THEMA: Unsere erste Reise durch Namibia
24 Jul 2015 21:30 #393080
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Tag 10

Wir können noch nicht ahnen, was der heutige Tag für uns bringen soll. Und vorab: Schön ist was Anderes!
Das karge Frühstück nimmt nur kurze Zeit in Anspruch, Koffer sind gepackt und es geht los. Nochmal kurz in die Apotheke zum Halstablettenkauf, danach auf die C35 Richtung Norden.

Zunächst fahren wir die Küstenstraße und beschließen spontan, eine Tour mit dem Schiff in unsere Route aufzunehmen. Wir gehen an Bord und ahnen nicht, dass der Kapitän sein Patent offenbar auf dem Rummelplatz an der Losbude gewonnen hat. Er setzt das Schiff auf Grund, mit letzter Kraft können wir uns vom sinkenden Schiff durch einen beherzten Kopfsprung in die brandende 12° kalte Flut retten und erreichen gemeinsam mit unseren Koffern, die ich in der linken, die Kameraausrüstung in der rechten Hand halte (G. war für die Rettung der Bierbüchsen zuständig), das rettende Ufer und wachen neben dem Skelett einer Robbe auf. Die Fotos, die wir nach dem Erwachen aus unserer Bewusstlosigkeit gemacht haben, beweisen unser Erlebtes.
Wir klopfen uns den Sand ab und ziehen weiter.





(Zum besseren Verständnis für Ungläubige: Dieser Abschnitt wurde gesponstert von Baron von Münchhausen, die Fotos allerdings sind echt.)

Die nun folgende Strecke ist eintönig, die vergangenen Reiserouten waren interessanter. Die Piste ist einfach nur öde.
Hinter einer Kurve treffen wir auf eine Himba-Familie. Ein Buschmann mit ca. 15 Frauen (der hats gut!) und ebenso viele kleine Kinder (um die kümmern sich seine Frauen). Sie sitzen dort alle fast nackig im Gras bzw. bieten ihre selbstgefertigten Souvenirs an.
Sowas habe ich mir in Afrika gewünscht, gern würde ich mehr über ihr Leben erfahren und einfach mit ihnen plaudern (sofern das mit Händen und Füßen möglich ist). Allerdings ist ihr Auftreten tatsächlich fast ausschließlich für vorbeifahrende Touristen und weist nichts Ursprüngliches mehr auf. Ihre Souvenirpreise sind unterirdisch und noch ehe ich den Fotoapparat zücke, höre ich schon das Wort „Money“. Ich habe keine Lust mehr, begebe mich zum Auto, leider hat G. nur ein Foto schießen können und der Buschmann will jetzt Kohle. Er lehnt meinen einziffrigen Obulus ab, mehr war mir jedoch sein rüpelhaftes Auftreten nicht wert.
Unsere Tour geht weiter, insgesamt sinds heute wieder um die 380 km. Kurzer Tankstopp in der Pampa dann geht’s weiter.
Das Unglück soll in weniger als 10 min seinen Lauf nehmen.
Plötzlich ein undefinierbares Geräusch von hinten unten und danach Höllengeräusche. Wohl das gesamte Kiesbett schlägt in die Radkästen. Das Auto scheint uns um die Ohren zu fliegen. Ich lasse ausrollen und G. springt als erste aus dem Auto.
Verdammt! Das rechte Hinterrad besteht nur noch aus einer qualmenden Felge.


Der Reifen ist nur noch rudimentär erkennbar. Davon habe ich geträumt. Weitab von der Zivilisation, allein in der Pampa und dann noch mit einem mir unbekannten Auto. Und manchmal werden Träume (hier: Albträume) wahr.
Was nun? Als erstes greife ich zum Fotoapparat, um der sensationslüsternen und nach Katastrophen gierenden Forumsgemeinde Anschaulichkeit präsentieren zu können (stimmt wirklich!). G. ist in ihrem Denken schon weiter und sucht nach dem Wagenheber.



