Ich will hier erzählen, wie wir die Katastrophe mit Stefan und Maik erlebt haben, die Ruth und Uwe zum Ende ihres RBs erwähnen.
Wir kannten Stefan und Maik vor unserem Urlaub überhaupt nicht. Zufälligerweise lernten wir die beiden aber gleich zu Anfang unserer 7-wöchigen Tour letztes Jahr in Swakopmund kennen. Wir wohnten in der gleichen Pension, Veronikas B+B. Nicht mehr ganz so zufällig (unsere Gastgeber hatten uns dasselbe Restaurant empfohlen) trafen wir uns beim Abendessen im Erichs. Nun ist meine Frau ja schon ein sehr kommunikativer Typ, aber Stefan schlägt alles, was ich in dieser Hinsicht je kennen gelernt habe. Er war ein so offenherziger, freundlicher, zugewandter Mensch, ein Sunnyboy, wie er im Buche steht. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mit strahlendem Lächeln und offenen Armen zu Véro sagt: "Wir haben doch den tollsten Beruf der Welt!" (Er war auch Lehrer.) Véro und ich haben uns später gestanden, dass wir uns beide ein wenig in Stefan verliebt hatten. Vor der Trennung in Swakop haben wir noch unsere Routen verglichen, aber es sah nicht so aus, als würden wir uns wieder treffen. So haben wir nur unsere Forumsnicknames ausgetauscht und versprochen, über das Forum in Kontakt zu bleiben.
Aber wie das (afrikanische) Leben so spielt, sowohl wir haben unsere Pläne geändert als auch Stefan und Maik. Am 7.8. trafen wir vier uns auf dem Campingplatz der Kunene River Lodge wieder. Natürlich großes Hallo und gemeinsames Abendessen. Dabei erzählten sie, dass sie eine 2-tägige kombinierte Kanu- und Raftingtour gebucht hatten. Nun hatte ich eine üble Geschichte über Rafting auf dem Zambezi gehört und die erzählt mit der Bemerkung, dass ich deshalb nie Rafting machen würde. Maik war auch nicht überzeugt, aber Stefan, in seiner unwiderstehlichen Art, schilderte, wo er schon überall geraftet war und wie toll das gewesen sei. Wir verabredeten uns dann für das Abendessen am 9.8.
Am 9.8. hatten wir vormittags eine Kanutour gebucht und nachmittags einen Bootsausflug. Für die Kanutour wurde man mit einem Auto ein Stück den Kunene hochgefahren und dort mit den Kanus ausgesetzt. Es war dann eine sehr entspannte und gemütliche Paddeltour zurück zur Lodge. Mit uns im Auto waren außer dem Fahrer ein amerikanisches Pärchen und ein Guide. Die Amerikaner wollten aber nicht Paddeln, sondern auch das Rafting machen, d.h., sie würden Stefan und Maik mit deren Guide oberhalb der Stromschnellen treffen.
Wir haben uns in der Lodge dann noch erkundigt, wann mit den Raftern zu rechnen sei, weil wir Stefan und Maik gern fotografieren wollten, wenn sie angepaddelt kämen. Man sagte uns dann, dass die Touristen in der Regel nach der anstrengenden Paddeltour und dem Rafting keine Lust mehr auf weitere Paddelei hätten und mit dem Auto zurückfahren würden.
Am frühen Nachmittag kam dann jemand von der Lodge vorbei und teilte uns mit, dass unser Bootstrip ausfallen müsse. Auf unsere Nachfrage erzählte man uns, dass es einen Unfall gegeben hätte. „Beim Rafting?“ – „Ja.“ – „Die Amerikaner?“ – „Nein, die Deutschen!“ Viel mehr wusste sie auch nicht, sie war auch in großer Sorge, ihr Freund (Mann?) war einer der Guides.
