THEMA: Unterwegs in den 1970er Jahren
30 Sep 2011 22:05 #206958
  • lilytrotter
  • lilytrotters Avatar
  • Beiträge: 4063
  • Dank erhalten: 4522
  • lilytrotter am 30 Sep 2011 22:05
  • lilytrotters Avatar
Bulli-Trouble

Das was ihr hier grad so erzählt, weckt auch bei uns Erinnerungen.

Marokko, 1972.
VW Bus, Bj.1964.
Seit Tagen schon war der Motor zu heiß. Das war nicht schwer festzustellen, aber der Grund dafür war vollkommen unklar.
Auch das Auswechseln des Thermostaten brachte nix (hatten wir als Ersatzteil dabei). Die Öldruck-Kontoll-Leuchte flackerte hin und wieder im Leerlauf. Tags drauf tats im Hohen Atlas einen fürchterlichen Schlag. Der Blick auf den Motor offenbarte einen Riss über den gesamten Motorblock.
Nach einem Höllenritt an viel zu kurzem Abschleppseil hinter einem LKW, kamen wir schweißgebadet, aber wohlbehalten nach 200 Kilometern in Meknes an.
In einer Autogarage baute man den Motor aus und nun wurde klar, welches Problem der Motor hatte: Im Lüftergehäuse hatte sich ein langer Streifen Toilettenpapier vor die Lüftungsschlitze gelegt. – Es war das Papier, dass ich immer zum Abwischen des Ölstabes benutzt und sparsam fein säuberlich hinter die Batterie geklemmt hatte...
Auf dem örtlichen Schrottplatz fanden wir in einem Brezel-Käfer einen funktionierenden Motor, den wir dort ausbauten. Damit fuhr der Bus zwar, doch die 30PS waren ein wenig zu schwach. Also gen Heimat.
Unterwegs machte klassischerweise der dritte Zylinder schlapp (der ist schlechter gekühlt als die anderen, da über ihm der Ölkühler steht). Ab da war die Fahrt von ständigen Fehlzündungen begleitet. Die letzen 1000 Kilometer ab Basel konnten wir den Motor nicht mal mehr ausmachen, denn er spang nicht mehr an und auf den Hamburger Elbbrücken hielt uns die Polizei an, da mittlerweile bei jeder Fehlzündung Flammen seitlich aus dem Auspuff schossen (die seitlichen Auspuffdeckel waren schon lange weggeflogen). Mitleidig ließen sie uns die letzten Kilometer bis nach Hause pöttern. Dort angekommen und ausgemacht verstummte der Motor für immer.


Und die Lehre aus der Geschicht: Man kann auch einen Motor aus Dummheit kaputt kriegen – oder niemals loses Material im Motorraum hinterlassen...
insbesondere kein Klopapier :silly:

Gruß lilytrotter
Gruß lilytrotter


Always look on the bright side of life... :-)
Walvisbay boomt
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: flip666, Elsa, CuF
03 Okt 2011 11:08 #207110
  • lilytrotter
  • lilytrotters Avatar
  • Beiträge: 4063
  • Dank erhalten: 4522
  • lilytrotter am 30 Sep 2011 22:05
  • lilytrotters Avatar
Weihnachten am Lake Malawi

Ohne dort jemals gelebt zu haben, erlebten wir die Auswirkungen der strengen Meinungs- und Pressezensur in Südafrika auch außerhalb des Landes, bei Begegnungen mit weißen südafrikanischen Reisenden. Malawi war das einzige schwarze Land (außer Bot), wo Ende der 80ger Personen mit Südafrikanischem Pass noch reisen konnten.
Natürlich waren fast ausschließlich die englisch sprechenden Südafrikaner (Buren trafen wir nie – die reisten wohl eher nicht in ein schwarzes Land). Meist waren es sehr nette Leute, allerdings häufig auch mit einer etwas schwer verdaulichen Einstellung, obwohl die, die reisten ja schon die offeneren Gemüter waren!

Die Weihnachtswoche 1988 verbrachten wir mit wiedergefundenen Reisefreunden am Cape MacLear. Ein Traum. Schnorcheln, tauchen, Boot fahren (wir hatten unser Kajak mit), Socialising. Über allem wachte der Schreiseeadler mit seinem durchdringenden Ruf. Man war versorgt (die netten einheimischen Verkäufer kamen täglich mit frischem Fisch und Früchten, Getränke gab’s an der Bar) und so lebte man die kommunikativen Tage.

