Ok, hier ist mal eine der versprochenen Textpassagen:
Samstag, 23. Juni, Flughafen Tulear.
15:00 Ein Peugeot 505, der vermutlich mindestens genauso alt ist wie ich, setzt uns nach 1-stündiger Fahrt wohlbehalten am völlig menschenleeren Flughafen Tulear ab. Hätte ja was schiefgehen können, deshalb sind wir so früh gekommen. Das Angebot des Fahrers einer Stadtrundfahrt in Tulear, um den Nachmittag auszufüllen, lehnen wir daher auch dankend ab und verabschieden uns.
19:30: Der für diesen Termin angesagte Abflug von Air Madagascar nach Antananarivo verspätet sich erheblich. Eine halbe Stunde später startet der Flieger erst in Antananarivo und macht sich von dort auf den Weg nach Tulear.
20:30: Wir gehen durch die Sicherheitskontrolle, die nicht existiert. Ich hätte im Rucksack auch eine Uzi dabei haben können, niemand hätte es bemerkt. Wahrscheinlich haben selbst Terroristen Mitleid mit diesem Land und halten es für unsportlich, ein Flugzeug dieser Airline zu entführen.
21:00: Eine Boeing 737-300 bremst abrupt von der Runway auf das Rollfeld, bleibt ruckartig stehen, die Triebwerke werden sofort ausgeschaltet. Das macht man eigentlich nicht, 5 Minuten sollten sie noch nachlaufen, bevor man sie ausschaltet (ok, ich habe beruflich mit sowas zu tun, daher tut es mir in der Seele weh, wenn man sie so ruppig behandelt).
21:15: Alle ausgestiegen. Keine Staubsauger-Crew, die erst mal sauber macht.
21:20: Wir steigen ein. MooseOnTheLoose macht noch schnell ein Foto, eine Stewardess im Eingang des Flugzeugs hat es bemerkt und erhebt mahnend den Zeigefinger.
21:28:00 Der Pilot lässt Triebwerk Nummer eins (links) an. Die sich dabei entwickelnde Geräuschkulisse ist sehr merkwürdig, bis mir auffällt, dass er wohl schon vor dem Anlassen den Schubhebel nach vorne geschoben hat, deshalb heult das Ding auch gleich lauthals auf. Das ist ungefähr so, als würde man beim Auto schon mal das Gaspedal durchtreten, bevor man den Zündschlüssel umdreht. So etwas macht man doch nicht!
21:28:30 Triebwerk Nummer zwei ereilt das gleiche Schicksal.
21:29 Der Pilot lässt abrupt die Bremse los, das Flugzeug bewegt sich sofort auf dem Rollfeld, weil die Triebwerke ja schon Schub liefern.
21:29:30 Sportlich lenkt er den Flieger um die Kurve auf die Runway, vermutlich will der Pilot einen Elchtest ausprobieren oder für den Taxi Brousse Grand Prix üben.
21:30 Die Schubhebel werden an den vorderen Anschlag getreten, mein Magen rutscht in die Hose und die Beschleunigungskräfte ziehen so an meinem Gesicht, dass es kurzzeitig ungefähr so wie das eines neapolitianischen Mastiff aussieht. Wir beschleunigen und steigen keine halbe Minute später gefühlt senkrecht in die Luft.
21:45 Der Pilot bemerkt, das es neben den Stellungen "Aus" und "An, Vollgas" auch eine Stellung für Reiseflug gibt und gönnt den gestressten Motoren ein wenig Entspannung.
22:15 Wir nähern uns Antananarivo. Der Pilot geht in einen Sturzflug Richtung Flughafen über.
22:30 Mit einem satten PLUMPS setzen wir auf.
22:30:05 "Das war's schon?" muss sich der Pilot wohl gedacht haben, traurig darüber, dass der Spaß schon vorbei ist. Ist er aber nicht. Man könnte ja noch den Schubumkehrer ausprobieren, der heutzutage normalerweise nur noch im Leerlauf geöffnet wird, um ein bißchen stärker zu bremsen. Er probiert ihn aber mit "maximum reverse thrust" aus, die Sicherheitsgurte ächzen unter der Bremskraft, mit der wir nach vorne gezogen werden.
22:30:30 Nach einer weiteren sportlichen Elchtest-Kurve auf das Rollfeld werden die Triebwerke abgestellt. Natürlich lässt er sie nicht 5 Minuten lang im Leerlauf abkühlen, wie sich das gehört. Da müsste er ja später Feierabend machen.
22:35 Die ersten Passagiere steigen vorne aus.
22:40 Nachdem die Dösbaddel es nach 5 Anläufen immer noch nicht geschafft haben, hinten die Gangway ranzufahren, steigen wir auch vorne aus. Geschafft!
Unser Tourguide erklärt uns dann, nachdem wir ihm von dem Erlebnis berichtet haben, dass Air Madagascar wohl einen berüchtigten Piloten hat, der immer besonders sportlich fliegt und auch schon mal gerne eine halbe Stunde vorher startet, wer dann nicht rechtzeitig da war, ist selber schuld.
Entweder hat der Pilot den Karrieresprung von Taxi Brousse auf Flugzeug geschafft, oder er gehörte ehemals zur madagassischen Luftwaffe, deren Inventar ihren Weg in die Aluminiumschmelze von Ambatolampy gefunden hat.
Immerhin, wir haben es überstanden. Die B737-300, die schon 20 Jahre
auf dem Buckel haben dürfte, hoffentlich auch.
"Een echte Aventuur" würden die Holländer sagen (woher wir den Spruch haben, erkläre ich in einem späteren Textbeitrag).
PS: Liebe Firma Boeing: baut doch doch bitte in der Madagascar Edition der B737 im Cockpit eine große "MORA MORA" Warnlampe ein. Ist besser für die arg gebeutelte Gesichtshaut der Passagiere.