THEMA: 1996 (35 Tage Namibia, Chobe, Vicfalls)
10 Aug 2013 14:34 #299701
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Donnerstag, 6. 6. 1996

Trotz des geruhsamen Nachmittags am gestrigen Tag haben wir uns von den Strapazen der ersten Woche noch nicht vollständig erholt, so daß wir relativ lange schlafen, in Ruhe frühstücken und anschließend unsere Vorräte ergänzen. Während R. wieder einmal zeitaufwendig (nicht ihre Schuld!) Geld tauscht, suche ich die Post und werfe die pflichtschuldigst geschriebenen Ansichtskarten in den Briefkasten.

Unser heutiges Ziel ist die Ameib-Ranch. Unterwegs verzichten wir darauf, ganz nahe an die Spitzkoppe heranzufahren und bewundern das „Matterhorn Namibias“ nur aus der Ferne. Die Ranch erreichen wir nach relativ kurzer Fahrt von ca. 180 Kilometern und bekommen problemlos ein sehr geräumiges Zimmer. Nachmittags wandern wir zur Philips - Cave, einer Höhle mit Buschmannzeichnungen. Besonders eindrucksvoll ist eine Zeichnung, die einen weißen Elefanten darstellt, aber auch die Abbildungen der Strauße, Antilopen und der beutetragenden Jäger sind absolut naturalistisch ausgeführt.




Obwohl die Wanderung nur wenig mehr als eine Stunde dauert, bekommen wir einen realistischen Eindruck davon, was es heißt, sich bei diesen Temperaturen extrem zu bewegen - der Schweiß fließt in Strömen. Im Anschluß an die Wanderung besichtigen wir noch die skurilen Felsformationen und „Wackelsteine“ bei „the Bull Parties“ sowie beim „Elefantenkopf“, bevor wir auf die Ranch zurückkehren.

Hier erwarten uns weitere Attraktionen: auf der Farm gibt es Elefanten (da sind wir nach 17 Jahren doch etwas unsicher, ob es die damals dort tatsächlich gab – zumindest haben wir keine gesehen!!) Schakale, Warzenschweine, Kudus, Geparde, jede Menge Federvieh sowie Affen. All diese Tiere (s. o. Elefanten ??) werden in Käfigen oder Gehegen gehalten. Auf die Affen, besonders auf einen von ihnen, muß ich unbedingt noch einmal zurückkommen, und zwar „natürlich“ in Verbindung mit R.. Sie will partout einmal jemandem auf der Ebene von einhundertsechsundfünfzig Zentimetern in die Augen sehen und bewegt sich dicht auf den Affenkäfig zu. Dabei unterschätzt sie offensichtlich die Reichweite der Arme des großen Affenmannes, der schon mit gierigen, weit aufgerissenen Augen auf sie und den richtigen Augenblick wartet. Als R. sich auch noch etwas herunter- und vorbeugt, schaut er nicht etwa in ihren ohnehin nicht sehr offenherzigen Ausschnitt, sondern greift blitzschnell mit seiner linken Hand durch das Käfiggitter und verkrallt sich in ihrem Kurzhaarschopf, in den er sich offenbar verliebt hat. Ich stehe zwei, drei Meter entfernt und weiß nicht, was ich tun soll, eingreifen, um sie aus dieses mißlichen Lage zu befreien, oder mich erst einmal vor Lachen ausschütteln. Aber geistesgegenwärtig, bevor sie von dem Affen vollends skalpiert wird, ergreift R. entschlossen die Initiative und entwindet sich dem schmerzhaften Zugriff. Mit mir beobachten zwei Farmarbeiter die Szene, und nachdem die Gefahr vorbei ist, feixen sie über ihre breiten, schwarzen Gesichter, dabei ihre spitzen, zugefeilten Zähne zeigend. Meine Frau beweist abermals Humor, denn nachdem sie ihren Schrecken überwunden hat, stimmt sie in das allgemeine Gelächter ein.

Nach einem opulentem Abendessen in der Boma der Ranch lassen wir den Abend mit einer guten Flasche Wein ausklingen, den wir auf einer Bank vor unserem Zimmer genießen. Dabei bewundern wir einmal mehr den phantastischen Sternenhimmel, der sich über uns wölbt.

Freitag, 7. 6. 1996

Entgegen unserer ursprünglichen Absicht fahren wir heute schon in den Etosha National Park, weil wir befürchten, daß wir mit unserem Bargeld oder unseren bargleichen Mitteln etwas knapp werden könnten. In den staatlichen Restcamps in Namibia kann man nämlich mit Kreditkarte zahlen! Zudem erhoffen wir uns einige etwas geruhsamere Tage, denn die Zeit bisher hat doch ganz schön geschlaucht. Nach 400 Kilometern erreichen wir Okaukuejo, das erste Camp in der Etosha-Pan. Leider ist kein Rondaveel mit Kochgelegenheit mehr frei, wir nehmen notgedrungen mit einem geräumigen Zimmer vorlieb, das wir aber auch nur für zwei Tage bekommen.

Okaukuejo verfügt, wie alle anderen Camps in der Etosha, über eine beleuchtete Wasserstelle. Hier sehen wir abends Elefanten, Schakale, ein junges Rhino, etliche Antilopen und Zebras und jede Menge Leute... Mit Photoapparaten und Videokameras, mit Bier und Wein und Chips ausgerüstet, lassen sie sich den Wildtierbestand der Etosha wie auf einem Präsentierteller unter Flutlicht servieren. Überall Gelächter und Gekreische, ein ständiges Kommen und Gehen, trubeliger als in einem Großstadtzoo: Volksfestatmosphäre. Für uns steht fest - das ist unsere Sache nicht!





Samstag, 8. 6. 1996

Früh brechen wir zu unserer ersten Pirschfahrt auf. Im Gegensatz zum Krüger Nationalpark in Südafrika sehen wir hier riesige Zebra-, Gnu- und Antilopenherden. An einer Wasserstelle beobachten wir äußerst streitbare Oryxantilopen, die anderen Tierarten den Zugang zum Wasser verwehren. Wir stellen fest, daß Tierbeobachtung hier in der Etosha fast ausschließlich an Wasserstellen möglich ist, der Park ist verkehrsmäßig nicht so „optimal“ erschlossen wie der Krügerpark.





Nach einer ausgedehnten Siesta starten wir nachmittags zu einer weiteren Pirschfahrt, diesmal direkt an der eigentlichen Pfanne entlang. Über zwanzig Giraffen stolzieren erhaben vor dem blendenden Weiß der endlosen Pfanne zu einem Wasserloch, ganz plötzlich galoppieren sie jedoch raumgreifend in die entgegengesetzte Richtung, ohne dabei ihre Anmut zu verlieren. Was sie in Panik versetzt hat, ahnen wir, als wir in etwa 200 Meter Entfernung einen majestätischen, ausgewachsenen männlichen Löwen sehen.



Der liegt jedoch nur träge im Gras und läßt sich die warme Nachmittagssonne auf den Pelz brennen. Schon ist es Zeit, ins Camp zurückzukehren, denn die Nacht kommt schnell in diesen südlichen Breiten, und die Parkranger sind unerbittlich mit Strafen, wenn man erst nach Sonnenuntergang das Camp erreicht.

Vor dem Abendessen bummeln wir zur Wasserstelle. Ein einzelner Vorzeigeelefant dreht und wendet sich photographiergerecht nach allen Seiten im ausdrucksvollen Licht der untergehenden Sonne, dabei Rüsselbewegungen ausführend, die jedem Hobbytierphotographen das Herz im Leibe aufgehen lassen. Ich bitte R., die Gelegenheit zu nutzen und eine Aufnahme zu machen. Sie prüft sehr gewissenhaft das Motiv, wendet sich von links nach rechts, geht vor und zurück, dabei ihrer Nachbarn nicht achtend. Sie tritt abwechselnd auf Füße und gegen Schienbeine, bohrt ihre Ellbogen in Rippen und Weichteile der mehr oder weniger Unbeteiligten und vollführt andere, sehr sonderliche Bewegungen. Dabei bewegt sie sich aber so graziös, daß ich unwillkürlich an eine Art rituellen Tanz denken muß. Übt das dunkle, schwarze Afrika seine Magie aus? Hat so der Tanz um das goldene Kalb (den mächtigen Elefantenbullen) ausgesehen?

Um ernsteren verbalen oder handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Verletzungen, Blutvergießen bzw. dem Ausbruch des dritten Weltkrieges vorzubeugen, wage ich es, sie auf ihren Übereifer hinzuweisen und sie um etwas mehr Vorsicht zu bitten. Aber jetzt geht es los: sie brauche ihren künstlerischen Freiraum und keine Bevormundung, die anderen stünden schon seit mindestens, wenn nicht schon länger da, sie hätte die gleichen Rechte und ich keine Ahnung und, und, und..., also kurz, ich werde wie ein Massenmörder, Hochverräter, Kinderschänder, Vergewaltiger, im höchsten Grade Schwachsinniger behandelt. Um ihr Zeit und Gelegenheit zu geben, etwas abzukühlen, gehe ich schon vor und beginne mit der Zubereitung des Abendessens, wieder auf dem Campingkocher, denn wir haben ja keine Kochgelegenheit im Zimmer. Das Essen paßt dann so richtig zu der Stimmung: die Spaghetti sind zwar diesmal ausreichend, dafür aber matschig - glitschig, die Tomatensauce ist nicht besonders gut gelungen, die Mücken sind aufdringlich und der richtige Bierdurst will sich sich auch nicht einstellen. Später verlasse ich noch einmal kurz das Zimmer, um zum Auto zu gehen, dabei bleibt die Moskitoschutztür zwangsläufig etwa zwei Sekunden geöffnet, weil ich erstens selbst durchgehen muß und zweitens fürsorglich nachfrage, ob ich etwas mitbringen soll oder kann. Jetzt kommt zu meinen bisherigen Vergehen auch noch Seuchenverbreitung! Sehr früh erlischt bei uns das Licht...