Mit etwas Mühe gelingt es uns, den RAV4 aufzubocken (gar nicht so einfach auf Sandboden) und das Rad zu wechseln.
Von vier in dieser Zeit an uns vorbeifahrenden Autos halten drei, fragen nach und bieten freundlicherweise ihre Hilfe an.
Als Nichtbetroffene sahen wir das am Anfang unserer Reise auch, fragten ebenfalls nach, ob wir helfen können. Der Betroffene, ein Deutschstämmiger, meinte jedoch ganz cool: „Habs nicht so weit, sind nur noch 100 km, hab grad daheim angerufen, gute Weiterfahrt ...“ Hm … Namibia eben!
Unsere Tour geht weiter, ich fahre vorsichtiger, obwohl ich mir auch vorher keiner Schuld bewusst bin. Drei Kontrollleuchten brennen, davon eine in rot. Wir müssen dringend in eine Werkstatt. Und das hier in der Pampa. Ich habe keine Idee, wie wir das realisieren wollen ...
Unser Ziel rückt zum Glück näher, noch vor Sonnenuntergang erreichen wir es. Ein sehr schön in eine Gebirgskette eingebettetes Camp mit großzügig angelegten Zelten bzw. Übernachtungsplätzen. Im Zelt stehen Betten, Strom gibt’s nicht, dafür eine Petroleum-Lampe und ein gen Himmel offenes Bad, einfach so in die Natur am Fuße eines Felsens gemauert. Toll! So was von romantisch … passt zu ner Hochzeitsreise (allerdings nicht unserer!). Von diesem Ambiente sind wir begeistert.




Wir müssen HERTZ informieren, müssen sehen, wie man bzgl. des Autos dort entscheidet. Ich stoße an meine Englisch-Grenzen, denn das Formulieren solcher fachlichen Probleme gelingt mir nicht. Ich mache mir Notizen, um auf das Gespräch vorbereitet zu sein.

Plötzlich – wie aus dem Nichts- in ca. 100 m Entfernung zwei Elefanten. Beide mit schönen langen Stoßzähnen. Ich nähere mich bis auf ca. 30 m einem der beiden und mache Fotos. Die aufgeregte Campmannschaft versucht mit Klatschen und Rufen die ungebetenen Gäste zu vertreiben. Die Rüsseltiere sind wenig beeindruckt, beim gemächlichen Durchqueren des Camps stößt einer der Elefanten im Vorübergehen einen beheizten Badeofen um, ehe die Herde (ich erfahre später, dass es acht Tiere waren) dann im Tal durch einen ausgetrockneten Fluss verschwindet.
Toll – unsere ersten wilden Elefanten … und gleich so nah.




Nebenan campt eine holländische Familie. Ich erkläre dem Familienoberhaupt mein Englisch-Problem, er ist außerordentlich hilfsbereit und erledigt für mich das Telefonat mit HERTZ. Morgen sollen wir ein anderes Auto kriegen, der Fahrer kommt damit aus Windhoek, muss fast 500 km (!) zurücklegen. 7 Uhr soll er (angeblich) starten, d.h. vor 12 Uhr ist nicht mit ihm zu rechnen.
Die Sonne ist untergegangen, noch ist es nicht stockdunkel (geht übrigens verdammt schnell hier). Wir platzieren uns vor dem Zelt, holen Bier und Rotwein aus dem Auto, setzen uns und lassen den Tag Revue passieren.
Zwei junge freundliche Mädchen aus dem Camp bieten uns Diner für 129 N$ p.P. an. Wir sagen zu (am Folgetag erscheinen dann 190 N$ p.P. auf unserer Rechnung) und gesellen uns zu den beiden anderen Durchreisenden, die bereits im „Speiseraum“ (offen, mit Blick in den Sternenhimmel, scheißkalt!) sitzen. Das Essen ist unterdurchschnittlich, der Reis verklumpt, das Fleisch süßlich angemacht (gar nicht unser Fall), der Eisbergsalat überaus ungewöhnlich zubereitet und draußen wird’s schweinekalt.
Stockdunkel ists eh geworden, wir trollen uns unserem Nachtlager zu und putzen uns unter sternenklarem Himmel die Zähne. Das „Kreuz des Südens“ sehe ich leider nicht.
Für die kleine G. (52) erfüllt sich ein Traum: Sie sieht ihren ersten Löwen (leider nur auf der Streichholzschachtel, die wir benötigen, um im Zelt mit der Petroleumlampe Licht zu haben).

