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THEMA: Drei Wochen durch den Süden und Westen Namibias
03 Okt 2011 14:11 #207129
  • tandit
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  • tandit am 03 Okt 2011 14:11
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Mit dem Dachzelt-Geländewagen durch den Süden und Westen Namibias
Juni 2011


Wir sind mit keinem der beschriebenen Anbieter geschäftlich verbunden oder verwandt. Die Beschreibungen sind unsere ganz persönliche Einschätzung und können von anderen Personen möglicherweise abweichend empfunden werden.


Übersicht der Stationen:
[td]14[/td]
[td]Tages-Rundfahrt in der Palmwag Concession[/td]
[td]Palmwag Lodge Campground[/td]
[/tr]
TagAktivitätÜbernachtung
1Anreise aus FrankfurtFlugzeug
2Autoübernahme; Einkaufen; Game Drive GocheganasGocheganas Lodge
3Transfer-Tag auf der B1, KöcherbaumwaldMesosaurus Bush Camp
4Köcherbaumwald; Fossilien; Keetmannshoop; Fahrt auf der B4Klein Aus Vista Campground
5Garub Wildpferde; Kolmannskop; Diaz Point; LüderitzShark Island Campground
6Fahrt auf der D707; Farmrundfahrt KanaanKanaan Guest Farm
7D 707; Duwisib Castle; SesriemSesriem Campground
8Dead Vlei; SossusvleiSesriem Campground
9Düne 45; Sesriem Canyon; Elim DüneSesriem Campground
10Solitaire; Gaub und Kuiseb Flussbett; Walvis Bay; SwakopmundBeach Lodge Hotel
11SwakopmundBeach Lodge Hotel
12Küste; Schiffswrack; Cape Cross; Messum Crater; Ugab RiverBrandberg White Lady Lodge Campground
13Brandberg White Lady und drei weitere Spots; Tweifelfontain Felsgravuren und OrgelpfeifenPalmwag Lodge Campground
15Transfer nach Etosha über die C-40 und C-38Okaukuejo Campground
16Etosha WestenNamutoni Campground
17Etosha OstenHalali Campground
18Etosha MitteHalali Campground
19Transfer nach Okonjima, Leopard DriveOkonjima Lodge Main Camp
20Okonjima Cheetah WalkOkonjima Lodge Bushcamp
21Leopard und Cheetah FütterungDüsternbrook Felsenhaus
22Fahrt nach Windhoek; Shopping; Autorückgabe; AbflugFlugzeug

Freitag, 10. Juni: Glück muss man haben. Eine Sitzreihe vor uns bleiben beide Plätze frei. Diese liegen direkt hinter der Business Klasse und haben 1 Meter Beinfreiheit. Also setzen wir uns schnell um und genießen einen, für Economy-Verhältnisse, sehr bequemen Flug. Air-Namibia-Flug Nummer SW 286 fliegt abends um 20:10 Uhr direkt von Frankfurt nach Windhoek, ein doch erheblicher Vorteil gegenüber den Flügen mit South African Airways, die einen Umstieg in Johannisburg erfordern. Daher haben wir uns trotz mancher negativer Berichte für die staatliche namibische Fluggesellschaft entschieden.
Unser erster Besuch auf dem afrikanischen Kontinent führte uns vor zwei Jahren nach Namibia, Botswana und Zimbabwe. Uns erging es anschließend wie so vielen anderen zuvor: Die Region lässt einen nicht mehr los und so beschlossen wir, dieses Jahr die Gegenden Namibias zu erkunden, die letztes Mal zu kurz kamen.

Samstag, 11. Juni: Bock ohne Spieß und Nasen mit Horn. Der Übernachtflug kommt pünktlich Samstagmorgens um kurz nach 5 Uhr am internationalen Flughafen Hosea Kutako in Windhoek an. Die Einreise ist schnell erledigt und so werden wir gegen 6 Uhr vom Fahrer der ASCO-Autovermietung in Empfang genommen. Das Vermietungsbüro von ASCO in der Mandume Ndemufayo Avenue 195 macht erst um 8 Uhr auf. Es bleibt also genug Zeit am Flughafen, um sich noch eine 30N$-Prepaid-Sim-Karte für das Handy zu besorgen. Dann fahren wir mit einigen anderen Kunden im ASCO-Minibus nach Windhoek.
Bei ASCO angekommen steht der Hof voll mit bestens ausgestatteten Fahrzeugen. Wir müssen nur noch etwa eine Stunde warten, bis die Reisegruppe von Matto Barfuss vor uns ihre Wagen übernommen hat, dann sind wir dran. Neben den klassischen weißen Fahrzeugen stehen auch einige der viel weniger nach Mietwagen aussehenden, bronzefarbenen Modelle herum. Einer davon zieht besonders meine Aufmerksamkeit auf sich. Extra Bodenfreiheit durch Spezialstoßdämpfer, Schnorchel, Off-Road-Reifen – den würde ich nehmen. Es stellt sich heraus, dass genau dieser Wagen auch für uns reserviert worden ist. Ein Toyota Safari (die ASCO-Bezeichnung für einen Hilux mit zusätzlicher Geländeausstattung) 3.0 L Turbo Diesel Double Cab mit Dachzelt. Da hat uns Libby von Outback-Explorer in Bielefeld richtig gut beraten. Von ihr kam die Empfehlung in dieser Preisklasse und die Buchung. Moment – Bielefeld? Das gibt’s doch eigentlich gar nicht wirklich. Wie dem auch sei, wir haben das zweite Mal dort einen Mietwagen gebucht und sind mit dem Service sehr zufrieden. Vor allem die Tatsache, dass der Kontakt in Deutschland ist und auch eine Buchung über deutsche Konten möglich ist, macht es sehr bequem.
Das Fahrzeug hat zwei Ersatzreifen, was in Namibia immer der Fall sein sollte, eine Campinggrundausrüstung und sogar Bettzeug wird mitgeliefert. Wir haben aber sicherheitshalber unsere eigenen Schlafsäcke mitgebracht. Die Decken sind allerdings sehr sauber und so leisten sie uns in den kalten Nächten auch gute Dienste als zweite Schicht. Nach einer ausführlichen Einweisung geht es raus auf die Straßen Windhoeks und erst einmal zur Maerua Mall mit dem benachbarten riesigen Spar-Supermarkt in der Centaurus Street. Egal ob Hotel , Lodge- oder Campingurlaub, wir finden es sinnvoll, immer eine Grundausstattung an Nahrungsmitteln und Wasser dabei zu haben.
Um nach dem langen Nachtflug nicht noch stundenlang fahren zu müssen, haben wir die Gocheganas Lodge, rund 30 Minuten südlich von Windhoek, als erste Übernachtung ausgesucht. Bei der Buchung hatte ich wohl den Zeitbedarf bei der Fahrzeugübernahme etwas unterschätzt. Ich dachte, wenn wir um 5 Uhr landen, werden wir es wohl bis 11 Uhr zur Lodge schaffen und habe den Vormittags-Gamedrive inklusive Picknick gleich mitgebucht. Als wir um 13 Uhr ankommen, bin ich mir dann auch sicher, dass die von mir gebuchte Aktivität erst um 15 Uhr beginnt. An der Rezeption sind sie ganz enttäuscht, dass wir zu spät sind, weil sie doch ein so schönes Essen vorbereitet haben. Und ich wundere mich über meinen Optimismus bei der Buchung. Wir vereinbaren, das Essen auf der Terrasse unseres Strohdach-Chalets zu uns zu nehmen und den Gamedrive am Nachmittag mitzumachen. Das Essen kommt recht unverhofft, aber sehr gelegen und ist außergewöhnlich gut.
Anschließend geht es im offenen Landrover auf Pirschfahrt in das Naturreservat der Lodge. Gocheganas bedeutet „Ort der Kameldornbäume mit einer wunderbaren Fülle von Kerzenschoten-Akazien“ in der Sprache der Damara. Wir fahren zum Fuß des Hügels, auf dem die Lodge steht, treffen unterwegs Lucy, den Spießbock ohne Spieße, sehen Gnus, die unvermeidlichen Springböcke sowie Erdhörnchen und fahren uns dann in einem sandigen Bach fest. Nichts geht mehr. Per Funk wird ein zweiter Jeep angefordert, der Wagen mithilfe des High-Jack mit Ästen unterfüttert und nach etwa einer halben Stunde endlich freigeschleppt. Jetzt aber los, bevor die Sonne untergeht. Wir kommen an Wasserböcken, Giraffen sowie Zebras vorbei und treffen dann auf das erste Highlight der Reise: eine Breitmaulnashornmutter mit ihrem Jungen. Anders als die Spitzmaulnashörner sind diese recht friedlich, sodass wir sehr nah an sie herankommen. So nah und bei schönstem Tageslicht hatten wir Nashörner noch nie gesehen. Als wir vorsichtig weiterfahren, sehen wir auf der anderen Seite des Weges sogar noch zwei weitere, allerdings tiefer im Busch.
Zum obligatorischen Sundowner stellen wir uns in Sichtweite der Lodge auf einen Hügel und genießen die letzten Minuten unseres ersten Tages in Namibia.
Nach einem sehr guten Abendessen im Restaurant der Lodge erwarten uns in unserem Chalet wunderbar durch Wärmeflaschen vorgewärmte Betten. Das ist auch dringend nötig. Nachts fallen die Temperaturen fast bis zum Gefrierpunkt. Der Standard von Gocheganas ist überdurchschnittlich hoch, mit sehr großzügigem Badezimmer, riesigem Doppelbett und einem Wellness/Spa-Bereich im Haupthaus, bei dem man sich schon fragt, ob so etwas in einem so trockenen Landesteil wirklich nötig ist.





Sonntag, 12. Juni: Ein langes Asphaltband und unechte Bäume. Nach dem guten Frühstücksbuffet werden wir vom Shuttle-VW-Bus zum Parkplatz der Lodgegäste gebracht und machen uns auf den Weg zurück zur asphaltierten B1. Heute ist ein reiner Transfertag dran. Kilometermachen auf der B1 immer nach Süden in Richtung Keetmanshoop. Unterbrochen wird die relativ langweilige Fahrt nur durch ein Picknick auf einer der unzähligen Rest-Areas neben der Straße, durch den Wendekreis des Steinbocks und durch den sehr auffälligen Brukkaros-Krater rund 80 km vor Keetmannshoop. Für die etwa 520 km brauchen wir 5½ Stunden, wobei wir nie mehr als 110 km/h trotz guter Asphaltstraße gefahren sind.
Kurz vor Keetmannshoop biegt links nach Osten die C17 ab, auf der es über Schotter etwa 40 km, 30 Minuten, bis zur Spitzkoppe-Farm und dem dazugehörigen Mesosaurus Camp geht. Der Name der Farm hat nichts mit dem berühmten Berg viel weiter nördlich zu tun. Es gibt einfach auch auf dem Gebiet dieser Farm einen recht spitzen Berg, der als Namensgeber fungiert.
Bei der Planung der Reise haben wir diese Gegend primär wegen des Köcherbaumwaldes ausgesucht. Was einem da im Internet und auf den Karten zuerst ins Auge fällt, ist natürlich das Quivertree Forest Rest Camp. Es gibt dazu diverse Berichte von „wunderschön, unbedingt hingehen“ bis „zu kommerziell“. Wir haben uns gegen diese Unterkunft entschieden, als wir von den Geparden im Gehege gelesen haben. Für uns ein klares Indiz für „zu kommerziell“. Wir haben das Camp aber nicht gesehen und können daher nicht sagen, wie es wirklich ist. Wir wissen auch nicht, wie groß und artgerecht das Leopardengehege ist. Wir haben uns für das etwas weiter östlich an der C17 gelegene Mesosaurus Camp entschieden. Es wird von Giel Steenkamp und seiner Familie betrieben und besteht aus einfachen, aber bequemen Chalets direkt bei der Farm und dem wunderschön am Rande des Köcherbaumwaldes gelegenen Bush Camp für Zelte oder 4x4-Wohnmobile etwa 4 km auf einer Farmpiste von der Hauptstraße entfernt. Die Stenkamps sind etwas schwierig per Mail oder über ihre Homepage zu erreichen. Nach mehrmaligen Anschreiben über E-Mail klappte es aber. Die Telefon- und Datenleitung ist anscheinend nicht immer sehr zuverlässig. Da wir sowohl den Sonnenauf- als auch -untergang bei den Bäumen verbringen wollen, haben wir uns für das Bush Camp entschieden. Wir sind die einzigen Camper und genießen die unvergleichliche Kulisse – eine sehr gute Wahl. Man übernachtet in unmittelbarer Nachbarschaft der Bäume und zwei riesiger Siedelwebernestern. Zum Glück schlafen die Vögel nachts auch, tagsüber machen sie einen unglaublichen Lärm. Direkt unter die Köcherbäume kann man nicht mit dem Auto (und seinem Dachzelt), da die Bäume zwischen Doloritfelsen wachsen. Man ist aber in zwei Minuten zu Fuß mittendrin. Und der „Wald“ ist wirklich riesig hier. Eigentlich sind es ja gar keine Bäume, sondern riesige Aloen, also eine Sukkulentenart. Die Äste des Köcherbaums brennen mangels echter Holzfasern auch nicht, sondern rauchen nur. Nach dem Sonnenuntergang zwischen den Bäumen fahren wir gegen 18 Uhr zurück zu den Chalets, um mit Giel am Feuer zu sitzen und darüber gegrillte Lammkoteletts zu essen.







Montag, 13. Juni: Köcherbäume und Fossilien. Morgens stehen wir vor Sonnenaufgang um 5:30 Uhr auf, um das wunderschöne Licht am Morgen zwischen den Köcherbäumen zu genießen. Anschließend fahren wir auf den
16 km langen 4x4-Trail, der direkt am Bush Camp beginnt. Wir sehen Köcherbäume aller Größen, mit und ohne Webervögelnestern und kommen durch malerische Wiesen mit hüfthohem Gras. Da Giel nicht dazu kam, Wasser an die Campsite zu pumpen, dürfen wir uns nach unserer rund 1½-stündigen Rundfahrt in einem der Chalets frisch machen. Dann führt uns Giel zu den Fundstellen seiner Mesosaurus-Fossilien, einige Jeep-Minuten von der Farm entfernt. Die „Mittel-Echse“ aus dem Perm war das erste Reptil, das in diesem Erdzeitalter vom Land zurück ins Wasser gegangen ist, um amphibisch zu leben. Quasi eine Art kleines Krokodil. Dieselben Fossilien findet man auch in Brasilien und da der Mesosaurus nur im Süßwasser lebte, ist das ein wunderbarer Beweis für Wegeners Kontinentaldrift-Theorie.





1988 fand Giels damals 10-jähriger Sohn Hendrik diese hervorragend erhaltenen Fossilien, als er seinem Vater bei der Reparatur einer Straße auf dem Farmgelände half. In der Nähe des Fundortes befindet sich das Grab von Unteroffizier J. Splittgerber von der Schutztruppe, der hier 1904 bei einem Überfall während des Nama-Aufstandes getötet wurde.
Nach den Fossilien folgen wir Giel im Auto noch zu einem sehr malerischen Köcherbaumwald in einer anderen Ecke der Farm wo er uns auf einer Dolorit-Felsformation einige Lieder vorspielt. Die verschieden großen Steine machen ein metallisches Geräusch, wenn man mit einem Stein dagegen schlägt und haben passenderweise so verschiedene Größen, dass eine Tonleiter zur Verfügung steht.
Er lässt uns dann bei den Köcherbäumen allein und wir können noch ein wenig im Gelände herumspazieren. Dann, gegen Mittag, fahren wir zurück zur Farm, zahlen und machen uns auf nach Westen, zurück Richtung Keetmannshoop.
Die Stadt ist nicht wirklich groß aber bietet genug Infrastruktur, um die Vorräte aufzufüllen und zu tanken. Außerdem hat es ein paar hübsche alte Gebäude, darunter das Kaiserliche Postamt in der 5th Avenue am kleinen Central Park.
Wir fahren nach rund einer Stunde weiter nach Westen auf der asphaltierten B4 in Richtung Aus. Unterwegs wird die recht monotone Landschaft ab und zu durch einige schöne Canyons unterbrochen, darunter auch das hier noch recht harmlose Flusstal des Fish River. Nach rund 2 Stunden kommen wir gegen 16:15 Uhr in Klein-Aus Vista an, einer sehr schön gelegenen Lodge mit angegliederten Campingplatz rund 1,5 km vom Haupthaus entfernt. Nach einem spektakulären Sonnenuntergang gehen wir zum Abendessen in die Lodge. Dort fragen wir nach dem besten Ort zur Beobachtung der Wüstenpferde. Wir erfahren, dass sich die Tiere nachts südlich der B4 im Westen der Lodge aufhalten und morgens so gegen 8 Uhr an das Wasserloch in Garub kommen.