Sonntag, 9. 6. 1996

Ein neuer, herrlicher Tag, die Stimmung ist wieder gut, wir freuen uns auf weitere Erlebnisse. Beim Abholen des Permits sagt mir der Parkranger, daß die anderen Camps im Nationalpark ebenfalls ausgebucht seien. Na ja, wir wollen es aber auf jeden Fall in Halali, einem weiteren Camp im Nationalpark, versuchen, notfalls müssen wir zelten.

Unterwegs kommt uns mit einem irrsinnigen Tempo ein Fahrzeug entgegen, eine dichte Staubfahne hinter sich herziehend. Ich fahre wie in eine Nebelwand, bin also gezwungen, meine Geschwindigkeit stark zu reduzieren. Als sich der Nebelstaub lichtet, trauen wir unseren Augen kaum: in nur fünf Meter Entfernung schreiten stolz und von uns vollkommen unbeeindruckt zwei fast ausgewachsene männliche Löwen über die Fahrbahn. Erregt fordere ich R. auf, schnell zu photographieren, da ich ja am Steuer sitze. Aber wir haben schlechte Karten: der Photoapparat ist noch staubsicher in der Tasche verstaut, es müssen zwei Klick-, ein Klett- und drei Reißverschlüsse geöffnet und das Objektiv gewechselt werden, dann ist der große Seitenspiegel des Fahrzeugs im Wege, außerdem steht die Sonne nicht richtig, und zwei Grashalme versperren die optimale Sicht. Die ersten Aufnahmen gelingen erst, als die beiden Löwen schon fast unsichtbar im hohen Gebüsch verschwunden sind. Ich versuche, mit dem Auto die Verfolgung aufzunehmen, aber nach kurzer Zeit muß ich aufgeben, es ist aussichtslos, die beiden Kameraden sind verschwunden. Nur langsam legt sich unsere Aufregung, ist an die Fortsetzung unserer Pirschfahrt zu denken - das waren eben mit Sicherheit keine Photomodelle oder Salonlöwen... An einer Tränke „wartet“ dann jedoch eine große Gnuherde auf uns, sie läßt sich alle Zeit der Welt, und wir können müßig den liebevollen Umgang der Gnumütter mit ihren neugeborenen Kälbern beobachten. Es ist beinahe Mittag, als wir wieder aufbrechen, jetzt pressiert es uns ein wenig, wir haben Hunger, wollen uns nach dem langen Hocken im Auto die Beine vertreten, und außerdem ist die Übernachtungsfrage noch nicht gelöst. Und siehe da, für uns steht ein wunderschöner Bungalow mit zwei Schlafzimmern, zusätzlichem Wohnraum mit integrierter Küche, Dusche, WC, überdachter, schattiger Veranda, Grillplatz vom Feinsten und ausreichend Parkmöglichkeit zur Verfügung. Hier muß man sich einfach wohlfühlen!



Bevor wir uns häuslich einrichten, bummeln wir erst einmal durch das weitläufige Camp. Obwohl wir nur Gummischlappen an den Füßen haben, kämpfen wir uns auch noch trotz brennender Sonne einen recht steilen Aussichtshügel hinauf. Danach haben wir uns eine ausgiebige Siesta wirklich verdient. Um uns verdient macht sich heute nachmittag auch R., sie wäscht in der nahegelegenen Waschküche verschmutzte T-Shirts und Socken aus. Anschließend fahren wir wieder pirschen, die Umgebung von Halali ist sehr viel abwechslungsreicher als im übrigen Park, weil einige Hügel und Kuppen das ansonsten ebene Gelände auflockern. Als Highlight erleben wir eine riesige Elefantenherde, ca. 30 Tiere mit vielen Kleintieren dabei, die sich an einer Wasserstelle vergnügt. Obwohl die grauen Riesen eigentlich keine natürlichen Feinde haben, werden einige Halbwüchsige als Wächter abgestellt, die das Geschehen genauestens beobachten und lästige Störenfriede, wie beispielsweise Gazellen, nachdrücklich vertreiben.






Abends bereiten wir ein Braai zu: Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Zucchini werden mit wenig Wasser in den schweren, gußeisernen Topf gegeben, der in das Grillfeuer gestellt wird. Ab und zu ein wenig Wasser nachgießen, mehr ist vorerst nicht zu tun. Also viel Muße, dabei genüßlich ein Bierchen zu schlürfen. Anschließend nur noch die Steaks auf den Grill legen, und schon erwartet uns ein köstliches Mahl. Dazu lassen wir uns einen guten südafrikanischen Rotwein munden. Die Säuberung des Braaitopfes, der von außen vollkommen verrußt ist, bereitet allerdings erhebliche Mühe. Morgen muß unbedingt eine Bürste her, vor allen Dingen für die Hände...

Ach ja, mein Athroseknie macht sich unangenehm bemerkbar, ich kann kaum noch auftreten. Die wahrscheinliche Ursache ist, daß ich mit stark angewinkeltem rechten Bein fahren bzw. Gas geben muß, weil sich die durchgehende Sitzbank beim Toyota nicht weiter nach hinten verstellen läßt. Ich hoffe inständig, daß sich die Beschwerden bald legen, denn wir haben noch einige tausend Kilometer vor uns. Und R. reicht mit ihren doch recht kurzen Beinen kaum an die Bedienungspedale heran.

Montag, 10. 6. 1996

Morgens fahren wir in die Etosha-Pfanne hinein. Einfach unvorstellbar, dieses weite, weiße, gleißende Nichts. Als wir mit dem Fernglas den Horizont absuchen, entdecken wir einige dunkle Punkte; erst nach geraumer Zeit können wir sie als Strauße identifizieren, die im Gänse- oder Straußenmarsch auf den Rand der Pfanne zumarschieren. Zwei scheue Dik - Diks, kaum größer als ausgewachsene Hasen, suchen schleunigst das Weite, als wir uns nähern. Doch schon bald schmerzen uns die Augen von dem anstrengendem Suchen nach Tieren, der gleißenden Sonne mit von dem hellen Boden refektierenden Licht und dem allgegenwärtigen Staub. Wir brechen unsere Pirschfahrt früh ab, kehren ins Camp zurück und pflegen der Ruhe.



Allzuschnelle Wiederholungen empfehlen sich nicht! Wir wiederholen die gestrige Speisefolge und essen noch einmal Braai und Steak. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß R. mit „langen Zähnen“ kaut. Aber auch mir schmeckt es bei weitem nicht so gut wie gestern.

Dienstag, 11. 6. 1996

Hervorragend erholt gehören wir zu den ersten Fahrzeugen, die frühmorgens das Camp verlassen. Es wird der Vormittag der Herden: Unvorstellbar, wieviele Zebras, Gnus, Kudus, Perdeantilopen, Oryxe, Springböcke, Schwarznasenimpalas, Strauße, Elefanten, Giraffen und andere, von uns nicht zu identifizierende Antilopen die diversen Wasserstellen bevölkern. Als ob sie sich verabredet hätten, uns zu Ehren zur Parade aufzumarschieren.



Elefanten bei Goas


Auf dem Rückweg erspäht R. einen Singhabicht, der wie auf einem Präsentierteller recht nahe auf einem toten Ast sitzt. Aber von wegen Singhabicht: er ist und bleibt stumm wie ein Fisch.



Dankbar nehme ich zur Kenntnis, daß sich R. am Nachmittag der „großen Wäsche“ widmet. Dafür säubere ich den Wagen, es ist dringend erforderlich, denn ich befördere ganze Kehrschaufelladungen Sand und Staub von der Ladefläche. Nach Sonnenuntergang setzen wir uns an die beleuchtete Wasserstelle. Hier herrscht eine ganz andere Atmosphäre als in Okaukuejo, es geht beschaulich zu, alle sind mucksmäuschenstill und ausschließlich damit beschäftigt, die trinkenden Tiere zu beobachten.

Unsere Geduld wird belohnt: wir sind schon fast im Aufbruch begriffen, als plötzlich lautlos ein dickes, ausgewachsenes Rhino auftaucht. Sofort beginnt es, in langen Zügen durstig zu trinken. Wieviel Verständnis habe ich doch für dieses Rhino, wenn ich auch ungern die brackige Brühe aus diesem Tümpel zu mir nehmen möchte - vielmehr stelle ich mir einen Biersee vor...

