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THEMA: Kanpp am Mond vorbei
07 Nov 2007 17:17 #52381
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  • Gforce am 07 Nov 2007 17:17
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Reisebericht

:whistle:

Eine lange Strecke haben wir heute schon zurückgelegt. In Lusaka gab es einige Verzögerung, weil der Geldwechsel endlose Zeit gekostet hat. Dann überhitzte der Motor und zwang uns zu einem weitern zeitraubenden Aufenthalt. Trotzdem liegen wir noch einigermaßen in unserem Zeitplan. Wir kommen aus Windhoek, haben den Caprivi hinter uns, den Zambezi überquert und die Stadt Livingstone am gestrigen Nachmittag durchfahren.
Die Sonne geht unter. Obwohl wir uns zurzeit gerade auf einer halbwegs passablen Straße befinden, möchte ich nicht mehr weiterfahren. Die einbrechende Dunkelheit und der starke Verkehr nehmen mir die Lust dazu. Die letzten 70 Kilometer für heute übernimmt Hermann, er ist ausgeruht. In gutem Tempo treibt er den alten Land Rover voran.

:blink:

Die Verkehrsverhältnisse in Zambia sind tagsüber gut ertragbar, nachts jedoch voller Risiken. Man sollte es sich wirklich nicht antun! Doch unser Zeitrahmen bei dieser Tour ist sehr eng. Wir wollen innerhalb weniger Tage den Tanganjikasee erreichen. Diese Tour soll uns zu den alten Pfaden führen, die der deutsche Pionier Paul Graetz bei seiner ersten Afrikadurchquerung mit dem Auto benutzte.
Da in Zambia ein großer Mangel an vielen Dingen herrscht, verwundert es uns nicht allzu sehr, in welch schlechtem technischen Zustand sich die Fahrzeuge befinden. Besonders bei Dunkelheit treten die Mängel ärgerlich hervor. Kaum ein Fahrzeug verfügt über ein normales Licht. Entweder es funktioniert nur ein Scheinwerfer, oder nur das Fernlicht oder sonst eine kreative Leuchtvariante. Die Einheimischen Autofahrer haben es gelernt, sich damit zu arrangieren. Begegnen sich zwei Fahrzeuge, so setzen die Fahrer den aussenliegenden Blinker. Damit kann die ungefähre Wagenbreite des ankommenden Wagens abschätzen. So hangelt man sich durch.

:angry:

Hermann kommt gut voran. Er treibt einen BMW vor sich her, dessen Fahrer einen eigenartigen Fahrstil pflegt. Mal rast er los, so dass wir ihn kaum noch erkennen können, dann wieder schleicht er über den Teer, bis wir wieder hinter ihm hängen. Ich schaue dem Treiben dösend zu. In der staubigen Luft ging der volle Mond rotleuchtend auf. Dieser Anblick bezaubert mich immer wieder.
Der BMW eiert weiter vor uns her. Hermann beginnt leise zu fluchen. Es kann nicht mehr weit bis zu unserem heutigen Ziel sein. Über den vielen Scheinwerferkegeln steigt der Mond langsam höher. Ich träume immer noch, als der BMW hinter einer Kuppe verschwindet. Als wir darüber kommen wird der Mond plötzlich heller, größer, er kommt rasend schnell näher, ganz dicht heran. Dann knallt es dumpf. Wir sind auf den BMW aufgeprallt. Der Land Rover versetzt leicht nach rechts und wird gegen einen LKW gedrückt. Dadurch fliegt die Fahrertür auf, die der LKW mit einer hässlichen Geräuschkulisse aus den Angeln reißt und mit seinen sechs Achsen auf Briefpapierstärke plattwalzt. Wir springen entsetzt aus dem Wagen und schauen uns die Szene an.

:woohoo:

Links im Straßengraben liegt ein alter Bakkie. Auf dessen Ladefläche sitzen einige verstörte Menschen. Vor uns klettern vier Chinesen aus dem Wagen, der erstaunlich wenig Schaden genommen hat. Unser Land Rover sieht schlimm aus. Das linke Vorderrad steht in abnormalem Winkel aus der Spur, das Rad selbst ist weit nach hinten gedrückt. Der Kotflügel ist fast abgerissen. Die Fahrertür liegt auf der Straße. Der LKW ist verschwunden.
Hermann gelingt es, den waidwunden auf die Seite zu bewegen. Dann sichert er die Unfallstelle mit Warndreiecken und holt die Platte Tür von der Straße. Carsten kümmert sich um die Chinesen, ich mache Fotos von den Fahrzeugen. Binnen weniger Minuten wird die Straße von Schaulustigen bevölkert, die scheinbar aus dem Nichts kommen. Ich bleibe dicht bei unserem Wagen, um auf unsere Ausrüstung aufzupassen. Unachtsamkeit wird hier gnadenlos bestraft.