Den Nachmittag verbrachten wir in großer Unruhe, malten uns alle möglichen Szenarien aus und versuchten, uns gegenseitig zu beruhigen. Wir sahen einen Hubschrauber den Kunene entlang fliegen und vermuteten, dass das mit dem Unfall zu tun hätte. (Weit gefehlt: Wie wir später erfuhren, waren es Touristen einer anderen Lodge, die einen Heli-Ausflug machten.) Irgendwann kam ich auf die Idee, nachzusehen, ob denn das Auto der beiden noch auf dem Parkplatz stand. Vielleicht haben sie ja in ein Krankenhaus fahren müssen. Aber das Auto stand da, und Maik stieg gerade aus dem Auto. „Gott sei Dank, dir ist nichts passiert!“ – „Aber Stefan!“ Und dann erzählte er mir, was passiert war: Sie haben eine Einweisung von den Guides bekommen, welche Passage sie zwischen den Felsen fahren sollten, gegenseitig den Sitz von Helm und Schwimmweste kontrolliert, den auch die Guides noch mal überprüft haben. Im Kanu hat Maik dann gemerkt, dass sie die falsche Passage erwischt hatten, dann waren sie auch schon im Wasser. Er sei unter Wasser gezogen worden, kräftig gegen Felsen gedrückt (er hatte eine Riesenbeule am Oberarm), aber dann an die Oberfläche gekommen. Dort war schon ein Guide bereit, der ihm ein Paddel hingehalten und ihn ins Boot gezogen hat. Dann haben sie darauf gewartet, dass Stefan auftaucht. Der Helm ist aufgetaucht, ein Guide ist hinterher, aber unter dem Helm war nichts. Dann ist wohl auch die Weste aufgetaucht, aber kein Zeichen von Stefan. „Und das war vor 4 Stunden!“ Maik war natürlich völlig durcheinander, hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Stefan hatte die ganze Reise organisiert, Maik wusste nur, dass sie sich mit Freunden treffen wollten, aber er hatte deren Tel.nr. nicht und kam nicht in Stefans Handy rein. (Er hat aber seine und/oder Stefans Eltern erreicht.) Außerdem gab er sich die Schuld an allem, hätte ich nur …, wenn ich nicht …, kurz er hatte oder stand kurz vor einem veritablen Nervenzusammenbruch. Die Lodge hatte ihm 2 Valium gegeben, die er trotz unseres Zuredens aber nicht nehmen wollte. Nein, er müsse klaren Kopf behalten … Ich habe dann versucht, auf dem Campingplatz einen Arzt aufzutreiben, der ihm vielleicht mit größerer Autorität dazu bringen könnte, die Tabletten zu nehmen. Dabei kam ich nicht umhin, den Leuten zu erklären, warum ich denn einen Arzt suche. Das bekam die Chefin der Lodge mit und hat mich ziemlich zusammengefaltet. Ich solle den Leuten nicht durch solche Geschichten den Urlaub verderben. (Übrigens war auch Jörg, wie er uns später erzählte, von den Anstrengungen der Lodge, Stefan zu finden, nicht sonderlich überzeugt. Aber das weiß ich, wie gesagt, nur vom Hörensagen. Vielleicht hat Jörg ja Lust, sich dazu zu äußern.) Stefan war dann schon in seinen Pavillon gegangen, den ihm die Lodge zur Verfügung gestellt hatte, damit er nicht im Dachzelt schlafen musste. Wir haben überlegt, ob wir ihm Gesellschaft leisten sollten, haben uns aber nicht getraut, ihn zu stören.
Am nächsten Morgen, als ich noch im Zelt war, kam Maik zu uns und brach in Véros Armen zusammen. Er muss eine fürchterliche Nacht verbracht haben, es sprudelte noch mal alles aus ihm raus. Nachdem er wieder halbwegs beieinander war, sind wir gemeinsam zum Frühstück. Wir hatten uns in der Nacht zuvor entschieden, bei Maik zu bleiben, weil es uns unmöglich schien, ihn in diesem Zustand allein zu lassen. Inzwischen hatte Maik aber eine Liste mit Telefonnummern gefunden und ist erst mal telefonieren gegangen. Als er wiederkam, erzählte er, dass es ihm gelungen sei, die Freunde zu erreichen und diese im Laufe des Tages herkommen würden. Es sei völlig in Ordnung, wenn wir unsere Tour wie geplant (unsere nächste Station war das Dolomite Camp) fortsetzen würden. Das haben wir dann auch gemacht, wenn auch mit schlechtem Gewissen.
Eine knappe Woche später haben wir Jörg in Rundu besucht und waren mehr als überrascht, dass er von dem Unglück nicht nur schon gehört hatte, sondern auch eine nicht kleine Rolle bei der Organisation der Suche nach Stefan gespielt hatte. Er erzählte uns dann, dass man Stefans Leiche schließlich gefunden hatte. Das war eine große Erleichterung für uns, hatte Maik doch immer wieder betont, dass er ohne Stefan nicht nach Deutschland zurückkehren könne.
Wir haben die 6 Wochen, die wir nach dem Unglück noch in Namibia und Botswana waren, jeden Tag an Stefan gedacht. Wir haben unser Touristenprogramm abgespult, unsere Fotos gemacht, aber letztendlich war alles schal und ohne Bedeutung. Dies Erlebnis hat unseren Aufenthalt dort so überschattet, dass in der Erinnerung (bis auf eine selbstmörderische Aktion von mir … 2km zu Fuss in der Mabuasehube Sektion des KTP) nichts anderes haften geblieben ist. Im Nachhinein denke ich manchmal, wir hätten uns sofort nach dem Unglück in den Flieger zurück nach Deutschland setzen sollen.