Mittwoch, 12. 6. 1996

Uns gefällt es in Halali so gut, daß wir weitere zwei Übernachtungen buchen. Damit ersparen wir uns auch, innerhalb des Parks noch einmal umzuziehen. Um trotzdem den Park in seiner gesamten Größe, Schön- und Wildheit kennenzulernen, starten wir heute zu einer ganztägigen Pirschfahrt. Schon nach 13 Kilometern sehen wir, daß auf der linken Straßenseite etliche Fahrzeuge parken. Wir halten ebenfalls und entdecken sechs Löwinnen in ca. 50 Metern Entfernung. Aber sie sind träge, offensichtlich vollgefressen, und es passiert schier garnichts. Also fahren wir weiter, Richtung Namutoni. Unterwegs das schon fast übliche Bild: Antilopen, Gnus, Zebras, Springböcke usw. an den Tränken und weidend auf den Savannen. Raubvögel sitzen auf abgestorbenen Bäumen oder ziehen hoch oben in der Luft ihre Kreise und spähen nach Beute, ein Mungo überquert zielstrebig die Staubstraße und verschwindet eiligst im hohen Gras, Giraffen zupfen aus hohen Bäumen schmackhafte Blätter, und Erdmännchen tauchen in ihre verzweigten Höhlenbauten, wenn Gefahr im Verzuge ist. In der Nähe von Namutoni machen uns Touristen aus Zimbabwe auf zwei weitere Löwen aufmerksam, die aber relativ weit entfernt und von dichtem Gestrüpp verborgen sind.


Wasserloch in Halali

Nach einem kleinen Lunch im Camp besuchen wir noch einmal das Wasserloch Kalkheuwel, an dem jetzt eine große Elefantenherde die übrige Tierwelt nachhaltig verärgert: sie beschlagnahmt die Tränke einfach für sich und läßt niemanden auch nur in die Nähe kommen. Unzählige Zebras, Antilopen, Giraffen, Warzenschweine, Gnus, Oryx, Springböcke und Perlhühner wieseln und quirlen ständig ungeduldig durcheinander, dabei immer wieder Staubwölkchen aufwirbelnd. Die Zebras scheinen besonders agressiv und durstig zu sein, denn unter ihnen bricht ständig Streit aus. Sie bellen, ja wirklich, sie bellen fast wie Hunde, schlagen ärgerlich und aufgeregt mit den Hinterhufen nach potentiellen Rivalen aus und verjagen sich gegenseitig aus strategisch günstigen Positionen. Soviel Action haben wir noch an keiner anderen Wasserstelle gesehen. Die Fahrt führt weiter an der Pfanne entlang.



Auf einem etwa einhundert Meter entfernten Hügel bemerke ich während des Fahrens aus den Augenwinkeln auf einmal Bewegung. Sollten das Geparden sein. R. schaut durch das Fernglas und schüttelt sich anschließend vor Lachen aus: es war nur irgendwelches Federvieh. Und ich muß mir auch noch Flachsereien wie „Fluggeparde“ und ähnliches mehr anhören...Kurze Zeit später sichtet R. weitere Elefanten, die mit Futtersuche beschäftigt sind. Sie reißen sogar dicke Äste von den Bäumen und entlauben sie. Ich unterstelle, quasi als Retourkutsche zu den „fliegenden Geparden“, daß sie die Dickhäuter nur erkannt hat, weil sie in Größe und Farbe nicht ganz vollreifen Erdbeeren.entsprechen... Auf dem Rückweg besuchen wir noch einmal „unsere“ Löwinnen vom frühen Morgen; zumindest zwei von ihnen sind immer noch an Ort und Stelle. Sie waren wohl so satt, daß sie den ganzen heißen Tag im Schatten eines Gebüschs verdöst haben.

Kurz nach fünf Uhr sind wir wieder im Camp. Ich schwöre: das erste Bier hat meinen Magen nicht erreicht, das ist auf dem Wege dahin verdunstet! Unsere Stimmung ist blendend, vor allen Dingen auch, weil meine Kniebeschwerden fast vollständig verschwunden sind. Ich habe für meinen rechten Fuß eine Ablagemöglichkeit a u f dem Gaspedal gefunden, Gas geben muß ich allerdings mit dem Hacken, aber das ist nur ein wenig gewöhnungsbedürftig. Wichtig ist, daß das Bein weit ausgestreckt bleiben kann.

Zum Abschluß von Halali, so meinen wir heute, zwinkern uns abends an dem Wasserloch ein Mamarhino und ein Babyrhino aus ihren kleinen Äuglein zu, und als Zugabe winken sie zum Abschied mit ihren kurzen Stummelschwänzchen. Speziell für R. erscheinen dann noch zwei Fleckenhyänen, knicken beim Saufen ihre überproportional langen Vorderläufe ein und machen so artig vor ihr einen Diener.

Donnerstag, 13. 6. 1996

Gemächlich bummeln wir mit dem Auto Richtung Ostausgang des Etoshaparks. Ob der einsame Geier, der eitle Sekretär und die vielen buntschillernden Gabelracken unsere Wehmut bemerken? Die große Elefantenherde von gestern nachmittag - die bad boys und girls, die die anderen Tiere nicht ans Wasserloch gelassen haben - will uns jedenfalls noch einmal sehen und bewundern, sie promeniert gelassen mit den Rüsseln winkend an uns vorbei. Wir sind sicher: die vielen tausend Tiere, die wir hier in ihrer natürlichen Umgebung erleben durften, werden wir nicht vergessen!

















Als Ergänzung noch einige Fotos aus den Folgejahren im Okt./Nov.










Unser heutiger Zielort ist Grootfontein, das Agrarzentrum von Namibia. Nachmittags schlendern wir durch den Ort, ergänzen unsere Vorräte, trinken in einer deutschen Bäckerei „Tchibo“-Kaffee und genehmigen uns dazu ein Stück Kuchen. Hier ergattern wir auch eine relativ neue, deutschsprachige Tageszeitung. Übereinstimmend stellen wir später fest, daß uns die sogenannten Neuigkeiten aus aller Welt piepegal sind. Wir haben sie die letzten zwei Wochen nicht vermißt, obwohl wir zuhause das politische Geschehen immer sehr aufmerksam verfolgen. Den handlichen Weltempfänger, den wir mit auf die Reise genommen haben, fahren wir nur spazieren. Vor dem Essen rauche ich in einer Bar noch ein Pfeifchen. Auf dem Wege dahin fällt mir auf, daß mit Beginn der Dunkelheit vor allen Läden extrem starke Scherengitter angebracht, Türen und Fenster verrammelt und scharfe Hunde in die ohnehin mit Stacheldraht gesicherten Höfe gelassen werden. Auch der Thresen der Bar ist mit einem Scherengitter versehen, das nur zu den reglementierten Öffnungszeiten um etwa einen Meter geöffnet wird. Diese Maßnahme mag wohl wegen der hohen Kriminalitätsrate gerechtfertigt sein, aber in einer Umgebung, wo derartige Sicherheitsvorkehrungen nötig sind, würde ich mich auf Dauer nicht wohlfühlen.

Nach dem Abendessen trinken wir an der Hotelbar als „Absacker“ einen Gin - Tonic. Dabei unterhält sich R. fast fließend mit zwei jungen Schwarzen auf Englisch. Toll! Nur die weiche Aussprache, der fast singende Tonfall der beiden, macht ihr einige kleinere Schwierigkeiten. Aber man kann ja nachfragen.
Anhang:
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Freitag, 14. 6. 1996

R. mutiert zum Bleichgesicht: ich muß den Wagen aus einer sehr engen, zusätzlich mit anderen Fahrzeugen zugeparkten Hofeinfahrt rückwärts herausbugsieren. Nicht übertrieben schnell, denn es ist wirklich sehr unübersichtlich, aber sicher, kämpfe ich mich frei. Dafür erhalte ich anschließend von ihr ein dickes Lob, denn sie hatte es für unmöglich gehalten, den Wagen auszuparken.

Die heutige Etappe steht unter dem Motto: „Wer ist schon einmal 460 lange Kilometer fast ausschließlich geradeaus gefahren?“ Sollte jemand Interesse haben, wähle er die Strecke von Grootfontein nach Popa Falls! Nach 120 Kilometern passieren wir den Veterinärzaun, der neben seiner ursächlichen Bedeutung Weiß- und Schwarzafrika trennt. Wir erfahren, daß ab hier bis vor kurzer Zeit die „homelands“, die es wie in Südafrika auch in Namibia gab, existierten. Heute dürfen Weiße in dieser Region kein Land erwerben, nur pachten. Links und rechts der Straße liegen malerische kleine Dörfer unter schattenspendenden Bäumen, durch hohe Palisadenzäune gesichert. Für die Rundhütten wird außerhalb größerer Ortschaften ausnahmslos das reichlich zur Verfügung stehende Maisstroh verwendet, die Tiergehege bestehen vorzugsweise aus Dornengebüsch. Alles strahlt Ruhe und Frieden aus, Afrika wie aus dem Bilderbuch.