Die Nacht wird unangenehm, es ist sehr kalt, die Betten sind sehr kurz, ebenso die Decken. Ich fühle mich an meine Wehrdienstzeit vor mehr als 30 Jahren erinnert. Die von außen hörbaren und undefinierbaren Geräusche sorgen nicht zwingend für ein inneres Gefühl von Ruhe und Wohligkeit. Am Morgen erfahren wir, dass zwei Schakale hier des Nachts einen Hahn gerissen haben. Muss so um die 10 m von unserem Zelt passiert sein.
Bin froh, dass die Nacht gegen 5:45 Uhr vorbei ist und steige mit kalten Knochen aus dem Bett (dieses allerdings war von der Auflage her gut)
Letzte Änderung: 29 Jul 2015 18:35 von zeitungsleser.
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24 Jul 2015 22:00 #393082
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Das Hochladen von 3 Bildern dauert hier über 6 min ... Scheiß-Arbeit!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
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24 Jul 2015 22:05 #393084
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  • Pascalinah am 24 Jul 2015 22:05
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zeitungsleser schrieb:
Unsere Einweisungstante ist pünktlich und wir sitzen beisammen und lauschen der Informationsflut. Unserem Reiseorganisationsonkel (BEREISE NAMIBIA) werde ich eine sehr kritische Mail schreiben, denn eine 20-Tage-Reise in 20-min-Eilzugtempo auf englisch durchzusprechen, wenn man noch nie in einem fremden Land war, das geht gar nicht!

Hinter einer Kurve treffen wir auf eine Himba-Familie. Ein Buschmann mit ca. 15 Frauen (der hats gut!) und ebenso viele kleine Kinder (um die kümmern sich seine Frauen). ...

Am Morgen erfahren wir, dass zwei Kojoten hier des Nachts einen Hahn gerissen haben.



Hallo Zeitungsleser,

in welcher "Zeitung" hast du Dich denn über Deine Namibiareise informiert? ...
eine Himbafamilie mit einem Buschmann als Familienoberhaupt???? :ohmy: ...

Kojoten :woohoo: habe ich in Namibia auch noch nie angetroffen....


Oh weh.....


verwunderte Grüße
Pascalinah
Nimm dich vor Leuten in Acht, die damit angeben, wer sie sind.
Ein Löwe wird dir nie sagen müssen, dass er ein Löwe ist.
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26 Jul 2015 21:53 #393278
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Ersetz Kojoten gegen Schakale. Warn Schreibfehler.
Und Buschmann steht im weitesten Sinne für in der Wildnis lebende Menschen. Verstehen außer dir sicher viele andere.
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26 Jul 2015 22:07 #393282
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Tag 11

Wir gehen frühstücken, sehr einfach und übersichtlich und in einer schlechten Jugendherberge ist es auswahlreicher.
Wir warten auf das Austauschauto, wissen aber, dass es dauern kann.
Wir begeben uns auf Spurensuche, wollen der gestrigen Elefantenherde folgen und suchen nach deren Fußabdrücken. Diese sind einfach zu finden und wir gehen ca. einen halben Kilometer, ehe wir wieder umkehren und Fotoimpressionen der hiesigen Natur anfertigen.
Getrocknete Elefantenkacke brennt übrigens wie Zunder. Selbst ausprobiert!

Und inzwischen haben wir uns gewisse Kenntnisse in der Kackeunterscheidung diverser Tiere angeeignet; können Elefanten- von Zebrakacke und Klippschliefer- von Ziegen- bzw. Schafskacke oder Kuhfladen, die hier aufgrund der Wasserknappheit nicht flüssig sondern quasi wie aus ner großen Tube kommen (Näheres gern per PN), unterscheiden. Die Viecher lassen ja überall ihre Ausscheidungen rumliegen und man muss aufpassen, nicht allzu viel davon an der Sohle kleben zu haben.
Da unsere Unterkunft für die kommenden Gäste gereinigt werden soll, muss der Reiseberichterstatter seine Notdurft im Freien erledigen. G. macht in einem unbeobachteten Moment vom „großen Geschäft“ ein Foto, das der Forumsgemeinde nicht vorenthalten werden soll.



