THEMA: Madagascar Ostküste - Teil 2 der Knäckebrot-Saga
15 Mär 2015 12:40 #377365
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  • erdferkel am 15 Mär 2015 12:40
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Auf dem Rückweg zum Hotel werden wir noch Zuschauer eines Heimspiels des FC Toamasina in der Hafen-Arena:







In der Nacht haben wir trotz fehlendem Straßenfest wieder schlecht in der düsteren Kammer geschlafen und sind froh, als es endlich Morgen wird. Eine klapprige Anordnung von Fahrzeugbauteilen, die mal ein Peugeot 205 war (das Modell, welches meine Generation schon während der Abiturzeit schon runtergeschrubbt hat) holt uns vor dem Hotel ab und bringt uns zum Flughafen. Wir sind sehr früh da und müssen uns noch eine Weile gedulden. Als wir endlich einchecken können, kommt das, was wir befürchtet haben aber wo wir immer dachten, wir kommen drum herum :ohmy: – alles wird gewogen, einschließlich uns selbst. Erst die großen Taschen, die waren nur ein bißchen zu schwer. Dann mein Fotorucksack, der mit stolzen 13kg die zulässige Masse fast um 100% überschreitet. Dann ich selber, da meckern sie komischerweise aber nicht. Am Ende werden wir zur Kasse gebeten und müssen für das Übergepäck blechen. Uns rutscht der Magen in die Hose und voller Entsetzen zählen wir die Nullen hinter der zwei auf der Quittung. Es sind vier. Zwanzigtausend Ariary!!! Das muss man sich mal reinziehen. Ok ok, es sind etwa sechs Euro :whistle: und erleichtert bezahlen wir, holen unsere Bordkarte ab und gehen durch die – haha – Sicherheitskontrolle, natürlich mit Handgepäck. Diese besteht aus einem Metalldetektor, bei dem der Stecker nicht mal in der Steckdose war. Aber wir müssen durch. Vorschrift ist Vorschrift. Wenn er angeschaltet gewesen wäre, hätte es mit meinem Fotorucksack wahrscheinlich die Sicherung herausgehauen oder ich hätte einen EMP ausgelöst. So warten wir gespannt, wann unser fliegendes Buschtaxi ankommt. Da kommt sie schon, unsere Twin-Otter. Mit dem Geräusch einer zornigen Hummel schwebt sie herein und rollt sportlich heran, ähnlich wie wir das damals in Tulear erlebt hatten.

Ein erste Sichtkontrolle ergibt, dass noch alle wichtigen Bauteile dran sind. Nicht einmal die Lackierung weist Makel auf. Wir dürfen einsteigen. Mit dabei ist eine rüstige alte Oma, die noch mit großem Tamtam von der Familie auf dem Flughafen verabschiedet wird. Sie ist klapperdürr und mit ihren augenscheinlich 99 Jahren (wahrscheinlich sind es in Wirklichkeit 66) begibt sie sich furchtlos an Bord und findet problemlos auf dem schmalen Sitz ihren Platz. Bei mir ist das anders, eine Hinterbacke muss frei schwebend im Gang Platz nehmen. Das Interieur der Twin Otter strahlt, obwohl das Flugzeug ein Westprodukt ist, strammen DDR-Charme aus, irgendwo zwischen Tatra-Straßenbahn und Ikarus-Bus, aber ohne Halteschlaufen.

Das Anlassen der Triebwerke und ist erstaunlich unspektakulär, wir rollen los und nach einer Startstrecke, die gefühlt in einen Großstadt-Vorgarten gepasst hätte, heben wir ab. Kürzer geht's nur noch mit einem Hubschrauber. Jetzt, wo die Kiste unter Beweis gestellt hat, dass sie fliegt, lehnen wir uns entspannt in unseren Sitzen zurück, bzw. wir würden es tun, wenn wir könnten, denn die Rückenlehnen sind sehr kurz.



Dank der dünnen Kabinenwand habe ich GPS-Empfang und messe 290km/h Reisegeschwindigkeit.

Dieses Bild zeigt die effiziente Verstauung von Fracht und Gepäck. Hier hat sich übrigens auch der Fehlerteufel :evil: eingeschlichen. Wer findet ihn?





Über den Wolken...



Moose hatte ja ziemlichen Bammel vor diesem Flug aber ich hatte aus meiner Kindheit noch die Shuttle-Flüge in Nigeria zwischen Kano und Kaduna in Erinnerung, in dieser elenden Dornier Skyservant, wo einem von dem Gekreische der primitiven Kolbenmotoren fast die Zähne ausgefallen sind. Dagegen ist so eine Twin Otter mit ihren Turboprops schon Luxus.