Dienstag, 14. Juni: Timing. Wir stehen früh auf und fahren um 7:30 Uhr weiter nach Westen. Nach rund 15 Minuten oder 20 km kommt rechts der Abzweig nach Garub. Man fühlt sich etwas komisch, an dieser Stelle die Hauptstraße zu verlassen. Im Grunde ist nach wie vor beiderseits der Straße Diamantensperrgebiet. In Garub ist es aber erlaubt, die Straße zu verlassen. Als wir den Parkplatz erreichen, kommen gerade die ersten Pferde an das Wasserloch. Pünktlich um 8 Uhr – sehr anständig. Die Tiere sind etwas kleiner als ihre Verwandten wie etwa die Mustangs in den USA. Sie sind an die trockenen Bedingungen der Wüste angepasst. Man geht heute davon aus, dass sie vor über 100 Jahren von der deutschen Schutztruppe hierher gebracht wurden und dann im Laufe der Auseinandersetzung mit Südafrika im ersten Weltkrieg zurückgelassen wurden. Seitdem haben es die Tiere geschafft, sich an das trockene Klima anzupassen. Allerdings kam ihnen auch entgegen, dass in den Bergen von Aus viele natürliche Quellen existieren. Außerdem gab es bei Garub einen künstlichen Brunnen, der genutzt wurde, um Dampfmaschinen zu betreiben, die beim Eisenbahnbau und den Diamantenminen benutzt wurden.
Als wir zu dem kleinen Unterstand in der Nähe des Wasserlochs gehen, kommen immer mehr Pferde aus der Umgebung. Sie sind überhaupt nicht ängstlich und zeigen des Öfteren ihre klassische Pose, die zum Logo der Klein-Aus Vista Lodge geworden ist: das gegenüberstehende Aufsteigen mit den Vorderhufen. Ein tolles Bild voller Eleganz und Kraft. Sie kommen so nahe an den Unterstand, dass man sie vorsichtig anfassen kann. Aber so, dass sie es nicht sofort merken. Schließlich laufen sie sogar über den Parkplatz, sodass wir nahe an ihnen vorbei müssen, um zurück zum Auto zu kommen.
Zurück auf der B4 kommen wir an ganzen Feldern voller rosa blühenden Buschmannkerzen vorbei. Ein besonderes Bild in der ansonsten sehr kargen Wüste. Die Pflanzen enthalten so viel Wachs, dass diese früher als lang brennende „Kerzen“ benutzt werden konnten. Je näher wir der Küste kommen, desto mehr Wolken tauchen auf, bis wir schließlich in eine Nebelwand hineinfahren. So ein Mist! Klein-Aus liegt noch auf rund 1400 Metern. Weiter unten branden Wolken vom Atlantik her an das Festland.
Bei nebligem, sehr feuchten Wetter kommen wir in Lüderitz am Meer an. Die Stadt liegt sehr schön an einer Bucht und hat ein sehr schönes, altes Stadtzentrum. Bei Nebel wirkt es aber sehr trist. Wir gehen zu Lüderitz Tours & Safaris in der Bismarck Straße und kaufen die Tickets für Kolmanskop, die man aber inzwischen auch direkt vor Ort bekommt. Die freundliche Dame erklärt uns auf Nachfrage, dass dieser Nebel für Lüderitz sehr ungewöhnlich sei – „wir sind ja nicht Swakopmund …“. Es sei aber nicht absehbar, dass es in den nächsten Tagen besser werde. Wir fahren die rund 10 km zurück nach Kolmanskop und kommen gerade rechtzeitig zur zweiten Führung des Tages um 11 Uhr über das Gelände.
Beim Bau der Eisenbahn von und nach Lüderitz an der Küste fand ein Arbeiter hier 1908 einen funkelnden Stein. Darauf setzte der Diamantenrausch ein und keine zwei Jahre später war Kolmanskop entstanden, eine kleine Stadt mitten in der Sandwüste. Anfangs konnten die Arbeiter die Diamanten einfach oberflächlich aus dem Wüstensand aufheben und einsammeln. Später wurde dann begonnen, unterirdisch zu graben, was auch heute noch direkt neben der Geisterstadt getan wird.
Während der einstündigen Tour bekommen wir exklusive Wohnhäuser, eine Ladenzeile mit Eisfabrik, Schlachterei und Krämerladen zu sehen, außerdem ein Kasino mit Kegelbahn und eine Mehrzweckhalle mit Sportgeräten. Anschließend dürfen wir uns frei auf dem Gelände bewegen und weitere Wohnhäuser des Arztes, Architekten oder Buchhalters besichtigen. Zum Ort gehörte auch ein gut ausgestattetes, großes Krankenhaus. Heute hat sich die Wüste das Gebiet zurückgeholt. Die Häuser wurden von den Sanddünen förmlich überrollt. In vielen Gebäuden häuft sich der Sand in den Zimmerecken.
Das Wetter hat zwischendurch ein Einsehen und klart auf. Kurze Zeit später kommen aber neue Wolken und tauchen die Geisterstadt in trübes Licht. Wir fahren zurück nach Lüderitz und besuchen hier die südlich gelegene Lüderitz-Halbinsel mit dem Diazpoint. Auf einer durch den Nebel schmierigen Schotterpiste geht es immer entlang von Buchten hinaus zum Leuchtturm, der nicht nur leuchtet, sondern auch ohrenbetäubend laute Hornsignale abgibt. Wir sind in Anbetracht des Wetters die einzigen Besucher weit und breit, steigen kurz über den morschen Steg hinüber zum kleinen vorgelagerten Aussichtspunkt mit Blick hinüber zur Robbenkolonie auf einer vorgelagerten Insel. Dann fahren wir zur weiter südlich gelegenen Guano Bay und finden dort trotz trüben Wetters ein Küstenidyll vor, dass sich einem allerdings erst auf den zweiten Blick erschließt. Eine kleine Gruppe Flamingos macht den Anfang, dann entdecken wir erst einen, dann immer mehr Austernfischer mit ihren charakteristischen roten Schnäbeln und viele weitere große und kleine Wattvögel. Dann taucht wie aus dem Nichts ein Schakal am Strand auf und macht sich auf die Pirsch. Wir folgen ihm und entdecken einen zweiten. Beide sind wenig scheu und einer kommt uns entgegen. Mit gegenseitigen Respekt passieren wir uns vorsichtig mit 5 m Abstand und er geht zurück zur Stelle, wo wir ihn zuerst gesehen hatten. Dort verschwindet er in einem bewachsenen Sandhügel unmittelbar neben der Piste, wo unser Auto am Rand parkt. Dort muss sein Bau sein und deshalb konnte er so unvermittelt auftauchen.
Wir machen einen Bogen um die Stelle, um ihn nicht weiter zu stressen, und fahren zurück nach Lüderitz in die Stadt. Ganz knapp verpassen wir die Öffnungszeit für das extravagante Goerke-Haus (unter der Woche bis 16 Uhr). Hier lebte der Schutztruppen-Leutnant und späterer Manager von Diamantenminen bis 1912. Das Haus wurde von der Minengesellschaft CDM gekauft, restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie in anderen Städten Namibias findet man auch hier überall Zeugnisse deutscher Vergangenheit, etwa die Turnhalle des Männerturnvereins oder der Konzert- und Ballsaal von 1907.
Nach einem kurzen Rundgang durch das sehr überschaubare Stadtzentrum gehen wir zum Abendessen ins Ritzi’s Seafood Restaurant. Das Essen des vielgelobten Restaurants finden wir in Ordnung, aber eher durchschnittlich.
Zur Übernachtung fahren wir hinaus auf die Shark Island Halbinsel zum Campingplatz der Namibia Wildlife Resorts (NWR). Trotz des üblen Wetters bleiben wir beim Camping im Dachzelt. Bei der Reservierung von zu Hause aus hatte ich übersehen, dass man sich auch in den kleinen Leuchtturm nebenan hätte einmieten können. Das wäre mit Sicherheit eine lohnende Alternative gewesen.









Mittwoch, 15. Juni: Aus dem Nebel ins Paradies. Morgens geht die Sonne über der Bucht von Lüderitz auf und der Himmel ist ganz klar. Eine tolle Kulisse. Wir frühstücken auf unserem Zeltplatz neben einem Felsen, der aussieht wie eine Pappmaché-Filmkulisse. Er ist aber tatsächlich sehr massiv und lässt sich gut besteigen. Von oben hat man einen 360°-Rundblick von Shark Island auf Lüderitz und das Meer. Nach dem Frühstück hat der Nebel schon wieder die Überhand gewonnen und es wird trübe. Wie frustrierend. Lüderitz ist bei gutem Wetter mit Sicherheit eine schöne kleine Küstenstadt mit viel Charme.
Wir machen uns auf, zurück auf die B4 nach Osten und treffen unterwegs tatsächlich noch das englische Ehepaar vom Nachbarplatz, die ihre, hier dringend benötigte, Regenplane beim Abbauen haben liegen lassen. Als wir kurz halten und Ihnen Bescheid geben, sind sie sehr glücklich und dankbar.
Auf dem Hinweg begannen die Wolken maximal 20 km vor Lüderitz. Jetzt auf dem Rückweg wollen sie kein Ende nehmen. Die weite Ebene des Namib Naukluft Parks nördlich der B4 ist eine einzige trübe Suppe. Südlich im Diamanten-Sperrgebiet sieht es keinen Deut besser aus. Die tiefliegenden Wolken hängen bis zum weiten Horizont und machen nicht gerade Mut, dass wir die heutige Etappe durch die Tirasberge bei guter Sicht machen können. Dann, über 100 km von Lüderitz und der Küste entfernt, auf über 1200 m Höhe sieht man wie am östlichen Horizont das Wolkenfeld plötzlich unvermittelt aufhört. Wir fahren weiter und bei 1400 m Höhe, kurz vor Aus kommen wir unter den Wolken hervor und fahren in die Sonne. Die Landschaft ist plötzlich in knallige Farben getaucht und alles um uns herum leuchtet. Was für eine Erlösung. Wir können das Licht am Auto wieder ausschalten und fahren nach Aus zum Tanken bei der Namib Garage.
Gegen 10 Uhr biegen wir von der asphaltierten B4 auf die rote Schotterpiste der C13 nach Norden ab. Tumbleweed weht über die Straße, es ist keine Wolke mehr am Himmel. Nach rund 60 km kommt links der Abzweig der D707. Auf der C13 sind noch einige andere Autos unterwegs, die brausen aber alle Richtung Helmeringhausen weiter und lassen die D707 links liegen. Wir nicht und so sind wir ab hier alleine auf der wahrhaft schönsten Straße Namibias unterwegs. Direkt hinter der Kreuzung steht noch ein Pistenhobel mit Besatzung, dann sind wir das einzige Fahrzeug weit und breit. Ein einsamer Köcherbaum leitet die Szenerie ein. Die Landschaft ist so überwältigend, dass wir ständig anhalten müssen. Wir sehen die große gepanzerte Bodenschrecke, einen Steppen- und Turmfalken, den omnipräsenten Weißbürzel-Singhabicht (WBSH), einen Sekretär und einen Strauß. Die rote, sandige Piste führt uns in den Naturpark der Tirasberge hinein. Obwohl wir mehr stehen als fahren, begegnen wir keinem anderen Fahrzeug. Die ganze Landschaft ist überzogen mit einer Decke aus grün-gelblichem Gras, wohl auch dank der ausgiebigen Regenfälle der vergangenen Monate. Nach knapp drei Stunden erreichen wir, 80 km nach der Beginn der D707, das Tor der Kanaan Gästefarm. Von hier sind es noch 8 km auf der Farmroad bis zum Farmhaus. Aus dem Gras zu beiden Seiten des Weges stürzen sich pausenlos Vögel vor das Auto. Ab sofort heißen sie für uns nur noch Suicidal Birds. Bei der Farm begrüßt uns der völlig erkältete Eigentümer Hermi Strauss.
Wir begrüßen unserseits ihn sowie die beiden anderen Gäste Mechthild und Jens-Uwe und beziehen unsere Zimmer. Energieversorgung ist auf diesen abseits gelegenen Farmen immer ein Problem. Auf unserem Zimmer sorgen zwei Petroleumlampen für Licht, was für ein tolles Ambiente sorgt. Hermi ist sehr am Husten, aber rappelt sich trotzdem auf, um uns in seinem Land Rover über die Farm zu fahren. Er verspricht uns ein einmaliges Erlebnis in einer der schönsten Landschaften Namibias. Etwas skeptisch denken wir nur „na mal sehen, ist ja klar, dass er von seinem eigenen Land nichts Schlechtes erzählt“. Also setzen wir uns gegen 15 Uhr auf die Bänke der offenen Ladefläche und die Fahrt beginnt. Sehr schnell hat uns die Landschaft von Hermis Behauptung überzeugt. Östlich der D707 liegt ein weites Grasland zwischen einzelnen Ausläufern der Tirasberge. Hier weiden hunderte von Spießböcken, das Vieh der Farm. Auf den Bergen wachsen Köcherbäume, in den Akazien haben Siedelweber ihre riesigen Nester gebaut. Wir machen eine kurze Pause und gönnen uns eine Erfrischung und hausgemachtes Oryx-Biltong. Dann fahren wir am Rande einer großen Grasfläche nach Westen in Richtung Namib-Wüste. Plötzlich biegt Hermi vom Feldweg ab und fährt mitten in die Graslandschaft hinein und nimmt die Verfolgung einer Oryxherde auf. Man sieht im hohen Gras überhaupt keine Bodenkonturen. Die Fläche muss aber topfeben sein, denn wir fahren mit geschätzten 80 bis 100 km/h hinter den Tieren her inklusive enger Kurvenradien. Als ein Springbock auftaucht, fahren wir minutenlang im Affenzahn neben diesem her. Gleiches muss sich ein Strauß gefallen lassen. Die Tiere in diesem Tempo in Aktion zu sehen ist beeindruckend. Wir verlassen uns auf Hermis Sachverstand, was die Kondition der Tiere und den Zustand des Untergrundes betrifft. Dann überqueren wir die D707 und begeben uns in den westlichen Teil der Farm, zu dem die Anfänge der Namib-Wüste mit ihren tiefroten Sanddünen gehört. Hier bestätigt sich nun endgültig Hermis Behauptung. Die Landschaft ist malerisch. Wir fahren in die Dünen und blicken über den roten Sand mit seinem Wellenmuster über die gelb-grüne Graslandschaft mit einzelnen Bäumen bis zu den Tirasbergen. Die Luft ist glasklar und die Farben sind satt. Wir befinden uns inmitten eines kleinen Paradieses. Oben auf einem der ersten Dünenkämme angekommen riecht es brenzlich. Hermi hält, kriecht unters Auto und löscht mit der Hand einen brennenden Büschel Dünengras, das sich während der Fahrt hier gesammelt und am Auspuffkrümmer entzündet hat. „Nichts Ungewöhnliches“, meint er, „passiert leicht“. Die Dünen um uns liegen unberührt in der untergehenden Sonne. Vor allem die leichten Wellen- und Rillenmuster sind wunderschön. Nur ein paar kleine Spuren von Geckos oder Schlangen durchbrechen die Flächen, auf denen vereinzelte Büschel von Dünengras wachsen. Wir setzen uns auf einen Dünenkamm und genießen den Sonnenuntergang mit einem Creme-Whiskey. Als um kurz nach 18 Uhr die letzten Strahlen über den Horizont streifen, drehen wir uns um und sehen den Mond genau gegenüber hinter uns aufgehen. Heute ist die Nacht der Mondfinsternis.
Wir fahren zurück zur Farm und bekommen dort ein exzellentes mehrgängiges Abendessen mit hausgemachten Oryx-Steaks über dem offenen Grill im Farmhaus zubereitet. Hermi erweist sich einmal mehr als perfekter Gastgeber.
Wie passend, dass an diesem Abend der Hobby-Astronom Jens-Uwe auch in Kanaan ist. Er hat sich diese Farm ausgesucht, um ein kleines Teleskop hier fest zu installieren. Gegen 19:30 Uhr beginnt der Erdschatten, sich auf den Mond zu legen. Etwa 70 Minuten später hat der äußere Erdschatten den Mond vollständig abgedunkelt. Kurz vor der vollen Abdunklung fahren wir die zwei Minuten vom Haus zum Teleskop und beobachten von hier den weiteren Verlauf der Mondfinsternis. Jetzt sehen wir zum ersten Mal auf der Reise überhaupt die Milchstraße. Zuvor hatte das helle Licht des beinahe vollen Mondes dies stets verhindert. Der Effekt ist überwältigend. Immer besser tritt sie hervor, bis sie klar und deutlich in ganzer Pracht zu sehen ist. Der nur noch dunkel rötlich schimmernden Vollmond liegt jetzt schwach, aber gut sichtbar mitten in der Milchstraße. Den Mond gemeinsam mit der Milchstraße kann man nur unter diesen Umständen sehen.
Leider ist es unglaublich kalt geworden. Die Temperatur liegt nahe 0 °C. Daher halten wir es gegen 22:15 Uhr nicht länger aus und fahren zurück zur Farm.








Donnerstag, 16. Juni: Sportliche Antilopen und eine junge Mittelalterburg. Das Frühstück steht dem Abendessen von gestern in nichts nach. Gegen 10 Uhr verlassen wir schweren Herzens Hermi und seine Farm, fahren zurück zur D707 und nehmen diese weiter nach Norden. Kurz hinter dem Farmtor, keine 5 Minuten auf der D707 tauchen zwei Oryxe auf der Straße außerhalb der Einzäunung auf. Als wir auf gleicher Höhe sind, fangen sie an zu galoppieren. Wir machen langsamer und sie bleiben stehen, wir wollen langsam an ihnen vorbei, da laufen sie wieder los. Was tun? Also dann – wir nehmen das Rennen auf und fahren hinter den wieder losgaloppierenden Tieren her. Das eine springt kurzerhand über den Zaun zurück auf das Farmgelände, das andere läuft parallel zur Straße auf der Höhe unseres Autos und präsentiert sich als eines der Fotohighlights der Reise: gestochen scharfer galoppierender Oryx im Gras mit von den Hufen aufgewirbeltem roten Sand vor den Dünen der Namib. Auch zum Abschied also präsentiert sich Kanaan als höchst fotogen.
Um 11:40 Uhr erreichen wir die Kreuzung mit der C27 und verlassen die D707. Bei Betta nehmen wir die D826 und machen einen Abstecher zum Duwisib Castle, das wir um 12:20 Uhr erreichen. Das Schloss ließ 1908 Baron Hansheinrich von Wolf für sich und seine amerikanische Frau erbauen. Er lebte nicht lange dort. Er kam 1916 während des ersten Weltkrieges zurück nach Europa, meldete sich bei der Armee und fiel zwei Wochen später. Seine Frau kehrte nie nach Namibia zurück. Das Gebäude fiel Ende der 70er-Jahre an den Staat, der es restaurierte und 1993 für die Öffentlichkeit freigab. Es besteht aus einem wilden Stilmix und erinnert mit seinen Zinnen und Schießscharten-Fenstern an eine mittelalterliche Trutzburg. Die Räume sind fast alle zugänglich (nur in einem ist das Verwaltungsbüro untergebracht) und zum Teil noch möbliert. Der Innenhof ist eine grüne Oase mit großen Jacaranda-Bäumen. Das Baumaterial sowie die Einrichtung mussten mühsam vom Hafen in Lüderitz hierher gebracht werden. Im Keller sieht man auf den Deckenträgern noch den Zielhafen aufgedruckt.
Eine dreiviertel Stunde später fahren wir zurück nach Betta und weiter auf der C27 nach Norden. Das Pad verläuft hier immer in Reichweite der Namib-Wüste durch das Namibrand Nature Reserve. Man sieht unterwegs immer wieder große Springbockherden und viele Raubvögel. Die Straße verläuft zum Teil schnurgerade durch weite, trockene Ebenen. Je näher man Sesriem kommt, desto häufiger tauchen Luxus-Lodges am Straßenrand auf. So schön diese auch sein mögen, wie schon in Gocheganas muss die Frage erlaubt sein, ob man in dieser trockenen Gegend eine Spa- und Wellness-Lodge unterhalten muss. Luxus ohne Badebetrieb und hohen Wasserverbrauch würde auch ausreichen.
Wir erreichen Sesriem und den dortigen NWR-Campground um kurz nach 16 Uhr und können nach einigen Unstimmigkeiten bei der Platzbelegung unsere Site #3 beziehen. Beim Einchecken werden wir mehrmals gefragt, ob wir wirklich drei Nächte bleiben wollen. Ganz so, als ob sie der Meinung wären, hier gäbe es für diese Dauer nicht genug zu sehen. Nach unserem ersten Besuch vor zwei Jahren mit zwei Nächten wollten wir uns diesmal aber bewusst viel Zeit nehmen. Man schafft das „Hauptprogramm“ Düne 45 und Dead Vlei auch an einem Tag. Wenn man sich mehr Zeit nimmt, entdeckt man aber auch die schönen Seiten jenseits der Hauptattraktionen.
Site #3 können wir, ebenso wie Site #22 vom letzten Mal, sehr empfehlen. Manche andere Sites haben deutlich weniger Abstand zu den Nachbarn oder liegen direkt am Sanitärhäuschen. Wir essen beim Restaurant des Platzes zu Abend und gehen früh schlafen, um den Vorteil für Campinggäste auszunutzen und morgens direkt bei Öffnung des Gates schon eine Stunde vor Sonnenaufgang in den Park fahren zu können. Gäste von außerhalb kommen erst bei Sonnenaufgang hinein.