Die 460 Kilometer ziehen sich mächtig, obwohl die Straße durchgehend asphaltiert ist. Wir sind froh, als wir am frühen Nachmittag Popa Falls erreichen. Das urige Camp liegt direkt am Kavango (das ist der Fluß, der sich nur wenige Kilometer weiter Okavango nennen läßt und das berühmte Delta in Botswana bildet) und besteht nur aus wenigen Hütten sowie einem idyllisch gelegenen Zeltplatz. Wir streifen ein wenig auf ausgewiesenen Wegen am Ufer entlang und erfreuen uns an der üppigen Vegetation, seit langer Zeit einmal wieder G r ü n in Hülle und Fülle. Und fast kein Staub! Die Fälle selbst sind ein klein wenig enttäuschend, kaum richtig einzusehen, sprudeln sie nur über ein paar Steine, das Gefälle ist sehr gering. Aber sie lärmen wie „Große.“

In unserer Hütte hat sich oberhalb von R.s Bett ein „Stinkschwanzlurch“ eingenistet. Ob der das die Nacht über aushält? Denn die Spaghettisauce, es gibt einmal mehr unser Leib- und Magengericht, enthält wieder viel Zwiebeln und Knoblauch... Aber erst einmal schaut er interessiert zu, wie R. ihr Moskitonetz entfaltet und aufhängt. Abends sitzen wir auf der Terrasse, lauschen dem Rauschen der Fälle und dumpfen Eingeborenentrommeln, deren rhythmischer Klang aus der Ferne zu vernehmen ist. R. überrascht mich einmal mehr: sie hat ein „neues“ Kreuz des Südens entdeckt. Soll sie, wir sind ja hier schließlich auch einige hundert Kilometer weiter nördlich... Die Nacht ist unwahrscheinlich kalt, wir tragen Winterschlafanzüge, Socken an den Füßen und zusätzlich ein dickes Vlies für den Oberkörper. Aber auch das ist noch nicht ausreichend, wir frieren immer noch. Da R. sich nicht aus ihrem Moskitonetz befreien kann, bringe ich ihr eine zusätzliche Decke. Kaum sind wir etwas warm geworden und eingenickt, hebt ringsum ein Knistern und Rascheln, ein Zirpen und Murmeln, ein Knacken und Knarren, ein Knirschen und Schnarren an. Der Stinkschwanzlurch hat wahrscheinlich all seine Kumpels aktiviert, damit sie auch einmal eine schöne Nacht haben sollen. Es ist fast unmöglich, wieder einzuschlafen.

Samstag, 15. 6. 1996

Durchgefroren und von all den Geräuschen immer wieder aufgeschreckt, werfen wir uns im Halbschlaf auf unseren Betten hin und her. Aber auch an Dösen und vielleicht noch einmal Einschlummern ist nicht mehr zu denken, als eine heisere Taube direkt über uns ein nicht endenwollendes Gurrkonzert anstimmt. Tauben mögen diese gutturalen Geräusche ja attraktiv finden, aber nach dieser Nacht könnte ich zum Taubenhasser werden. Wenn ich den blöden Vogel zu fassen kriege, zupfe ich ihm bei lebendigem Leibe sämtliche Federn aus. Und wenn er dann nackt und hilflos vor mir liegt, werde ich ihn fesseln, mit einer Zuckerlösung einpinseln und ihn anschließend auf einer Paßstraße der roten, beißwütigen Waldameisen ablegen. Dann kann er so viel um Hilfe gurren, wie er will, ich werde den Ameisen genüßlich bei ihrem Festmahl zusehen. Mein Wunschdenken bleibt jedoch unerfüllt, in dem dichten Astwerk ist das Vieh nicht einmal zu entdecken.

Also gehe ich die zweitbeste Lösung an, braue uns einen heißen Kaffee und sorge dafür, daß wir das Camp so schnell wie möglich, fast fluchtartig, verlassen. So sind wir schon kurz nach sechs Uhr auf dem Trip durch den Caprivi - Strip, ein Relikt aus der Kolonialzeit, fast vierhundert Kilometer lang und teilweise nur 30 Kilometer breit. Da ein Großteil der Güter, die in Namibias einzigem bedeutenden Seehafen Walvis Bay angelandet werden, für das innere Afrika bestimmt ist, wird diese Straße jetzt durchgehend geteert, damit der Transport mit schweren Lastkraftwagen das ganze Jahr hindurch gesichert ist. Während der Regenzeit ist das bisher durchaus nicht gewährleistet, und eine andere funktionierende Landverbindung nach Botswana, Zimbabwe und Zambia gibt es von Westen her nicht. Die ersten etwa 60 Kilometer sind fertiggestellt, von Kongola bis Katima Mulilo gibt es noch einmal ca. 90 Kilometer Asphaltstraße, aber der Rest ist teilweise sehr schwierig zu befahrende Gravel - Pad.

Heute gönnen wir uns die Zambezi - Lodge, direkt am gleichnamigen Fluß gelegen. Überall warnen Hinweisschilder vor Krokodilen, die Echsen lassen sich jedoch nicht blicken. Verstehe ich gut, auch ich habe oft Angst vor R.... Nachmittags fahren wir nach Katima Mulilo, um für die folgenden Tage einzukaufen und die Atmosphäre einer fast ausschließlich von Schwarzen bewohnten Stadt auf uns wirken zu lassen. Auf dem Markt kommen wir ganz schön ins Grübeln, als wir feststellen, daß Zigaretten und Bonbons teilweise noch einzeln verkauft werden und manches Kleidungsstück, das hier den Besitzer wechselt, bei uns mit Sicherheit nicht einmal als Putzlumpen Verwendung finden würde. Ein ganz schöner Unterschied zu unserer luxuriösen Lodge und der Lebensweise in Europa. Das „artist - center“, in dem kunstgewebliche Arbeiten angeboten werden, müssen wir uns für den Rückweg aufheben, weil es am Samstag geschlossen ist.




Den Sundowner nehmen wir in einer schwimmenden Bar auf dem Zambezi, während im Westen über dem breiten Fluß die Sonne versinkt und mit ihren letzten Strahlen das Wasser in rotgoldenes Licht taucht. Nach dem Abendessen fallen wir sofort in unser komfortables Bett und holen den entgangenen Schlaf der letzten Nacht nach.

Sonntag, 16. 6. 1996

Wir nehmen die letzten siebzig Kilometer bis zur Grenze nach Botswana „unter die Hufe“. Die Strecke führt an unzähligen kleinen Dörfern vorbei, bei denen die Zeit scheinbar stehengeblieben ist, soviel Ruhe und Frieden strahlen sie aus. Aber fast alle besitzen eine eigene Kirche, wie die an der Straße aufgestellten Schilder beweisen. Die Missionare haben wirklich ganze Arbeit geleistet...

Die Grenzübertritte von Namibia nach Botswana und von Botswana nach Zimbabwe haben es in sich: ca. 36 - mal schreiben wir in diverse Bücher, Kladden, Listen und auf Zettel und Formulare, daß wir heute aus Katima Mulilo kommen und nach Victoria Falls wollen, als Touristen unterwegs und Deutsche sind, die Zulassungs-, Motor- und Fahrgestellnummer des Fahrzeugs, natürlich inclusive Farbe, Kilometerleistung, Herstellungsjahr und- ort, Fahrzeugtyp mit genauer Bezeichnung, Anzahl der Sitze, wie lange wir in dem jeweiligen Land zu bleiben gedenken und wo wir übernachten wollen, unsere Kennziffern aus den Reisepässen und, und, und... Nur unsere Schuhgröße und wie lange wir verheiratet sind, scheint niemanden zu interessieren. Eigentlich schade! Dafür weist aber in einem Office ein Schild sehr nachdrücklich darauf hin, daß beim Betreten des Büros die Hüte abzunehmen und von dieser Regelung auch Frauen nicht ausgenommen sind, wohl weil an einer Wand das Photo des momentanen Präsidenten hängt.

Vor dem Abfertigungsgebäude in Botswana müssen wir erst durch ein Seuchenbad fahren, bevor wir die speziellen Formalitäten dieses Landes über uns ergehen lassen dürfen. Die Grenzbeamten verlangen von uns eine eigentlich minimale Straßenbenutzungsgebühr im Werte von ungefähr fünf DM, die entweder in Pula, südafrikanischen Rand oder US - Dollar zu entrichten ist. Über diese Währungen verfügen wir aber nicht oder noch nicht, eine Wechselstube fehlt, der Grenzbeamte wird bockig (vielleicht hat ihn seine Frau gestern abend von der Bettkante geschubst) und will keine DM oder Namibiadollar nehmen, also eine absolut verfahrene Situation. Dabei sind Namibiadollar wertgleich mit südafrikanischen Rand. Gott sei Dank wechselt eine Familie aus Südafrika mir einige Namibiadollar in Rand, der botswanische Beamte ist ein wenig sauer, daß er uns nicht länger schikanieren kann, wir jedoch freuen uns, daß wir endlich weiterfahren können. Scheiß Bürokratie, die einschlägigen Reiseführer könnten ruhig auf diesen Sachverhalt hinweisen. Wie angenehm sind dagegen doch die meisten Grenzübertritte in Europa.

Mittags erreichen wir Victoria Falls und begeben uns auf Quartiersuche. Das erste Hotel ist ausgebucht, das zweite hat noch Zimmer frei, aber zu unverschämt hohem Preis, nämlich 240 US - Dollar. Schließlich finden wir im Sprayview - Hotel Unterkunft zu zivilen Preisen. Natürlich müssen wir gleich die Fälle sehen, die wir vom Hotel aus relativ bequem zu Fuß erreichen können. Beim Gang durch den Ort wird uns bewußt, wie ruhig und friedlich die letzten drei Wochen waren, hier ist ein ganz schöner Menschenauftrieb, alles ist auf den Tourismus ausgerichtet, und wir haben Mühe, ganze Scharen von aufdringlichen Andenkenverkäufern abzuwimmeln. Dann stehen wir staunend vor einem Naturwunder unserer Erde.







