THEMA: Olufuko - präkoloniale Kultur oder Kinderheirat
14 Sep 2023 15:39 #673776
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  • lilytrotter am 14 Sep 2023 15:39
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Liebes phantom,

wir sind weit entfernt davon, Irgendjemandem in sein Leben pfuschen zu wollen. Schon garnicht in einem Land, in dem wir zu Gast sind.
Und, - natürlich haben wir eine eigene Meinung zu gewissen tradierten Dummheiten und äußern diese auch mal,
ob hier oder da oder in Amerika… :silly:
Aber, als Tourist auf einem öffentlich zugänglich Traditionellen Fest Angelegenheiten zu beklatschen, die wir ablehnen, ginge uns dann doch ein bisschen zu weit.

Und natürlich ist uns bekannt, dass auch islamisch geprägte Kulturen ebensolche Dummheiten in ihren Traditionen aufweisen sowie einige vorchristlich/christlich geprägte (und es gibt noch vieles mehr)
Die Historie ist voller Berichte und Nachweise der widerlichsten Gruseligkeiten als „Traditionen“. Die Grenzen zu „gewöhnlichen“ Unterdrückungsmechanismen sind dabei leider fließend.
Jeder kann machen was er will, wenn er niemandem anderen damit schadet.
Freue dich, dass ihr eine glückliche Familie seid und deine Töchter freiwillig diese Tradition leben wollen. Toleranz und Freiheit ist eine wesentliche Grundlage dafür.

Alles Gute lilytrotter





PS: Was mich mittlerweile etwas wundert, - dass jaw, der ja die Diskussion angestoßen hat und durchaus ein Kenner der Gegebenheiten ist, hier bisher keine eigene Meinung zum Besten gegeben hat…
Gruß lilytrotter


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Walvisbay boomt
Letzte Änderung: 14 Sep 2023 15:41 von lilytrotter.
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15 Sep 2023 20:50 #673852
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  • jaw am 15 Sep 2023 20:50
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Lilytroter schrieb:
PS: Was mich mittlerweile etwas wundert, - dass jaw, der ja die Diskussion angestoßen hat und durchaus ein Kenner der Gegebenheiten ist, hier bisher keine eigene Meinung zum Besten gegeben hat…

das liegt einfach daran, dass ich keine eigene Meinung dazu habe. Ich habe schon an einigen privaten und öffentlichen traditionellen Feiern/Festen teilgenommen und mache da auch einiges mit (zuletzt der im Poitje stundenlang gekochte Ziegenkopf). Dazu kann ich mich possitionieren und meine Meinung äußern. Ggf. ändere ich meine Vorurteile auch nach einem Versuch, aber nicht immer.
Aber hier fehlt mir wirklich "die eigene Meinung". Ich kenne Forschungsergebnisse, die systematisch die Familien und das Aufwachsen von Kindern in den verschiedenen Ethnitäten in Namibia untersucht haben. Da fallen die Ovambo in vielerlei Hinsrich auf, bis hin dass traditionell Eltern ihr Kinder (besonders die Söhne) nicht selbst erziehen sollten, weil sie dann verweichlicht würden. Daher werden die Kinder zu Verwandten gegeben, wo sie aufwachsen. Auch dabei enthalte ich mich einer Meinung.
Aber eigentlich lehne ich Kinderehen grundsätzlich ab, sehe hier aber die massiv seit Corona nochmal gestiegenen Zahlen minderjähriger Mütter. Und dann ist mir nicht klar, ob die Heirat wirklich die schlechte Lösung ist, auch angesichts von Mißbrauchs- und Vergewaltigungsgefahren im sozialen Nahraum.
Ich hatte eine Einladung dort hinzufahren, weil die kleine Schwester einer Bekannten dort Teilnehmerin war. Ich habe mich dagegen entschieden. Meine Bekannte war nicht erfreut. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich mich dabei nicht wohl fühlen würde. Auch wurde ich mit vielen Worten beruhigt, aber ich wollte doch nicht Teilnehmer sein. Aber ich bin auch nicht dabei, sowas zu verbieten.
Aber eine fundierte Meinung habe ich nicht, nur Bauchgefühle.
Viele Grüße
jaw
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Letzte Änderung: 15 Sep 2023 20:51 von jaw.
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Vielen Dank für deine Antwort!
Gruß lilytrotter


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16 Sep 2023 11:10 #673867
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jaw schrieb:
Aber eigentlich lehne ich Kinderehen grundsätzlich ab, sehe hier aber die massiv seit Corona nochmal gestiegenen Zahlen minderjähriger Mütter. Und dann ist mir nicht klar, ob die Heirat wirklich die schlechte Lösung ist, auch angesichts von Mißbrauchs- und Vergewaltigungsgefahren im sozialen Nahraum.