Freitag, 17. Juni : Ein See in der Namib. Um 5:45 Uhr, eine Viertelstunde nach Öffnung (wir waren noch so müde und haben es nicht pünktlicher geschafft), fahren wir in den Park und die 85 km auf der Asphaltstraße bis zum Dead-Vlei-2x4-Parkplatz. Wegen der Tiere im Park gilt hier trotz bestem Straßenzustand ein Tempolimit von 60 km/h. Ab dem Parkplatz führt eine Tiefsandpiste 4½ km bis zum Dead-Vlei-4x4-Parkplatz. Auf dieser zeigt unser Auto das erste Mal, was es kann. Mit unserem Fahrzeug vor zwei Jahren hatten wir uns schon 1 km später im Tiefsand festgefahren. Nur Reifendruckreduzieren und Freischaufeln brachte die Kiste wieder frei. Diesmal haben wir spezielle Off-Road-Reifen und ASCO bat uns am Reifendruck, wenn möglich, nichts zu verändern. Der Wagen spurt durch den Tiefsand, als wäre es nichts. Nur der Momentanverbrauch von bis zu 60 l/100 km zeigt, was er leistet. Sobald er sich festzufahren droht, reicht ein leichtes Antippen des Gaspedals, um noch etwas mehr Leistung abzurufen und das Fahrzeug zieht weiter vorwärts. Zu keiner Zeit besteht auch nur annähernd das Risiko stecken zu bleiben. Eine Wahnsinnskiste und eine souveräne Vorstellung.
Wir parken das Auto und laufen wie vor zwei Jahren nicht direkt zum Dead Vlei, sondern in das östlich davon gelegene Vlei zu Füßen der Big Daddy Dune. In Erwartung einer trocken Salzpfanne mit aufgesprungenem, weißen Boden erklimmen wir die ersten leichten Sandhügel und befinden uns plötzlich vor einem ausladenden See. Wasservögel sitzen am Ufer, eine kleine Gänseformation fliegt über uns hinweg. Das ist schon etwas surreal in der Wüste. Der Baum, der vor zwei Jahren frei auf der trockenen Salzpfanne stand, ist jetzt trockenen Fußes gar nicht erreichbar. Dieses Jahr war bis in den April und Mai hinein viel Regen gefallen in Namibia. Der Tsauchab-Fluss ist daher weit bis ins Sossusvlei hineingeflossen, hat sich dann hier gesammelt und wird im Laufe der Zeit versickern.
Wir laufen am westlichen Ufer des Sees entlang und steigen weiter hinten die Dünenflanke gegenüber der Big Daddy Dune hinauf. Oben auf dem Kamm angekommen laufen wir in südlicher Richtung weiter hinauf, bis wir am höchsten Punkt über dem kleinen, isolierten Minivlei direkt neben dem Dead Vlei stehen. Von hier oben sehen wir auch den Zufluss des Sees. Im Grunde folgt man auf dem Weg von Sesriem hierher die ganze Zeit dem Flussbett. Zwischen den Dünen verteilt sich der Fluss dann in den Vleis und versickert. Deutlich sind die ehemaligen Wasserläufe vom 4x4-Trail herüber zur überfluteten Salzpfanne erkennbar. Der Blick nach Westen geht von oben ins trockene Dead Vlei mit seinen toten Kameldornakazien. Weiter nach Süden sehen wir noch ein kleines Vlei und viele Arme der Sterndünen. Obwohl, anders als vor zwei Jahren, kein Sandsturm herrscht, ist es auf dem Dünenkamm doch sehr windig und der Sand strahlt uns und die Kameras ordentlich ab. Daher verzichten wir auf den weiteren Aufstieg an den allerhöchsten Punkt der Düne und machen uns über die Direttissima auf den Weg nach unten ins Dead Vlei. Die Schuhe wurden auf der Düne mit der Zeit immer enger und wir lassen unten im Vlei erst einmal einige große Sandhaufen aus unseren Schuhen zurück. Dann genießen wir die Stille im Dead Vlei, das wir, obwohl es schon 10 Uhr ist, mit nur wenigen anderen teilen müssen.
Wir machen uns eine halbe Stunde später auf den Weg zurück zum Auto und fahren das kurze Stück weiter nach Westen zum Sossusvlei selbst. Auch hier hat der Tsauchab einen gewaltigen See hinterlassen. Hier allerdings sind die umgebenden Dünen nicht so hoch und daher ist die Wirkung des Sees, der auch viel trüber ist als bei der Big Daddy Dune, nicht so beindruckend. Trotzdem ist natürlich Wasser in der Wüste immer etwas Besonderes.
Auf dem Rückweg zum 2x4-Parkplatz zeigt der Wagen das gleiche Bild wie zuvor, auch Ausweichen in ganz frischen und extraweichen Tiefsand außerhalb der Spur bringt ihn nicht aus der Fassung. Wir fahren wieder auf Asphalt gemütlich zurück Richtung Sesriem Campground. Unterwegs sehen wir einen Oryx malerisch direkt vor einer Düne und merken uns eine Düne vor, die wir nachmittags im besseren Licht nochmal näher anschauen wollen. Jetzt gegen 12 Uhr ist das Licht sehr unvorteilhaft und die Dünen wirken alle sehr flau. Kurz vor dem Parkausgang halten wir und werfen einen Blick in den Ausgang des Sesriem Canyon, wo ihn der Tsauchab in Richtung Dünen verlässt. Natürlich führt er zu dieser Jahreszeit kein Wasser mehr, aber das Flussbett ist schön grün. Um 13:30 Uhr sind wir zurück am Camp und beobachten eine Eidechse bei der Jagd auf Fliegen und einen Nektarvogel beim Blütenaussaugen. Beides findet direkt am Baum auf unserem Platz statt. Die Eidechse ist hier so zu Hause, dass ich sie überhaupt nicht störe und sie sogar auf meinem Fuß herumläuft. Ansonsten lassen wir einfach mal zwei Stunden lang die Seele baumeln, kopieren Fotos aufs Laptop und laden Akkus auf.
Gegen 15 Uhr fahren wir zurück in den Park zu unserer zuvor ausgewählten Düne. Sie liegt weiter östlich noch vor der Düne 45 bei Kilometer 40 ab dem Eingang und ist recht nah an der Straße – denkt man. Als wir uns auf den Weg dorthin machen, merken wir, dass es doch ein Stückchen zu laufen ist. Zuhause nachgemessen sind es gute 600 m. Die Identität der Düne lässt sich auch nach intensiver Recherche nicht eindeutig feststellen. Es ist einfach keine Karte zu finden, auf der sie alle genau benannt sind. Die Dünen sind der Reihe nach durchnummeriert. Düne 45 ist nur rein zufällig 45 km vom Eingang des Parks entfernt. Als wir näher an die Düne herankommen, bemerken wir, dass sich etwas an ihrer Basis bewegt. Der Blick durchs Fernglas lässt uns erkennen: Es handelt sich um spielende Oryxe. Und da sind noch mehr auf der Ebene vor der Düne verteilt. Mist – die sind nicht so ohne. Es gibt Berichte, dass sie es locker mit einem einzelnen Löwen aufnehmen. Die langen Spieße haben sie ja nicht zum Spaß. Also was tun, das Unternehmen Düne abbrechen? Wir laufen erst mal vorsichtig etwas weiter, nehmen uns vor, bei erkennbarer Abwehrhaltung sofort kehrtzumachen. Jetzt haben uns die Tiere entdeckt und blicken alle zu uns herüber. Wir sind noch gute 200 Meter von ihnen entfernt. Na mal sehen, noch wirken sie entspannt. Ein paar Schritte weiter und auf einmal setzt sich die ganze Herde, mindestens 30 Stück in Bewegung und galoppiert davon. Na gut, das wäre dann geklärt. Solange wir sie nicht in die Enge treiben, sind sie nicht aggressiv. Rund 5 Minuten später stehen wir alleine vor der mächtigen Düne. Mit bis zu 380 m über dem Grund sind die Dünen hier im Sossusvlei Park die höchsten der Welt.
Zurück am Campground vertreiben wir die Moskitos mit einem Feuer. Jetzt zahlt es sich aus, dass am Fahrzeug eine Axt befestigt ist. Zwar mussten wir bisher keine Äste zum Unterfüttern des Autos abschlagen, aber so können wir kleine Späne von den gekauften Holzscheiten zum Anfeuern abtrennen. Mit Nudeln, Tomatensoße und Käse am Lagerfeuer lassen wir den Tag ausklingen.



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Samstag, 18. Juni: Dünendösen und Bulldozer-Käfer. Wieder heißt es heute früh aufstehen. Diesmal schaffen wir es und stehen um 5:25 Uhr als vierte in der Schlange vor dem Eingangstor zum Park. Nachdem wir die Nummer drei vor uns überholt haben, fahren wir im Konvoi mit den übrigen beiden Wagen vor uns mit rund 80 km/h getreu dem Motto „go with the flow“ bis zur Düne 45. Jede Minute zählt, wenn man bei Sonnenaufgang oben sein möchte. Am Parkplatz der Düne angekommen wundern wir uns kräftig, dass wir die einzigen sind, die abbiegen. Auch die hinter uns anrauschenden Autos fahren weiter in Richtung 2x4-Parkplatz. Das soll uns nur recht sein. Wir machen uns auf den Weg die Düne hinauf. Sie ist nicht die höchste im Park aber mit über 300 Metern trotzdem nicht gerade klein. Nach einer guten halben Stunde haben wir es geschafft und um kurz nach 7 Uhr sehen wir die Sonne hinter den Naukluftbergen im Osten aufgehen. Viel länger hätten wir nicht brauchen dürfen. Es bleibt gerade genug Zeit, das Stativ aufzubauen und die Kamera auszurichten. Jetzt kommen auch die ersten anderen Touristen die Düne hinauf. Nachdem wir die im Streiflicht beleuchteten Dünen von oben bestaunt haben, gehen wir die Direttissima zu einem Seitenarm hinunter und diesen nach Osten zur kleinen, unberührten Nachbardüne mit einem wunderschönen, völlig intakten Wellenmuster. Oben auf der Düne 45 sammeln sich unterdessen die Touristenmassen. Hinter der Düne steht der große Beinahe-Vollmond. Im Grunde geht jetzt ein ununterbrochener Menschenstrom die Düne hinauf und wieder herunter. Wir gehen an der Seitenflanke entlang zurück zum Parkplatz, kommen an einem Baum vorbei, den die Düne schon halb umflossen hat und leeren unsere Schuhe aus, die schon wieder vom Sand ganz eng geworden sind. Dann fahren wir gegen 9 Uhr zurück nach Sesriem und biegen nach einigen Fotostopps rund 4 km hinter dem Flugfeld und nur etwa 1 km vor dem Eingang nach Norden zur Elim-Düne ab. Diese Idee hatte heute außer uns noch niemand. Wir parken ganz alleine vor der Düne im Schatten eines Baums. Das frühe Aufstehen macht sich bemerkbar. Es ist ruhig, wir klappen die Sitze nach hinten und sind ruckzuck weg. Erst um kurz vor 12 Uhr wachen wir wieder auf. Die Düne selbst ist sehr weitläufig und relativ flach aber mit schönem Dünengras bewachsen. Zwischendurch steht auch mal ein Pilz im Sand. Im Grunde ist sie eine extrem weitläufige Sicheldüne und der östlichste Ausläufer der Sandwüste innerhalb des Parks. Um die Düne führt ein Weg herum, an dessen Rändern kleine Käfer Löcher in den Boden baggern. Sie verschwinden in einem Loch im Sand und kommen, eine Ladung Sand vor sich her schiebend, wieder heraus.
Wir beschließen, den heißen Nachmittag im Sesriem Canyon zu verbringen und dort auch bei einem Picknick etwas zu essen. Beim Canyon angekommen ist es brütend heiß und wir genießen den Schatten unten in der engen, bis zu 30 m tiefen Schlucht, die der Tsauchab gegraben hat. Der Fluss füllt den Canyon zu dieser Jahreszeit nicht mehr. An einigen Stellen ist aber Wasser stehen geblieben und darin befinden sich kleine Welse. Die eigentliche Schlucht ist nur rund einen Kilometer lang und davon ist der Teil stromaufwärts der Einstiegstelle nicht weit begehbar. Wir machen es uns etwas weiter unten im Schatten bei Landjägern, Gemüse und Apfelsaft bequem.
Am späten Nachmittag gönnen wir uns ein Savanna als Sundowner und gehen zum Abendessen hinüber in die Sossusvlei Lodge. Schon von unserem letzten Besuch wissen wir, dass es dort ein hervorragendes Grillbuffet gibt. Als externer Gast meldet man sich an der Rezeption und bekommt dann einen Tisch zugewiesen. Am Grill kann man die gesamte Namibische Antilopenwelt ordern. Das Essen ist angefangen bei den Vorspeisen über die vielfältigen Hauptspeisen bis zum Dessert durchweg empfehlenswert. Auch die Weinkarte ist ordentlich.





