THEMA: Namibia - Ein Traum der fast ein Albtraum wurde
23 Jul 2012 15:39 #245301
  • L4ndRov3r
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  • L4ndRov3r am 23 Jul 2012 15:39
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Liebe Namibiafans und Afrika-Begeisterte,

zuerst einmal möchte ich mich für die vielen, vielen hilfreichen Themen und Beiträge in diesem Forum bedanken.

Auch wenn ich mich erst jetzt - also nach unserem Urlaub – hier registriert habe, verging in den Wochen vor unserer Abreise wohl kaum ein Tag in dem ich mich nicht durch die vielen Threads und Beiträge in diesem tollen und lebendigen Forum geklickt habe. Wir haben hier viele wertvolle Infos und Tipps erhalten, die uns in Namibia mehr als einmal geholfen haben.

Bevor ich mit unserem Reisebericht starte, hier noch ein paar allgemeine Infos zum geplanten Reiseverlauf:

Reisedauer: 18 Tage

Unterkünfte: Camping als auch Lodges

Reiseroute:
Windhoek/Airport – Windhoek Chameleon Backpackers
Mesosaurus Fossil Site (Camping)
Canon Lodge
Klein-Aus Vista (Camping)
Triasberge/Koiimasis (Camping)
Sesriem - Little Sossus Campsite (2 x Camping)
Solitaire - Solitaire Guest Farm (Camping)
Swakopmund – Villa Wiese
Spitzkoppe (Camping)
Erongo Wilderness Lodge
Wesrand 19 (Camping)
Etosha – Okaukuejo, Waterhole Chalet
Etosha – Halali, (Camping)
Otavi - Khorab Lodge (Camping)
Waterberg – Weaver´s Rock (Camping)
Windhoek/Airport

Fahrzeug: Land Rover Defender mit Dachzelt und allem Pipapo

… was sonst noch? Vor allem eins: Glück!


Here we go …

Wir starteten zu unserer recht straff geplanten Tour durch Namibia am 22.06. von Frankfurt aus. Da ich ursprünglich aus der Gegend von Frankfurt komme, gestaltete sich der Transfer zum Flughafen äußerst entspannt, wohingegen die innerliche Anspannung mehr und mehr stieg. Dies sollte für mich und meine Freundin der erste Besuch auf dem afrikanischen Kontinent sein und auch die erste vollkommen selbst geplante und organisierte Reise überhaupt (Ok, den ein oder anderen Urlaub hat man natürlich auch selbst geplant, aber eine Selbstfahrerrundreise durch ein afrikanisches Land ist dann doch nochmal etwas anderes).
Im Flugzeug dann gleich der erste Dämpfer. Unsere Plätze waren in der letzten Sitzreihe vor und neben den Flugzeugtoiletten (Reihe 32 H). Am schlimmsten war daran, dass sich die Sitze nur ca. 3 cm nach hinten verstellen ließen. Dies, in Kombination mit der in regelmäßigen Abständen von den anderen Passagieren frequentierten Toilette neben unserer Sitzreihe, sorgte für einen zehnstündigen Nachtflug an dessen Ende wir mit einem entsprechenden Schalfdefizit zu kämpfen hatten. Aber egal, denn wir wussten am Flughafen würde uns bereits ein Highlight unserer Reise erwarten. Der Defender.
Schon ganz zu Beginn unserer Reiseplanung, kurz nachdem Namibia als Ziel auserkoren wurde, stand – zumindest für mich – fest, dass wir die Reise NUR in einem Land Rover Defender machen werden. Der Defender war vor unserer Reise schon eines meiner absoluten Lieblingsautos und mit keinem anderen Fahrzeug verbinde ich Afrika so stark wie mit dem kantigen Land Rover.
Das Problem war nur, dass bei unseren ersten Anfragen im März schon kein Defender – die bei den Autovermietungen Namibias ohnehin nicht sonderlich stark vertreten sind – zu haben war. Also was tun? Habe ich schon erwähnt, dass ich die Reise nur in einem Defender machen will? ;-)
Vielleicht spiegelt sich jetzt auf dem Gesicht des ein oder anderen ein ähnliches Unverständnis wider wie damals auf dem meiner Freundin, aber Afrika + Geländewagen = Defender. Ist nun mal so – zumindest für mich.
Wir haben dann eine Autovermietung in Südafrika gefunden, die ausschließlich Land Rover Defender im Programm hat (www.africangetaway.net/). Natürlich mussten wir noch etwa 700 Euro zusätzlich für den Transfer von Kapstadt zahlen, aber da die Tagesraten im Vergleich zu den restlichen Anbietern (auch in Namibia) relativ günstig waren und z. B. auch das Satellitentelefon im Preis inbegriffen war, schmerzten uns diese Mehrkosten nicht allzu sehr.