Im SturzSinkflug beschleunigen wir dann noch mal kurz auf 320 Sachen und nach einer scharfen Rechtskurve visiert der Pilot schon die Landepiste an und setzt mit einem satten Rumms in Maroantsetra auf. Elegant wie mit einem Sportwagen schlenkert er um die Kurve und kommt vor der Ankunftshallebaracke zum stehen. Es riecht nicht mehr nach stickiger Hafenstadt, sondern nach Wildnis. Wir falten unsere zerknautschten Körper auseinander und torkeln erleichtert die GangwayKlapparatur herunter aufs Rollfeld. Auch die Oma hat den Flug hervorragend überstanden, wahrscheinlich auch dank der Schweizer Mitreisenden, die sie dank ihrer Französischkenntnisse aufmuntern konnten.
Letzte Änderung: 15 Mär 2015 12:45 von erdferkel.
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15 Mär 2015 13:35 #377380
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Masoala - wir kommen!

Oh Mist, wenn da nicht zuvor noch dieser Flug mit der Twin Otter wär... Leider hatte ich den Reisebericht von Nana76 gelesen... :woohoo:
Leute OHNE Flugangst können ihre Erlebnisse hier nachlesen:

Frodo + die Suche nach dem roten Vari

Mir geht diese Geschichte einfach nicht aus dem Kopf! Blödes Kopfkino aber auch.
Auf dieser Reise haben wir aber auch wirklich merkwürdige Transfers geplant. Dies ist Nummer 1. Und ich habe sonst wirklich keine Angst vorm Fliegen! Aber wer nach Masoala will, kommt hier um die Air Madagascar kaum drum herum. Welche Alternativen gibt es? Also da wär die Fahrt mit einem Allradfahrzeug auf einer nicht mehr existenten Straße mit noch weniger existenten Brücken über sehr wohl existierende Flüsse. Sicher ein tolles Abenteuer, wenn man viel Zeit und viel Geld hat und wo der Weg das Ziel ist. Dann gäbe es die Möglichkeit, mit einer Art Fähre dort hoch nach Maroantsetra zu fahren, immer an der Küste entlang ab Soanirana Ivongo nördlich von Taomasina. Tja, wenn man richtige Infos im Internet finden würde, vielleicht hätten wir uns drauf eingelassen. So wußten wir nichts über Pünktlichkeit, exakte Dauer, Abfahrtzeiten... Dann gibt es von der Luxus-Herberge "Masoala Forest Lodge" den kleinen aber netten Service eines "Fly-Inn"-Stay mit Privatjet, für den ganz schmalen Geldbeutel aber eher nicht zu empfehlen... Naja, es blieb für uns schließlich die Air Madagascar übrig...

Mein Mann war mir auch nicht unbedingt eine Hilfe, in dem er immer wieder versicherte, als Kind in Nigeria sei er gaaanz andere Sachen geflogen. Wo nimmt der Mann bloß immer diese Ruhe her? Ich war ein Nervenbündel. Auch nicht hilfreich zur Beruhigung war das -uns im Vorfeld schon durchaus bewußte- Übergepäck. Die Frau am Check In tat aber auch wirklich vorwurfsvoll, als würden wir grad ein Staatsverbrechen begehen, weil wir soviel Gepäck mitnehmen wollen. Ich seh den erhobenen Zeigefinder noch immer vor mir und ich dachte nur, oh weh, das wird teuer!
Naja, die 6 Euro waren dann die gerechte Strafe für uns. :whistle:

Was soll ich sagen, der Flug ging problemlos über die Bühne. Die als sehr unpünktliche Air Madagascar hob pünktlich ab und landete ebenso pünktlich an unserem Ziel. Uff, das wär schon mal geschafft.
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15 Mär 2015 13:39 #377381
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Da steht der Flattermann.


Wir fliegen!


Aaah, eine Insel!!! Eine Insel mit 2 Bergen und nem tiefen, tiefen Tal.... Träller.




Wir landen wirklich gleich!


Das Grün kommt immer näher!!!
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21 Mär 2015 16:47 #378390
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In der Ankunftshalle erwartet uns ein ein sportlicher junger Mann (gibt es so etwas wie Madagascar Special Forces?) mit einem Pappschild, auf dem unsere Namen stehen. Er heißt Josephe, begrüßt uns erst auf Englisch, wechselt dann aber zu einem gebrochenen Deutsch, welches einen eigenartigen Ak(ch)zent aufweist, dessen Herkunft erst klar wird, als uns einfällt, dass der Züricher Zoo bei der Förderung des Masoala-Nationalparks ja seine Hände im Spiel hat :whistle:

Seinem Ruf als TÜV-Freakshow wird dieses Land auch hier wieder gerecht – das Auto ist diesmal ein Peugeot Dreihundertirgendwas, der mit einem letzten Rest an Schweißnähten behelfsmäßig zusammen gehalten wird. Er bringt uns zusammen mit Josephe sicher zum Hafen von Maroantsetra, wo wir von Olivier Fournajoux begrüßt werden, einem der beiden Gründer der Ecolodge Chez Arol. Er erklärt uns die Basics, wie unsere Ausflüge und die Grundversorgung im Regenwald in den nächsten Tagen ablaufen werden. Seine aufgeräumte und unkomplizierte Art ist uns sehr sympathisch und wir fühlen uns gleich bestens aufgehoben, wenngleich beim Anblick der mit wuchtigen Außenbordmotoren ausgestatteten Nußschale aus Fiberglas, auf der wir über die Antongil-Bucht gebracht werden sollen, gleich die Knie ein wenig weicher werden.