Sonntag, 19. Juni: Kein Diesel und die Fahrt ans Meer. Wir stehen heute später auf und machen uns erst um 8:30 Uhr ohne Frühstück auf den Weg von Sesriem nach Norden. Erst 12 km auf der C27 und dann 71 km auf der C19 zum Solitaire Shop und der Caltex Tankstelle. An den Zapfsäulen angekommen wollen wir volltanken. Der Tankwart teilt uns mit, dass Diesel leider aus sei. Wir sind einigermaßen überrascht, da diese Tankstelle sehr bekannt ist und bestimmt viele Vorbeikommende auf sie bauen. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir in Sesriem getankt. Ein Glück haben wir einen Doppeltank mit 140 l Volumen und 1200 km Reichweite, der jetzt gerade halbleer ist. Bis Walvis Bay kommt nämlich jetzt keine Tankstelle mehr. Das sind aber nur rund 230 km, also kein Problem. Mit nur einfachem Tank wird Namibia wirklich zur Herausforderung. Wir gehen wenigstens zur Bäckerei nebenan, deren Apfelstreuselkuchen Kultstatus erreicht hat. Wir nehmen zusammen mit 5000 Webervögeln, Glanzstaren und Kaphörnchen unser Frühstück zu uns und machen uns dann auf den Weg nach Walvis Bay.
Kurz nach Solitaire stoßen wir auf die C14 und folgen ihr weiter nach Norden. Nach 53 km folgt man einige Kurven 70 m hinab zum Gaub-Fluss. Eine nach außen überhöhte Brücke quert den noch Wasser führenden Fluss und auf der anderen Seite klettert man wieder über ein paar Kurven zurück auf 820 m über dem Meer. Kurz danach überqueren wir zum zweiten Mal auf dieser Reise den Wendekreis des Steinbocks. Nach 17 km kommt der Abzweig der C26 nach Osten in Richtung Gamsbergpass und Windhoek. Wir bleiben aber auf der C14, die ab hier wirklich miserabel wird. Außerdem ändert sich die Landschaft. Sie sieht aus wie eine riesengroße, überdimensionierte Buckelpiste. Ursache dafür ist das weitreichende Einzugsgebiet des Kuiseb-Flusses, der die Landschaft hier zerfurcht hat. Wie zur Wiedergutmachung der schlechten Straßenbedingungen tauchen kurze Asphaltabschnitte auf, die sich aber schnell wieder in Schotterpads verwandeln. Rund 15 km nach der Abzweigung der C26 erreicht man den Kuiseb-Pass, der mit 902 m Höhe nicht gerade die Landschaft überragt. Man hat allerdings vom oberhalb der Straße gelegenen Aussichtspunkt einen sehr schönen Blick auf die zerfurchte Umgebung und den noch ordentlich wasserführenden Kuiseb. Nur 1,5 km später ist man unten am Fluss auf 760 m. Wir fahren von der Straße ab ins sandige Flussbett und parken etwas stromaufwärts für eine kleine Mittagspause. Der breite Kuiseb lädt dazu ein, sich die Füße abzukühlen. Gegen 12:30 Uhr machen wir uns weiter auf den Weg nach Westen.
Der Flusslauf des Kuiseb war zunächst die letzte bemerkenswerte Landmarke auf der Strecke. Ab jetzt fahren wir die nächsten gut 130 km aus dem Einzugsgebiet des Flusses hinaus. Die Landschaft wird flach, ist anfangs noch mit Gras bewachsen, aber wandelt sich dann innerhalb der nächsten Kilometer in eine öde Geröllwüste. 50 km vor Walvis Bay bietet der 527 m hohe Vogelfederberg, im Grunde eine riesige Felsenformation auf der Geröllebene, etwas Abwechslung. Ansonsten ist die Landschaft extrem monoton. Am Horizont im Süden sieht man Anzeichen für Bergbauaktivitäten. Nördlich der Straße, noch jenseits der C28 liegt das größte Urantagebaugebiet der Welt – die Rössing-Mine. Durch den enormen Wasserverbrauch dieser Mine werden die Flüsse im weiten Umkreis angezapft, was nicht gerade dazu beiträgt, die Gegend lebensfreundlicher zu machen. Ein großes Problem dieser Strecke für Touristen mit Mietwagen sind die häufiger auftretenden Staub- und Sandstürme, die beträchtliche Schäden an den Scheinwerfergläsern und dem Lack anrichten können. Weiter nördlich der Straße wird die Luft leicht bräunlich, was nicht gerade beruhigend ist.
Wir kommen schließlich gegen 14 Uhr ohne weitere Blessuren in Walvis Bay an und wollen uns in der Lagune südlich der Stadt die große Kolonie der Rosa- und Zwergflamingos anschauen. Sie gehört zu den größten des südlichen Afrika. Leider ist die Lagune völlig leer. Außer ein paar Möwen sind keine Vögel zu sehen. Wir fahren weiter bis zur Salzgewinnungsanlage und kommen an rötlichen und rosa Verdunstungsbecken vorbei, bis es vor den Eingangstoren zum riesigen Komplex nicht weiter geht. Hier werden 90 % des südafrikanischen Salzbedarfs produziert. Es liegt hier in vielen gut 10 m hohen, strahlendweißen Spitzkegeln aufgehäuft herum. Wir kehren um und fahren zurück zur, auch nach europäischen Maßstäben, sehr mondänen Uferpromenade Esplanade. Hier steht entlang des langgestreckten Bogens der Walvis Bay Lagoon eine Designervilla neben der nächsten. Walvis Bay ist eine wohlhabende Stadt. Dazu trägt neben dem Bergbau auch der immer weiter ausgebaute Hafen bei. Wir machen einen Tankstopp und fahren auf der von Palmen flankierten B2 aus der Stadt hinaus entlang der Küste nach Norden.
Gleich außerhalb der Stadt befinden sich vor der Küste die hölzernen Guanoplattformen, auf der hunderte von Seevögeln, vor allem Kormorane und Rosapelikane nisten und tonnenweise Guano produzieren, der kommerziell verwertet wird. Wenn man das Auto verlässt, riecht man die Plattformen sprichwörtlich 100 Meter gegen den Wind. Dafür kann man wunderbar die großen Pelikane mit dem Fernglas beobachten.
Die B2 führt direkt am Meer entlang nach Swakopmund. Sie ist berüchtigt für ihre vielen Unfälle, vor allem nachts, wenn alkoholisierte Fahrer versuchen, einen neuen Rekord für die Strecke Walvis Bay–Swakopmund aufzustellen. Durch unseren Halt bei den Pelikanen ist unser Rekordversuch sowieso dahin. Also halten wir kurz vor Swakopmund noch einmal am Strand und werfen einen Blick auf den Atlantik. Etwas weiter den Strand entlang gehen zwei junge Frauen laut kreischend ins Wasser. Das ist mutig – der Atlantik hat hier nie mehr als 16 °C. Der Benguelastrom bringt kaltes Wasser direkt aus der Antarktis. Außerdem herrscht gerade ein ordentlicher Sog vom Strand aufs Meer hinaus.
Wir fahren über den Swakop nach Swakopmund hinein und machen eine kurze Stadtrundfahrt. Wir kommen am alten Amtsgericht von 1906 vorbei und dem alten Leuchtturm von 1902 mit seiner klassischen rot-weißen Bänderung. Die Stadt ist sehr klein. Die Wege sind wirklich minimal. Anders als erwartet präsentiert sich Swakopmund bei schönstem Wetter. Nach unserer Erfahrung in Lüderitz hatten wir hier erst recht mit dem typischen Swakopmunder Nebel gerechnet. Aber das Wetter scheint dieses Jahr wirklich speziell zu sein.
In kaum einer anderen Stadt in Namibia ist so viel vom deutschen Einfluss auch heute noch zu spüren. An jeder Ecke findet man Zeugnisse der Kolonialvergangenheit wie alte Gebäude, Geschäfte mit der Aufschrift „Bäckerei“, „Buchhandlung“ oder „Apotheke“ und auch den höchsten Anteil deutschsprachiger Einwohner im ganzen Land. Noch rund 10 % sind deutscher Abstammung.
Wir fahren in den Norden der Stadt zum Beach Lodge Hotel. Es liegt direkt am Strand und erinnert in seiner Form an ein Schiff. Wider Erwarten ist innerhalb des bewachten, engen Innenbereichs noch Platz für unseren doch recht sperrigen Geländewagen. Wir werden sehr freundlich empfangen und zu unserem Zimmer mit Meerblick geführt. Und was für ein Blick das ist! Es hat zum Balkon in Richtung Meer hin bodentiefe Bullaugenfenster, die einen tollen Ausblick auf die untergehende Sonne bieten und auch von unserer Badewanne aus im großen Badezimmer können wir auf das Meer blicken. Im Hotel erfahren wir, dass der von uns für den nächsten Tag geplante Rundflug vielleicht doch keine so gute Idee ist. Die Reiseveranstalter und Hotels in der Stadt buchen bei dem von uns ausgewählten Anbieter kaum mehr, weil die letzten Abstürze allein auf dessen Konto gehen. Das ist uns dann doch ein wenig zu heiß und wir sagen unsere Reservierung für den kommenden Tag ab. Ohnehin war es noch unklar, ob wir überhaupt hätten fliegen wollen, weil außer uns noch niemand zugesagt hatte. Die Kosten für den Rundflug berechnen sich nicht pro Person sondern pro Flug. Wenn die Cessna mit den maximalen fünf Personen gefüllt ist, teilen sich diese den Betrag. Zu zweit hätten wir die Gesamtkosten für den Flug allein tragen müssen, wozu wir in Anbetracht von über 1000 € für 2½ Stunden nicht bereit waren. An der Rezeption schildern wir unser Problem und dort bemüht man sich um einen Ersatzflug für uns. Aber auch bei den anderen Anbietern in der Stadt scheint sich niemand außer uns für einen Flug über die Namibwüste, Sossusvlei und die Atlantikküste mit seinen Schiffswracks zu interessieren. Es ist eben doch noch Nebensaison in Namibia. Das merkt man auch daran, dass sich nur wenig Touristen in die Stadt verirren. Vielleicht sieht die Situation morgen besser aus. Bis 13 Uhr sollte sich jemand finden, denn gegen 14 Uhr bricht man zum Flugplatz auf.
Die Hotelrezeption reserviert uns einen Tisch im Lighthouse Restaurant und nachdem wir einem fantastischen Sonnenuntergang auf unserem Balkon zugeschaut haben, fahren wir in die Stadt zurück. Wir hatten damit gerechnet, im alten Leuchtturm essen zu gehen. Dort befindet sich ein italienisches Restaurant, was für uns in Ordnung gewesen wäre. Wir sind jetzt aber auf das Lighthouse Restaurant gebucht, das sich unterhalb des richtigen Turms direkt am Strand befindet und einen sehr guten Ruf hat. Das Essen dort ist gut, nur unsere Tischnachbarn sind von ausgesuchter Unverschämtheit. Es handelt sich um ein älteres, weißes Ehepaar in Motorradkluft und das Mobiltelefon der Frau empfängt geschätzt alle zwei Minuten eine SMS mit dem Tonsignal auf voller Lautstärke. Unsere Bitte, das Telefon auf lautlos oder zumindest leiser zu stellen, wird schlicht ignoriert. Meine Frage, ob ihnen Höflichkeit und Rücksicht etwas sagen, wird bejaht, aber nicht weiter umgesetzt. Schade, so bleibt dieser Abend in etwas fader Erinnerung. Da ich mir recht sicher bin, von ihnen Afrikaans gehört zu haben, nehme ich zugunsten der Swakopmunder an, dass es keine Einheimischen, sondern Südafrikaner sind. Die Portionen in diesem Restaurant sind so groß, dass es anscheinend üblich ist, sich ein Doggy Bag machen zu lassen. Jedenfalls lassen sich viele Gäste an den übrigen Tischen das Essen einpacken und so tun wir es ihnen gleich.


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Montag, 20. Juni: Rundweg statt Rundflug. Wir gehen wieder in die Stadt und machen diesmal unsere Besichtigung zu Fuß und nicht vom Auto aus. Das lassen wir wieder am bewachten Parkplatz am Fuße des Leuchtturms stehen. Kaum haben wir uns zwei Meter vom Wagen entfernt kommt wie am Vortag ein Bettler und möchte Geld. Als wir uns stur stellen, bittet er um etwas zu essen. Wir hatten als Proviant für heute unsere Doggy Bags von gestern mitgenommen. Also geben wir sie ihm und er zieht glücklich davon. Eigentlich hatten wir schon gestern Abend, als wir aus dem Restaurant kamen, mit ihm gerechnet. Das war einer der Hauptgründe, das Essen überhaupt einpacken zu lassen. Da wir nicht die einzigen waren, die ihre Reste mitgenommen haben – im Prinzip haben das so gut wie alle getan – muss sich das doch schon rumgesprochen haben. Komisch, dass er erst heute Morgen auf uns zukam. Vom Parkplatz laufen wir über den Holzmarkt beim State House und danach an den vielen historischen Gebäuden in der Daniel Tjongarero Avenue vorbei. Darunter das alte Hansa Hotel, das Franziskaner-Krankenhaus, das kaiserliche Bezirksgericht, die alte deutsche Schule und die Evangelisch-Lutherische Kirche. Nicht weit davon in der Lazarett Street befinden sich die alte Kaserne, in der heute eine Jugendherberge untergebracht ist, und das Prinzessin-Rupprecht-Heim, das ehemalige Lazarett, bei dem die Seeluft den Patienten Linderung verschaffen sollte. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch am Hohenzollernhaus mit seiner großen Atlas-Statue auf dem Dach vorbei. Früher war die Weltkugel aus Zement mit einem beachtlichen Gewicht. Da sie im Falle eines Absturzes beträchtlichen Schaden anrichten könnte, wurde sie durch ein Fiberglasmodell ersetzt. Am Strand steht noch der alte Pier. Die Version aus Holz wurde durch eine Stahl-Beton-Konstruktion ersetzt, die der Witterung besser standhält. Nur die Beplankung ist nach wie vor aus Holz. Nur einer Volksinitiative vor 20 Jahren ist es zu verdanken, dass der Steg nicht völlig sich selbst überlassen und damit dem Untergang preisgegeben wurde. Zurück beim Leuchtturm besuchen wir das Swakopmund Museum, das auf kleinstem Raum wirklich sehr viel interessantes Wissen zur Geschichte des Landes, zur Geologie, zur Flora und Fauna vermitteln und auch zeitgenössische Informationen zu den unterschiedlichen Volksgruppen des Landes bieten kann. Im Museum erreicht mich dann auch wie versprochen um kurz vor 13 Uhr der Anruf des Hotels mit der Information, dass sich keine weiteren Interessenten für den Flug gemeldet haben, wir aber gerne auch nur zu zweit fliegen können. Wir spielen noch kurz mit dem Gedanken das junge deutsche Pärchen, die auch im Museum herumlaufen, anzusprechen, ob sie nicht Lust auf einen Rundflug haben. Da wir uns dabei aber ein wenig dubios vorkommen, verwerfen wir diese Option und lehnen schweren Herzens ab.
Wir essen geknickt direkt beim Museum auf der Terrasse zu Mittag und gehen zurück in die Stadt. Auf Höhe des Piers befindet sich in der Sam Nujoma Street das Woermann-Haus mit einigen Kunstgalerien in der unmittelbaren Nachbarschaft. Hier ist auch das Büro für die Anmeldung zur Living Desert Tour mit Tommy, die uns mehr als einmal unterwegs schon sehr empfohlen wurde. Leider sind wir, wie erwartet, viel zu spät dran und die nächste Tour ist erst am nächsten Morgen um 8 Uhr. Da wir morgen aber schon zeitig nach Norden aufbrechen wollen, kommt das nicht mehr in Frage. Wir fahren noch mit dem Auto zu den angeblich sehenswerten Friedhöfen der Stadt. Der alte deutsche und der direkt daneben liegende afrikanische Friedhof sind aber wirklich nichts Besonderes.
Wir fahren zurück zum Hotel und verbringen den Rest des Nachmittags mit Bummeln am Strand, mit dem Sortieren der Wäsche, die das Hotel uns gewaschen hat, Aufladen der Akkus und dem Sichern der Speicherkarten auf dem Netbook. Abends haben wir uns einen Tisch im „The Wreck“, dem Edelrestaurant unseres Hotels, direkt über unserem Zimmer reserviert. Das Essen ist hervorragend, nur der Service ist etwas überfordert, da eine größere Firmenabteilung neben uns feiert und das Personal in Atem hält. Von der Feier haben wir später zurück im Zimmer nichts mitbekommen. Das Gebäude scheint also gut schallisoliert zu sein.