Dieses (Schutz)Argument (falls so gemeint?) gibt es auch in anderen Kulturkreisen, wo solche Unsitten (noch) bestehen, aber es ist mE nicht stichhaltig. Denn das junge Mädchen/die junge Frau verliert auf alle Fälle, kommt bloß vom Regen in die Traufe, ist wie Pest oder Cholera, weil: keine selbstbestimmte Partnerwahl, keine Ausbildung, keine Perspektive auf eigenständige Entwicklung ….

Solche (Männer)Gesellschaften müssen ihre Verfasstheit grundsätzlich hinterfragen, die es „nötig“ machen würde, dass die jungen Frauen durch Frühverheiratung (oder PS 12:55: Frühverlobung) vor der „Männerwelt geschützt“ werden müsste. Daran führt kein Weg vorbei, auch wenn es noch lange dauern wird, mM
Letzte Änderung: 16 Sep 2023 12:54 von tacitus.
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  • jaw am 15 Sep 2023 20:50
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Tacitus schrieb
Solche (Männer)Gesellschaften müssen ihre Verfasstheit grundsätzlich hinterfragen, die es „nötig“ machen würde, dass die jungen Frauen durch Frühverheiratung (oder PS 12:55: Frühverlobung) vor der „Männerwelt geschützt“ werden müsste.

schöne Theorie aber weit weg von lokaler Realität. Eine vergebene Frau ist mehr geschützt weil der Ehemann (auch zukünftige) hätte das Recht den Vergewaltiger zu strafen. Möglich wäre auch die Tötung, aber meist muss er sich freikaufen. Ein lediges Mädchen ist verfügbar und weitgehend ungeschützt.
Liebesheirat mit freier Partner suche wie bei uns gibt es meist nicht. Zwar können die jungen Menschen Partner wählen, aber dann muss er die Frau mit dem obligatorischen Brautpreis kaufen. In vielen Ethnitäten ist es völlig akzeptiert, dass die Mädchen vor der Ehe sexuell aktiv sind. Bei den Himba z.B. steigt der Brautpreis wenn das Mädchen schon ein oder mehrere Kinder hat, da sie ja bewiesen hat fruchtbar zu sein.
Leben ist kein Wunschkonzert und von uns Weißen paternalistisch unser Vorstellungen den verschiedenen Kulturen vorzuschreiben funktioniert seit Ende des Kolonialsystems nicht mehr wirklich und damals auch nicht so wirklich, weil unter der Fassade alte Kulturen immer weiter gepflegt wurden.
Ich beobachte vieles, registriere die Unterschiede zu meinem Leben, meiner Denkweise. Aber gerade Namibia leistet sich ein Parallelsystem zwischen weltlicher Gerichtsbarkeit gemäß Verfassung etc. und der traditionellen Gerichtsbarkeit. In vielen Fällen ist entscheidend, wer zuerst an welchem Gericht Appeliert. Das ist dann abschließend zuständig. Und da werden bei den Ovambo z.B. Frauen und Kinder mit vererbt, werden dann weitere Ehefrau im Hof des ältesten männlichen Verwandten des Verstorbenen Familienvaters. Wenn sie das nicht wollen, dann kommt die Verwandtschaft und holt alles männliche Eigentum (Land, Vieh etc.) ab und es bleiben nur Kochgeschirre und und die Hütte übrig, wo die Witwe mit den Kindern bleiben kann. Früher durfte sie nicht mal Anträge bei Behörden selbst stellen (Waisenrenten z.B.) dafür waren männliche Verwandte nötig.
Frauenrechte sind anders als bei uns, auch wenn vieles im urbanen Windhoek so fortschrittlich aussieht.
Viele Grüße
jaw
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17 Sep 2023 11:14 #673914
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  • naMartin am 17 Sep 2023 11:14
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.... jedes Jahr kommt diese Diskussion wieder auf und fast niemand war wirklich mal dort. Olufuko in Outapi ist vor allem eine Trade Fair, wie sie inzwischen sehr viele Städte im Norden Namibias veranstalten (angefangen mit der erfolgreichen Ongwediva Trade Fair). Die traditionelle Olufuko-Feier ist nur ein kleiner Teil davon, aber natürlich der medienwirksamste. Wer sich an der jährlichen Feier stört, sollte vielleicht eher einen grundsätzlichen Diskurs zu traditionellen Normen suchen. Was jährlich in Outapi öffentlich gefeiert wird, spiegelt wieder, was in ländlich geprägten Gegenden in unterschiedlichen Formen noch praktiziert wird. Wichtiger als die Fragen, ob Mädchen vereinzelt jung verheiratet werden, finde ich die Stellung von Mädchen in der Gesellschaft generell, Machtgefüge, Toleranz von Missbrauch, Chancengleichheit etc. Man kann das Olufuko-Fest in Outapi boykottieren, erreicht damit aber vermutlich wenig.
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