Die ungeheuren Wassermassen des Zambezi stürzen mit unglaublichem Getöse über einhundert Meter in die Tiefe, dabei Kaskaden und Katarakte bildend. Myriaden Wassertropfen werden von der Wucht des Aufpralls wieder in die Höhe geschleudert und von der Sonne zu konstanten Regenbögen „verarbeitet“, die diesem Schauspiel einen besonderen Reiz verleihen. Wir verstehen, daß die Eingeborenen in früheren Jahrhunderten diesen Ort „Rauch, der donnert“ nannten. Für uns sind die Fälle in ihrer Großartigkeit absolut vergleichbar mit dem Grand Canyon in Nordamerika. Wir können uns kaum satt sehen, und erst mit Beginn der Dunkelheit kehren wir von außen gut durchfeuchtet ins Hotel zurück.

Montag, 17. 6. 1996

Der Ort Victoria - Falls scheint fast ausschließlich aus Safari-Agenturen, Wechselstuben, Hotels, Andenken- und Klöterläden und einigen Restaurants zu bestehen. Touristen und natürlich die lästigen, unvermeidlichen Andenkenverkäufern bevölkern die Straßen.

Es gibt wohl keine Freiluftabenteuersportart, die man hier nicht betreiben kann, vielleicht mit Ausnahme einiger Wintersportdisziplinen. Es werden Rundflüge mit Hubschraubern, Klein- und Leichtflugzeugen angeboten, und man kann mit Schlauchbooten Wildwasserrafting auf den Stromschnellen des Zambezi betreiben. Wem dieser Thrill noch nicht reicht, stürzt sich, nur mit einem elastischen Seil gesichert, von der hohen Brücke nach Zambia in die tiefe, enge Schlucht der Fälle. Das nennt sich dann „bungee jumping“. Ausflüge per Motorboot, Fahrrad oder auch zu Fuß sind möglich, wer es gemächlicher mag, kreuzt auf einer Yacht auf dem Zambezi und genießt bei Mond- und Sternenschein ein Candellight - Dinner oder ergötzt sich an den Darbietungen afrikanischer Tänzer. Aber über all diese Attraktionen kann ich nichts berichten, wir konzentrieren uns auf die Wasserfälle. Sowohl vor- als auch nachmittags wandern wir ausgiebigst am Rand der Fälle entlang, die Eintrittsgebühr muß ja ausgenutzt und abgelaufen werden. Immer wieder entdecken wir dabei neue Einzelheiten, auf die wir uns gegenseitig hinweisen. Dieses Superprogramm, bei dem die Natur Regie führt, ist unvergleichlich!





In einem Kunstgewerbegeschäft bewundern wir einen wunderschön gearbeiteten und in den Farben und Formen in sich vollkommenen harmonischen Batikvorhang. R. meldet Vorbehalte bezüglich der Größe an, die ich aber überzeugend zerstreue, denn vor meinem „inneren Auge“ sehe ich dieses Prachtstück schon an einer Wand in unserer Eßdiele hängen. Zusätzlich erstehen wir zwei kleinere Stücke, die den Gesamteindruck sicher noch steigern werden. Heute sind wir insgesamt mindestens acht Stunden auf den Beinen gewesen, die erste ernsthafte körperliche Belastung seit drei Wochen. Bis neun Uhr abends halten wir uns gerade so eben noch wach, dann verlöschen die Lichter.
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12 Aug 2013 20:18 #300031
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Dienstag, 18. 6. 1996

Es ist irre, mein süßes, liebes, kleines Frauchen (!!) und ich mitten im afrikanischen Busch, im oder zumindest direkt vor dem wilden, weitgehend unzugänglichen Chobe-Nationalpark in Botswana. Davon hätten wir vor einigen Jahren noch nicht einmal zu träumen gewagt.

Aber der Reihe nach: entweder wirke ich insgesamt ein wenig tölpelhaft oder mein Englisch ist schlechter, als ich dachte, jedenfalls will man mich beim Bezahlen im Hotel wohl so richtig zur Kasse bitten, die Rechnung ist um satte einhundertachtzehn Zimbabwe-Dollar zu hoch. Irgendjemand hat den Restaurantbon eines anderen Zimmers unter unsere Abrechnung geschummelt. Sehr widerwillig und demzufolge auch umständlich wird der Irrtum korrigiert. Ich bin ein klein wenig stolz, daß ich den Sachverhalt richtigstellen kann, da ich in R.s Augen zumindest in dieser Beziehung immer ein mehr oder weder großes Schussel bin.

Zum Abschied von Vic - Falls fahren wir den Zambezi-Drive entlang, der durch den gleichnamigen Nationalpark führt. Beim „Big Tree“, einem wahrhaft riesigen, alle üblichen Dimensionen sprengenden Baobab steigen wir aus. Zwei junge Security - Angestellte des Parks sprechen uns an, sie wollen uns Büffel und Krokodile zeigen.



Zu Fuß begeben wir uns auf die Pirsch, aber von den Büffeln sind nur noch einige wenige wedelnde Schwänze im Gebüsch zu sehen. So konzentrieren wir uns auf die Krokodile. Nach einem Fußmarsch von zwei bis drei Kilometern direkt am Zambezi entlang weist einer unserer Führer auf einen Felsen dicht am Ufer. Erst nach einigen Augenblicken erkennen wir tatsächlich ein junges, bei weitem noch nicht ausgewachsenes Krokodil, das schläfrig in der Morgensonne liegt. Unsere selbsternannten Guides sehen wirklich mehr als wir: kleine, buntschillernde Vögel in dichtem Buschwerk oder hohen Bäumen, winzige Echsen, die blitzschnell in Felsspalten verschwinden, wenn sie Geräusche hören, und außergewöhnliche Pflanzen, die von den Einwohnern auf vielfältige Weise genutzt werden. So demonstrieren sie uns zum Beispiel, wie sie aus Palmwedeln Matten als Bodenbedeckung für die Hütten fertigen.



Kurz vor Beendigung unserer kleinen Wanderung deuten sie ganz plötzlich aufgeregt auf dichtes Buschwerk am Flußufer - ein einzelner Elefant in maximal zehn Meter Entfernung rupft genüßlich Blätter und junge, saftige Zweige von den Bäumen und schiebt diese mit dem Rüssel unermüdlich in sein Maul. Unser Pulsschlag beschleunigt sich erheblich, denn es besteht doch ein Unterschied, ob man diesen Kolossen quasi Auge in Auge gegenübersteht oder relativ sicher in seinem Auto sitzt. R. beweist Mut, um besser photographieren zu können, geht sie vorsichtig noch einige Schritte näher heran. Mir wird ganz mulmig im Magen, und ich mahne sie, nicht zu übertreiben. Aber alles geht gut, sie betätigt schnell einige Male den Auslöser, und wir erreichen wohlbehalten unseren Wagen.



Als Dank für die geleisteten Dienste bieten wir unseren Führern einen angemessenen Geldbetrag an. Als sie erkennen, daß es sich um Namibiadollar handelt, erklären sie uns, daß sie damit nichts anfangen können. Offensichtlich genießt die Währung, zumindest bei den unmittelbaren Nachbarn dieses jungen Staates, wenig Vertrauen, siehe Straßenbenutzungsgebühr Botswana. Wir finden aber auch noch einige Rand, und damit sind die symphatischen jungen Männer sehr zufrieden. Wir verabschieden uns herzlich, ein schöner Abschluß unserer Tage in Zimbabwe.



Bevor wir jedoch Victoria - Falls endgültig verlassen, zählen wir erst noch unsere „Zimbabwe-Mäuse“. R. geht einkaufen, um den Rest zu verbraten. Sie macht es sich wie immer nicht leicht, diesmal im wahrsten Sinne des Wortes: nach angemessener Wartezeit, so ca. 30 bis 60 Minuten, sehe ich sie - vornübergebeugt wie ein krummes, altes Mütterlein, mit äußerster Anstrengung einen noch nicht zu identifizierenden Gegenstand schleppend - schwerfällig über die Straße kommen. Stolz wie ein Pfau präsentiert sie mir eine Skulptur, einen Frauenkopf aus Eisenholz, mit einem Gewicht von etlichen Kilogramm. Sie ist ganz begeistert, vor allen Dingen, weil sie den Preis für das „gewichtige“ Stück erheblich heruntergehandelt hat. Als ich nachrechne, komme ich auf einen Nettobetrag von DM 2,43... Aber um gerecht zu sein, es ist wirklich ein außergewöhnlich schönes Stück. Nun aber nichts wie weg, wir müssen daran denken, daß das Gewicht unseres Gepäcks auch für den Rückflug limitiert ist.



Der Grenzübertritt zurück nach Botswana verläuft problemlos, schließlich kennen wir das Procedere ja auch schon. Die Kameraden haben aber trotzdem für uns noch eine zusätzliche Überraschung vorbereitet. Vorschriftsmäßig fahren wir wieder durch das brackige, von schillernden Ölflecken bedeckte Wasser des sogenannten Seuchenbads. Voller Unverständnis schauen wir uns dann jedoch an, als uns der leitende Beamte der Seuchenvermeidungsstation bedeutet auszusteigen. Er schüttet aus einem Becher eine undefinierbare Flüssigkeit auf einen schmutzstarrenden Lappen. Dann versucht er uns zu bewegen, erst mit unverständlichem Kauderwelsch, dann mit wildem, heftigem Gestikulieren, unsere Sandalen auf diesem widerwärtigen, unappetitlichen, ekelerregenden Textilfetzen abzutreten. Mit Abscheu wischen wir die Schlappen kurz über die abstoßende Textilie und schleudern sie anschließend eiligst von den Füßen. Bei nächster Gelegenheit müssen die Jungs gründlich desinfiziert werden.