Und da stand er… wie erträumt, nur besser - weil echt. Nach der entsprechenden Einführung durch Marc von der Autovermietung, saßen wir auch schon selbst hinter dem Steuer und fanden uns auf der Straße nach Windhoek. Afrika! Endlich! Wie die kleinen Kinder saßen wir mit großen Augen in unserem Wagen und saugten alles in uns auf, die Bäume, die Sträucher, der Geruch, das Licht und vor allem die Farben… alles so anders.
Die Fahrt nach Windhoek verging wie im Flug und auch das erste Tagesziel – Chameleon Backpackers - war schnell gefunden. Da es ja noch früh am Morgen und unser Zimmer noch nicht fertig war, frühstückten wir erst einmal ausgiebig und genossen noch eine Stunde die afrikanische Sonne in den Liegestühlen am kleinen Pool. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten und frisch geduscht waren, galt es erst einmal die Vorräte für die kommenden Etappen einzukaufen. Auf unsere Nachfrage hin erklärte uns die nette Dame an der Rezeption den Weg zum nächsten Supermarkt (ca.800 Meter die Straße runter). Der Supermarkt selbst entpuppte sich dann eher als Mall mit einer Vielzahl an Geschäften. Neugierig schlenderten wir durch die Gänge und sondierten das Warenangebot… hier ist mir speziell das Netz mit einem gefühlten Doppelzentner Orangen für umgerechnet 2 Euro in Erinnerung geblieben. Die erwartete Exotik des Warenangebots ließ dank Globalisierung allerdings noch etwas auf sich warten. Nach ein paar Burgern bei Wimpy machten wir uns gestärkt wieder auf den Weg zurück, wobei uns der Weg zu unserer Unterkunft vollbepackt mit Einkaufstaschen doch um einiges länger vorkam. Der volle Magen, das Schleppen der Einkäufe und die Nacht ohne viel Schlaf machten sich nun schlagartig bemerkbar und wir verschliefen ohne ein allzu schlechtes Gewissen unseren ersten Tag in Afrika. Gegen Abend tranken wir noch ein Bier an der Bar des Backpackers und ließen die Atmosphäre auf uns wirken. Der liebevoll dekorierte Sitzbereich vor der Bar, der Geruch von gegrilltem Fleisch und… laute, elektronische Musik!?! Naja, irgendwann häufen sich auch mit 35 Jahren die Momente in denen man sich „alt“ vorkommt, bzw. durch seine bloße Anwesenheit den Altersschnitt merklich hebt. Das hier war so ein Moment. Zum Glück wurde auch hier die EM im Fernsehen gezeigt und mit Beginn des Abendspiels verstummte auch die Elektromukke. Für uns hieß es aber sowieso: früh ins Bett. Denn morgen stand gleich unsere längste Etappe von über 500 km auf dem Programm. Wir beschlossen den Wecker auf 5:00 Uhr zu stellen, da wir noch möglichst viel vom kommenden Tag und unserem Aufenthalt bei der Mesosaurus Fossil Site haben wollten. Allerdings sollten wir dort nie ankommen…

