THEMA: Der Tag der kleinen Maus
15 Nov 2007 21:30 #52993
  • Gforce
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  • Gforce am 15 Nov 2007 21:30
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Was machen die den ganzen Tag? Diese Frage stellt sich der normale Bürger ziemlich häufig, wenn er die Statements der Großen und Wichtigen der Welt vom TV oder der gemeinen Presse präsentiert bekommt. Wie kommt diese ausgesuchte Gruppe zu ihren Entscheidungen? Mir ist es gelungen, einen ganzen Tag als kleine Maus, den Großen aufs Maul zu schauen. Was man dabei zu hören bekommt, erklärt die Eingangsfrage.
Ausflug nach Angola, zu einem wichtigen Treffen mit Partnern aus diesem von den Folgen des Krieges gebeuteltem Land. Einer der Großen ist der unser Minister Amdimba Toivo ya Toivo. Er ist heute guter Dinge, man merkt ihm an, dass er sich freut, seinem Büro für diesen Tag fernbleiben zu dürfen. Mit seiner charmanten Altersweisheit stellt er sich den ganzen Tag als „Mitarbeiter des Ministeriums für Bergbau und Energie“ vor. Wissend ob der kurzen Verblüffung, die er damit jedes Mal bei seinem Gegenüber für einen kurzen Moment hervorruft. Ein freundlicher Mensch.
Auf dem Weg zur Grenze kommt der Konvoi an einem Einsamen Bottle Store vorbei. Die spontane Entscheidung von Minister Helmut Angula, hier einzukehren, wird von allen begeistert begrüßt. Die Fahrzeuge halten vor dem Laden, der sonst nur von ausgetrockneten Landarbeitern aufgesucht wird. Als die Frauen, die den Laden betreiben, erkennen, um wen es sich bei den Besuchern handelt, werden sie ganz aufgeregt. Die großen Menschen drängeln sich an der kleine Theke. Das Frollein dahinter kennt natürlich nicht die Regeln des Protokolls. Sie bedient, wie sie es immer tut: stoisch, einen nach dem anderen, ohne Ansehen der Person. Mehrere Bestellungen gleichzeitig werden hier, wo man die volle Bedeutung dieses Besuchs noch zu würdigen weiß, nicht ausgeführt. Und für etliche der Wichtigen war es mit Sicherheit der erste hautnahe Besuch eines solchen Ortes. Helmut Angula zeigt sich spendabel. Mensch unter Menschen.

:whistle:
Einige Meter hinter der Grenze, hält das schwarze Führungsfahrzeug der Angolaner an. Eines der dunkelgetönten Fenster öffnet sich und die Insassen werden sichtbar. Dunkele Männer mit öligen Haaren und übergroßen Händen, mit schweren Goldketten behangen. Einer ruft einem Passanten etwas zu, worauf der in einer Hütte verschwindet und mit einer Kalaschnikov in der Hand wieder auftaucht und diese den Insassen des schwarzen Fahrzeugs übergibt. Menschen in Angola.
Ein opulentes Büffet auf der Staumauer bei Calueque erwartet die Teilnehmer des Treffens. Fast alles was das Herz begehrt, ist hier aufgefahren. Da bricht die jahrelange Routine der Großen durch. Hier sind sie in ihrem Element. Mit großer Eleganz schaffen sie es, immer in der ersten Reihe zu stehen und dort mit brillantem Smalltalk ihren Nachbarn abzulenken. Das ist der Trick! Damit kommt man immer als erster an die besten Stücke. Außerdem hält man durch das vorgetäuschte Gespräch seine Position. Die anderen stauen sich zwangsläufig hinter dieser Mauer aus Profis. Große Menschen eben.

;)
Alle sind satt, das Essen war hervorragend. Minister Angula erhebt sich, um seine vorbereitete Rede zu halten. Er setzt seine Sonnenbrille ab, ergreift das Manuskript und hält ein. Zu ya Toivo gewandt, sagt er „Can I please get our common glasses?“ Ya Toivo überreicht ihm seine Brille. Während Helmut (Angula) seine Rede hält, sitzt Andimba blind daneben, fehlsichtig wie ein Maulwurf. Während des Beifalls über seinen Vortrag setzt sich Angula wieder hin. Ya Toivo erbittet unverzüglich seine Brille zurück. Als er wieder unter die Sehenden heimkehrt, schaut er bedeutungsvoll in die Runde bei Tisch und erzählt folgende Geschichte: Seit langer Zeit kennen sie sich. In Kindertagen hatte Helmut die Hirtenrolle für die Herde seiner Familie übernehmen müssen. Doch war damals sehr faul. Andimba, der Nachbarssohn, musste ihn immer zur Arbeit antreiben. Doch schon zu diesen Zeiten erwies sich Angula als ein gerissenes Schlitzohr, der dem größeren Ya Toivo viel Mühe bereitete. Das junge Leben der kleinen Großen Menschen.
Gesättigt, körperlich unversehrt und recht zufrieden kamen wir alle wieder zurück nach Ruacana.

ae

:blush:
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