Wie eingangs schon erwähnt, können wir es kaum fassen, daß wir jetzt mitten in der afrikanischen Wildnis sind. Wir übernachten in der Chobe Safari Lodge und buchen für den Nachmittag gleich „game viewing by boat“. Das von Profis gesteuerte Boot mit Aussichtsterrasse gleitet beinahe lautlos über das ruhige Wasser des Chobe und bringt uns zum Berühren nahe an Krokodile, Leguane, Flußpferde, Büffel, Elefanten, seltene Antilopen und Gazellen, Zebras, Reiher, Fischadler, Nilgänse und buntgefiederte Enten heran. Bei wirklich lohnenden Motiven achtet der Schiffsführer natürlich darauf, daß zum Photographieren die Sonne im Rücken steht. Wie schon gesagt: Profis!






Ich bemerke gerade: das klingt fast ein wenig lahm und langweilig, aber das Gegenteil ist der Fall! Ganze Flußpferdkolonien, die Uferzonen und Seitenarme des Chobe bevölkern, Elefantenherden, die im „Gänsemarsch“ zum Saufen kommen und ungeheure Mengen Wasser in sich hineinschütten oder vor der untergehenden Sonne Futter suchen, unzählige Büffel, die auf einer abgelegenen Halbinsel weiden oder friedlich widerkäuen, Fischadler, die zum atemberaubenden Sturzflug ansetzen und mit für die Fische fast immer tödlicher Sicherheit mittels ihrer messerscharfen Krallen zugreifen, Krokodile, die anscheinend nur faul und träge in der Sonne dösen, dann aber so blitzschnell ihre Beute attackieren, daß der Bewegungsablauf für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar ist, Reiher und Löffler auf unermüdlicher Futtersuche, äsende, immer wieder nach allen Seiten sichernde Antilopen, Zebras und Gazellen sowie Tümpel oder ruhige Seitenarme des Chobe, über und über mit Seerosen bewachsen, bewundern zu dürfen, läßt unser Herz höher schlagen. Uns wird bewußt, was wir durch unsere sogenannte Zivilisation in Europa schon alles verloren haben.



Ich genieße es außerordentlich, mich auf meinem Aussichtplatz zu räkeln, meine Beine nach Belieben und allen Seiten ausstrecken und mich ausschließlich auf die Tierbeobachtung konzentrieren zu können, ohne auf die Fahrbahn achten zu müssen.

Diesen wahrlich ereignisreichen Tag lassen wir nach einem sehr guten und reichhaltigen Abendessen im Restaurant mit einer Flasche Wein ausklingen; nicht einmal das Kreuz des Südens löst ernsthafte Diskussionen zwischen uns aus.



Mittwoch, 19. 6. 1996

Schon bei Sonnenaufgang geht es diesmal auf vier Rädern in einem offenen Wagen durch den Chobe. Als ich unseren Fahrer und Führer mit Mütze und Handschuhen hinter dem Steuer sitzen sehe, wird mir schnell klar, was uns erwartet: viel frische, kalte Luft. Also hole ich mir eiligst noch das dicke Vlies, damit ich nicht zum Eiszapfen erstarre. Unterwegs bekommen wir einen nachhaltigen Eindruck über den Zustand der Pads im Park. Letzte Zweifel, den Chobe nicht selbständig zu erkunden, sind sehr schnell beseitigt. Soviel Wert legen wir nun auch wieder nicht auf tiefen Sand und unübersichtliche Streckenführung. Bei der Tierbeobachtung haben wir heute morgen nicht übermäßig viel Glück, aber nach unseren Erfahrungen der gestrigen Bootsfahrt und vor allen Dingen aus dem Etosha - Park stellen wir natürlich auch sehr hohe Ansprüche.

Nachmittags wollen wir uns noch einmal verwöhnen, nutzen die Gelegenheit und gehen wiederum auf das Boot, das heute im Gegensatz zu gestern voll ausgebucht ist. Direkt hinter uns nimmt eine etwa fünfzigjährige Tussi Platz, die ihrer Begeisterung über die entdeckten Tiere mit sich ständig steigernden, hohen, spitzen, schrillen Schreien Ausdruck verleiht: „Ooooh, wie ist das schöööön“, „oooh, daß ich das noch erleben darf“, „oooh, ein Flußpferd“, „oooh, wie niedlich“, „Ede, bring mir ‘mal das Fernglas“, „Ede, guck ‘mal“, „Ede, hast du das gesehen?“ Ede, offenbar ihr Mann, sitzt fünf Reihen hinter ihr... Die Tussi gönnt sich und vor allen Dingen uns keine Pause. Ununterbrochen dringen die unangenehmen Töne in unsere Ohren. R. befürchtet - nicht zu Unrecht - von mir eine scharfe Reaktion, redet mir begütigend zu und bittet um Verständnis für ihre Geschlechtsgenossin. Als aber nach ca. einer Stunde ein besonders schriller Schrei mein Trommelfell schmerzhaft vibrieren läßt, platzt mir der Kragen und ich weise die Dame höflich, aber sehr bestimmt und angemessen deutlich darauf hin, daß ich mich von ihr akustisch äußerst belästigt fühle. Augenblicklich herrscht angespannte Stille auf dem ganzen Boot, man könnte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Offensichtlich habe ich sehr vielen anderen Teilnehmern aus dem Herzen gesprochen, und nur die Tatsache, daß sie zu einer gemeinsamen Reisegruppe gehören und notgedrungen noch einige Zeit miteinander verbringen müssen, hindert sie wohl daran, laut zu applaudieren. Die Tussi läuft vom Hals aufwärts rot an, setzt sich zu ihrem Ede und ward fortan nicht mehr gehört... Der Rest der Fahrt ist ein wirklicher Genuß: auf dem Boot ist es genauso friedlich und still wie auf dem Fluß und am Ufer.





Abends grillen wir noch einmal. Nachdem das Holzfeuer entzündet ist, gehe ich an die Reception und bezahle. Bei meiner Rückkehr trifft mich fast der Schlag: mein liebes, kleines Frauchen (!!) hat offenbar innerhalb von zehn Minuten den Verstand verloren. Sie stolpert unsicher über den Rasen vor unserer Hütte, funzelt mit der Taschenlampe mal hierhin, mal dorthin, und als ich näherkomme, sehe ich, daß sie vollkommen verschmutzt ist. Stammelnd faselt sie wirres Zeug, ohne einen vollständigen Satz, geschweige denn einen einigermaßen zusammenhängenden Bericht abgeben zu können. Mit äußerster Mühe gelingt es mir, einzelne Worte zu verstehen. Ich nehme die Kleine erst einmal in den Arm und versuche, sie zu beruhigen, denn mir wird klar, daß sie unter einem Schock steht. Ganz allmählich kann ich mir ein Bild über das abgelaufene Geschehen machen: R. will unsere Hütte mit dem flackernden Holzfeuer davor photographieren. Hektikerin, die sie zumindest teilweise nun einmal ist, übersieht sie bei der Suche nach dem günstigsten Standort beim Rückwärtsgehen eine niedrige Steinmauer vor der Böschung zum Chobeufer. Sie stolpert rückwärts darüber und fällt etwa zwei Meter tief den Abhang hinunter, vermeidet beim Aufprall glücklicherweise weitgehend eine in unmittelbarer Nähe befindliche Steintreppe, hält den Photoapparat bewundernswert fest in ihren Händen, verliert beim Sturz jedoch ihre Brille, rappelt sich benommen, aber ohne Brille wieder auf, erklimmt den Abhang, nimmt unverdrossen ihr Motiv abermals ins Visier, wundert sich, daß sie die Hütte nur verschwommen sieht, tätigt aber trotzdem die Aufnahme, merkt erst jetzt, daß sie bei dem Sturz die Brille verloren hat, tastet sich ins Zimmer und zum Koffer, um die Taschenlampe und mit dieser ihre Brille zu suchen, stolpert unsicher über den Rasen... Ab jetzt erscheine ich wieder auf der Bildfläche, siehe oben. Ich vergewissere mich, daß bei ihr zumindest kein ernsthafter physischer Schaden entstanden ist, lasse mir die Taschenlampe geben und die Absturzstelle zeigen, finde die ziemlich arg in Mitleidenschaft gezogene Brille (zur Erinnerung, das hier ist schon ihre Ersatzbrille!) und öffne zwei Flaschen Bier, denn allmählich wird mir bewußt, wieviel Glück R. gehabt hat.