Noch vor Morgengrauen öffnete uns ein sichtlich durchgefrorener Wachmann das Tor unseres abgeschotteten Parkplatzes. Die 3 Dollar Trinkgeld in seiner Hand betrachtend sinnierte er niedergeschlagen, dass ihm jetzt noch 7 Dollar fehlen würden, damit er sich das Taxi nach Hause leisten könne. Na gut, in der Gewissheit, dass es natürlich kein Taxi nach Hause für ihn geben würde und das er dies als Ausrede nutzte uns „reichen“ Touristen ein wenig Geld aus der Tasche zu ziehen, gaben wir ihm sein „Taxigeld“ schließlich und er sicherte uns immerhin eine gratis Autowäsche zu, sofern wir einmal wiederkommen sollten.
Nach einem Tankstopp ließen wir schließlich Windhoek hinter uns um im Licht der aufgehenden Sonne auf der B1 nach Süden Richtung Keetmanshoop. Schon nach einigen Kilometern außerhalb der Stadtgrenze wurde uns zum wiederholten Mal bewusst, wie groß der Unterschied zu Deutschland eigentlich ist. Ich machte meine Freundin gerade auf die vermeintlich streunenden Hunde am Straßenrand 100 Meter vor uns aufmerksam, als ich erkannte, dass dies überhaupt keine Hunde waren. Das waren Affen! Wir hielten etwa 50 Meter hinter der Stelle an der wir sie gesichtet hatten, als eine ganze Horde laut brüllend die Straße überquerte. Toll!
Wir kamen – natürlich abgesehen von den zahlreichen Fotostopps – sehr gut voran. Unseren zweiten Tankstopp machten wir in Mariental und dort wechselten wir uns auch das erste Mal beim Fahren ab.
Weiter ging es die kerzengerade B1 hinunter. Nach ca. 40 Km kam uns ein großer LKW entgegen und wir fuhren um etwas Abstand zu halten und durch den Luftdruck des vorbeifahrenden Lasters ein wenig weiter nach links. Meine Freundin korrigierte dies und wir fuhren darauf aufgrund der Massenträgheit und des, durch die Dachzelte, hohen Schwerpunkts des Wagens etwas nach rechts. Die entsprechende Lenkbewegung in die Gegenrichtung hatte ein diesmal stärkeres Schaukeln des Wagens nach links zur Folge, worauf wiederum eine entsprechend stärkere Lenkbewegung folgte um dies auszugleichen. Der Kopf sagt einem immer „ich muss das Auto auf der Straße halten, ich muss das Auto auf der Straße halten“ und wenn man nicht geübt ist mit größeren, vollbeladenen Wagen mit hohem Schwerpunkt zu fahren zieht das immer stärkere Schaukeln eben auch immer stärkere Lenkbewegungen nach sich. Der Wagen schaukelte sich immer mehr auf und ich rief noch „Brems!, Brems!, Brems!“ (was in dieser Situation genau der falsche Ratschlag war), doch zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits das Heft aus der Hand gegeben und die Physik hatte übernommen. Wir überschlugen uns und ich sehe noch genau vor mir wie die Windschutzscheibe splittert und nach innen kommt. Dann ist einen kurzen Moment alles schwarz und als ich benommen die Augen aufmache stehen wir wieder auf allen vier Rädern schräg im Straßengraben, das Radio läuft noch aber sonst herrscht im Innenraum das absolute Chaos. Mir scheint nichts zu fehlen und angstvoll drehe ich mich zu meiner Freundin um. Auch sie scheint ok zu sein und dreht sich im selben Moment zu mir um. Jeder frag den anderen mehrfach ob auch wirklich alles in Ordnung ist – ist es. Wir bewegen uns wie in Trance. Meine Freundin meint ich blute am Kopf. Stimmt, auf meinem Polohemd und meiner Hose sind Bluttropfen. Ich spüre nichts. Ich steige aus und versuche von außen ihre Tür aufzumachen – geht nicht. Aus dem Augenwinkel sehe ich das erste Auto 100 Meter entfernt halten. Ich klettere wieder in den Wagen und hole meine Freundin raus. Wir stehen beide unter Schock und umarmen uns. Unser Gepäck und die Ausrüstung sind um den Wagen herum verstreut, der Dachträger liegt mit den Dachzelten noch nahe der mit Glassplittern übersäten Straße…



… morgen geht´s weiter
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23 Jul 2012 15:55 #245305
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  • Nunanani am 23 Jul 2012 15:55
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Oje, das klingt ja fürchterlich. Zum Glück ist Euch nichts passiert! Ihr hattet wohl einen riesen Schutzengel!