Wir warten und warten und warten … und 13 Uhr trifft der Fahrer mit dem Austauschauto endlich ein. Er bringt einen kleinen VW mit und nach unserer Reise wird eine Korrespondenz mit HERTZ folgen müssen, denn für den gebuchten Preis ist dieser Pfützenhubber (wie man ihn im Sächsischen nennen würde) natürlich viel zu klein und wir sind etwas angesäuert.
Der Fahrer erklärt uns, dass kein anderes Auto verfügbar war. Nun ja …
Die Übergabe und das Umpacken des Gepäcks dauern fast eine Stunde, es sind eine Menge Formalitäten zu erledigen. Beim Anblick der Reste des geplatzten Reifens incl. Felge muss der Autoüberbringer schmunzeln.
Um 13:57 Uhr setzen wir unsere Reise fort, haben ein eher ungutes Gefühl. Einerseits wegen des viel kleineren Autos andererseits wegen der hier deutlich schlechteren Straßenlage und Federung. Aus Zeitgründen müssen wir nun auf die Besichtigung der Höhlenmalerei, die quasi fast auf dem Weg liegt, verzichten. Schade!
Unsere heutige Tour führt uns zur GROOTBERG LODGE.



Die Buckelpisten, die wir befahren müssen, sind das bislang unrühmlichste Zeugnis namibischer Straßenbaukunst. Wir zittern uns von Kilometer zu Kilometer und gebranntes (besser: vom Gummi VERbranntes) Kind scheut das Feuer.
Die Landschaft wird mit den mehr gefahrenen Kilometern abwechslungsreicher und erinnert uns an die Canyons in Utah und Arizona. Eine wirklich beeindruckende Landschaft hier, in der man tolle Indianerfilme drehen könnte. Kindheitserinnerungen werden wach und wir sehen vor unserem geistigen Auge Gojko Mitic und Pierre Brice würdevoll vorbei reiten und hören gedanklich die Filmmelodie zu „MacKenna`s Gold“.



An einer etwas größeren Ansiedlung halten wir an, weil es hier einen bislang ungekannten Menschenauflauf gibt. Wir sehen einen Sportplatz und mehrere hundert Kinder, die sich dort geordnet austoben. Im Gespräch mit einem britischen Lehrer erfahren wir, dass die britische Schule eine Patenschaft zu einer namibischen pflegt und man sich alle zwei Jahre besucht und hier zu Vergleichswettkämpfen trifft. Tolle Sache!
Wir fahren an vielen Straßenständen vorbei, an denen die in der Nähe wohnenden Leute verschiedenen Krimskrams (vorwiegend diverse Mineralien/Gesteinsproben, selbst gebastelte Püppchen, Knochen- bzw. Fellreste von toten Tieren und anderen Schnulli) anbieten. Manche Stände sind verwaist, das dort liegende Angebot wurde bereits stark von der Sonne ausgebleicht. FOTO
Wir fahren weiter und erreichen gegen 17 Uhr die GROOTBERG LODGE. Unser Auto müssen wir am Fuß des Berges abstellen, wir werden mit einem Geländewagen, der mich sehr an meine Militärdienstzeit erinnert (er sieht einem P 3 recht ähnlich), abgeholt und nach oben gefahren. Der Anstieg ist gigantisch. Oben angekommen erwartet uns der bislang schönste Ausblick unserer bisherigen Tour. Mir fehlen die Worte. Das kann man nicht beschreiben, man muss es selbst sehen. Von der Bergspitze blicken wir in das von den Naturgewalten über Jahrmillionen geschaffene Tal. An den zum Tal gehörenden Bergen kann man einzelne Etappen der Erdgeschichte anhand von Ablagerungen ohne große Mühe ablesen. Absolut beeindruckend!
Unser Zimmer (in einem kleinen Häuschen) liegt direkt am Rande des Abgrundes. Wir blicken in eine schier unglaubliche Tiefe.




Der Preis für eine Nacht hat es jedoch in sich: Stolze 220 € kostet die Bude für eine Nacht (Doppelzimmer). Und wir bleiben zwei! Oje … nur nicht darüber nachdenken!
Das Diner ist toll, das Bier erstaunlich günstig (0,3 l Tafel Lager für 16 N$).

Mit dem Ende des Diners tritt das „Verdiente Volkskunstkollektiv Grootberg“ auf. Kinder (ca. 9-14 Jahre) aus einem Schulchor, die hier zu zwölft den Gästen Freude bringen und typisch afrikanische Lieder mehrstimmig (klingt wirklich super, hab selbst mal im Chor gesungen) darbieten. Wer sich an den Song „Der ewige Kreis“ aus KÖNIG DER LÖWEN erinnert, hat eine Vorstellung, wie es klingt. Das Besondere daran ist, dass sie nicht nur singen, sondern dass Bewegung, Rytmik (schreibt man tatsächlich seit der Rechtschreibreform so) und Tanz ganz selbstverständlich zu dieser Gesangsdarbietung gehören. Die Lebensfreude merkt man den jungen Leuten an. Das Publikum honoriert den Auftritt mit Beifall und einer kleinen Zuwendung für die jungen Künstler.
Der Tag neigt sich dem Ende und morgen besuchen wir eine Himba-Siedlung.


