THEMA: Von Bilhaziose noch nie gehört ???
24 Jul 2007 12:23 #43659
  • Riedfrosch
  • Riedfroschs Avatar
  • Amphibienknutscher
  • Beiträge: 1335
  • Dank erhalten: 356
  • Riedfrosch am 24 Jul 2007 12:23
  • Riedfroschs Avatar
Es ist ganz wichtig, erst einmal einige „Missverständnisse“ zur Lebensweise der Schistosomen zu korrigieren!
Diese Würmer dringen nicht in das Gehirn ein! Sie zerfressen einen auch nicht von innen!
@Georg, Du hast zu viele Science fiction geguckt!! ;-)

Schistosomen sind ganz tolle Würmer. Sie nennt man auch Pärchenegel! Warum? Das erfahrt Ihr weiter unten!

Bilharziose wird durch einen Saugwurm aus dem Stamm der Plattwürmer namens Schistosoma (daher jetzt auch Schistosomiasis genannt) ausgelöst.

Erklärung für Leute mit wenig Zeit:
Eier kommen ins Wasser durch Darm- oder Blaseninhalt, die Larve entwickelt sich über eine Schnecke als Wirt zu einem Stadium, in dem man den Erreger nicht Wurm sondern Cercarie, auch Zerkarie, nennt. Cercarie dringt in Mensch ein, lebt dort als Pärchen in den Venen der Darm- oder Blasenaufhängung, vermehrt sich dort täglich, legt also Eier, die wieder nach außen gelangen. Hakenbesetzte Eier penetrieren Gewebe, das dadurch krankhaft verändert wird.

Erklärung für Leute mit etwas mehr Zeit:

Die Eier werden von den erwachsenen Würmern abgegeben und gelangen über Fäzes, Urin u.a. nach außen (außerhalb des Hauptwirtes) in ein wässriges Medium. Aus der Eihülle schlüpft eine Larve, die man Miracidium nennt. Diese sucht sich den typischen Zwischenwirt, eine im Wasser lebende Schnecke, auf, in die sie über die Haut eindringt.
In der Schnecke entwickelt sich die Larve weiter. Diese weiterentwickelte Larve nennt man dann Cercarie. Sie verlässt die Schnecke wieder, eine Cercarie kann dann ca. 24 h im Wasser überleben. Sie wartet in dieser Zeit auf einen Wirt, der aktiv aufgesucht wird, sie dringt über die Haut innerhalb von wenigen Sekunden ein.
Die drei in Afrika auftauchenden Schistosoma-Arten befallen als Hauptwirte Menschen, Affen, Nager, Haustiere.
Es warten in Gewässern natürlich nicht nur einzelne Cercarien, sondern eine ganze Menge! Die dringen dann z.B. in einen badenden Menschen ein. (Das geschieht unbemerkt!) Nach einer kurzen Anpassungsphase in der Haut wandern die Würmer in die Lunge um dort zu wachsen. Die Würmer gelangen von dort aus an ihren endgültigen Wohnort, die Mesenterialvenen des Darmes oder des Urogenitalsystems. Die Würmer leben nicht im Gehirn sondern in den Venen rund um Darm oder Blase!
Erst im Körper des Hauptwirtes treffen die Männchen auf die Weibchen. Ganz besonders interessant ist dabei, dass der männliche Wurm eine blattförmige Gestalt hat, der weibliche länglich und rund ist. Der männliche Wurm rollt seine Seiten so ein, so dass eine Falte entsteht, in die sich das Weibchen legt. Das Männchen umschließt dann das Weibchen. So verbleiben die Würmer ihr restliches Leben. Sie bilden ein Pärchen, daher werden die Schistosomen auch als Pärchenegel bezeichnet.