Ich glaube, alle die schon mal mit einem größeren Gefährt unterwegs waren, wissen genau, wovon Du sprichst, von Seite zu Seite zu schaukeln und den Wagen nicht mehr wirklich unter Kontrolle zu haben. Das macht man ein mal mit und mit Glück passiert bei diesem einem mal auch nichts.

Bin gespannt, wie es weiter geht, ob Ihr Eure Reise noch geniessen konntet und wie Ihr weiter gefahren seid?

Vielleicht kannst Du ja schon schneller weiterrschreiben?

Gruß,
Nunanani
Südafrika, Botswana, Namibia, Zimbabwe, Mosambik,...
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23 Jul 2012 16:15 #245310
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  • Montango am 23 Jul 2012 16:15
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Oh weh, was ein übler Urlaubsanfang. Ich hoffe, es ging noch einigermassen gut aus für Euch.

Eines der vielen Nachteile eines Defenders ist leider auch, dass er eine furchtbare Strassenlage hat und sich gerne aufschaukelt.

Mit unserem Defender sind wir am ersten Tag kaum über 100 gefahren (und das auf der südafrikanischen Autobahn).

Schreib schnell weiter, Du hast uns alle neugierig gemacht.

LG
Montango
Botswana 2016
Sambia 2016
Zimbabwe 2016
KwazuluNatal 2015
KTP-Namibia-Kapstadt 2013
Zimbabwe 2012

Noch keiner hat am Ende gesagt "Ich hätte mehr Zeit im Büro verbringen sollen"
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23 Jul 2012 16:18 #245312
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  • franzicke am 23 Jul 2012 16:18
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... was für ein Einstieg! Vielleicht eine Frage doch schon vorab: Seid ihr denn beide wieder heil zu Hause angekommen???
Man hört solche Geschichten ja immer wieder und kann/mag sich's einfach nicht wirklich vorstellen. Und wenn ich so zwischen den Zeilen lese, könnte es sein, dass das noch nicht alles war?

Wir waren im April auch zum ersten Mal in Namibia, auch zum ersten Mal mit Dachzelt, einige von euren Stationen waren auch unsere. Jetzt bin ich sehr gespannt auf deine Fortsetzung und hoffe doch sehr, dass du die oben gestellte Frage mit einem eindeutigen JA beantworten kannst.
Grüße Franzicke
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23 Jul 2012 16:41 #245316
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  • nana76 am 23 Jul 2012 16:41
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Mann, jetzt habe ich eine unglaubliche Gänsehaut: Da läuft es einem wirklich kalt den Rücken runter!

Ich hoffe sehr, daß es Euch gut geht und daß der Rest des Urlaubes besser war!
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23 Jul 2012 17:58 #245327
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  • casimodo am 23 Jul 2012 17:58
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Hallo Unbekannter ;)

Zuerst möchte ich Dir für die Schilderung Eures Unfalles Danken !
Der Bericht macht mich nachdenklich und das ist auch gut so.

Gott sei Dank habt Ihr den Überschlag wohl ohne ernsthafte Verletzungen überstanden, das ist ja wohl erst einmal das Wichtigste !

Ich bin gespannt, wie es weitergeht und hoffe auch, daß Ihr trotz dieses üblen Anfanges noch dasBeste aus der restlichen Reise machen konntet.

Viele Grüße
Casimodo
Letzte Änderung: 23 Jul 2012 17:58 von casimodo.
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