Und vielleicht begegnet der kleinen G. ja unterwegs ein Löwe.
Letzte Änderung: 06 Aug 2015 20:41 von zeitungsleser.
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26 Jul 2015 23:15 #393291
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Tag 12

Kurz vor 8 Uhr nimmt uns der Guide für den Ausflug in Empfang. Wir erfahren, dass mit uns insgesamt 8 Touristen zur Himba-Siedlung fahren.
Zur Auswahl stehen 3 Ausflüge (Elefantentracking, Nashornsuche und Himba-Siedlung) und da ich optimistisch bin, noch genügend Elefanten und Nashörner im Etosha-Park zu sehen, haben wir uns für den Besuch dieses so typisch afrikanisch aussehenden Volksstammes, dessen Äußeres uns schon seit der ersten Begegnung beeindruckt hat, entschieden.
Die Fahrt ist relativ kurz, nach ca. 50 km biegen wir von der „Hauptstraße“, die wie fast alle Straßen eher einer Schotterpiste gleicht, ab. Unser Guide zeigt uns Behausungen in typisch lokaler Bauweise (da wollen Europäer bei Wind oder Regen bestimmt nicht rein)
und die größte Schule der Region (250 Kinder). Es ist eine Grundschule und die Kinder gehen hierhin, sobald sie 3 Jahre (!) alt sind. Sie bleiben (wegen des oft sehr langen Weges) von Montag bis Freitag in der Schule, zahlen nur für Essen & Trinken, die anderen Kosten übernimmt der Staat.
Es scheint gerade Pause zu sein und die Kinder benehmen sich sehr ordentlich, es macht Freude, sie zu beobachten. Sie spielen miteinander und haben es sich nicht zur Aufgabe gemacht, die anwesenden Lehrerinnen zu reizen und pädagogisch herauszufordern.

Unsere Fahrt führt nun bereits durch unwegsames Gelände, wohl keiner hätte hier Fahrmöglichkeiten vermutet. Über richtig große Steine (teilweise 70 cm hoch) und ausgetrocknete Flussbette und extrem unwegsames Gelände passieren wir Hindernisse, bei denen der Durchschnittsautofahrer nicht einmal davon träumen würde, diese zu meistern. Unser Guide macht seine Sache auch als Fahrer gut. Er zeigt uns Elefantenspuren, aber wir wissen, dass die Rüsseltiere heute mit der anderen Touristengruppe unterwegs sind, rechnen also nicht mit ihnen.
Im unwegsamen Gelände begegnet uns die erste Himba-Frau, ihr ca. ein Jahr altes Baby auf den Rücken gebunden. Sie lächelt uns freundlich zu, wir fahren weiter. Es dürfte nicht mehr weit sein.
Die Landschaft verändert sich noch einmal in eine „blaue Lagune“ Oase mit Palmen, Papageien und Pawianen auf den Felsen.