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Dienstag, 21. Juni: Messum und Brandberg: Offroad vom Feinsten. Heute machen wir uns sehr früh auf den Weg. Wir haben eine lange Fahretappe im Gelände vor uns. Gleich um 6:30 Uhr frühstücken wir im Hotel und noch vor 7 Uhr fahren wir die C34 entlang der Küste nach Norden. Die Landschaft erinnert sehr an die Ödnis auf dem Weg nach Walvis Bay. Wirklich nicht sehr einladend. Nur ganz selten begegnet uns ein anderes Fahrzeug. 15 km vor Henties Bay liegt die „Zeila of Hangana“ gestrandet an der Küste. Sie lief hier am 25. August 2008 auf Grund. Kaum sind wir einer Reifenspur im Sand folgend vom Pad hinunter auf den Strand gefahren, um das Wrack näher zu betrachten, kommen schon drei Einheimische und wollen uns etwas verkaufen. Sie warten höflich, bis ich ein paar Fotos geschossen habe, dann geht es los. Mineralien haben sie, das sei ihr einziges Einkommen. Hin- und hergerissen zwischen Zweifeln an der Echtheit der Steine beziehungsweise für den Fall der Echtheit an der Rechtmäßigkeit, diese der Natur zu entnehmen, und der Aussichtslosigkeit dieses Geschäftsmodels in Anbetracht der nicht vorhandenen Besucherströme siegt die Einsicht, dass wir in dieser gottverlassenen Gegend jetzt einfach als Einkommensquelle herhalten müssen. Wir feilschen hart und schenken keinen Dollar her, wir wollen keine Almosen verteilen, und haben am Ende vier verschiedenfarbige Mineralien und die obligatorische Makalani-Nuss mit Namen zu einem Preis, der wahrscheinlich immer noch deutlich zu hoch ist.
In Henties Bay tanken wir den Wagen voll und fahren zum Tourist Office. Zu Hause bei der Planung der Route hatte ich mich für die Offroad-Messum-Querung entschieden und ich möchte jetzt vor Ort einfach abklären, ob die Bedingungen nach dem regenreichen Herbst noch gut sind. Wir treffen fast zeitgleich mit Estelle ein, die gerade das Büro aufschließt. „Die Bedingungen sind nie gut“, sagt sie als Antwort auf meine Frage. Das Flussbett ist aber trocken und außerdem aus Kies, also nicht zu vergleichen mit schwer zu befahrendem Tiefsand. Mit GPS sei die Route auch nicht schwer zu finden. Wohin wir denn danach wollten. „Zur Whitelady Lodge? Na dann fahrt doch die nördliche Brandberg-Route und durch den Ugab-Fluss.“ Da hätten sie letztes Mal Wüstenelefanten gesehen. Allerdings sei in diesem Flussbett Tiefsand – „10 km heavy driving“. Interessant, ich hatte eher damit gerechnet, dass sie mich schon davor warnt, alleine in den Messum Crater zu fahren – so wie es die Broschüre des Tourist Office Henties Bay tut – und jetzt schickt sie uns sogar alleine noch tiefer in die Wildnis. Wir beschließen spontan zu entscheiden, je nachdem wie gut der Messum Crater klappt und wie spät am Tag es danach ist. Zu unserer im Swakopmunder Buchladen gekauften Messum-Broschüre kaufen wir noch eine laminierte Brandberg-4x4-Routenbeschreibung mit GPS-Koordinaten.
Kurz hinter Henties Bay verhält sich das Wetter endlich erwartungsgemäß: Nebel zieht auf und macht das steinharte Salzpad zu einer schmierigen Piste. Dafür freuen sich die Flechten auf der umliegenden Mondlandschaft über die hohe Luftfeuchtigkeit und danken es mit satten Farben. Die Flechtenfelder sind etwas ganz besonderes. Sie brauchen Jahre wenn nicht Jahrzehnte um zu solcher Größe anzuwachsen und nur bei hoher Luftfeuchtigkeit „blühen“ sie auf. Rund 50 km auf der C34 nördlich von Henties Bay zweigt eine kleine Straße 4 km nach Westen in Richtung Küste zu Cape Cross ab. Hier befindet sich eine der größten Kolonien südafrikanischer Seebären im südlichen Afrika. Bis zu 250.000 Tieren leben auf einer kleinen Landspitze. Wir zahlen eine kleine Gebühr am Eintrittshäuschen bei einem älteren Parkranger und fahren auf einer Schlammpiste im dichten Nebel an die Küste. Als wir am Parkplatz halten, sehen wir schon einen Schakal zwischen den Tieren herumlungern. Als wir aussteigen, haut es uns fast um – der Gestank ist im ersten Moment unerträglich. Eine Mischung aus Exkrementen und Verwesung. Wir gehen auf den Holzstegen durch die Kolonie und sehen, auch begünstigt durch den Nebel, kein Ende der Tierkolonie. Robben so weit das Auge reicht. Um den Bestand zu regulieren, greift die Naturschutzbehörde ein und keult täglich eine festgelegte Quote. Auch Schabrackenschakale und Hyänen ernähren sich vor allem von den Robbenjungen. Trotzdem ist der Bestand seit Jahren stabil.
Der Gestank hängt auch noch im Auto, als wir zurück zur C34 fahren und dieser weiter nach Norden folgen. Nach 31 km folgen wir dem Abzweig der D2303 nach Nordosten weg von der Küste. Und wenige Kilometer später hört die Wolkendecke wie an der Schnur gezogen auf. 15 km nach dem Abzweig der D2303 kommt das Messum Rivier und wir verlassen die Straße um off-road nach Osten weiterzufahren. Das Messum-Flussbett ist an dieser Stelle sehr breit, sodass man kaum merkt, in einem Flussbett zu fahren. Weiter nach Osten hin wird es schmaler und man fährt am Boden mit mehr als 5 Meter hohen Uferböschungen zu beiden Seiten.
Als Grundregel für das Fahren abseits der befestigten Straßen gilt für uns, und so sollte es allgemein gehandhabt werden, keine neuen Spuren zu eröffnen, sondern nur bereits ausgefahrenen Wegen zu folgen. Andernfalls nimmt die Natur viel zu viel Schaden. Gerade die hier überall wachsenden Flechten können gar nicht so schnell regenerieren, wie rücksichtslose Off-Road-Fahrer sie zerstören. Durch das extrem langsame Wachstum schließen sich neue Fahrspuren auch nach Jahrzehnten nicht wieder.
Wir folgen dem Weg durch den Kies des Flussbetts und kommen nach 9 km an spektakulären steilen Böschungen zum Teil mit überstehenden Kiesfelsnadeln am südlichen Flussufer vorbei. Gleich gegenüber am nördlichen Ufer führt ein steiler Weg die Uferböschung hinauf zu einem Aussichtspunkt. Von hier erkennt man, wie sich der Messum in die Landschaft hineingegraben hat. Zurück im Fluss stoßen wir auf ein großes Feld mit Tsamma-Melonen, denen die Trockenheit herzlich wenig ausmacht. Rund weitere 2 km später fahren wir in die Messum Terrace und stoßen auf den Main Track, der 5 km südlich des Messum von der D 2303 abgeht. Wir verlassen den Hauptarm des Flusses, der nach Nordosten abbiegt, folgen einem Seitenarm direkt nach Osten und treffen nach einem Kilometer auf die erste Welwitschia mirabilis. Von hier ab bis zum Kraterrand säumen unzählige dieser hier endemischen Pflanze unseren Weg. Sie zählen zu den Nacktsamern und sind zweihäusig getrenntgeschlechtig mit weiblichen und männlichen Pflanzen. Ihren minimalen Wasserbedarf deckt eine Pflanze nur aus dem Tau des Morgennebels der Küste. Es wird vermutet, dass das Wasser an den dicken wachsüberzogenen Blättern kondensiert und zu Boden tropft, wo es von einem extrem feinen Netz direkt unter der Erdoberfläche liegender Wurzeln aufgenommen wird. Diese Wurzeln erstrecken sich in einem Umkreis von bis zu 15 Metern um die Pflanze herum. Aus diesem Grund sollte immer ein ausreichender Abstand zu den Pflanzen gehalten werden, um die im Boden liegenden sehr empfindlichen Wurzeln nicht zu zertreten. Die Pflanzen haben, obwohl es ganz anders aussieht, nur zwei Blätter und werden geschätzt über 1000 Jahre alt.
Weitere 9 km später um 12 Uhr erreichen wir beinahe unbemerkt den Rand der Caldera. Durch seine großen Abmessungen von über 20 km Durchmesser und die starke Erosion ist der Vulkan kaum mehr als solcher erkennbar. Seine aktive Zeit ist 133 Millionen Jahre her. Wir folgen dem Main Track zur Mitte des Kraters wo sich noch die Überreste vermutlich eines Lavadoms befinden. Von oben hat man einen tollen Rundblick auf den gesamten Krater. Am Nordhang der zentralen Erhebung unter einem großen Felsüberhang sollen sich Felszeichnungen befinden, die wir leider auch nach langer Suche nicht finden können. Einzig die Bakkrans, ringförmige Überreste einer alten Damara-Siedlung sind leicht erkennbar.
Wir fahren nordöstlich auf dem Main Track aus dem Krater heraus und stoßen wieder auf das Messum-Flussbett. Diesem folgen wir 2,5 km und fahren dann weiter entlang des Main Tracks nach Südosten. Nach etwa 7 km biegen wir östlich vom Main Track ab, der einen leichten Umweg nach Süden macht, und halten weiter nach Osten auf den Brandberg zu. Weitere 18 km später erreichen wir um 14 Uhr die D2342. Jetzt müssen wir uns entscheiden: Fahren wir nach Südosten zur C35 und auf dieser über Uis zur Brandberg Lodge oder folgen wir der Empfehlung von Estelle aus Henties Bay und nehmen die Off-Road-Strecke nördlich um den Brandberg herum? Da wir noch vier Stunden Tageslicht haben, und der Messum Crater wirklich einfach zu fahren war, entscheiden wir uns für die Off-Road-Variante.
Wir folgen der D2342 nach Norden und verlassen die Straße nach 16 km in nordöstlicher Richtung. Nach knapp 9 km queren wir den Numas-Fluss, nach weiteren 7 km den Kleinen Numas-Fluss. Die Landschaft ist unbeschreiblich schön. Unser Weg schlängelt sich durch kniehohes gelbes Gras mit grünen Büschen und vereinzelten Bäumen dazwischen. Ein Strauß rennt vor uns über den Weg. Der Brandberg überragt wenige hundert Meter im Südosten mit seiner roten Färbung die Kulisse. Immer wieder tauchen Welwitschias zwischen dem Gras auf. Hinter dem Kleinen Numas-Fluss taucht die Landschaft langsam und wellenförmig zum Ugab-Fluss hinab. Wir schlängeln uns zwischen grasüberzogenen Hügeln und deren Ausläufern durch die Landschaft. Nach rund 9 km erreichen wir das Ugab-Flussbett und sofort wird die Vegetation saftig grün und von hochgewachsenen Bäume dominiert – Elefantenrevier. War der Weg bis hierhin ein ordentlicher, wenn auch mit vielen losen Steinen übersäter Feldweg, so wird es jetzt schwieriger: Das Ugab-Flussbett besteht komplett aus tiefem Sand. Also, den Allradantrieb zugeschaltet und los geht’s. Der Wagen frisst sich mit merklicher Anstrengung durch das Flussbett. Der Motor dröhnt und der Verbrauch liegt wieder über 60 l/100km. Wir halten fleißig am Ufer nach Elefanten Ausschau. Nach 2 km leuchtet sie Getriebetemperaturleuchte auf – Mist! Also Motor aus, Motorhaube auf und abkühlen lassen. Draußen sind es 38 °C und theoretisch können jederzeit Elefanten auftauchen. Nach einer Pause von 5 Minuten fahren wir weiter, aber die Leuchte geht bald wieder an. So geht das nicht. Wir suchen einen Weg aus dem Flussbett – ohne Erfolg. Da fällt mir auf, dass ich noch in der normalen Übersetzung fahre. Wie peinlich, bei solchen Bedingungen sollte man vielleicht die Untersetzung verwenden. Kein Wunder, dass das Getriebe überhitzt. So kann man sich durch Unachtsamkeit auch mit einem zuverlässigen Auto in Schwierigkeiten bringen. Hier mit einer Panne liegenzubleiben ist wirklich keine gute Idee. Wenn ein bis zwei Fahrzeuge täglich vorbeikommen, wäre das viel. Wahrscheinlicher ist, dass mehrere Tage niemand hier unterwegs ist. Handyempfang ist nicht vorhanden. Also den Low-Modus eingelegt und die nächsten 12 km wühlt sich der Toyota zuverlässig und ohne weiteres Murren durch den Sand. Im Prinzip kann man dem Fluss noch weitere 15 km bis zur Brandberg White Lady Lodge folgen. Wir entscheiden uns für die materialschonende Variante und folgen dem Main Track nördlich des Flusses auf festem Untergrund. Um 16:30 Uhr erreichen wir die Lodge nach einem wirklich ereignisreichen und landschaftlich herausragenden Tag. An der Rezeption erfahren wir, dass die Elefanten zurzeit nicht im Flussbett sind, weil sie nach der langen Regenzeit im Herbst überall genug Wasser finden. Wir melden uns auf dem Campground an, suchen uns einen schönen Platz und schlagen schließlich unser Dachzelt unter einem riesigen Baum auf. Nach so einem Tag müssen wir erst einmal verschnaufen und in aller Ruhe einen Sundowner genießen. Zum Abendessen laufen wir im Stockdunklen einige hundert Meter zur Lodge, was sich aber für das gute Essen lohnt. Wir lassen die Lampe auf der Gasflasche hinten am Auto brennen und finden so im Dunkeln gut unseren Platz wieder. Andere Camper haben weniger Glück und irren mehr als eine halbe Stunde immer wieder mit Taschenlampe über die Wege in der Nähe unseres Platzes und suchen ihr Zelt oder ihr Chalet. Gerade als wir uns und unser GPS zur Hilfe anbieten wollen, können wir sie in der Dunkelheit nicht mehr sehen. Wir hoffen, sie haben sich dann doch noch zurechtgefunden.





Mittwoch, 22. Juni: Alte Kunst und junge Fahrgäste. Warum der Brandberg seinen Namen hat, sehen wir heute Morgen. Bei Sonnenaufgang leuchtet sein rotes Gestein so intensiv, als würde der Berg brennen. Gegen 8 Uhr verlassen wir die Lodge und fahren auf der D2359 von Osten her in das Brandbergmassiv hinein. Unterwegs nehmen wir ein paar einheimische Trittbrettfahrer mit, die, wie wir später sehen, hier als Guide arbeiten. Die Straße endet nach 6,5 km an einem Parkplatz am Beginn des Fußwegs zur Felsenmalerei der White Lady. Wir bezahlen für einen obligatorischen Guide und machen uns mit ihm auf den Weg zur White Lady. Durch unvorsichtige/rücksichtslose Touristen wurden viele Felszeichnungen beschädigt. Das Brandberg Community Tourist Project sorgt jetzt dafür, dass nur noch unter Aufsicht Besucher hierher kommen. Der Weg führt über kleine Bäche immer entlang eines grünen Tals. Nach knapp 3 km erreichen wir den Felsüberhang mit den berühmten Felszeichnungen. Die „Lady“ ist nach heutiger Einschätzung ein Krieger oder Schamane. Um ihn herum befinden sich noch weitere Menschendarstellungen sowie viele Tiere wie Zebras, Springböcke und Oryxe. Unser Guide fragt, ob wir gegen einen kleine Aufpreis, natürlich an ihn direkt zu entrichten, noch weitere Zeichnungen sehen möchten. Also gehen wir noch weitere 500 m das Tal hinauf und bekommen die Ostrich Cave, eine Stelle mit Giraffen sowie der Darstellung einer Wasserquelle, eine Wohnhöhle und eine große Wand voller Zeichnungen zu sehen. Leider muss hier kürzlich jemand unbeaufsichtigt sein Unwesen getrieben haben. Einige Zeichnungen sind frisch zerkratzt. Unvorstellbar, was in solchen Menschen vorgehen mag. Das Wollgras zwischen den Felsen sieht wunderschön aus, befindet sich aber über kurz oder lang überall an den Füßen und Beinen und sticht durch meine leichten Keen Sandalen mit Neoprenbezug. Richtig geschlossene Schuhe wären hier angenehmer gewesen. Auf dem Rückweg sehen wir Geckos und Agamen an den Felsen und Kaulquappen in den kleine Wasserpfützen neben dem Weg.
Wir bedanken uns bei unserem Guide und zahlen ihn aus. Natürlich kommt man auf so einer Wanderung ins Gespräch und, wohl strategisch motiviert, will er wissen, was unser nächstes Ziel ist. Als er Palmwag hört, fragt er, ob wir eine junge Frau aus seiner Gruppe mitnehmen könnten. Sie wohnt dort in einem Dorf ganz in der Nähe. Das öffentliche Verkehrsnetz in Namibia ist kaum existent und so haben die Menschen kaum eine andere Chance, größere Strecken zurückzulegen. Wir geben zu bedenken, dass wir aber noch in Twyfelfontein Halt machen, was sie natürlich nicht davon abhält mitfahren zu wollen. Also räumen wir unsere Rückbank etwas frei und laden ihre Tasche hinten ein. Einer der Trittbrettfahrer von heute Morgen gibt uns noch mit, vorsichtig zu fahren, da sie seine Freundin sei.
Um etwa 11 Uhr fahren wir mit unserem neuen Gast zurück auf der D2359 nach Osten zur C35 und auf dieser nach Norden. Nach 57 km biegen wir auf die D2612 nach Westen ab und folgen dieser 62 km bis zur Abzweigung der Piste nach Süden in Richtung Twyfelfontein. Nach 9 km erreichen wir um 13 Uhr den Parkplatz. Unser Gast war noch nie hier und so laden wir sie ein, uns zu begleiten. Wir bieten an, ihren Eintritt zu bezahlen, aber sie darf kostenlos mitkommen. Wir bekommen wieder eine Führerin und machen uns mit ihr auf den Rundweg zu den Felsgravuren. Anders als am Brandberg wurde hier nicht auf den Fels gemalt, sondern in den Fels geritzt. Die Symbole ähneln einander, wieder werden vor allem Tiere dargestellt, aber hier sieht man fast keine Menschen abgebildet. Etwa eine Stunde in der gleißenden Sonne später haben wir den 2 km langen Rundweg mit den wichtigsten Gravuren absolviert. Man schätzt den Entstehungszeitpunkt auf eine Periode von 300 v. Chr. bis um 1800 n. Chr. Vermutlich wurden Jagdszenen dargestellt. Die Abbildung einer Robbe legt nahe, dass die Jäger bis zum rund 100 km entfernten Atlantik vordrangen.
Wir machen uns auf den Weg zurück in Richtung D2612 und biegen aber zuvor noch nach Süden zu den Organpipes ab. Am Rande eines kleinen Flussbetts findet man hier eine Ansammlung langer Doloritsäulen vulkanischen Ursprungs mit rechteckigem Querschnitt, die wie die Pfeifen einer Orgel dicht beieinander stehen. Sie sind ganz hübsch anzusehen, aber ohne die Felsgravuren, nur für die Orgelpfeifen, würde sich der Weg hierher nicht lohnen.
Wir fahren zur D2612 und auf dieser weiter nach Nordwesten zur C39. Die kleine D-Straße war in einem deutlich besseren Zustand als jetzt die größere C-Straße. Als wir in das Gebiet des Huab-Flusses kommen, ist die Straße mehrmals komplett weggeschwemmt und wir fahren immer wieder über Stock und Stein durch ein Trümmerfeld. Mit einem normalen PKW schwerlich vorzustellen. Unterdessen telefoniert unser Fahrgast fleißig mit dem Handy und empfängt SMS. Dann, kurz bevor wir die C43 erreichen, fragt sie, ob wir ihre Schwester auch noch mitnehmen könnten. Sie sei in einem kleinen Krankenhaus in Bergsig gewesen und wir könnten sie von dort mitnehmen. Also halten wir, mittlerweile auf der C43, in Bergsig an, schieben die Sachen auf der Rückbank noch ein wenig mehr zusammen und laden ihre Schwester samt deren kleiner Tochter ein. 38 km später kommen wir bei dem kleinen Dorf an der Kreuzung der C43 mit der M128 nach Palmwag an. Die Mutter der zwei freut sich natürlich sie wiederzusehen und bedankt sich sehr. Die ältere Schwester bittet uns, sie noch bis zum Shop am Eingang der Palmwag Concession mitzunehmen. Dort angekommen möchte sie, dass ich ihr eine 10-N$-Telefonkarte kaufe. Der Betrag ist lächerlich uns entspricht rund 1 €. Ich muss aber sagen, es stört mich doch sehr und ich empfinde es als ein Ausnutzen meiner bisherigen Hilfsbereitschaft. Ich kaufe ihr die Karte trotzdem und wir fahren weiter zum Eingang des Konzessionsgebiets.
Hier befindet sich ein Veterinärkontrollposten. Wir dürfen auf dem Rückweg an dieser Stelle kein frisches Fleisch mitbringen. Bei der Palmwag Lodge fahren wir zum Campground und beziehen einen tollen Platz unter Palmen. Alle Sites sind durch Hecken komplett voneinander abgetrennt und dadurch sehr ruhig und privat. Es gibt eine eigene Spülbeckenzeile und einen Grillplatz mit Picknicktischen. Allerdings haben wir für diesen Abend ein Essen in der Lodge vorbestellt, das sich als sehr gut herausstellt.