Bildquelle: Mehlhorn H./ Piekarski, G.: Grundriss der Parasitenkunde. Stuttgart 1995, S. 189
Diese Pärchenegel erzeugen dann Nachkommen (20 bis 300 Eier am Tag). Sie gelangen über das Blasen- oder Darmgewebe in die Blase oder den Darm. Der Weg nach draußen ist damit garantiert. Die Eier sind jedoch mit Haken versehen, sie verletzen damit das menschliche Gewebe. Auf Dauer kann es dabei zu schweren Erkrankungen kommen. Da die Würmer bis zu 25 Jahren in einem Menschen leben können, können sogar Tumore durch die ständige Reizung entstehen.
Bei Schistosoma mansoni tritt häufig auch eine Leberfibrose auf, da die Eier in die Leber gelangen und dort verkapselt werden.


Schistosomen gibt es auch hier in Deutschland, allerdings sind das keine Arten, die Menschen als Wirte befallen, sondern eigentlich Wasservögel, wie Enten. Cercarien, die sich im Wasser befinden und versehentlich in den Menschen eindringen, sterben bereits in der menschlichen Haut ab, verursachen dort bei sensiblen Menschen eine Dermatitis, auch Weiherhibbel genannt. Das Prinzip gibt es hier auch!

Können wir das Thema nicht vertiefen und noch über andere sprechen??
Schlafkrankheit, Chagaskrankheit, Leishmaniasis, Kala Azar, Dum-Dum-Fieber, Amoebiasis, Echinococcose, Fascioliasis, Lungenegel, Bandwürmer?

Parasiten sind wirklich faszinierende Tiere! Ich habe mich eingehend damit beschäftigt und würde gerne etwas über dieses Faszinosum weitergeben.
Nicht ekeln, sondern staunen, lautet die Devise!

Grüße von Cora
Fachfrau für Parasitologie<br><br>Post geändert von: Parnassia, am: 24/07/2007 12:24
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
24 Jul 2007 12:48 #43664
  • beate
  • beates Avatar
  • Beiträge: 1450
  • Dank erhalten: 481
  • beate am 24 Jul 2007 12:48
  • beates Avatar
W O W !!!

Danke Cora
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
24 Jul 2007 13:05 #43666
  • christian
  • christians Avatar
  • Beiträge: 852
  • Dank erhalten: 74
  • christian am 24 Jul 2007 13:05
  • christians Avatar
Ja Cora!

Schlafkrankheit! Diese wunderbare Fliege die dafür sorgt das Wildtiere
auch noch einen Platz haben.
Bin jetzt sehr oft von diese Tierchen (vergleichbar unseren Bremsen/Tsetse-fliege genannt)
genervt und zerstochen worden. Warum werde ich nicht krank. Ist der Mensch dafür nicht anfällig? Habe darauf noch keine so richtige Antwort gefunden. Das es heilbar ist weiß ich, also werden doch auch Menschen betroffen?!

Hoffe auf eine Antwort von Dir
Christian
Haben wir über pm geklärt,also keine Antwort hier...<br><br>Post geändert von: christian, am: 24/07/2007 14:37
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
31 Jul 2007 16:12 #44446
  • Riedfrosch
  • Riedfroschs Avatar
  • Amphibienknutscher
  • Beiträge: 1335
  • Dank erhalten: 356
  • Riedfrosch am 24 Jul 2007 12:23
  • Riedfroschs Avatar
Christian meinte, dass es für den einen oder anderen vielleicht doch von Interesse sein kann, etwas über die Schlafkrankheit zu erfahren. Daher hier ein kurzer Bericht dazu:

Die Schlafkrankheit wird vor sog. Urtieren (Protozoa), das sind Einzeller, ausgelöst. Es handelt sich also um wirklich sehr kleine Tiere.
Erreger der Schlafkrankheit ist der Einzeller
Trypanosoma brucei gambiense (Westafrika)
oder
Trypanosoma brucei rhodesiense (Ostafrika)

Trypanosomen sind mit einer Geißel ausgestattet. (Eine Geißel ist ein Anhängsel zur Fortbewegung, ähnlich wie bei einem Spermium.)