Wenige Minuten später fahren wir am „Klassenzimmer“ der Himba-Kinder vorbei. Es ist eine unter einem Baum aufgestellte Tafel (so wie man es aus einem afrikanischen Dokumentarfilm kennt), auf der noch mit Kreide das gestrige Datum steht, außerdem wenige einfache Worte in der Himbasprache und in Englisch. Als „Stühle“ dienen größere Steine, die es hier zuhauf gibt.
Noch 200 m und wir sind da. Wir sehen kleine Hütten, die traditionell aus dünnen Ästen bzw. einer Art Schilf bestehen, die Zwischenräume werden von Hand mit Lehm bzw. Kuhdung verschlossen. Eine prima Arbeitsstätte für die auserwählten Kinder von „Die strengsten Eltern der Welt“.
Zwei junge Frauen (sehr gut gewachsen und mit zwei gut sichtbaren Vorteilen, wie mein Kennerblick sofort bemerkt) sitzen vor ihren Hütten und sind beschäftigt. Auf dem größeren Platz vor den ca. 20 Hütten, die sich am sanften Hang entlang erstrecken, spielen ca. 7 kleine Kinder (2 bis 4 Jahre), die neugierig auf das haltende Auto zurennen. Wir wollen aussteigen, doch unser Guide unterweist uns noch, den Kindern keine Gummibärchen oder Ähnliches zu geben und die Bewohner nicht zu füttern. Kurz muss ich an die Verbotsschilder im Zoo denken.
Fotografieren ist erlaubt, um Erlaubnis brauchen wir die Bewohner also nicht zu fragen. Das klingt gut, denn hier gibt’s wirklich viele schöne Motive (ja, genau!) und die Dorfbewohner sind alle freundlich und posieren gern für Aufnahmen.
Die Frauen, um die herum einige Kinder spielen und toben, sind mit dem Essen kochen beschäftigt, eine Himbeer-Mutti bietet mir an zu kosten.


Das mach ich doch gern! Der Papperschmatz sieht aus wie Grießbrei, schmeckt auch fast so, hat lediglich statt der süßen hier eine salzige Note. Mehr gibt’s nicht zu essen, aber den Kindern scheints zu schmecken.
Der Dorfplatz füllt sich, es kommen immer mehr Dorfbewohner (jüngere Männer und Frauen und Kinder) und begrüßen uns freundlich, die meisten mit Handschlag. Ohne zu murren stehen sie für unsere Fotoaufnahmen bereit, sind geduldig und wirken sehr bescheiden und angenehm.


Wir fragen, ob wir auch in die kleinen Rundhütten reinschauen dürfen, es wird uns freundlich gewährt. Im Hütteninneren ist es angenehm kühl, die Einrichtung ist sehr spartanisch. Neben einem Schlafplatz (hier hat die Frau und max. 1-2 kleine Kinder Platz) gibt es lediglich noch eine kleine Ecke, in der persönliche Dinge stehen bzw. liegen. Die Fläche ist nicht größer als 4-5 qm, nach oben führt ein rundes Spitzdach. Die Hütten sind nicht höher als ca. 2,20 m.





Wir fotografieren wie die Weltmeister, die Kinder (ca. 2 bis 4 Jahre, vom Geschlecht her kaum zu unterscheiden wegen ihrer ähnlichen Frisuren; außerdem rennen sie fast vollständig nackig rum) wollen immer sofort die Fotos sehen und sind durchaus mit der Technik vertraut, wissen recht gut, wie sie die Fotos auf dem Smartphone berühren und verschieben müssen, um möglichst viele zu sehen. Nicht nur mich erheitert das.

Ein kleines schmutziges Mädchen (2) hat es mir besonders angetan, sie fremdelt absolut nicht und ist sehr zutraulich.

Ich nehme sie auf den Arm und sie plappert himbaistisch drauflos und erzählt mir, dass ihr die größeren Dorfjungen gestern den Himba-Grießbrei weggegessen haben (oder so ähnlich).
Ich wische ihr die kleine Rotznase ab, reinige ihre Lippen vom Sand und wir laufen den Dorfplatz entlang.
Unser Guide hat 4 junge Frauen (13 bis 22) aufstellen lassen (oh je, wie auf ner Völkerschau um 1860!) und erklärt an deren Schmuck und den Kleidungsstücken deren Bedeutung. Mensch, das ist ja ne halbe Wissenschaft!
Geduldig lassen die Himbafrauen und -mädchen alles über sich ergehen. Ich habe sogar das Gefühl, sie sind stolz darauf, dass uns das erklärt wird. Und auch ich muss feststellen, dass ich schon Unansehnlicheres habe anschauen müssen.


Im Anschluss daran zeigt uns die 22jährige Himbeer-Mutti (die tatsächlich schon mindestens ein Kind hat, wie man ihrem Körperschmuck entnehmen kann; bis zu 15 Kinder gebärt eine Himbafrau während ihres Lebens übrigens), wie ihre rotbraune Körperbemalung entsteht. Alles kommt aus der Natur und die Zubereitung ist wirklich interessant! Ein wenig irritiert bin ich dann aber doch. Denn nach Aussage unseres Guides waschen sich die Himbafrauen nicht. Besagte Vorführhimbafrau zeigt uns, wie man „Frauen-Himba-Deo“ herstellt: Dazu nimmt sie besondere kleine Holzstücke, zündet diese mit anderen Holzstückchen an und hält sie sich als Räucherstückchen unter die Arme. Mehr nicht! Okay, Räucherware hält sich länger … aber ein bisschen enttäuscht bin ich dann doch.