Die Campsite war voll. Die meisten Camper aus Südafrika.
Nach und nach fanden sich wohlerzogene südafrikanische Jugendliche bei uns ein und fragten uns ein Loch in den Bauch, über die Welt, über die Weltpolitik und: Was wir denn denken würden, von ihnen...
Wir luden sie ein und so saßen wir allabendlich in mehr oder weniger großer bunter Runde. Einige der Jugendlichen litten sehr darunter, zuhause keine Fragen stellen zu dürfen. Sie meinten, sie hätten keine Ahnung davon, was in der Welt los ist. Einige waren in England gewesen und hatten dort schmerzlich bemerkt, dass gleichaltrige europäische Jugendliche viel weiter seien, als sie selbst, sie seien dagegen richtig zurück, sie würden sich vorkommen, wie Kinder, denen man alles verbietet.
In der Öffentlichkeit/Schule könne man keine Fragen stellen, erst recht nicht diskutieren. Allein durchs Fragen wäre man schon suspekt. Selbst Zuhause sei es nicht möglich. Jegliches kritisches Hinterfragen sei tabu und es gäbe Sanktionen, - auch Zuhause. Dabei wolle man seine Eltern ja gar nicht angreifen, man wolle doch einfach nur fragen dürfen... aber jede Frage würde als Angriff empfunden und entsprechend sei die Reaktion.
Europäische Jugendliche dagegen hätten alle Informationsmöglichkeiten, sie seien frei, sie dürften sich frei entwickeln. Allgemeiner Tenor: „Wir wollen doch nur normal sein dürfen.“
Wir waren nach diesen Abenden ziemlich bedrückt, ja, das ging uns schon ziemlich unter die Haut. Das System der Apartheit unterdrückte nicht nur die Andersfarbigen und Andersdenkenden, natürlich warf das starre Konstrukt seine Schatten auch auf die eigenen Kinder.
JA, wir hatten es hier in Europa schon damals verdammt gut.

Nebenbei wollten wir sie mit Geschichten über das innerdeutsche Verhältnis und das Deutsch-Deutsche Grenzgebaren aufmuntern. Denn schließlich war ja bei uns auch nicht alles Sonnenschein. Wir beschrieben ihnen die Grenzanlagen mit hohem Stacheldraht, hohe Betonmauern, Passabgabe bei Kontrolle1, das kilometerlange Laufband für den Pass, nach Geschlecht getrennte Leibesvisitationen bei Kontrolle 2, Fahrzeugkontrolle über der Grube, incl. stochern im Benzintank, penible Gepäckkontrolle und genaueste Befragung – sie konnten es uns nicht glauben! Vollends unglaubwürdig wurden wir in ihren Augen dann, als wir von der „Pappe“ erzählten, dem berühmten kleinen Trabant, auf den man in der DDR derzeit so ca. 7 Jahre Wartezeit hatte (wesentlich schneller ging es, wenn ein West-Verwandter den Kaufpreis in West-Devisen überwies!). Das war zuviel für die jungen Seelen.
Sie glaubten uns nicht und hatten tatsächlich Sorge, wir würden sie für so hinterwäldlerisch halten, dass wir ihnen wohl alles erzählen könnten.

Am nächsten Tag fragten sie uns noch einmal, ob wir sie wirklich nicht veräppelt hätten, weil wir sie für so naiv halten würden.

Es waren sehr schöne und denkwürdige Weihnachten in Malawi, - wir hatten viel gelernt.

Gruß lilytrotter
Gruß lilytrotter


Always look on the bright side of life... :-)
Walvisbay boomt
Letzte Änderung: 03 Okt 2011 11:19 von lilytrotter.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: carl, Elsa, CuF
03 Okt 2011 19:10 #207164
  • camelthorn
  • camelthorns Avatar
  • Beiträge: 408
  • Dank erhalten: 158
  • camelthorn am 03 Okt 2011 19:10
  • camelthorns Avatar
Hallo Lilytrotter,

vielen Dank fuer den Einblick in Dein Weihnachten 1988 in Cape Maclear. Ich nehme an, Ihr ward am Golden Sands Campingplatz - gab ja auch kaum andere Camps. Koenntest Du Dir die Muehe machen und das ein oder andere Dia von damals einscannen und posten (oder PN)?
Der Platz ist inzwischen voellig verfallen. Das ehemalige Golden Sands Hotel ebenfalls. Gerade wegen der morbiden Atmosphaere gehoert dieser Ort zu meinen Lieblingsplaetzen am Lake und ich fahre immer wieder dort hin zum wild campen zwischen Baobabs und Baboons...
So koennte ich anhand Deiner (oder anderer) historischen Aufnahmen "damals-heute-Gegenueberstellungen anfertigen und ins Forum stellen.
Hier ein aktuelles Foto vom ehemaligen Hauptaufgang zum Hotel.