Donnerstag, 23. Juni: Wüstenelefanten, Aussteiger und eine ganz ungewöhnliche Sichtung. Für heute haben wir die Damaraland Wildlife Excursion gebucht. Dafür heißt es wieder früh aufstehen. Um 6 Uhr treffen wir Mervin vor dem Eingang zur Lodge. Mit ihm werden wir den Tag im Konzessionsgebiet von Palmwag verbringen. Ein riesiger Teil Namibias ist in privates Farmland aufgeteilt. Aber vor allem im westlichen Teil gibt es auch einige staatlichen Gebiete, vor allem Naturparks und Schutzgebiete. Diese wiederum werden zum Teil über Konzessionen an private Verwalter für einen festgelegten Zeitraum zur kontrollierten touristischen Nutzung übergeben. Das Gebiet von Palmwag ist 4500 km² groß und erstreckt sich vom Uniab River im Süden bis zum Aub Canyon im Norden beiderseits der M128.
Es ist noch ordentlich kalt, maximal 10 °C, da wird es auf dem offenen Jeep schon frisch. Mervin hat aber außer Verpflegung auch Decken mitgebracht. Er ist auch noch recht müde um diese Uhrzeit. Wir fahren erst ein Stück die M128 entlang bis zum Eingangstor der Palmwag Day Visitors Area. Unterwegs sehen wir schon den ersten frischen Elefantendung und Mervins Jagdinstinkt erwacht. Wir machen einen ersten Ausflug in den Busch, ohne jedoch Elefanten zu finden. Am Eingangstor erzählt der Parkwächter, dass vor etwa 15 Minuten Löwen in der Nähe waren. Wieder machen wir uns auf in den Busch, fahren über Stock und Stein ohne die Tiere zu finden. Dafür sieht Mervin in der Ferne einen Elefanten und wir fahren zurück zur M128, um ein Stück an ihnen vorbei zu fahren und ihnen dann im Busch entgegenzukommen. Bislang haben wir zwar schon Kudus, Hammerköpfe, wunderschöne Bergzebras, Springböcke, Giraffen, einen großen und wunderschönen Kampfadler und Orxye gesehen, aber noch nicht die wirklich seltenen Wüstenelefanten. Mervin hat der Ehrgeiz gepackt und er verspricht uns, die Elefanten zu finden. Und wirklich, es ist schon 10 Uhr, da sehen wir die Herde von bestimmt 10 Tieren. Sie ziehen langsam aber stetig den Kawakab River hinauf und legen dabei ein ordentliches Durchschnittstempo vor. Heute früh hatten wir sie und ihre frischen Spuren deutlich weiter südlich gesehen. Wüstenelefanten sind etwas kleiner als ihre nahen Verwandten in Etosha, dafür aber etwas angriffslustiger. In der trockenen Umgebung überleben sie, indem sie in trockenen Rivieren nach Wasser graben. Ihre Fußsohlen sind leicht verbreitert, was ihnen das Laufen in sandiger Umgebung erleichtert. Außerdem ist ihr Metabolismus auf die geringere Wasserzufuhr angepasst. Der Herde mit zwei herumalbernden Jungtieren folgt mit etwas Abstand ein einzelner Bulle. Ein Männchen lebt nicht im Herdenverband, folgt ihm aber stetig und stößt nur zur Paarung kurz dazu. Die Jungtiere setzten sich in eine der vielen großen Euphorbien, die dabei völlig zermalmt wird. Der giftige Saft der Pflanze schützt sie vor Ungeziefer. Von unserem Aussichtspunkt oberhalb des Flusses dauert es nur rund 20 Minuten bis die Tiere schon wieder außer Sichtweite gewandert sind. Wir fahren zurück zum Konzessionsgebiet und setzten unsere Pirschfahrt fort. Jetzt suchen wir die Löwen und versuchen anhand des Verhaltens der Zebras und Springböcke zu erkennen, ob sich außer uns noch weitere potenzielle Gefahren im Gelände befinden – ohne Erfolg. Wir fahren an den westlichen Rand des Konzessionsgebiets zum Aub River. Hier sind wir im Spitzmaulnashorn-Terrain. Es soll mehrere Hundert Tiere hier geben, Mervin gibt aber zu, selbst in zwei Jahren noch keines gesehen zu haben. Wir machen um 12:30 Uhr Rast unter einem großen Baum am Ufer des Flusses. Kurze Zeit später triff der Brite samt Frau in seinem mit Flammen bemalten Land Rover ein, den wir schon eine halbe Stunde zuvor unterwegs getroffen hatten. Er stellt sich als Guru und Aussteiger vor, der vor Jahren aus Wales nach Südafrika ausgewandert ist und jetzt von Beruf Lebenskünstler ist. Insgesamt eine Persönlichkeit, die sich nach 10 Minuten Gespräch leider als viel weniger interessant entpuppt als zuerst gedacht. Wir fahren nach einem ausgezeichneten Picknick weiter in den nördlichen Teil, ohne allerdings in Bezug auf Tiere sehr erfolgreich zu sein. Landschaftlich ist das Gebiet aber auch ohne Tiere sensationell. Als wir gerade schon den Glauben an Löwen und Nashörner aufgegeben haben, sichtet Mervin etwas am nahe gelegenen Berghang. Und beim Blick durch das Fernglas erkennen wir eine Tüpfelhyäne. Das ist nun wirklich eine Sensation – am helllichten Tag. Man trifft sie vielleicht mit Glück früh morgens und sieht sie im aufgehenden Tageslicht. Aber um 16 Uhr fast zur heißesten Zeit des Tages ist es im Grunde aussichtslos. Und der Hang ist geschätzte 150 bis 200 Meter von uns entfernt. Wie konnte Mervin das extrem gut getarnte Tier überhaupt mit bloßen Auge entdecken? Schon mit einem 500-mm-Tele gerät das Foto zum Suchbild. Er vermutet, dass das Tier kurz davor steht zu werfen und daher so ungewöhnlich tagaktiv ist. Es hat uns auch schon längst entdeckt und so fahren wir weiter, um es nicht unnötig zu stressen. Mervin erzählt uns von einer Begegnung mit einem Black Rhino, einem Spitzmaulnashorn, bei seinem vorherigen Arbeitgeber, einer privaten Lodge. Ein Tier kam völlig überraschend aus dem Busch und attackierte das Fahrzeug. Statt schleunigst zu verschwinden, war er wie in Trance und vom Ereignis so fasziniert, dass er stehen bleibt, bis das Tier gedreht hat und zurückkommt. Erst als es sein Horn durch die Beifahrertür schlägt und die Kühlbox durchlöchert, wird im die Gefahr bewusst und er gibt Gas. Neben einer Abmahnung durch seinen Chef und einer Strafzahlung hat ihm dies enormen Respekt vor diesen Tieren eingebracht. Wir haben den Eindruck, er ist gar nicht so traurig, dass wir keines gesichtet haben. Völlig unerwartet in dieser Landschaft erreichen wir, es ist schon 16 Uhr, den Aus Canyon. Der Fluss hat sich an dieser Stelle gute 10 Meter in das Gestein gegraben und fällt in kleineren Kaskaden in die Schlucht hinein. Eine tolle Szenerie. Weil wir nur noch eine Stunde Licht haben, machen wir uns auf den Rückweg. Nur einen Kilometer von der M128 entfernt treffen wir auf einen mit rotem Sand überzogenen, einsamen Elefantenbullen, der in der untergehenden Sonne steht und zwischen Euphorbien Gras frisst. Was für ein Abschlussbild eines spannenden Tages.
Zurück an der Lodge springt Mervin aus dem Wagen und ruft nur „Himba, Himba“ und rennt hinein. Kurze Zeit später kommt er wieder hinaus und fordert mich ganz aufgeregt auf, die Kamera mitzunehmen und die Himba zu fotografieren. Ich habe damit generell immer ein Problem, da ich den Menschen nicht den Eindruck geben möchte, dass ich sie und ihre traditionelle Lebensweise als spektakuläres Fotomotiv betrachte. Was es de facto für uns Europäer natürlich ist und gerade die Himba mit ihrer rot gefärbten Haut und den großen, athletischen Körpern und sehr schönen Gesichtern sind extrem fotogen. Als die Lodge-Angestellten, selbst schwarze Namibier, die Himba aber auch fotografieren, traue ich mich, einige Bilder zu machen. Die sieben Frauen und ein Mann sind aus dem Kaokofeld hierhergekommen, um sich Palmwag anzuschauen. Sie wurden nicht als Touristenattraktion eingekauft.
Unser Abendessen nehmen wir diesmal an der Bar des Pools zu uns. Atmosphärisch ist das sogar noch schöner als in der Lodge. Das Essen ist gut, aber natürlich nicht so gut wie am Abend zuvor.





Freitag, 24. Juni: Ein frecher Vogel und die Königin der Tiere. Wir verlassen nach einem gemütlichen Frühstück um 7:30 Uhr Palmwag und fahren zurück zur C40. Wir tanken noch innerhalb des Konzessionsgebiets und passieren dann die Veterinärkontrolle. Auf seine Frage, ob wir frisches Fleisch dabei haben, und meine Verneinung möchte der Polizist sogar noch in den Kühlschrank schauen. Da sind aber nur Landjäger drin und die ertastet er nicht als frisch. Wir dürfen weiterfahren. Die C40 führt uns nach Osten in die Grootberge immer weiter hinauf bis auf Grootberg Pass mit 1540 Metern Höhe. Von hier fahren wir mit einem beeindrucken Blick hinunter in die Ebene der Flüsse Kakatswa, Onguati und Kamanjab südlich des Etosha-Parks. Bei einer der vielen Rivierdurchfahrten stellt sich unfreiwillig die zuvor bereits verstelle Spur des Autos durch einen Schlag in die richtige Richtung wieder so ein, dass das Lenkrad wieder mittig ausgerichtet ist. Zum Teil kommen die Schlaglöcher oder Wasserrillen so schnell, dass man gar nicht rechtzeitig herunterbremsen kann. Bei der Durchquerung des Onguati Riviers müssen wir neben der völlig weggeschwemmten Straße durch den noch ordentlich tiefen Fluss fahren. Aber 94 km nach dem Grootberg Pass erreichen wir den Ort Kamanjab. Ab hier hat das Trauerspiel mit dem schlechten Pad ein Ende: Die C40 verläuft nun asphaltiert meist schnurgerade nach Südosten. 120 km/h sind kein Problem. Immer häufiger kommen wir an den für diese Gegend typischen knallroten Termitenhügeln vorbei. Nach 145 km erreichen wir kurz vor Outjo die C38, die ebenfalls asphaltiert nach Norden zum Etosha-Park führt. Weitere 87 km später kommen wir um 12:15 Uhr beim Anderson Gate des Parks an. Wir melden uns für vier Tage an und fahren die 18 km bis nach Okaukuejo. Hier müssen wir im Büro der Nationalparkverwaltung die Parkgebühr bezahlen. Etosha, der „große weiße Platz“ auf Oshivambo, ist Namibias ältester Nationalpark und mit einer Größe von 23.000 km2 etwas größer als Hessen. Er wurde 1907 gegründet, nachdem einige Arten durch rücksichtslose Jagd fast ausgerottet waren, und muss seitdem ständig die Beschneidung seiner Fläche hinnehmen, um die er mit der lokalen Bevölkerung konkurriert. Bei der Gründung war er mit 80.000 km2 der größte Nationalpark der Welt. Das Verlassen des Fahrzeugs im Park ist strengstens verboten. Nur in den Camps und an wenigen ausgewiesenen Rastplätzen ist es erlaubt.
Wir checken auf dem vorgebuchten Campingplatz ein, kaufen etwas Verpflegung und fahren um 13:30 für die Nachmittagspirsch in den Teil nördlich von Okaukuejo am östlichen Rand der Salzpfanne. Ab Okaukuejo ist die Straße wieder geschottert. Am Okondeka-Wasserloch besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, Löwen mit Beute zu sichten. Also parken wir hier und machen es uns im Auto gemütlich. Die Tiere am Wasserloch, hauptsächlich Springböcke und Zebras zeigen exakt das Verhalten, das wir bei den Tieren in Palmwag vermisst haben. Sie haben nicht uns im Blick sondern schauen unablässig nervös ins hohe Gras rechts von uns. Die Tiere führen einen inneren Kampf zwischen ihrem Verlangen nach Wasser und dem instinktiven Wahrnehmen von Gefahr durch Beutegreifer. Trotz intensiver Beobachtung des Grases sehen wir keine Löwen. Dafür macht irgendetwas hinter unserem Auto merkwürdige Geräusche. Als ich aus dem Fenster schaue, sitzt ein Schildrabe auf dem Autodach und macht sich an den Insektenleichen zu schaffen, die auf der vorderen Seite der Dachzeltabdeckung kleben. Dabei macht er ein gutturales, klackendes Geräusch und kräht. Er lässt sich dabei überhaupt nicht von mir stören. Nach einer Stunde am Wasserloch machen wir uns um 16 Uhr auf den Weg zurück nach Okaukuejo. Kaum haben wir das Wasserloch verlassen, sehen wir 200 Meter davon entfernt zwei Löwinnen im Gras. Da sich aber inzwischen nur noch Springböcke in der Nähe befinden, machen sie keine Anstalten, eine Jagd einzuleiten. Das lohnt für die kleinen Antilopen nicht. Wir beobachten sie noch eine Weile und fahren dann zurück. Das Tor zum Camp öffnet mit Sonnenaufgang und macht bei Sonnenuntergang zu. Zur Zeit ist das um 17:30 Uhr. Als wir kurz vor 17 Uhr am Tor ankommen, beschließen wir noch einen kurzen Abstecher zum Wasserloch von Nebrownii zu machen. Und auch hier sehen wir einen Löwen im Gras liegen. Allerdings liegt er flach auf der Seite und bewegt sich kaum, sodass man nur ab und zu seinen Kopf zu sehen bekommt. Um 17:20 Uhr müssen wir uns auf den Rückweg machen, um nicht vor verschlossenen Türen zu stehen und eine Strafe zu riskieren.
Den ganzen Tag brüte ich schon etwas aus und seit dem Nachmittag ist eine Erkältung voll durchgekommen. Wir bauen noch schnell das Dachzelt auf und ich beende den Tag im Delirium. So erlebe ich auch nicht, wie sich an diesem Abend pünktlich um 20 Uhr am beleuchteten Wasserloch noch ein Spitzmaulnashorn mit seinem Jungen blicken lässt.





Samstag, 25. Juni: Könige der Tiere und mit dem Auto ins Meer. In Etosha gilt es noch vor Sonnenaufgang aufzustehen, damit man pünktlich zur Öffnung der Tore in den Park kann. Die meisten Tiere sind in der Dämmerung noch aktiv und lassen sich dann ab ehesten aufspüren. Je weiter der Tag fortgeschritten ist und je wärmer es wird, desto geringer sind die Chancen Tiere zu sehen. Das gilt für allem für die Jäger wie Leoparden oder Hyänen, für die bei zu warmen Temperaturen die akute Gefahr eines Hitzschlags besteht. Deshalb gibt es pro Tag in der Regel zwei Pirschfahrten, eine morgens und eine am späteren Nachmittag, unterbrochen von einer langen Mittagspause. Leider bin ich durch meine Erkältung nicht im Stande früh aufzustehen und so lassen wir es langsam angehen. Für heute haben wir uns den westlichen Teil des Parks, die Okaukuejo-Region, vorgenommen. In diesem Teil ist die Chance Löwen zu sehen besonders hoch. Wir kommen gegen 9:30 Uhr am Wasserloch Gemsbokvlakte an und haben schon am ersten Wasserloch den heutigen Hauptgewinn gezogen: Eine große Löwenfamilie mit rund 10 Mitgliedern liegt in aller Seelenruhe um das Wasserloch herum verteilt. Ein Weibchen liegt etwas abseits direkt neben dem Parkplatz, ein junges Männchen kommt bis auf 10 Meter an unser Auto heran und lässt sich portraitieren. In der Nähe des Wasserlochs warten nur noch durstige Springböcke, die im Normalfall Löwen nicht zu fürchten brauchen. Sie sind viel zu klein und zu schnell, als dass sich der Aufwand einer Jagd lohnen würde. Natürlich dürfen sie sich aber nicht zu nahe heranwagen, da sie als leicht erbeuteter Snack für zwischendurch allemal herhalten können. Wir verbringen eine dreiviertel Stunde bei den Löwen und fahren dann den südlichen Loop weiter über Olifantsbad und Aus zurück zur C37 nach Osten. Bei Olifantsbad liegt eine eingezäunte Picknick-Area mit Toiletten. Ideal, um Mittagspause zu machen. Das Wasserloch von Aus, 7 km weiter östlich, ist durch den starken Regen des Herbstes zu einem riesigen See angewachsen mit dichtem Baumbestand am gegenüberliegenden Ufer und einem Schilfgrasgürtel. Auf dem See tummeln sich Wasservögel wie Blässhühner, ein ziemlich bizarrer Anblick in dieser sonst so trockenen Gegend. Leider kommen aber keine größeren Tiere vorbei außer den omnipräsenten Schwarznasenimpalas, Zebras oder Springböcken. Zwischen den Wasserlöchern treffen wir aber immer wieder auf Raubvögel wie den wunderschönen Gleitaar mit seinen knallroten Augen, Steppenfalken, Raubadler oder Ohrengeier. Auch die immer im Doppelpack auftretende Riesentrappe, der größte noch halbwegs flugfähige Vogel des südlichen Afrikas, trifft man öfter an. Ein besonders schöner Vögel ist die knallbunte Gabelracke, die gerne in großen Büschen am Straßenrand sitzt. Und wirklich überall trifft man auf Perlhuhnprozessionen. Als wir hinter Aus auf dem Weg zurück zur C38 sind, taucht neben der Straße ein großer Kudubulle auf. Er hat weiße Hornspitzen und ist damit ausgewachsen und in voller Pracht. Dessen ist er sich wohl auch bewusst, denn er steht selbstverliebt auf einem kleinen Hügel und posiert regelrecht. Keine 5 Minuten später treffen wir im dichten Gebüsch neben der Straße auf unseren ersten Elefanten in Etosha. Und dann galoppiert ein Oryx über die Straße. Diese schönen Tiere im vollen Lauf sind ein herrlicher Anblick. Zurück auf der C38 fahren wir nach Osten und machen einen Abstecher zum Homob-Wasserloch. Aber was große Tiere anbelangt hat der heutige Tag keine weiteren Höhepunkte mehr parat. Allerdings sehen wir auf dem Weg zum Etosha Lookout an der Hauptstraße einen der sehr seltenen Pardieskraniche. Und wie so oft quert auch heute wieder eine mittelgroße Elefantenherde die Hauptstraße und zwingt alle Autos zu einer halbstündigen Pause, da auf der Straße rumstehen und etwas an den staubigen Bäumen kauen nun auch mal sein muss. Wir lassen weitere Wasserlöcher links liegen, da wir schon im Bereich von Halali sind und heben sie uns für die nächsten Tage auf. Stattdessen fahren wir zum Etosha Lookout direkt am Rand der Etoshapfanne. Hier führt eine rund 1 km lange Stichstraße in die völlig ebene Salzpfanne hinaus – in normalen Jahren. Dieses Jahr ist die Etoshapfanne voll mit Wasser und es steht schätzungsweise bis zu einen halben Meter hoch auf dem aufgeschütteten Damm der Straße. Wir fahren zum Spaß einige Meter ins Wasser und merken schnell, wie schlammig und seifig der Untergrund wird. Man sieht nur noch die Holzpfähle, die den Weg markieren aus dem See herausschauen und der so markierte Weg zieht sich bis an den Horizont. Es ist also keine gute Idee weiter ins die salzige Brühe vorzudringen. Wir fahren auf der C38 weiter und sehen im Wasser der Salzpfanne in Ufernähe einen intensiven, rosa Streifen – vermutlich halophile Mikroorganismen. Wir machen an Springbockfontain halt, beobachten Giraffen und checken dann in Namutoni auf den dortigen Campingplatz ein. Gegen 15:30 Uhr fahren wir noch einmal hinaus zu Klein Namutoni und finden dort aber wieder nur vereinzelte Giraffen vor. Vor zwei Jahren hatten wir hier abends eine riesige Elefantenherde und eine große Gruppe Giraffen angetroffen. Auch nach Sonnenuntergang am beleuchteten Wasserloch von Namutoni ist nicht viel los. Dafür feiert eine Gruppe eine Party auf dem Campingplatz bis spät in die Nacht. Auch Proteste diverser Nachbarn können sie nicht stoppen. Das ist der Nachteil an Etosha, mit Ruhe und Einsamkeit hat der Park nichts zu tun. Das war uns schon in Okaukuejo aufgefallen und ist nach unseren Aufenthalten am Brandberg und in Palmwag schon fast ein Kulturschock.





