THEMA: Kontraproduktive Aufforstungsaktionen in Afrika??
25 Feb 2024 16:32 #683066
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  • Biologe am 25 Feb 2024 16:32
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Mitglied 19210 schrieb:
"Innerhalb von nur 1 oder 2 Jahrhunderten ist wieder Wüste draus geworden."
Das stimmt so nicht! Noch zu Zeiten Roms war Nordafrika (einschl. der nördlichen Teile der Sahara) die Kornkammer Roms!
Die Desertifikation ist in erster Linie auf die radikale Abholzung in der Antike (Schiffsbau für Handel und Marine) zurück zu führen. Gleiches gilt für die nördl. Mittelmeerstaaten.
Beste Grüße
Michael
7x Namibia, 2x S-Afrika, ca. 45x Atlantische Inseln (Kapverden > 25x, Kanaren, Madeira, Azoren); 7x W-Afrika (Senegal, Guinea Bissau, Gambia, Sierra Leone), Marokko, Tunesien, Jemen, Madagaskar, USA, Kanada, Costa Rica, ziemlich viel ME & SE rauf und runter und kreuz und quer
Letzte Änderung: 25 Feb 2024 17:14 von Biologe. Begründung: Zusatz
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25 Feb 2024 17:39 #683073
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Der ntv-Artikel ist wohl konkreter aber bez. die Berechtigung eines derart pauschalen Alarms ist das für mich trotzdem keine Entscheidungshilfe. Alleine schon deswegen, weil die Kritik nicht zwischen den Savannenarten (Baum/Busch/Gras) und der Nutzung (keine = Natur- vs. besiedelte = Nutz/Kulturlandschaft) und PS: dem Zustand = intakt vs. schwer geschädigten („degraded“) unterscheidet. Die Projektliste im Wiki vermittelt dagegen schon den Eindruck, dass situations- und problembezogen und differenziert vorgegangen wird. z. B. die Schwerpunktsetzungen in Kenia:

Reforestation to 10% forest cover.
Forest restoration for wildlife use.
Agoforestry including as main crop, co-crop, or boundary crop.
Buffers along waterways to reduce erosion.


Der Teufel liegt wohl, wie meistens, im (Umsetzungs-)Detail. Vom Schreibtisch in Europa ist das sicher nicht zu bewerten, weil viele Für und Wider vor Ort zu berücksichtigen sind. So ablehnungswert z. B. eine Eukalyptusplantage per se sein mag, wenn dadurch bereits übernutztes bis kaputtes Land stabilisiert wird und letzte Hartholzbestände vor den Köhlern und Häuslbauern gerettet werden können, kann das auch das kleinere Übel sein.

Es stört mich auch etwas, wenn einerseits kritisiert wird, dass Baumsavanne falscherweise als „Wald“ bezeichnet wird, dann aber das Bäumepflanzen dort als „Aufforstung“ ..... schmeckt doch irgendwie nach semantischen Selbstüberdribbeln B) . Oder wenn Bilder von Baumsavanne als Grasland tituliert werden, fragt man sich schon …..

Und last but not least hätte ich gerne erklärt bekommen, warum z. B. eine durch Menschen und ihre Helfer, die großen grauen Landschaftsgärtner, durch Entfernung von Bäumen geschaffenen reine Graslandschaften danach so viel „hochwertiger“ seien als zuvor.
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25 Feb 2024 19:43 #683089
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Biologe schrieb:
Mitglied 19210 schrieb:
"Innerhalb von nur 1 oder 2 Jahrhunderten ist wieder Wüste draus geworden."
Das stimmt so nicht! Noch zu Zeiten Roms war Nordafrika (einschl. der nördlichen Teile der Sahara) die Kornkammer Roms!
Die Desertifikation ist in erster Linie auf die radikale Abholzung in der Antike (Schiffsbau für Handel und Marine) zurück zu führen.

Da bin ich kein Experte und wenn Du da gute Quellen hast, dann stelle sie gern ein. Mein rudimentärer Wissensstand dazu war bisher, dass es vor 5.500 Jahren recht abrupte Klimaänderungen gab. Bei Wikipedia steht dazu "Zwischen 4000 und 3500 v. Chr. begann in der Sahara die Trockenphase, die innerhalb weniger Jahrhunderte oder Jahrzehnte zur Verdrängung des Lebens aus der Wüste führte. "
de.wikipedia.org/wiki/Sahara#Geschichte