Gruss

Camelthorn
"Nothing is more powerful than an idea whose time has come" (Victor Hugo)
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
04 Okt 2011 11:28 #207221
  • Erika
  • Erikas Avatar
  • Beiträge: 2338
  • Dank erhalten: 4898
  • Erika am 04 Okt 2011 11:28
  • Erikas Avatar
Hallo Camelthorn

Da hätte ich noch ein Foto vom Golden Sands Hotel plus Strand aus dem Jahre 2003. Camping wäre noch möglich gewesen, aber das Hotel war bereits unbewohnbar und geschlossen, trotzdem war noch Personal dort. Eigentlich jammerschade um diese Anlage. Die Lage ist eine der schönsten vom ganzen Malawisee.









Erika
Meine Reiseberichte:
1971: Mit dem VW-Bus von Kapstadt bis Mombasa
www.namibia-forum.ch...ahren.html?start=120
2013: Durch den wilden Westen Tansanias (Am Anfang war die Hülle)
www.namibia-forum.ch...g-war-die-huelle.htm
2013: Nordmosambik, mal schön - mal hässlich + ein Stück Südtansania
www.namibia-forum.ch...n-mal-haesslich.html
2014: Auf bekannten und unbekannten Pfaden durch Tansania
www.namibia-forum.ch...-durch-tansania.html
2015: Eine Reise wird zum Alptraum/Kenia
www.namibia-forum.ch...rd-zum-alptraum.html
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
05 Okt 2011 07:41 #207335
  • lilytrotter
  • lilytrotters Avatar
  • Beiträge: 4063
  • Dank erhalten: 4522
  • lilytrotter am 30 Sep 2011 22:05
  • lilytrotters Avatar
Super, Erika, du hast Bilder!!


Hi, camelthorn,

du glaubst nicht, was deine Anfrage und dein Foto bei uns ausgelöst haben.
Also, mal kurz die Dias durchgeschaut, - wo standen wir eigentlich, da war doch ein Flamboyant vor uns... - und die Sonnenuntergänge, einer der spektakulärsten, den wir je erlebt haben, war dabei...
Ja, - alles durchgeflöht und das Magazin mit Cape Maclear fehlt – nur den blöden Schreiseeadler, den haben wir - und dann: Gähnende Leere... Zuvor Chicale Beach, Livingstonia, Nkhotakota, Zomba – alles da.
Sehr ärgerlich.

Allerdings wissen wir nicht mal mehr, ob wir das Gebäude vom Golden Sands überhaupt fotografiert haben. Wir haben selten Lodges und Campsites fotografiert, dazu war ein Dia ja viel zu teuer (1 Dia = 1 DM). Und wenn wir irgendwo länger standen, haben wir meist erst am letzten Tag die fette Kamera ausgepackt.
Hinzu kommt, dass wir auch gegen Ende unserer Reise etwas reisemüde wurden, da wird das Fotografieren dann weniger. Das bedauern wir jetzt ab und zu.

- Vielleicht sollte ich zu unserem traumhaften Aufenthalt am Cape MacLear hinzufügen, dass die Anlage schon damals ziemlich heruntergekommen war (steht so in meinen Notizen) - nichts desto Trotz sehr beliebt! Entsprechend war es ziemlich voll und ziemlich laut. Ein engl. Overlander. Zum ‚Ruhe haben’ fuhr man Weihnachten nicht zum Cape MacLear!
Aber man hatte ja beim Reisen meist Ruhe und freute sich über die lebendigen Aufenthalte zwischendurch.


Etwas anderes aber:

Es gibt Bilder von einem Haus in Nkhotakota (?, so steht es in meinen Aufzeichnungen), das wir für etwas ganz Einmaliges hielten: Ein total abgefahrenes Gebäude, ein ehemaliges Hotel (?) in bester Lage, direkt am Strand, gebaut von einem post-kolonialen Spinner, der ein unglaubliches Gespür für Freak-Design hatte. Er hatte Auto und Schiffsteile in genialer Weise verbaut: Autotüren als Fenster, Schiffswellen als Säulen, Speichenräder und Schiffsschrauben als Zierat, selbst Zylinderköpfe. Es war total verrückt und perfekt! Die Autotüren waren ja nicht irgendwie verbaut, sondern genau da, wo man sie idealerweise hinsetzen musste, wenn man sie überhaupt nutzen wollte. Jedes Teil war seiner besonderen Bestimmung zugeführt!
Es gab einen jungen Mann, der uns aufschloss und uns herumführte, an diesem besonderen Ort und uns erzählte über Entstehungsgeschichte und Erbauer (aber ich weiß nix mehr). Das Haus hatte eine sehr großzügige Lobby mit blank gebohnertem Betonboden und langem Bartresen, sowie im ersten Stock eine zauberhafte große Terrasse, mit Seeblick natürlich.