Sonntag, 26. Juni: Kleine Riesen. Wieder ist an frühes Aufstehen nicht zu denken, die Erkältung hat mich fest im Griff. Schon das Atmen bei Nachttemperaturen um die null Grad ist kein Spaß. Die kalte Luft hat so gut wie keine Luftfeuchtigkeit und reizt enorm die angeschlagenen Atemwege. Immerhin schaffen wir es mit der Sonne gegen 7 Uhr aus den Schlafsäcken. Wir fahren in das Gebiet nördlich von Namutoni. Die Gegend im Osten des Parks ist das Gebiet der Giraffen und Hyänen. Wir halten an den Wasserlöchern Klein Okewi, Groot Okewi und Tsumcor, ohne auch nur eine Antilope oder irgendein anderes Lebewesen zu sehen. Wir möchten nicht weiter bis Stinkwater fahren und kehren um. Auch in Klein Namutoni sind keine Tiere heute Morgen. Man merkt schon, dass noch recht viel Wasser außerhalb der Wasserlöcher zu finden sein muss. Wir beobachten zwei Giraffen, die sich dem Wasser nicht nähern und uns recht unruhig erscheinen. Das macht uns neugierig und wir setzten uns in ihrer Richtung in Bewegung zum Beginn des Dik-Dik Drive. Da kommt uns ein Geländewagen entgegen mit einer riesigen Beule in der Fahrertür und am Kotflügel. Er rät uns ab, den Dik-Dik Drive zu nehmen, weil er keine 5 Minuten von hier entfernt Kontakt mit einem Spitzmaulnashorn gehabt hat. Dessen Blut klebt noch auf dem Lack. Es sei völlig unvermittelt aus dem dichten Busch neben der Straße hinausgeschossen und ihm in die Seite gerammt. Die Tiere sind bekannt dafür aggressiv zu sein und einem verletzten Tier möchten wir schon gar nicht begegnen. Wir denken gleich an Mervin und seine Geschichte. So machen wir uns auf den Weg die C38 entlang nach Westen, um die dortigen Wasserlöcher abzufahren. Beim sehr schönen Wasserloch von Aub mit seiner kleinen Grasinsel treffen wir auf eine Giraffe mit Knochen im Maul. Zuerst fragen wir uns, seit wann Giraffen auf Knochen kauen, doch dann erkennen wir, dass er sich im Maul verkantet hat. Wir erwägen schon, die Parkverwaltung zu informieren. Dann besinnen wir uns darauf, dass dies ein Nationalpark ist, in dem die Natur im Prinzip ohne Eingriff des Menschen funktioniert und entschließen uns weiter zu fahren. Wir nehmen die Straße nach Ockerfontein und kommen schon kurz nach dem Abzweig von der C38 an einer Gruppe Kuhantilopen vorbei. Diese haben wir bisher noch gar nicht gesehen. Es sind recht große Antilopen mit sehr kräftigen kurzen, gebogenen Hörnern. Auf dem Weg weiter zum Wasserloch steht immerhin mal ein einzelner Elefant mit dem Rücken zu uns im Busch. Dafür sehen wir in Okerfontein selbst keine Tiere. Insgesamt sind alle Wasserlöcher entlang der Pfanne bisher sehr enttäuschend. Auf dem kurzen Abstecher zum Batia Loch schaffe ich es, in einem wassergefüllten Matschpfuhl dem Auto den letzten Schliff für den ultimative Off-Road-Look zu verleihen. Nach der Fahrt auf dem vom Nebel matschig geworden Salzpad an der Küste und der Fahrt von Palmwag hierher durch unzählige wasserführende Riviere ist der Wagen nach dieser Aktion von oben bis unten mit Matsch bedeckt. Der heutige Matsch hat dazu noch einen recht moderigen Geruch. So muss das sein, ein Geländewagen in seinem Element.
Wir nehmen den Eland Drive, ohne welche zu entdecken, und kommen am Goas-Wasserloch heraus. Dort treffen wir auf eine Gruppe ausgewachsener männlicher Kudus mit herrlichen Hörnern und eine großen Herde Schwarznasenimpalas. Auch bei Nuamses haben wir kein Glück. Unterwegs kommen wir im Halali Camp vorbei. Wir melden uns für die nächsten beiden Nächte an und suchen uns einen Platz aus.
Da das Wasserloch bei Goas uns heute am besten gefallen hat, beschließen wir hier den Tag ausklingen zu lassen. Als wir dort ankommen, stehen bereits mehrere Fahrzeuge am hinteren Wasserloch. Dort ist eine große Elefantenherde zum Trinken gekommen. Und zwischen den großen entdecken wir ein ganz kleines Tier. Der kleine Riese ist noch braun gefärbt sowie ganz behaart und wir schätzen ihn auf ein Alter von wenigen Tagen. Er ist im morastigen Uferbereich noch ganz unsicher auf den Beinen. Da die jungen Tiere noch sehr empfindlich auf die Sonne reagieren, halten sie sich vor allem im Schatten der anderen Tiere der Herde auf. Ich kann das sehr gut daran erkennen, dass ich ihn kaum in gutem Licht vor die Linse bekomme. Bei der Herde ist auch noch ein anderes Jungtier das ohne den direkten Vergleich auch noch als Minifant durchgehen würde. Neben dem Kleinen hier wirkt er aber schon ganz erfahren. Wir verbringen eine dreiviertel Stunde am Wasserloch und machen uns dann auf den Weg zurück nach Halali. Gut, dass wir rechtzeitig losgefahren sind. Unterwegs versperrt wieder eine andere kleine Elefantenherde die Straße und wir kommen gerade pünktlich zur Schließung der Tore im Camp an.
Abends gehen wir, obwohl ich schon wieder ordentlich körperlich abbaue, noch zum beleuchteten Wasserloch von Halali. Eine gute Entscheidung, denn nach einer halben Stunde Wartezeit taucht eine Tüpfelhyäne auf, um deutlich hörbar schlabbernd zu trinken. Keine fünf Minuten später verlässt sie die Bühne auch schon wieder und wir gehen zufrieden zu unserem Zelt zurück.





Montag, 27. Juni: Flecken im Doppelpack. Heute sind die Wasserlöcher am Rande der Pfanne dran, die wir zuvor ausgelassen hatten. Wir fahren nach Westen und schauen bei den Wasserlöchern Rietfontein, Salvadora, Sueda und Homob vorbei. Außer an dem sehr schön gelegenen Homob sind aber nirgends Tiere zu sehen. Dafür stoßen wir vor Sueda auf eine riesige Zebraherde von mehreren hundert Tieren. Bei Homob stellen wir uns für eine gute Stunde an das Wasserloch uns beobachten die Tiere. Eine größere Zahl Zebras kommt ans Wasser, ein einsamer Oryx läuft vorbei, ebenso wie ein männlicher Kudu. Das hatten wir uns für die vier Tage hier fest vorgenommen. Nicht nur wie wild die Wasserlöcher abfahren, sondern auch einmal einige Zeit dort verbringen und warten, was passiert. Ich muss aber festhalten, alle spektakulären Sichtungen machten wir bereits bei der Ankunft am Wasserloch. Es kam nie vor, dass sich bei längerer Verweildauer eine ganz neue Situation ergab. Das mag anderen Besuchern natürlich anders ergangen sein. Wir machen erneut einen Bogen über Aus und Olifantsbad. Auf der Raststätte muss es gestern gebrannt haben, bei unserem vorigen Besuch am Samstag war noch alles in Ordnung. Wir fahren durch das Brandgebiet zum Rastplatz und erkennen, dass der Brand ganz eindeutig von hier ausgegangen sein muss. Wahrscheinlich haben Besucher hier allen Ernstes gegrillt. Zum Glück gibt es am Rastplatz ein Wasserreservoir, so dass der Brand schnell gelöscht werden konnte und nicht auf eine größere Fläche übergegriffen hat. Wir essen etwas und fahren weiter nach Gemsbokvlakte. Dieses Mal ist das Wasserloch überhaupt nicht besucht. Wir fahren weiter nach Ondongab, stoßen auf ein Auto am Straßenrand und sehen Sekunden später, weshalb sie gehalten haben. Um 14:25 Uhr am Nachmittag streift ein Leopard durch das Gras- und Buschland neben der Straße. Ein riesiges Tier, vermutlich ein Männchen. Ein absoluter Glücksfall und wahrscheinlich der niedrigen Temperatur von knapp über 20 °C am heutigen Tag geschuldet. Er verschwindet schnell im Dickicht und wir fahren weiter zum letztem unserer heutigen Ziele Rietfontein, um hier den Tag ausklingen zu lassen. Einige Elefanten treiben sich am Wasserloch herum. Nach einer halben Stunde bewegt sich ein Teil der Herde auf den Parkplatz zu und wir beschließen als einziges Fahrzeug, den Tieren Platz zu machen. Alle anderen Besucher in ihren Wagen freuen sich einfach, dass die Tiere näher kommen und bleiben stehen. Wir machen uns auf den Rückweg nach Halali und sehen auf der C38 wieder ein Fahrzeug stehen. Und um 16:45 Uhr machen wir heute unsere zweite Leopardensichtung. Ganz nahe an der Hauptdurchgangsstraße steift das diesmal kleinere Tier durch das Gras. Wir können es noch besser sehen als das Tier zuvor. Zwei Leoparden am helllichten Tag in freier Wildbahn, das ist wirklich mehr Glück als Verstand. Kurz vor Halali noch auf der C38 versperren uns noch einige Zebras den Weg, dann fahren wir zurück ins Camp. Der anfangs sehr ereignislose Tag mit vielen ausgestorbenen Wasserlöchern hat sich am Nachmittag zum echten Glücksfall gewandelt. So schnell kann das gehen, alles nur eine Sache des Zufalls. Und die Gegend um Halali wird ihrem Ruf als Leoparden-Territorium gerecht.
Wie am Abend zuvor essen wir im Restaurant von Halali am ordentlichen Buffet zu Abend. Weil es wie die Nächte zuvor nachts eiskalt wird – das Thermometer steigt kaum über Null – mache ich mir mit einer leeren Mineralwasserflasche und heißem Wasser aus dem Waschraum erfolgreich eine improvisierte Wärmflasche.


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Dienstag, 28. Juni: Luxus und eine Katze. Wir stehen zeitig auf und fahren auf der C38 nach Westen. Wir begegnen noch einigen Giraffen und verlassen über Okaukuejo den Park. Kurz vor dem Anderson Gate verabschieden uns noch ein paar Kuhantilopen neben der Straße. Um 9:30 Uhr überqueren wir die Parkgrenze.
Wir fahren auf der C38 weiter nach Süden und kommen nach 98 km durch Outjo und nach weiteren 70 km durch Otjiwarongo. Beides sind große Städte mit sehr guter Infrastruktur wie Tankstellen, Supermärkten und Poststellen. Hinter Otjiwarongo nehmen wir die B1 weiter nach Süden. 48 km südlich erreichen wir um 12:15 Uhr das Eingangstor von Okonjima, dem Sitz der AfriCat Foundation. Am Tor müssen wir unsere Buchungsbestätigung vorweisen und dürfen dann einfahren. Ab hier sind es noch 24 km auf einer roten Sandpiste bis zum Haupthaus der Lodge. Unterwegs passieren wir noch zweimal ein Gate mit Wachmann, die uns aber, jeweils schon über das Funkgerät informiert, bereits erwarten und uns durch das Tor einfahren lassen. Am Abzweig zum Campground rechts halten wir uns links weiter in Richtung Main Camp. Nach vier Nächten mit Husten in der eiskalten Nachtluft um den Gefrierpunkt habe ich das Campen satt und plane, beide Nächte in der Lodge zu verbringen. Um Zugang zu den Aktivitäten in Okonjima zu erlangen, mussten wir ohnehin eine Nacht in der Lodge buchen, andernfalls hätten wir darauf keinen Anspruch gehabt. Die andere Nacht wollten wir eigentlich auf dem sehr idyllisch gelegenen Campground verbringen. In Anbetracht der nicht wärmer werdenden Nachttemperaturen werfen wir diese Planung über den Haufen. Der Mitarbeiter der Lodge, der uns mit dem Quad zum Campground führen sollte, kommt uns entgegen und fragt, nachdem ich ihm mein Anliegen erklärt habe, per Funk in der Lodge nach, ob ein spontanes Upgrade möglich ist. Da noch keine Hauptsaison ist und ein Zimmer natürlich deutlich teurer ist, stellt das kein Problem dar.
Wir folgen ihm zum Hauptcamp und werden dort mit einem Glas Guavensaft begrüßt. Dann werden wir zu unserem Vista Room mit Panoramafenstern und tollem Ausblick auf die umgebende Buschlandschaft und darüber hinweg ziehenden Warzenschweinen gebracht. Da das Main Camp am nächsten Tag generalüberholt werden soll, bekommen wir für die nächste Nacht ein Upgrade für das noch luxuriösere Bush Camp einige Kilometer entfernt.
Die Aktivitäten auf Okonjima sind kostenpflichtig und wie die Zimmer nicht günstig. Allerdings kommen sie natürlich der Arbeit der AfriCat Foundation zugute. Für heute Nachmittag haben wir uns für das Leopard Viewing ausgesucht. Wir fahren mit den Guides Nigel und Mike sowie einem deutschsprachigen Ehepaar aus Swakopmund hinaus in das 4500 Hektar große Gebiet beim Main Camp. Hier leben acht Leoparden völlig frei. Nur über ein Funkhalsband können sie angepeilt und aufgespürt werden.
Die AfriCat Foundation wurde von der Hansen-Familie gegründet. Sie fingen als gewöhnliche Farmer mit Viehhaltung an und hatten größere Verluste an ihrem Tierbestand durch Raubtiere. Auch der Abschuss einzelner Tiere änderte daran nichts. Erst als sie sich mit den Lebensgewohnheiten der Raubtiere vertraut machten, konnten sie ihre Tiere durch das erworbene Wissen vor Übergriffen effizienter schützen als durch das Abschießen. Gleichzeitig fingen sie einen Gästefarmbetrieb an und führten Besucher zu den bevorzugten Plätzen vor allem von Leoparden. Das Abschießen der Raubkatzen wurde eingestellt und immer mehr Touristen kamen. Nachbarfarmen waren plötzlich ebenso am Wissen der Hansens interessiert und brachten sogar gefangene Tiere auf deren Farm. Sie wurden dort behandelt und wieder in die Freiheit entlassen. Heute befindet sich die Non-Profit Organisation AfriCat zur Erforschung und Versorgung von gefangenen, verletzten oder verwaisten Raubtieren auf der Luxus-Farm Okonjima. Die Lodge ist der größte Geldgeber der Foundation. Durch Zukauf von drei benachbarten Farmen – Ombujongwe, Joumbira und Marathon – ist diese über die Jahre von 6000 auf unglaubliche 22.000 Hektar (220 km2) angewachsen.
Ein Tier hat sich ganz in der Nähe des Camps in einem morastigen Grasstück versteckt. Wir kommen mit dem LandRover nicht an sie heran, ohne im Schlamm stecken zu bleiben. Also fahren wir nach Süden einigen anderen Signalen hinterher. Aber auch hier haben wir Pech – alle Tiere haben sich in das felsige Terrain des Omborokobergs zurückgezogen. Hier kommt auch der beste Geländewagen nicht hinein. Da die Zeit drängt, müssen wir auf Plan B zurückgreifen. Ein Leopard lebt in einem großen Freigehege in der Nähe des Camps. Er wurde als junges Tier auf die Farm gebracht und mit der Flasche aufgezogen. So ist er auf der einen Seite sehr auf Menschen fixiert. Leider ist er aber auf der anderen Seite mit der Pubertät ein wildes Tier geworden, mit unberechenbarer Aggressivität wie auch Wayne Hansen selbst erleben musste. Nach einer Attacke beschloss er, das Tier in ein Gehege zu verbringen. Auswildern eines so an Menschen gewöhnten Tieres war nicht mehr möglich. Das Tier wird mit einem großen Stück Eselfleisch angelockt und wir können es, ganz ohne Funkhalsband, aus einem Hide heraus im Licht der untergehenden Sonne in Aktion fotografieren. Nicht ganz die Erhoffte „Wildsichtung“, aber trotzdem durch die Kraft, Größe und Eleganz des Tieres nicht minder beindruckend. Nach dem obligatorischen Sundowner draußen im Busch fahren wir zurück zum Main Camp und bekommen ein aufwendiges und erstklassiges Dinner kredenzt. Auf den kurzen Ausflug zu Fuß zum Nocturnal Hide nach dem Abendessen verzichten wir aufgrund der einsetzenden Kälte und den damit verbundenen Hustenanfällen meinerseits. Abends in unserem Viewroom erwarten uns schon durch Wärmeflaschen vorgewärmte Betten.