Wer die Möglichkeit hat, sich das mal vor Ort anzusehen, der sollte es unbedingt tun.

Mit meiner kleinen dreckigen Himbaprinzessin auf den Schultern (ihr macht das einen Riesenspaß) nähere ich mich nun der Verkaufsmesse auf dem Dorfplatz. Im Kreis auf der Erde sitzend bieten die Männer und Frauen ihre selbst gefertigten Souvenirs an.
Im Angebot heute: Stachelschweinstachelketten, Buttertöpfchen für die perfekte Himba-Frau, schöne bunte Armringe und -bändchen (bei denen Wolfgang Petry neidisch daherblicken würde!), geschnitzte Elefanten und Affen und alles, was man als guter Himba eben so braucht. Alles ist jedoch schweineteuer (noch teurer als in Souvenirshops!) aber trotzdem machen sie guten Umsatz.
Plötzlich stehen sie zusammen aufgestellt auf dem Dorfplatz und fangen an zu singen und zu tanzen. Wir schauen fasziniert zu und haben das Gefühl, dass die hier nach unserem Empfinden so primitiv lebenden Menschen ein glückliches und erfülltes Leben haben.



G. meint, dass sie auch Himba werden möchte, außerdem ists hier, wo die wohnen, so schön warm. Und in Anbetracht der Tatsache, dass jeder Himbamann 5 Frauen hat, würde ich unter gewissen Rahmenbedingungen (feste Behausung, Brauereidirektleitung ins Haus, Geländewagen, Tankstelle in der Nähe, pünktliche Gehalts- bzw. Rentenzahlung, ordentlicher Fernsehempfang und HALLO PIZZA in Rufweite) vielleicht auch mal drüber nachdenken, den Wohnort zu wechseln und Himba auf Probe zu werden.
Wir werfen 50 N$ in den Spendentopf in der Dorfplatzmitte und fühlen uns gut.
Wir verabschieden uns und ich nehme meine kleine schmutzige Prinzessin mit ins Auto. Sie wehrt sich nicht, wahrscheinlich wäre sie sogar mit mir mitgegangen.

Und ein paar Baby- bzw. Kleinkindsachen meines Sohnes hätte ich ja noch … und Spielzeug sowieso.
Wir sind uns absolut sicher, uns für das richtige Ausflugsangebot entschieden zu haben, wenngleich es stolze 1100 N$ gekostet hat (Elefantentrecking auch 1100, Nashornsuche 1250). Ein Teil davon geht jedoch in Form von Lebensmittellieferungen auch direkt an die Himbas. Davon konnten wir uns bei der Verabschiedung von ihnen selbst überzeugen, als unser Fahrer Säcke mit Nahrungsmitteln übergab. Finden wir gut!
Kurzer Stopp am fast ausgetrockneten Flussbett zum Mittagessen. Wenige Minuten zuvor haben wir große wilde Affen auf den Felsen herum klettern sehen. Ich beobachte die Umgebung und sehe am Fluss in ca. 300 m Entfernung einen außerordentlich großen Gorilla auf- und abspringen. Dieses Motiv will ich mir nicht entgehen lassen und ich behalte meine Beobachtung für mich. Ich verabschiede mich von den anderen zum Pinkeln und vorsichtig nähere ich mich meinem Ziel. Wie groß ist jedoch meine Enttäuschung, als ich bemerken muss, das es ein (schwarzer) Mann ist, der dort sich (ganz nackig) und seine Sachen wäscht. Fotografiert habe ich ihn trotzdem, mache mir ja schließlich nicht umsonst den Weg …



Rückzu sammle ich noch paar Palmensamen, ehe ich dann relativ still ins Auto klettere und mein Erlebnis für mich behalte.


Wir beschließen den Tag mit einem wiederum tollen Diner.
Und es kann doch nicht so schwer sein, hier in Afrika mal solch einen verdammten Löwen zu finden … die kleine G. ist schon ganz hibbelig.
Anhang:
Letzte Änderung: 06 Aug 2015 23:03 von zeitungsleser.
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