:X

Die Chinesen kommen auf mich zu. Sie erzählen mir, aufgeregt schnatternd, was vorgefallen war. Als sie die Kuppe passierten, sahen sie sich dem Bakkie gegenüber, der versuchte –bergauf – den LKW zu überholen. Der Fahrer des Bakkie reagierte flink und lenkte seinen Wagen umgehend in den Straßegraben. Der BMW-Fahrer erschreckte sich verständlicherweise derart, dass er mit einer Vollbremsung reagierte und damit mitten auf der Straße stehenblieb. Das war uns er Pech! Nachdem sie mir ihre Geschichte erzählt hatten, suchten die Asiaten nun den Fahrer des Bakkies ausfindig zu machen. Dabei sind sie mit ihrem Umgangston nicht zimperlich. Besonders die Frau des Fahrers hebt sich durch arg abfällige Bemerkungen über die Bevölkerung Zambias hervor. Die Chinesen bezeichnen sich selbst als große Investoren im Land. Es meldet sich verschüchtert ein Mann gesetzten Alters als der gesuchte Fahrer. Sofort fallen die Chinesen über ihn her. Sie machen Gesten, als ob sie ihn erschießen möchten. Es fallen jede Menge „F“-Wörter. Der Fahrer beteuert, dass er nicht plant, sich von der Unfallstelle zu entfernen. Das hilft aber kaum, den Redeschwall der Investoren zu besänftigen.
Die Polizei von Kapiri Mposhi ist immer noch nicht eingetroffen. Dabei liegt der Ort in Sichtweite der Unfallstelle. Hermann begutachtet den Schaden an unserem Fahrzeug, sammelt alle abgerissenen Teile auf und beginnt mit den ersten, notdürftigen Reparaturen. Er fixiert die Vorderachse, so dass wir damit hoffentlich die nahe Stadt erreichen können. Der Verkehr ist immer noch unglaublich stark. Da wir direkt hinter der Kuppe stehen, ist die Gefahr groß, dass uns eventuell ein weiteres Fahrzeug in Schwierigkeiten bringen kann.

:P

Endlich trifft die Polizei ein. Die Beamten unterziehen alle Beteiligten einer kurzen Befragung. Dann bitten sie uns, ihnen zur Wache zu folgen. Hermann hat gute Vorarbeit geleistet. Es gelingt ihm tatsächlich, unser Wrack mit viel Geschick und Kraft bis auf das Polizeigelände zu bugsieren. Hier beginnt die Polizei mit der Spurensicherung an den beteiligten Fahrzeugen und mit einer intensiven Recherche des Unfallgeschehens. Dabei entgleitet dem chinesischen Fahrer wieder die Kontrolle über sein Temperament. Nun versucht er, neben den derben Anschuldigungen, die er an den zambischen Beteiligten auslässt, auch noch einen Altschaden an seinem PKW ins Gespräch zu bringen.
Der Blechschaden an seinem Wagen – vorne links, wo er von keinem anderen Auto berührt worden war – versucht er als aktuelle Schadstelle anzupreisen. Keiner glaubt ihm, selbst die Polizisten grinsen. Das erregt ihn noch mehr! Hermann, ein gelernter Kfz-Meister, hat genug davon. Er herrscht den Chinese an: „I am a master of mechanic! If you tell us, this damage on your car is relatet to the accident we had, then you are lying!”

:silly:

Die Beamten bitten uns alle in die Wache, um den Unfall zu protokollieren. Alle sind sich einig, das der Bakkie der Verursacher des Desasters war. Der Chinese „erschießt“ den Zambier daraufhin mehrfach symbolisch und ist nun nicht mehr unter Kontrolle zu bringen. Daraufhin beschließt der Polizeichef, diesen Chaoten aus dem Haus zu weisen. In entspannter Atmosphäre wird das „Indaba“ nun fortgesetzt. Gegen 23:00 Uhr scheint alles geklärt zu sein. Wir erhalten die Erlaubnis, auf der kleinen Grasfläche vor der Wache unser Zelt aufzubauen. Hundemüde kriechen wir in unsere Schlafsäcke und schlafen sofort ein.
Am Morgen, nach einer Katzenwäsche unter den Augen der Öffentlichkeit; werden wir von dem leitenden Beamten ins Büro gerufen. Er erklärt uns, dass er, nachreiflicher Überlegung während der Nacht, zu der Überzeugung gelangt ist, dass wir die Schuldigen sind, nicht der Bakkie-Fahrer. Das auf nüchternen Magen! Er legt Hermann ein vorgefertigtes Dokument vor, in dem er seine Schuld per Unterschrift dokumentieren soll. Hermann lehnt diesen Wunsch brüsk ab. Die Sache wird vertagt, wir können das Büro verlassen.