Hier 2 abfotografierte Dias.



Wir haben das Haus nie irgendwo erwähnt gefunden. Kennst du das vielleicht? Weißt du vielleicht etwas von dem Haus? Ob es das noch gibt?
Oder vielleicht du Erika? Oder Werner? Oder jemand anderes?

Gruß lilytrotter
Gruß lilytrotter


Always look on the bright side of life... :-)
Walvisbay boomt
Letzte Änderung: 22 Apr 2016 11:29 von lilytrotter.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: CuF
07 Okt 2011 13:02 #207636
  • wernerbauer
  • wernerbauers Avatar
  • wernerbauer am 07 Okt 2011 13:02
  • wernerbauers Avatar
Hallo und Danke Erika und Lilytrotter, mit meiner VW-Schelte habe ich hier ja ergiebige Quellen von VW-Erlebnissen angezapft.

@ Lilytrotter, Weihnachten am Lake Malawi und die jungen Leute im damaligen SA. Ich habe das auch so in Erinnerung; der Umgang der Eltern oder Älteren mit diesen Umständen, war auch manchmal von Sorge für die Kinder motiviert. In den 80ern wurden die Wehrpflichtigen ja auch im Krieg in Angola und Namibia und für „Ordnungsdienste“ in den townships eingesetzt. Viele junge Männer haben sich dem durch „Exil“ in Europa entzogen. Habe unlängst „Der Turm“ von Tellkamp gelesen….“wie sich die Bilder gleichen“.
Das ist aber jetzt Geschichte und alles verändert sich, z. B. erlebt 2008 in Upington: Wir haben von dort aus mehrere Rundtouren unternommen und davor, dazwischen und danach immer im gleichen B&B in Upington gewohnt. Die Hausleute dort erzählten uns, dass sie ihre Kinder (die schon alle in den Familienunternehmen tätig waren) nach der Ausbildung für ein Jahr nach England geschickt oder eher „verbannt“ haben, mit magerem Startbudget. Dort sollten sie Englisch und etwas über die Welt lernen und vor allem, sich irgendwie „durch zu bringen“, mit Kellnern oder sonst was; ohne Hotel Mama, das in SA ja ein „Hotel domestic servant“ ist, für alles, vom Bettenmachen bis Kochen, Wäsche, Bügeln und Gartenpflege. Hat mir gefallen.

Über das skurrile Haus in Malawi kann ich nichts sagen, da war ich leider nie. Schaut aus, als wäre Daniel Spoerri auch in Afrika gewesen. In seiner Biographie steht allerdings nichts davon.

Noch etwas zum Stichwort Upington, für historisch Interessierte: Der Flughafen von Upington hat mit ca. 5 km eine der längsten Rollbahnen der Welt, und das kann so: Ab ca. 1975 haben SA bzw. die SAA die Überflugs- und Landerechte in Afrika verloren und eine Langstreckenversion der B 747 angeschafft, um ohne Zwischenstopp über den Atlantik bis Europa zu kommen. Wegen der 1800 m Seehöhe in Jhbg kam dieser Flieger aber voll betankt nicht hoch und deswegen wurde das Rollfeld in Upington gebaut, wo das schon ging. Ich glaube, dass der Flughafen von Windhoek einen ähnlichen Hintergrund aus dieser Zeit hat, kann aber in meinen Unterlagen nichts mehr darüber finden.
Diese Superrollbahn in Upington nützen internationale Fluggesellschaften jetzt auch für das Pilotentraining, falls sich schon jemand gewundert hat, warum dort einige Jumbos ständig im Kreis fliegen und immer wieder durchstarten. Sie war auch maßgeblich für die Entstehung der Weinplantagen für Tafelrauben am Oranje entlang, denn diese kommen ja per Flugzeug zu uns. Lohnt sich absolut, einige der Farmpisten zum und am Fluss entlang zu fahren, um zu sehen, wie Trauben auf unseren Tisch kommen, nämlich über eine Kühlkette von riesigen Kühlhäusern aus Wellblech(!), in der Halbwüste, der reine Wahnsinn.
Neben einigen guten Straßen mit geringem Verkehrsaufkommen war ebenfalls wieder diese Rollbahn dafür maßgeblich, dass Automobilhersteller aus aller Welt ihre „Hitzetests“ in der Region durchführen. Sie fliegen dort jährlich mit Großraumflugzeugen ein, vollgepackt mit Containern mit Autos und Prüftechnik. Aufgepasst am Weg zum KTP, da sind schnelle Autos unterwegs!!
Grüße Werner
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.