hatten. Leider taugte diese Umfahrung nur für kleine Fahrzeuge wie unseres, nicht aber für schwere Lastwagen. Sie sassen deshalb nach wie vor fest. Ganz nebenbei stellte sich heraus, dass sie keinen Tropfen Trinkwasser mehr besassen. Wir hatten mehr als genug dabei und gaben ihnen welches, sodass sie all ihre leeren Flaschen auffüllen konnten. Auch plünderten wir unsere Essensvorräte und verschenkten alles, was wir entbehren konnten. Wir verabschiedeten uns herzlich von unseren Freunden, denn wir waren wahrhaftig gute Freunde geworden. Die Umfahrung hielt und wir waren endlich frei
.
Erst nach einigen Kilometern wurde uns bewusst, in welch zauberhafter Landschaft wir uns befanden. Zuvor war die Anspannung zu gross, um sich mit der Gegend zu beschäftigen.
Wir waren inmitten einer grandiosen Berglandschaft mit schroffen Felsen, Wasserfällen und tiefen Schluchten. Ab und zu gab der dichte Wald kurz einen Blick auf die endlose Weite frei. Hier in dieser unberührten Wildnis schien wirklich keine Menschenseele zu wohnen. Wir tuckerten gemütlich über Stock und Stein, immer hoch und runter. Es folgten noch viele, teilweise heftige Schlammpassagen bei denen wir uns jedes Mal sorgenvoll fragten, ob die Jungs dies wohl schaffen und ob die beiden nachfolgenden LKWs irgendwo eine Stelle finden würden, dieses Monster zu überholen.
Nach unserer Einschätzung würde es wohl noch Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, bis der Scania-Anhängerzug endlich in Uvinza ankommt. Die Regenzeit hatte ja erst begonnen und mit jedem erneuten Regenguss wurde die Situation schlimmer. Wenn man alle paar Kilometer stecken bleibt und buddeln muss, ist man sehr lange unterwegs. Normalerweise haben sie stets Lebendproviant, wie Hühner und Ziegen dabei, aber diese armen Kerle hatten nichts mehr
. Wer weiss, wie lange sie schon unterwegs waren.
Auf dem letzten Strassenstück einige Kilometer vor Uvinza ging es über ausgewaschene Felsentreppen runter in eine Ebene, wir überquerten den trägen Malagarasi River und erreichten kurz darauf Uvinza.
Malagarasi River, im Hintergrund Uvinza
Malagarasi River
In Uvinza machten wir die obligatorische Stadtrundfahrt und schauten uns die Salzfelder an. Das Nest ist sehr armselig, aber es gibt sogar ein bescheidenes Bahnhofsgebäude und einige wenige einfache Gästehäuser. An den Marktständen wird nebst Grundnahrungsmitteln vor allem Kochsalz in ganz kleinen Einheiten verkauft.
Einige Kilometer nach Uvinza trafen wir plötzlich auf eine breite Teerstrasse. Sie ist weder auf den aktuellen Landkarten, noch im tracks4africa als solche aufgeführt, da ganz neu. Welch ein Luxus! Nach schätzungsweise 840 Kilometern Dreckpiste rumpelte es nicht mehr unter den Rädern, welch eine Wohltat!
Während wir daran waren, unsere Reifen endlich wieder mal auf Normaldruck aufzupumpen, kam ein Toyota dahergebraust und hielt an. Und wer war es? Jaaaa, der Inder
. Der verrückte Kerl musste die ganze Nacht durchgebrettert sein, war bereits in Kigoma und nun schon wieder auf der Rückfahrt nach Mpanda zu seiner Radiostation:
“MPANDA Radio 97,0 FM, the voice of Katavi, Tuning to your Beats at Kativi Region!”
Die letzten gut 100 km bis Kigoma auf der brandneuen, breiten Teerstrasse waren ein Hochgenuss. Kein Rütteln, kein Schütteln, kein Schlamm. Wir flogen (gefühlt) nur so dahin. Die Landschaft wurde flacher und war nun wieder stärker besiedelt.
Während wir so dahinfuhren, fragten wir uns, was wohl gewesen wäre, wenn der Inder uns die Hülle nicht geschenkt hätte. Wir kamen zum Schluss, dass wir eigentlich ihm das ganze Abenteuer zu verdanken hatten, welches ja im Nachhinein gesehen das Salz in der Suppe auf diesen letzten 200 km zwischen Sitalike und Uvinza war. Was bedeutet schon eine Übernachtung am Strassenrand, wir waren ja nicht in Eile. Die Bekanntschaft mit den außergewöhnlich netten und hilfsbereiten einheimischen Jungs hat uns mehr als entschädigt
.
In der Ferne schimmerte der Tanganyikasee.
Wir sind bald in Kigoma.
Grüessli
Erika