:lol:

Nun beraten wir, was denn den Umschwung ausgelöst haben könnte. Wir sind recht schnell bei dem (vermutlichen) Grund gelandet: Während der Verhandlung der letzten Nacht hatte Carsten mehrfach betont, dass sein Wagen versichert sei. Wendet man nun afrikanische Logik an, dann kommt man zu folgendem Resultat: Der zambische Fahrer hat kein anderes Fahrzeug berührt, also keinen Schaden verursacht. Er hat natürlich auch nicht das nötige Geld, den gesamten Schaden zu begleichen. Wir Deutsche sind in den BMW gefahren und versichert – alles klar?!
Hermann und Carsten fahren mit einem Taxi in die Stadt, um Ersatzteile für den Landy zu finden. Hermann glaubt fest daran, die Karre wieder flott zu kriegen. Ich bewache in der Zwischenzeit die Fuhre. Dabei habe ich genügend Ruhe, um das Treiben um die Polizeiwache, die gleichzeitig auch das Amtsgericht beherbergt, zu beobachten
Stunden später kommen meine beiden Freunde wieder. Sie haben alles gefunden, um unseren Wagen wieder fahrtüchtig zu machen. Dass die Tür fehlt und kein Kotflügel aufzutreiben war, das stört weniger. Denn auch ohne diese Teile fährt ein Auto! Als Hermann mit der Reparatur beginnt, kommen die Beamten neugierig hinzu, um den „master of mechanics“ über die Schulter zu schauen. Bewunderndes Gemurmel ob seiner Effizienz und dem geschickten Aufbau der Vorderachse. Nach knapp zwei Stunden ist der Land Rover wieder verkehrstüchtig. Unter dem Beifall der Zuschauer dreht Hermann eine Runde auf dem Hof und nickt dabei zufrieden.
Nach einer weiteren Nacht im Zelt vor dem Amtsgebäude, gehen wir am Morgen zu dem Offizier, um die heutige Sachlage zu klären. Wir werden freundlich empfangen. Dann überreicht man Hermann ein neues Dokument. Darin steht, neben den persönlichen Daten des Führers und des Unfalls:

Aufgrund dessen, bittet diese Polizeiwache um jede Unterstützung (offizieller Stellen) die nötig ist, um den Fahrer dieses Wagens, sowie seinen Passagieren die Möglichkeit zu geben, ihr Ziel zu erreichen. Wir bedanken uns im Voraus für Ihre Unterstützung.
Verkehrspolizei Kapiri Mposhi.

Unter herzlichem Händeschütteln und mit strahlendem Lächeln verabschieden uns die Beamten der kleinen Stadt im Herzen Zambias

:laugh:

ae
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08 Nov 2007 11:13 #52444
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  • judith am 08 Nov 2007 11:13
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Hallo Gforce,
einfach schön!
Natürlich nicht, daß ihr so Schaden genommen habt,
aber ich glaube die Erfahrung aus diesen zwei Tagen ist die Sache wert, vor allem weil ihr ja recht unbeschadet (an Leib und Seele) aus dem Disaster rausgekommen seit. Da wir in den nächsten Jahren auch verstärkt nach Sambia fahren wollen, können wir uns ja auf einiges gefast machen, oder ?:woohoo:
Viele Grüße
Judith
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04 Dez 2007 21:07 #54509
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  • harald and maude am 04 Dez 2007 21:07
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Ae - sirinaua -
interessante Geschichte!

OT
Hab´ grad erstaunt gelesen, daß ihr mit einem
... hm alten hm ...
Landi in Zambia unterwegs wart :P jaja - die werden ziemlich alt :P :P :P
OT Ende

.. schön, daß es auf der Welt überall menschelt

lg Maude
... lieber unter der Palme als auf der Palme ...
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05 Dez 2007 07:11 #54516
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  • Guido. am 05 Dez 2007 07:11
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Hallo,

da das Thema Versicherungen hier ja regelmäßig umfassenden theoretischen Diskussionen unterliegt, würde mich noch interessieren, wie bei Euch die Abwicklung mit dem Autovermieter gelaufen ist. Nur die wenigsten können da ja praktische Erfahrungen beisteuern (glücklicherweise). Oder war es gar kein Mietwagen?

Beste Grüße

Guido
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05 Dez 2007 09:24 #54524
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  • Gforce am 07 Nov 2007 17:17
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JaJa,

alte Landys leben ganz lang:)

da es sich um Carsten Möhles Landy handelte, kann ich leider nichts zur Abwicklung mit dem Vermieter beitragen.
B)

LG
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05 Dez 2007 09:50 #54527
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  • holger am 05 Dez 2007 09:50
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toll geschrieben, spannende Geschichte. Mann... bin gefesselt gewesen. Hast du noch mehr auf Lager?
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