Ratzfatz ist unser Gepäck verstaut. Eine Köchin kommt mit ins Boot, essensmäßig waren wir auf dieser Reise ja bisher sehr gut aufgehoben, da freuen wir uns schon, nicht alleine von Reisklumpen leben zu müssen.

Nach einem unspektakulären Ablegemanöver gleiten wir dann sanft durch den Hafen, sehen durchaus gut erhaltene große Boote, vielleicht fahren von denen auch welche ab Toamasina, als Alternative zum Inlandsflug. Leider haben wir das nie zuverlässig herausfinden können, und so gönnten wir uns das Twin Otter Abenteuer.

Nachdem wir die Mündung des Antainambalana Flusses, der auch das Hafenbecken bildet, passiert haben, heißt es gut festhalten und der Kapitän holt alles raus, was die beiden Motoren hergeben und so brettern wir laut GPS mit knapp 30km/h durch die Bucht:

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26 Mär 2015 10:23 #379029
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Unsere Bootsfahrt über die Antongilbucht dauerte bei sehr ruhiger See ca. anderthalb bis 2 Stunden. Es war stark bewölkt und es regnete auch ein-, zweimal. Willkommen im Regenwald Masoala, hier soll es ja bekanntlich jeden Tag regnen... Zuerst einmal nahm das Boot direkten Kurs auf die kleine Insel Nosy Mangabe, noch recht nah dem Festland bei Maroantsetra, hier werden wir in einer Woche auf dem Rückweg eine Nacht im Zelt verbringen. Dann ging es weiter auf dem kürzesten Weg zur Chez Arol Lodge, weiter südlich auf der Masoala-Halbinsel. Endlich ankommen - wir sind heute schon früh auf den Beinen gewesen.


Uns erwartet eine kleine, einfache Hütte, unser Heim für 6 Nächte.



(Die Fotos habe ich an einem späteren Tag gemacht, als wir uns schon mehr eingerichtet hatten.)

Wir ruhen uns einige Zeit aus, bekommen ein sehr schmackhaftes Mittagessen, und betreten zum ersten Mal den den Regenwald mit Josephe... :woohoo:
Und natürlich sehen wir gleich an unserem ersten Tag vor Ort unsere flauschigen, roten Lieblinge - die Roten Varis. Die Bäume sind hier im Primärwald sehr hoch, die Tiere demzufolge sehr weit weg und nicht leicht zu fotografieren. Ich habe die Lemuren also etwas herausvergrößert... :whistle:


Sie können wunderbare Konzerte mit ihren Rufen veranstalten.


Danach muss man sich natürlich wieder ein bißchen ausruhen...


Auf dem Bauch ist es auch sehr bequem.


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29 Mär 2015 15:13 #379392
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Kurz nachdem wir mit dem Boot angelandet hatten, wurden wir an Land übrigens von einer Ringelschwanz-Manguste begrüßt, in Vari-Rot.

An unserer Hütte werden wir schon freundlich begrüßt:



Bei der nachmittäglichen Regenwaldwanderung begegnen uns nicht nur die ersten roten Varis, sondern auch andere merkwürdige rote Kreaturen:





Das sind aber auch die einzigen roten Farbtupfer... ansonsten sind wir von einem Überfluss an Grün- und Brauntönen umgeben.

Viele der Bäume haben mächtige Luftwurzeln:





Die Chamäleons haben wir fast genauso lieb wie die Lemuren... wenn sie sich nur nicht immer so perfekt verstecken würden:



Auf diesen unwegsamen Wegen werden wir uns die nächsten Tage bewegen:



Abends herrscht dann auf der großen Terrasse, wo wir zum Essen hinkommen, großes Gedränge. Olivier hatte uns schon in Maroantsetra vorgewarnt, dass eine Gruppe von Ingenieuren hier wohnt, um eine rudimentäre Stromversorgung aufzubauen. Bis auf wenige Ausnahmen sind das alles rüstige Rentner, der eine oder andere würde fast als Gerard Depardieu durchgehen, alles ehemalige EDF-Mitarbeiter, die als Freiwillige Helfer hier arbeiten.

Auf der Hütte haben wir keine Steckdose, und hier an der Bar gibt es eine einzige Mehrfachsteckdose, auf die mehrer andere Mehrfachsteckdosen aufgesteckt sind, an denen die Leute ihre Handies und Kamera-Akkus aufladen. Für uns ist gerade noch ein Platz frei. Glücklicherweise sind unsere Kameras sehr genügsam, was den Stromverbrauch angeht und Handynetz haben wir hier sowieso nicht bzw. nur mit viel Glück, wenn man auf einen bestimmten Felsen klettert. Insofern kommen wir die nächsten Tage mit dieser "Stromversorgung" mit gerade so hin. Trotzdem würde ich nächstes Mal vielleicht ein Solar-Ladegerät mitnehmen...

Beim Abendessen rinnt das kühle THB meine durstige Kehle hinunter und im Wald brüllen die Varis. So soll es sein.
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