Die Stelle, wo sie gefallen ist, liegt nur etwa fünf Meter vom krokodilverseuchten Chobeufer entfernt. Nicht auszudenken, wenn sie beim Sturz auf einen Stein geprallt und bewußtlos geworden wäre. Ich als Krokodil hätte mir jedenfalls diesen abendlichen Leckerbissen nicht entgehen lassen. Frauen sind und bleiben mir sicherlich auch künftig ein absolutes Rätsel, denn meine kleine, graublonde Taube beschäftigt mehr als alles andere, daß sie wie stets seit Beginn unserer Reise in ihrer Weste mit den unzähligen Taschen sämtliche überlebenswichtigen Dokumente und Utensilien wie Reisepässe, Flugtickets, Fahrzeugpapiere, DM-Reserven, Reiseschecks, Versicherungspolicen, Tabletten gegen Malaria, Hausschlüssel sowie etlichen anderen Krimskrams bei sich hatte und daß das dann mit ihr verschwunden wäre. Und sie macht sich im nachhinein Sorgen, wie ich mit der dann entstandenen Situation so ganz allein auf dieser großen, weiten Welt - ohne sie, Geld und Ausweise - klargekommen wäre. In diesem Augenblick ist meine Kleine richtig rührend. Aber als sie kurz darauf fragt, ob ich gegebenenfalls einen Tauchgang in die Krokodilhöhle unternommen hätte, um sie zu retten oder zumindest die Überreste zu bergen, merke ich, daß sie schon wieder flachsen kann und ganz die „junge“ ist, denn das kann nicht ihr Ernst (oder Willi?) sein. Nach diesem Erlebnis ist es fast unerheblich, daß unsere Steaks zäh sind, wir haben noch einige Dosen Bier, und die kommen nicht mehr mit auf die Fahrt am nächsten Tag...
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13 Aug 2013 20:19 #300165
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Donnerstag, 20. 6. 1996

R. sieht mit ihrer Sonnenbrille, die sie ja jetzt notgedrungen benutzen muß, aus wie Greta Garbo. Sie beweist aber, daß sie trotzdem noch immer über ihren berüchtigten Adlerblick - ich meine wirklich Adler- und nicht Silberblick - verfügt. Sie entdeckt im dichten Gestrüpp eine fast perfekt getarnte Rappenantilope.



Diese beäugt uns eine Zeitlang mißtrauisch, dann wird es ihr offenbar zuviel, und sie verschwindet mit raumgreifenden Galoppsprüngen. Der Grenzübertritt von Botswana nach Namibia regt uns nicht weiter auf, wir kennen die Procedur ja auch schon, sind aber froh, daß wir diese Grenzwechsel jetzt hinter uns haben. In Katima Mulilo besichtigen wir das „art-center“, so wie wir es uns schon auf der Hinfahrt vorgenommen hatten, und erstehen einen sehr schön geschnitzten Elefanten sowie ein kleines Flußpferd für unsere Tochter.

Wir übernachten in einer Lodge (Suclabo-Lodge) in der Nähe von Popa Falls, die vertretungsweise von einem Franken bewirtschaftet wird, der schon geraume Zeit in Irland lebt. Seit einem Jahr ist er mit einem Campingbus und seiner Frau (die Reihenfolge stammt von ihm und nicht von mir) unterwegs durch Afrika. Mit der Vertretung in der Lodge bessert er seine Reisekasse auf. Man merkt aber sehr deutlich sowohl an der Qualität des Essens als auch an der ganzen Organisation, daß die beiden nur Hobbygastronomen sind... Abends unterhalten wir uns mit einem jungen Deutschen, der hier in der Nähe zusammen mit seinen Eltern eine neue Lodge am jenseitigen Kavango-Ufer mit freiem Blick auf die Popa Falls aufbauen will. Er schildert uns eindringlich die diversen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den zuständigen oder auch wieder nicht zuständigen Ministerien und der Administration in Windhoek sowie den regionalen Behörden. Zusätzlich seien Konflikte vorprogrammiert durch die unterschiedlichen Interessen zwischen Weißen und Schwarzen. Rivalitäten oder einfach nur Eifersüchteleien zwischen den jeweiligen Volksgruppen und Stämmen erschweren nach seinen Worten die Situation um ein vielfaches, und wir merken deutlich, daß ihm das morgen früh bevorstehende Palaver mit einem der Stammes-Chiefs schon heute abend schwer im Magen liegt. Wir wünschen diesem unternehmungs- und risikofreudigen jungen Mann gutes Gelingen für sein Projekt und verziehen uns in unsere zugige Hütte. Aus Erfahrung wird man klug: seit unserer ersten Übernachtung in dieser Region wissen wir, daß die Nächte bitterkalt sein können. Deshalb mummeln wir uns ein wie Eskimos, bevor wir unter unsere Decken kriechen.

Freitag, 21. 6. 1996

Morgens besichtigen wir ausgiebig den Mahango Nationalpark, der sich durch seine ausgedehnten Uferregionen des Kavango wesentlich von der Etosha - Pfanne unterscheidet. Ohne allzugroßen Such - und Fahraufwand betreiben zu müssen, genießen wir die herrliche Landschaft und die wilden Tiere.





Große Antilopenherden durchqueren tiefe Trockenflußsenken, Kudufamilien äsen genüßlich an besonders schmackhaften Büschen, scheue, perfekt getarnte Säbelantilopen verstecken sich im hohen Gras,



Fischadler und andere Raubvögel ziehen hoch in der Luft majestätisch ihre Kreise, Krokodile sonnen sich träge auf Sandbänken am Flußufer. Da dürfen natürlich unsere liebsten Freunde, die Elefanten, nicht fehlen. Sich ihrer Überlegenheit voll bewußt, drängen sie über die Fahrbahn. Unser Auto existiert für sie dabei anscheinend gar nicht, obwohl wir nur zehn Meter entfernt parken. Bewundernswert, wie diese tonnenschweren Kolosse sich fast lautlos bewegen. Wenn ich da an manche Trampel zu Hause denke...





Wir übernachten in der fast neuen Nkwasi -Lodge am Ufer des Kavango, etwa zwanzig Kilometer vor Rundu. Bevor wir die Lodge erreichen, rutscht R. wieder einmal das Herz fast in die Hose: um einem entgegenkommenden Fahrzeug auszuweichen, bin ich gezwungen, einen kleinen Sandhügel schräg emporzufahren. Dabei neigt sich unser Toyota natürlich ein wenig zur Seite, unglücklicherweise auf R.s Seite. Sie ist böse, weil das Manöver erstens von mir nicht angekündigt, zweitens vollkommen überflüssig, denn das entgegenkommende Fahrzeug, ein vollbeladender LKW mit offenen, nicht gesicherten Milchbehältern hätte ja wohl genauso den Hügel hinauffahren können, und drittens sehr leichtsinnig war, wie leicht hätte der Wagen umkippen können, und das, wie gesagt, auch noch auf die Seite, auf der sie sitzt....



Aber als R. das luxuriöse Chalet sieht und vor allen Dingen in der Gästebücherei selbst für sie noch neues Informationsmaterial findet, ist der Nachmittag gerettet. Es herrscht schon bald wieder nicht nur draußen eitel Sonnenschein. Vor Einbrechen der Dunkelheit verteilt ein Angestellter mit seinen beiden modisch herausgeputzten Söhnen Petroleumlampen auf dem gesamten Gelände der Lodge. Deren Schein taucht die Gebäude, Bäume und Büsche in ein unwirkliches Licht, das durch den sanften Abendwind immer wieder neue Schattenspiele produziert... Richtig romantisch!



Beim Sundowner lernen wir einen einheimischen Geologen kennen, der Möglichkeiten der Wasserversorgung für Windhoek vom Kavango aus erkundet. Ein ehrgeiziges Projekt, denn das Wasser müßte über mehr als 500 Kilometer durch einen Kanal oder Röhren zur Hauptstadt geleitet werden. Aber es ist wohl zwingend erforderlich, denn so wie das ganze Land leidet auch Windhoek an Wassermangel. Ein interessantes Gespräch über seinen Aufenthalt in Deutschland - mit Besuch des Münchner Oktoberfestes - ergibt sich dann fast von selbst. Heute werden wir für das gestrige Essen entschädigt, ein hervorragendes Dinner beschließt den heutigen Tag.
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14 Aug 2013 13:52 #300236
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Samstag, 22. 6. 1996

Wir frühstücken wie die Fürsten auf der Terrasse, lassen uns dabei viel Zeit und genießen den Blick über den Kavango, der hier die Grenze zu Angola bildet. Unser Dank für die hervorragende Übernachtung, den freundlichen, unaufdringlichen Service und die Qualität der Speisen findet angemessenen Niederschlag im Gästebuch.

Hinter Rundu, das als Zentrum für Holzschnitzereien ausgewiesen ist, halten wir an einem der Verkaufsstände. Sofort laufen aus allen Himmelsrichtungen lärmend, mit fröhlichen, lachenden Gesichtern, unzählige Kinder im Alter zwischen ca. drei und zwölf Jahren auf uns zu, umringen uns, gestikulieren wild und versuchen, mit ihren hellen, aufgeregten Stimmen unsere Aufmerksamkeit auf die diversen Ausstellungstücke zu lenken. Kurze Zeit später erscheinen zwei junge Erwachsene, die für den Verkauf zuständig sind.





Wir entscheiden uns nach kurzem Überlegen für einen weiteren Elefanten sowie für ein Rhinozeros. Während ich die Einkaufsverhandlungen führe, bittet R. darum, die Kinder photographieren zu dürfen. Diese sind ganz begeistert, sie grimassieren und schneiden Faxen, es herrscht eine heitere, ausgelassene Stimmung.



