Sonntag und letzter Tag in Guantánamo
Bahnhof Guantanamo
Am Sonntagnachmittag bin ich pünktlich um 16 Uhr am Bahnhof. Eine andere Señora sitzt jetzt hinter dem Schalter. Aber sie könnte die Zwillingsschwester der ersten Señora sein. Ähnliches Alter, vergleichbares Übergewicht und genauso schläfrig.
Ihre Ansage: Im Moment gäbe es noch keine Tickets und keine Infos, ob der Zug morgen fährt. Ich soll um 18 Uhr wiederkommen.
Als ich um 18 Uhr wiederkomme sitzen etwa fünfzig Personen vor dem Bahnhof und nochmal zwanzig in der Wartehalle. Bei der Menschenansammlung handelt es sich um die berühmte kubanische „cola de espera“ (Warteschlange). Es gibt sie überall, vor Geschäften, Banken, an Bushaltestellen, vor Geldautomaten, Ämtern und auch vor Fahrkartenschaltern. Diese Warteschlangen sind nicht immer leicht zu erkennen, da die Leute nicht ordentlich hintereinanderstehen, sondern irgendwo in der Gegend herumsitzen.
Um sich in die Warteschlange einzureihen ruft man:
„Quien es el ultimo?“, oder einfach nur: „Ultimo?“. (Wer ist der Letzte?)
Und wenn sich wer meldet, hat man seinen Vordermann in der Schlange lokalisiert.
Ich frage nicht nach „el ultimo“, sondern gehe direkt zum Schalter, um mich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Die Señora schaut mich kurz an und sagt, ich müsse warten und mich in die Cola einreihen.
Nun weiß ich von früheren Zugfahrten, dass es für Ausländer meistens separate Devisenschalter gibt. Ausländer bezahlen den 24fachen Preis eines Kubaners und ein damit verbundenes Privileg ist, dass sie dafür keine Schlange stehen müssen. Allenfalls eine Devisen-Schlange und die ist, falls vorhanden, viel kürzer.
Ich frage die Señora, ob es hier keinen Devisenschalter gibt. Sie berät sich mit einer anderen Angestellten und tatsächlich, die Devisenfahrkarten werden von der Bahnhofsvorsteherin persönlich verkauft. In einem separaten Büro.
Diese Inkompetenz kubanischer Angestellten ist mir nicht ubekannt, erstaunt mich trotzdem immer wieder von neuem.
Ferrocarriles de Cuba
Das Büro der Jefa befindet sich auf der Rückseite des Gebäudes. Sie ist gerade damit beschäftigt, ein Pollo nebst Yucca und Tostones zu vertilgen (Hühnchen mit Maniok und frittierten Kochbananen). Ich muss warten, bis sie alles fein säuberlich abgenagt und ihre fettigen Finger an einer Papierserviette abgewischt hat. Dann wendet sie sich mir zu.
„Pasaporte“
Sie füllt ein paar Formulare aus, dann:
„Siete Dollares“ (7 Dollar)
Komisch, ich dachte der Dollar wäre in Cuba längst abgeschafft? Hat sich das in Guantanamo noch nicht herumgesprochen?
Ich gebe ihr sieben CUC und bekomme dafür ein Zettelchen, auf dem man mit viel Phantasie eine Sitzplatznummer und die Nummer des Waggons erkennen kann: Coche Tres, Asiento Nueve.