dino schrieb:
Hallo zusammen,
was ich bei den Gutscheinen nicht verstehe. Helfen die den Unternehmen wirklich? Wenn jetzt alle ihren Sommerurlaub auf nächstes Jahr verschieben, dann müssen die Unternehmen im nächsten Jahr Leitungen erbringen, für die sie dann kein Geld mehr bekommen. Sie arbeiten dann im nächsten Jahr kostenlos, oder?
Vielleicht verteilt es den Druck, aber die Einnahmen sind doch weg. Entweder jetzt, oder im nächsten Jahr.
Also helfen diese Gutscheine wirklich nachhaltig irgendwem?
Danke für die Aufklärung
Dino
Guten Morgen
Dino,
die Frage/n, die Du hier aufwirfst, treffen den Nagel auf den Kopf.
Es gilt:
Anzahlungen auf zukünftig zu erbringende Leistungen sind als Verbindlichkeiten betriebswirtschaftlich zu verbuchen. Dabei werden die Verbindlichkeiten unterschieden zwischen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten (Lieferanten, Kunden, etc.). Weiters werden Verbindlichkeiten zeitraummäßig unterschieden (kurzfristiger, langfristiger Natur, bis 1 Jahr, über 1 Jahr). Demzufolge sind Anzahlungen (ob Teil- oder Vollanzahlungen) auf zukünftige Leistungserbringung Verbindlichkeiten gegenüber Dritten betriebswirtschaftlich zu führen.
In der Regel werden die Anzahlungen von Reisenden umgehend im laufenden Betrieb verwendet. D. h., daß der heutige Geldeingang für eine zu erbringende Leistung im nächsten Jahr in die gegenwärtigen Liquiditätsflüsse eines Unternehmens mündet. Aufwendungen, die heute anfallen und beglichen werden müssen, werden u. a. mit den bereits zugeflossenen Geldbeträgen aus Anzahlungen für zukünftig zu erbringende Leistungen gezahlt. Kein Unternehmen wird die Anzahlungen auf ein separates Konto buchen, um sie dann zu verwenden, wenn die Aufwendungen tatsächlich anfallen. Dies wäre zwar schön für die Verbraucher, da diese dann sicher sein könnten, daß die von ihnen bereits gezahlten Leistungen auch wirklich erbracht werden können, da die finanziellen Mittel hierfür ja bereitstehen. Also, haken wir dieses Szenario als Utopie ab.
In der Praxis läuft es betriebswirtschaftlich im günstigen Fall so, daß revolvierend immer wieder Zahlungseingänge zu verbuchen sind, mit denen gegenwärtige Geldabgänge kompensiert werden. Das klappt solange, wie Zahlungseingänge aufgrund neuer Reisebuchungen eingehen. Sollten die Buchungszahlen jedoch zurückgehen, klafft in der Kasse/auf dem Konto des Unternehmens ein Loch, welches gestopft werden muß. Das Unternehmen kann sich im Normalfall an seine Hausbank wenden, um für das aufgetretene Loch einen Überbrückungskredit anfragen (oder einen bereits vorhanden zu erhöhen), der sich an der zeitlichen Natur des Finanzbedarfes orientiert. Der sogenannte Kontokorrentkredit (bei Privatpersonen als Dispokredit bekannt). Die Hausbank wird bei Ihrer Entscheidungsfindung, ob Daumen hoch oder Daumen runter hierfür, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens überprüfen müssen. Sollte sie aufgrund mangelnder neuer Buchungen an der zukünftigen wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Unternehmens zweifeln, wird keine Kontokorrentkreditlinie eingeräumt bzw. erhöht. Im ungünstigsten Fall streicht die Hausbank dem Unternehmen sogar eine bereits vorhandene Kreditlinie zusammen. Was bleibt sind also Unwägbarkeiten für das Unternehmen.
Um meine Antwort auf Deine Frage, ob „
diese Gutscheine wirklich nachhaltig irgendwem helfen“, zu geben: Nein, wenn man den Terminus Nachhaltigkeit auch mit einer gebührenden Priese Sicherheit betrachtet. Nachhaltig ist etwas, was auf lange Frist ausgerichtet ist. Und lange Frist versteht sich konkludent mit dem Begriff Sicherheit. Und weil mir die niemand geben kann (…wo sind eigentlich die Sicherungsscheine der Beherbergungsunternehmen Namibias, Südafrikas, etc.…???...), ist für mich der Gutschein keine Lösung und für die Unternehmen auch nicht (siehe oben).
Heute einen Gutschein anstatt ein entgeltlichen Refund zu akzeptieren impliziert für den Reisenden stets, mit einem Risiko leben zu müssen. Und zwar so lange, bis der Reisende seine Leistung, für die er im Voraus gezahlt hat, vollständig in Anspruch genommen hat. Und für das Unternehmen so lange, wie das (Beherbergungs-)Unternehmen selbst keinen Nachweis auf zukünftige Buchungen, die im Voraus gezahlt werden, hat und Dritten erbringen kann.
Im Endeffekt ist es für den Reisenden, der Gutscheine akzeptiert so, wie auf hoher See und vor Gericht: Er ist in Gottes Hand.
Die, die glauben, mit der Akzeptanz von Gutscheinen einen Akt der Solidarität zu manifestieren, die mögen es tun. Gleichzeitig sollten sie aber mit gestutzten Flügeln und moderat im Ton denen begegnen, die eine gegensätzliche Meinung vertreten. Die sogenannte Deutungshoheit kann sich bei diesem Thema niemand zuschreiben.
Gruß vom Alm