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Mittwoch, 29. Juni: Noch mehr Luxus und viel mehr Katzen. Heute siedeln wir ins Bush Camp über, das keine 15 Fahrminuten vom Main Camp entfernt liegt. Wieder werden wir dort sehr freundlich empfangen. Wir werden in ein Lapa einquartiert. Dabei handelt es sich um große Lehmrundhütten mit Strohdach, die zu einer Seite offen sind und mit Zeltplanen geschlossen werden können. Innen gibt es neben dem großen Schlafbereich mit Blick hinaus in die Landschaft, einen kleinen Wohnbereich mit Sofa und ein Badezimmer. Alles sehr luxuriös, aber trotzdem zu einer Seite nur wie ein großes Zelt und damit nicht wirklich wärmeisoliert. Um die Ecke gibt es einen Behälter mit Vogelfutter und nach dem Ausstreuen einiger Körner kommt eine vielfältige, bunte Vogelwelt zum Vorschein: Gelb- und Rotschnabel-Tokos, kleine Goldweber, Granatastrilde, Angola-Finken, Perlhühner und Frankoline sind vertreten, wobei die Rotschnabelfrankoline die deutlich größeren Perlhühner und mächtigeren Tokos durch massiven Körpereinsatz in die Flucht schlagen.
Wir vertrödeln den Mittag in bzw. vor unserem Lapa und treffen beim Nachmittagstee ein US-Ärzte-Ehepaar und ein deutsches Flitterwochenpaar im Haupthaus des Bush Camps. Anschließend geht es mit den beiden Paaren sowie mit Nigel und Mike im Jeep hinaus in den Bush nach Norden in das 16.000 Hektar große Areal auf das Gebiet der ehemaligen Joumbira Farm. Hier peilen wir eine Gruppe Geparden an und machen uns zu Fuß auf die Pirsch. Nach rund 20 Minuten durch das dichte Gebüsch treffen wir die vier Tiere gemütlich dösend in einer flachen Mulde an. Die Tiere meiden die Mittagshitze und lieben kühle Plätze. Interessanterweise ist bei der Jagd nicht ihr Herz-Kreislauf-System oder die Muskulatur der limitierende Faktor, sondern die Körpertemperatur. Nach einem kurzen Sprint hinter ihrer Beute her, steigt diese schnell auf weit über 40 °C an und die Tiere bekommen eine Art Fieber. Bevor sie kollabieren, müssen sie die Beute erlegt haben oder aufgeben. Und oft genug wird den völlig überhitzten und damit wehrlosen Tieren nach erfolgreicher Jagd die Beute von Hyänen streitig gemacht. Wir können bis auf wenige Meter an die Tiere heran. Sie scheinen sich kaum für uns zu interessieren. Sie leben völlig autark in dem großen Gelände und versorgen sich selbständig. Obwohl sie teilweise keine Eltern hatten, um sich Jagdtechniken abzuschauen, waren sie innerhalb weniger Tage instinktiv in der Lage auch große Beute wie Kudus zu erlegen. Ein großes Problem für diese unglaublich schnellen Katzen ist die Umwandlung der Grassteppe mit vereinzelten Büschen und Bäumen in eine Dornsavanne. Die ansässigen Farmer bekämpfen Buschfeuer früh in ihrer Entstehung. Durch das Ausbleiben von landschaftsformenden und bereinigenden Buschfeuern können sich die Dornensträucher ungehindert ausbreiten und bilden undurchdringliche Dickichte. Diese verhindern, dass die bis zu 110 km/h schnellen Geparden ihren Geschwindigkeitsvorteil bei der Jagd ausspielen können. Daher ist auch die „Buschbereinigung“ eine Aufgabe der Foundation, die natürlich einer Sisyphusarbeit gleicht, da man ja nicht einfach ein großes Buschfeuer legen kann, sondern die Landschaft per Hand bearbeitet werden muss.
Wir verlassen nach 30 Minuten die Tiergruppe und laufen zurück zum Auto. Zum Glück ist der Guide Mike dabei, wir Touristen haben überhaupt keine Orientierung hier im Bush. Aber auch Nigel gibt zu, teilweise keine Ahnung zu haben, wie es zum Auto zurückgeht. Gut geführt kommen wir nur wenige Meter vom Auto entfernt zurück auf den Weg. Wir bekommen wieder unseren Sundowner inklusive einer Vorführung des Reifenwechsels. Die Dornensavanne ist nicht nur für Geparden ein Problem.
Nach dem erneut sehr exklusiven Abendessen fährt ein Jeep noch zum Nocturnal Hide, wo die Stachelschweine schon auf das übrig gebliebene Gemüse und Obst aus der Lodge warten.
Im Lapa sind die Betten mit einer Wärmeflasche vorgeheizt und machen so die nächtliche Kälte einigermaßen erträglich.


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Donnerstag, 30. Juni: Bedauernswerte Katzen. Der Aufenthalt in Okonjima war schön, beindruckend und lohnenswert aber auch mit über 750 € für zwei Nächte der teuerste der ganzen Reise. Nach dem Frühstück in der Lodge fahren wir die 24 km auf der roten Sandpiste und vorbei an den winkenden Torwächtern zurück zur B1. Wir fahren 172 km über Okahandja nach Süden bis zum Abzweig der D1499 nach Düsternbrook in Richtung Westen. Ab hier sind es noch 16 km auf Schotter bis zum Tor der Düsternbrook-Gästefarm. Wir folgen der Schotterpiste und nach dem zweiten Gate empfiehlt ein Schild den Gästen der Farm eine Umleitung zu nehmen, weil die Hauptstrecke überflutet sei. Wir kennen die beiden Flussquerungen des Dorba Rivers von unserem Besuch hier vor zwei Jahren und sind geneigt die Warnung zu ignorieren und unserem Auto zu vertrauen. Dann entscheiden wir uns aber doch für die Umfahrung. Der Umweg ist nicht nennenswert und wir erreichen kurze Zeit später das Tor zur Farm und weitere 2 km dahinter das Farmhaus. Wie zuvor in Okonjima verwerfen wir die Idee zu campen. Okonjima liegt auf 1600 m Höhe und Düsternbrook auch noch auf immerhin 1300 m. Kein Wunder also, dass es nachts sehr kalt wird. Wir fragen an, ob es außer der reservierten Campsite auch noch freie Zimmer gibt, und bekommen das Afrikazimmer vom Felsenhaus. Es liegt direkt unterhalb des Lapas vom Haupthaus in einem freistehenden Gebäude mit dekorativer Zapfsäule auf der vorderen Veranda. Wir richten uns dort ein und gehen dann um 14 Uhr zum Treffpunkt für den Ausflug „Cats Unlimited“ zu den Katzen der Farm. Für diese Aktivität ist die Farm bekannt. Daher kommen auch viele Tagesbesucher aus dem nahe gelegenen Windhoek hierher. Wir fahren um 14:30 Uhr mit zwei offenen Jeeps in das Gehege unmittelbar neben dem Farmhaus. Auf dem gerade einmal rund 1 Hektar großen Areal lebt ein Leopard in völliger Abhängigkeit von Fütterung durch den Menschen. Er kommt aus dem hohen Gras heraus, sobald der Guide ein riesiges Stück Fleisch an einem großen Baum aufgehängt hat. Das männliche Tier ist beindruckend mit seiner Größe und Kraft, aber macht den Eindruck, deutlich mehr unter Stress zu stehen als das Exemplar, das wir in Okonjima beobachten konnten. Von ruhiger, eleganter Souveränität ist hier keine Spur. Nun kann man die beiden Einrichtungen nicht direkt vergleichen und Johann Vaatz, der Besitzer von Düsternbrook, sagt auch ganz klar, dass die Tiere nur als Touristenattraktion gehalten werden. Seine Argumentation ist, dass er dadurch mehr für die Arterhaltung tut, als wenn er weiterhin Rinder züchten und die Leoparden bekämpfen, sprich abschießen, würde. Durch das eine gefangene Tier in seinem Gehege kann er sich und seine Farm finanzieren und einige freilaufende Leoparden innerhalb des Farmareals haben ihre Ruhe. Trotzdem sind wir natürlich durch unseren Aufenthalt in Okonjima verwöhnt. Daher fühlen wir uns auch beim Besuch der Geparden im benachbarten Gehege nicht besser. Wie schon zuvor beim Leoparden kann man natürlich sehr schöne Fotos der Tiere machen – man kommt unglaublich nahe an sie heran. Das Verhalten allerdings ist bedauernswert. Die Tiere kommen direkt an das Auto und legen ihre Vordertatzen auf die Türen, um nach Futter zu betteln. Sie springen nach den geworfenen Fleischstücken in die Luft und schreien schrill, um mehr zu fordern. Mit Anmut und Eleganz hat das wenig zu tun. Das Gepardengehege ist mit geschätzten 30 Hektar deutlich größer als das des Leoparden. Die Tiere sind trotzdem komplett auf die tägliche Fütterung angewiesen und verhalten sich entsprechend unnatürlich. Nach rund einer Stunde ist die Tour beendet und wir fahren die wenigen Minuten zurück zur Farm.
Wir packen unsere Sachen zusammen und bereiten uns für den morgigen Abreisetag vor. Wir haben noch einen vollen Sack Feuerholz im Wagen und vermachen ihn kurzerhand einer gerade eingetroffenen deutschen Familie, die am Beginn ihrer Reise steht. Sie haben sich, ganz mutig, auf dem Campground einquartiert. Außerdem haben wir auch noch einige abgepackte Lebensmittel übrig, die sie auch gerne übernehmen. Bis zum Abendessen ist dann noch etwas Zeit und so laufen wir ein wenig in der Umgebung der Farm herum. Unterhalb der großen Terrasse des Farmhauses, von der man einen tollen Blick über das Tal des Dorba Rivers hat, laufen Dutzende Rock Dassies umher.
Das Abendessen wird zu einer echten Härteprüfung. Anders als vor zwei Jahren können wir nicht alle im Haupthaus essen, da zu viele Gäste an diesem Abend auf der Farm sind. Kurzerhand werden wir im Lapa bewirtet. Nach Sonnenuntergang werden die Temperaturen schnell niedrig einstellig. Und prompt meldet sich mein Husten wieder zu Wort. Das Essen ist gut, aber ich kann es kaum in Ruhe genießen. Etwas enttäuschend, dass wir nicht ins Haus konnten, obwohl ich bei der Umbuchung vom Campground zum Zimmer gesagt hatte, das ich erkältet bin. Unsere Gastgeberin am Tisch im Lapa ist eine junge Frau aus Deutschland, die einige Monate als Volunteer auf der Farm arbeitet. Das Prinzip der Volunteers findet sich auf vielen Farmen des Landes und ermöglicht es, jungen Menschen den Betrieb einer Gästefarm kennenzulernen und die gewonnene Erfahrung z.B. später innerhalb der Tourismusbranche einsetzen zu können.


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Freitag, 1. Juli: Windhoek und Abflug. Diesmal lassen wir uns nicht umleiten und nehme die Flussdurchfahrt zurück zur B1. Johann Vaatz meinte heute Morgen, dass es für einen Geländewagen kein Problem sei. Tatsächlich erscheint uns die Furt nicht tiefer zu sein als vor zwei Jahren. Auf der B1 fahren wir die 50 km nach Windhoek downtown und stellen erstaunt fest, dass an der Stelle, wo früher das Standbild des Südwesterreiters stand, nun der maximal hässliche Neubau des Unabhängigkeitsmuseums steht. Von dem Umzug des umstrittenen Denkmals wegen des Neubaus eines Museums hatten wir zwar gehört, aber wir hatten an ein geschmackvolles, dezentes Haus gedacht und nicht an einen 40 m hohen Turm, der alles in seiner Umgebung, vor allem die alte Feste und die Christuskirche, förmlich erschlägt.
Wir schauen uns die drei Burgen der Stadt an. In der Heinitzburg befindet sich ein Hotel, die Schwerinsburg ist Sitz des italienischen Botschafters und die Sanderburg befindet sich in Privatbesitz. Von der Straße aus sieht man nicht wirklich viel und wir haben keine Lust, Hotelsightseeing zu machen. Also fahren wir in die Talstreet 40 zum Windhoek Craft Center, um einige Souvenirs mitzunehmen. Wir können sogar mit unserem riesigen Geländewagen direkt im Innenhof vor dem Eingang parken. In diesem weitläufigen Shop haben namibische Künstler die Möglichkeit, aus ihrem Handwerk zu fairen Preisen Kapital zu schlagen. Schwer beladen verlassen wir den Laden rund zwei Stunden später und machen uns auf zu ASCO, um den Wagen zurückzugeben. Unterwegs machen wir noch den Tank voll und sind dann gegen 13 Uhr bei der Mietstation. Keine Stunde später ist der Wagen übergeben und wir sind fertig. Da hatten wir mehr Zeit eingeplant. Die leichten Kratzer durch Dornenbüsche fallen nicht ins Gewicht. Auch die Tatsache, dass seit gestern die Anzeige für Wasser im Tank permanent leuchtet, was bedeutet, dass man zur Werkstatt soll, wird mit Besorgnis, aber dennoch ruhig aufgenommen. Der Angestellte tankt noch einmal voll und da er nur knapp 2 Liter hineinbekommt, gilt der Wagen auch als voll wie in den Mietbedingungen vorgesehen.
Unser Flug geht um 19 Uhr. Außer uns sind noch zwei weitere Paare für diesen Flug und den entsprechenden Transfer zum Flughafen angemeldet. Das Paar aus der Schweiz ist auch schon gegen 14 Uhr fertig und so warten wir im Aufenthaltsbereich und essen unsere letzten Snacks. Dann taucht das dritte Paar auf und ist gegen 16 Uhr fertig. Wir brechen im Minibus auf und fahren nach Osten aus der Stadt. Nach 40 Minuten sind wir am Flughafen, checken ein und gehen in den Wartebereich. Unsere zwei Kilos Übergepäck haben niemanden gestört und ich werde auch nicht auf meinen 12-Kilo-Fotorucksack für das Handgepäck angesprochen. Nach einer Stunde langweilen wir uns im Wartebereich und gehen durch die Sicherheitskontrolle zu den Gates. Im Grunde ist es nur eine große Halle für alle Wartenden. Hier gibt es noch einmal die Möglichkeit, seine letzten Namibia-Dollar in Mitbringsel umzumünzen. Relativ pünktlich gehen wir zum Flugzeug aufs Rollfeld hinaus. Wieder ist der Flieger nicht voll und so verteilen wir uns auf zwei Doppelsitze hintereinander. Dadurch können wir auch auf dem Rückflug einigermaßen bequem schlafen. Wir verlassen das Land mit einer Unmenge an neuen Eindrücken.
Letzte Änderung: 03 Okt 2011 18:30 von tandit.
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03 Okt 2011 16:17 #207143
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  • lilytrotter am 03 Okt 2011 16:17
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Hallo, tandit!

Willkommen im Forum!

Welch ein Einstand, dieser schöne und informative Reisebericht. Wow!
Vielen Dank dafür.

Ich bin immer wieder erstaunt und freue mich, wie unterschiedlich diese fast gleichen Reiserouten erlebt und gefahren werden. Total klasse. Eure Art zu reisen gefällt uns.

Gruß lilytrotter
Gruß lilytrotter


Always look on the bright side of life... :-)
Walvisbay boomt
Letzte Änderung: 03 Okt 2011 16:17 von lilytrotter.
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03 Okt 2011 17:49 #207155
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  • tandit am 03 Okt 2011 14:11
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Hallo Lilytrotter,

vielen Dank für das schnelle Feedback und die Willkommensgrüße.
Nachdem wir jetzt schon seit über zwei Jahren das Forum als wertvolle Informationsquelle benutzen, fanden wir es jetzt an der Zeit, einmal unsere Erfahrungen weiterzugeben. Daher haben wir uns bemüht, möglichst viele Informationen wie Zeiten und Entfernungen mit einzubauen.

Beste Grüße
Tandit
Letzte Änderung: 03 Okt 2011 17:50 von tandit.
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04 Okt 2011 18:50 #207287
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  • namibiafieber am 04 Okt 2011 18:50
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Hallo Tandit,

besten Dank für Deine Schilderungen !

Wir waren Anfang September auf Kanaan - und waren genauso beeindruckt wie Ihr! Hermi geht es wieder besser - er hatte wohl im Winter eine schlimme Lungenentzündung ! Sein Land ist ein echtes Juwel - zumindest in meinen Augen ! Ich bin auch ganz begeistert von den Fotos, die ich dort machen konnte !!!

Beste Grüße
Antje im Namibiafieber
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09 Okt 2011 07:45 #207858
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  • JUKoehler am 09 Okt 2011 07:45
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Hallo Tandit,

was für ein schöner Bericht ! Ganz großes Lob und besten Dank dafür. Tolle Bilder und spannend geschrieben Dabei erlebe ich beim Lesen viele Orte so, als wäre ich gestern erst dort....

Übrigens: Kanaan brennt seit gestern auch nach Blitzeinschlägen, die Farmgebäude sind verschont geblieben. Hermi schreibt in seiner Art "die Mineralien der Asche sind für die Tiere sehr wertvoll. Und jetzt kann ich mir gewiß sein, dass es nicht mehr brennen wird - in diesem Jahr...."



Liebe Grüße
Jens-Uwe
Letzte Änderung: 09 Okt 2011 08:05 von JUKoehler.
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09 Okt 2011 09:01 #207869
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  • Butterblume am 09 Okt 2011 09:01
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Hallo Tandit,

herzlich willkommen im Forum und vielen Dank, dass Du Deinen Einstand gleich mit so einem interessanten Reisebericht und wunderbaren Fotos gekrönt hast. Einige Deiner Stopps sind identisch mit unserem aus dem Jahr 2010. Auf der D707 haben wir leider keinen Übernachtungsstopp einlegen können. Deine Schilderungen von Kanaan bestärken uns aber darin, beim nächsten Mal dort einen längeren Aufenthalt zu reservieren.

Wir hatten auch das große Glück im Main Camp von Okonjima einen View Room für 2 Nächte zu ergattern und haben das wirklich sehr genossen.

Ganz herzlichen Dank und Grüße
Marina
Das Morgen gehört demjenigen, der sich heute darauf vorbereitet. Afrikanische Weisheit

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