Der Erreger Trypanosoma brucei (T.b.) wird über die Tse-Tse-Fliege (Glossina spec.) bei einem Stich mit dem Fliegenspeichel übertragen (also eigentlich so wie bei der Malaria).

Wichtige Glossina-Arten sind:
G. palpalis (Regenwälder von West- /Zentralafrika)
G. tachinoeides (westafrikan. Wald- und Savannengebiete und an Flüssen)
G. longipalpis, G. pallidipes, G. longipennis (Wasserläufe in Savannen)
G. morsitans (offene Buschsavanne von West- bist Ostafrika)


Bei so einem Stich gelangen einige hundert einzellige Parasiten in den Menschen. Um die Einstichstelle bildet sich eine Entzündung, ein juckender, auch schmerzhafter Knoten (wird auch Trypanosomenschanker genannt). Daran kann man ggf. schon früh eine Besetzung erkennen!
2 bis 4 Wochen verbleiben die Einzeller in der Haut, dann wandern sie ins Blut weiter. Oft befallen sie auch zeitgleich die Lymphdrüsen, die anschwellen (auf die Nackendrüsen achten!).
Nach drei Monaten im menschlichen Blut wandert T. b. in die Spinalflüssigkeit des Menschen ein. Man erkrankt darauf hin (logisch!), die Symptome sind denen einer Meningoenzephalitis (Hirnhautentzündung) ähnlich. Hierbei kommt es zum Symptom des Schlafes, was der Krankheit den Namen gegeben hat (völlige Apathie). Für den Menschen sind vor allem die abgestorbenen Erreger gefährlich, die die Spinalflüssigkeit nach und nach vergiften.
Einige Erreger aber verbleiben im Blut, wandern nicht in die Spinalflüssigkeit ein. Diese werden von der saugenden Tse-Tse-Fliege wieder aufgenommen. In ihrem Darm findet dann eine Vermehrung und Umwandlung des Parasiten statt (sehr kompliziert mit vielen jetzt nicht aufgeführten Details) dort wandern die dann in die Speicheldrüse der Fliege ein, bei einem Stich wiederum übertragen. Bei Glossina stechen Männchen und Weibchen! (Nicht wie bei den Mücken nur die Weiber!)

Bei den Trypanosomen ist etwas besonders: Sie verändern stets ihre Form und den Geißelansatz. Je nach dem, in welcher Form sich der Parasit gerade befindet ist er nicht infektiös für den Menschen! Wenn man etwas über Trypanosomen liest, wird das in Fachbüchern mit den Fachwörtern pro- und epimastigote Formen beschrieben. Das habe ich jetzt weggelassen. Sonst könnte man darüber ein Buch schreiben.
T.b. muss auf jeden Fall relativ lange in der Fliege bleiben, bis er infektiös wird!

Als Reservoirwirte werden vor allem Schweine und Ratten gesehen. In denen leben auch Trypanosomen, so dass Glossina immer mal wieder dort stechen kann und erneut Erreger aufnimmt, diese dann an den Menschen weitergibt.
Ob die Tiere selbst auch erkranken, weiß ich leider nicht. Wäre aber interessant zu wissen.

Die Entwicklung von Trypanosoma ist in der Tse-Tse-Fliege nicht so einfach, unter natürlichen Bedingungen sind nur 0,1 – 0,4 % der Fliegen infiziert! Das erklärt sicher, dass nich jeder Stich einer Tse-Tse-Fliege folgenreich ist. Ganz im Gegenteil, man kann ziemlich relaxt sein.
Am besten ist der Erreger abzutöten, wenn die Parasiten noch nicht in der Spinalflüssigkeit sind.

Ich wünsche uns allen, dass wir davon verschont werden!
Aber wenn wir in Nam, SA oder Bot bleiben, müssen wir diesbezüglich keine Sorge haben.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.