Grüße
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25 Feb 2024 21:53 #683099
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Hallo,
ich habe mich definitiv auf Nordafrika bezogen; hieraus ergibt sich auch der Kontext zu den nördlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers. Dass die Sahara insgesamt eine viel komplexere Geschichte hat ist unbestritten.
Sucht man bei Google nach "Kornkammer Roms" stößt man auf zahreiche Artikel, u.a. auch auf den von Ralf Julke:
Als der Norden Afrikas noch die Kornkammer Roms war und der Tummelplatz von Pferden und Elefanten
21. Juli 2017
In Lehrbüchern zur Zoogeographie [u.a. Delattin, G.: (1967): Grundriß der Zoogeographie; G. Fischer, Stuttgart] finden sich (natürlich) sehr fundierte Beiträge.
Beste Grüße
Michael
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Dann war Deine Aussage "Das stimmt so nicht!" bezüglich der Klimaänderung in der Sahara aber etwas vollmundig. Das römische Reich hat sich in Nordafrika nur auf den küstennahen Streifen erstreckt, der (auch heute) überwiegend nicht zur Sahara zählt. Die "Kornkammer Roms" lag also nicht in der heutigen Sahara. Insbesondere auf einem ca. 250 km breiten und knapp 2000 km langen Streifen zwischen Tunesien und der Westküste Marokko gibt es auch heute noch recht viel Landwirtschaft.

Römisches Reich, größte historische Ausdehnung (Quelle Wikipedia):


Sahara (Quelle Britannica):



Grüße
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Falls es noch irgendwen interessiert, habe ich mir die Studie jetzt doch mal etwas angeguckt. Die These ist ja, dass rund 700.000 km² in Afrika fälschlicherweise aufgeforstet werden - mit angeblich verheerenden Folgen.

Vorneweg: Man darf bei "Wald" nicht nur an deutschen Wald mit 15-30 Meter hohen Bäumen und einem weitgehend geschlossenem Dach aus Baumkronen denken. Es gibt von verschiedenen internationalen Organisationen verschiedene Definition für Wald. Sie haben meist gemein, dass dort wachsende Pflanzen mindestens 5m hoch werden können müssen, mit ihren Kronen je nach Definition mindestens 10-40% des Bodens abdecken müssen und es um eine zusammenhängende Fläche von mindestens 0,1-1 ha geht.

Wie kommen die 700.000 km² angeblich falscher Aufforstungsfläche in der Studie zustande? 259.264 km² "falscher" Aufforstungsfläche entfallen auf 8 Länder (Burkina Faso, Chad, Lesotho, Mali, Namibia, Niger, Senegal, The Gambia), in denen es laut Studie absolut null Wald gibt und deshalb per se gar nichts aufgeforstet werden darf. Laut allen anderen Erhebungen gibt es in diesen Ländern aber sehr wohl Wald.

In Namibia geht es in bezug auf die Studie nur um winzige Flächen, aber weil das Land vielen hier am besten bekannt ist, eignet es sich vielleicht auch am besten als Beispiel: Laut Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen gibt es in Namibia 6.639 km² Wald. Das bedeutet nur 0,8 Prozent der Fläche Namibia zählen laut FAO heute als Wald. Namibia hat 764 km² zur Aufforstung im Rahmen des AFR100-Projektes angemeldet. Das betrifft dann 0,09% der Fläche Namibias. Laut der Studie ist die FAO-Definition aber unbrauchbar und Namibia hat null Wald. Entsprechend sei es verheerend, wenn da irgendwas aufgeforstet ist.

Das ist hier ist Namibia (Foto FSC):


Das auch (Foto WWF):


Nein, ihr habt jetzt keinen Wald gesehen (Definition siehe oben). Wald gibt es laut der Studie in Namibia nicht. Ihr habt gerade 2 Bilder mit offener Savannenlandschaft gesehen. :woohoo: Und wo es keinen Wald mehr gibt, darf man laut Studie nicht aufforsten.

Bezogen auf ein einzelnes Land macht der Sudan den größten Brocken aus, wo angeblich allein 143.245 km² fälschlicherweise aufgeforstet werden sollen. Laut Studie hat der Sudan zwar eine winzige Fläche Wald, weist aber fast das 50fache zur Aufforstung aus. Die UN sagt, dass 65% der Fläche vom Sudan von Desertifikation betroffen ist. Die nun zur Aufforstung vorgesehene Fläche macht 7,6% der Fläche des Sudan aus.

Und weitere 191.680 km² angeblich falscher Aufforstungsfläche entfallen laut Studie auf Wälder, die Top in Schuss sind und keinerlei Aufforstung bedürfen.

Ich bin immer noch kein Experte für das Thema und mit Sicherheit werden bei so großen Projekten, die sich aus unzähligen Teilprojekten zusammen setzen, auch Fehler gemacht, die dann zurecht kritisiert und adressiert werden. Aber die Zahlen aus der Studie und den alarmistischen Ton halte ich jetzt für völligen Schrott. Anscheinend möchte die Frau sich vor allem wichtig machen.

Grüße
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