Die beiden jungen Männer bewundern inzwischen mein quergestreiftes T - Shirt, das wie maßgeschneidert (R. würde sagen: wie eine Wurstepelle) auf meinem Athletenbody sitzt. Ihr Wunsch, ein Kleidungsstück zu erwerben, das ich getragen habe, wird übermächtig. Sie bieten mir ihre wertvollste Schnitzerei, eine schwarze Madonna aus Ebenholz mit verklärtem, nach innen gerichteten Blick, für sechs meiner T - Shirts an. Mir ist die Sache ziemlich peinlich, denn ich stehe eigentlich ungern im Rampenlicht der Bewunderung. Auf der anderen Seite ist die meditierende Madonna wirklich wunderschön gearbeitet. Dennoch zögere ich und blicke hilfesuchend zu meinem lieben, kleinen Frauchen hinüber. Aber die ist nach wie vor und voll und ganz damit beschäftig, die Rasselbande zu einer vernünftigen Gruppe zusammenzustellen. Mein Zögern wird von den beiden mißgedeutet, sie beraten sich untereinander und halbieren ihr Angebot auf drei Shirts. Nun gibt es für mich kein Halten mehr, ich gehe zu unserer randvollen Schmutzwäschetüte (R. hat schon ziemlich lange nicht mehr gewaschen), krame nach den Kleidungsstücken und händige diese den jungen Männern aus. Mit angemessen ernstem Gesicht, als ob es sich um rituelle Gegenstände handelt, nehmen sie die Hemden entgegen, entfalten, wenden und bewundern sie von allen Seiten, passen sie vor dem Körper an (wir haben auch nicht nur annähernd identische Größen, ich trage XXL, für die beiden wäre wahrscheinlich S, M oder L angebracht) und freuen sich offensichtlich über den gelungenen Deal. Ich schleppe derweil meine „Dreihemdchenmadonna“ zum Auto. Zwischenzeitlich ist auch R. mit dem Photographieren zu Ende gekommen; endlich hat sie dafür einmal ausreichend Zeit gehabt, ohne von mir ständig drangsaliert zu werden. Sie hat die Madonnengeschichte bisher nur am Rande mitbekommen und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als sie das Stück sieht. Ihr fällt sofort auf, daß das Werk gewichts- und größenmäßig gerade noch im Koffer zu transportieren, der Sockel nicht ganz gerade gearbeitet ist und das gute Stück leicht zur Seite kippt. Daß R. dagegen etwas hat, weiß ich noch sehr gut von gestern Nachmittag... Außerdem rechnet sie mir vor, was die drei T - Shirts gekostet haben und wie meine Madonna ursprünglich ausgezeichnet war. Kunstbanausin, schäbige! Aber Tussis verstehen eben nichts von wahrer Kunst...



Bevor wir weiterfahren, bringt R. den Kindern als Belohnung noch einen kleinen Sack Äpfel. Ich kann diese Szene aus etwa zwanzig Metern Entfernung beobachten, und mir läuft es kalt über den Rücken, als ich sehe, wie die kleinen Rangen reagieren. Als sie den Beutel mit den Äpfeln sehen, klatschen sie begeistert in ihre Händchen, hüpfen aufgeregt umher, krähen fröhlich und können es kaum erwarten, die Früchte in Empfang zu nehmen. Das ist Freude pur! R. bedeutet einem der Erwachsenen, sich um die gerechte Verteilung zu kümmern, er zählt auch sofort die Anzahl der Kinder und vergleicht diese mit der Menge der Äpfel. Einigermaßen gerührt machen wir uns auf den Weg Richtung Tsumeb.

An einer Kreuzung hinter Grootfontein lesen wir einen schwarzen Anhalter auf, den wir nach Tsumeb mitnehmen. Er hat in Grootfontein ein Ersatzteil für sein Auto gekauft, das in Tsumeb nicht erhältlich war. Unterwegs berichtet er über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Region. Die größte Erzmine arbeitet nicht mehr rentabel, und immer mehr Arbeitskräfte werden freigesetzt. Voller Stolz erzählt er über seinen guten Job bei einer Mineralölgesellschaft, wie glücklich er als Familienvater sei und wie prächtig sich seine Kinder entwickeln. Er läßt es sich nicht nehmen, uns seine Familie vorzustellen und sein Haus zu zeigen. Einen seiner Söhne hat er auf den Namen „Björn“ taufen lassen, so sehr bewundert er den großen schwedischen Tennisspieler. Ein recht ungewöhnlicher Name für einen schwarzen Afrikaner...

Heute wollen wir das Großstadtleben genießen, denn Tsumeb ist nach Windhoek laut Reiseführer mit 18 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Namibias. Wir mieten uns in einem Hotel ein, das mit einem nicht zu übersehenden Schild von außen auf einen Biergarten hinweist. Na also, die Zivilisation hat uns wieder! Umso größer ist unsere Enttäuschung, als wir feststellen müssen, daß der Biergarten geschlossen ist, sämtliche Geschäfte verrammelt und verriegelt sind und das ganze „Kaff“ wie ausgestorben in der gleißenden Nachmittagssonne liegt. Einzig die Bar des zweiten Hotels am Platze ist geöffnet. Wir trinken einen Kaffee, der Fernseher läuft, es wird ein Spiel der Fußballeuropameisterschaft übertragen - der Tag ist doch nicht so schlecht. Während ich das Fußballspiel verfolge, kehrt R. ins Hotel zurück und kämpft sich durch den Wust der bislang angefallenen Belege, sortiert und ordnet Hotel-, Restaurant- und Tankrechnungen, vernichtet das, was wir nicht mehr benötigen. Dafür bin ich ihr sehr, sehr dankbar.

Vor dem Abendessen beschäftige ich mich wieder einmal mit der weiteren Tourenplanung. Eigentlich wäre es ja schade, wenn wir den Nordwesten einschließlich der Ruacana-Wasserfälle nicht sehen würden, zumal die verbleibende Zeit diesen Abstecher ohne weiteres zuläßt. Kurzfristig entschließe ich mich dazu, morgen früh statt nach Westen wieder in den Norden Richtung Oshakati zu fahren. Nach anfänglichem Zögern, denn die Infrastruktur soll dort noch weniger entwickelt sein als im übrigen Land, die Pads sehr rauh, Übernachtungsmöglichkeiten dünn gesät, stimmt R. zu. Aber nicht ohne mir zu unterstellen, ich wolle auch nach Oshakati, um mir das morgige Fußballspiel mit Deutschland anzusehen, weil das dortige Hotel ebenfalls mit Fernseher ausgestattet sei. Sie scheint mich doch ein ganz klein wenig zu kennen...
Letzte Änderung: 14 Aug 2013 13:54 von afra.
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Sonntag, 23. 6. 1996

Wir fahren östlich der Etosha - Pfanne Richtung angolanische Grenze und passieren abermals den Veterinärzaun. Sehr starker und böiger Seitenwind verhindert zügige Geschwindigkeit. Immer wieder werden Sand- und Staubfahnen über die Fahrbahn getrieben. Links und rechts der Straße herrscht reges Treiben, in vielen Dörfern wird Markt abgehalten, vor Drankwinkeln und Bottlestores sitzen Männer in gemütlichen Runden zusammen, malerisch gekleidete Frauen bieten handgefertigte Gefäße in allen Formen und Größen an, und Jugendliche treiben Rinder- und Ziegenherden zur Tränke. Je mehr wir uns dem „Ballungsraum“ um Ondangwa und Oshakati nähern, um so öfter prägen Bars, nur notdürftig zusammengeschustert aus Holz, Wellblech oder anderen Materialien, aber immer sehr bunt angestrichen und mit wilden Phantasienamen versehen, die kleinen Ortschaften. Ob ein direkter Zusammenhang zwischen dieser Anhäufung von Bars und Nightclubs und den unzähligen Autowracks besteht, die achtlos neben der Straße liegen?



Am Nachmittag kann ich doch tatsächlich das Fußballspiel zwischen Deutschland und Kroatien im Fernsehen verfolgen... Ziemlich langweilig, von spielerischer Klasse ist nichts zu sehen. Ansonsten lassen wir es langsam angehen, denn wir wissen, daß uns morgen ein langer und wahrscheinlich auch harter Tag bevorsteht.

Montag, 24. 6. 1996

Westwärts durchqueren wir auf einer guten Teerstraße eine Bilderbuchlandschaft: hohe, sich sanft im Wind wiegende schlanke Palmen überragen friedliche Dörfer, ein durchgehender Wassergraben versorgt die angrenzenden Felder und Weiden, ein kleiner See lockt unzählige Wasservögel zur Futtersuche. Kurz vor den Ruacana - Fällen überqueren wir einen Pass. Von der Anhöhe schweift unser Blick über ein weites, fruchtbares Tal, das von schroffen, braunroten Bergen überragt wird. Das Talende dominiert ein mächtiger Staudamm, der allerdings die Wasserfälle „geschluckt“ hat - von ihnen ist nichts, aber auch gar nichts, zu sehen. Trotzdem eine grandiose Szenerie. Ab Ruacana fahren wir wieder ausschließlich auf Gravel - Pads, anfangs recht eben. Mit einer Geschwindigkeit von siebzig km/h ziehen wir die schon sattsam bekannte kilometerlange Staubfahne hinter uns her. An einer Abzweigung stoppt uns ein Straßenbauarbeiter, der vor seinem Schredder steht. Durch Gestikulieren macht er uns klar, daß er für die Maschine Starthilfe benötigt. Mit einem Überbrückungskabel bringen wir den Motor des riesigen Straßenbaufahrzeugs wieder auf Touren.



Kurze Zeit später erreichen wir Opuwo und begegnen den ersten Himbas, laut Reiseführer eines der letzten Nomadenvölker Afrikas. Männer und Frauen schminken den ganzen Körper ockerfarben, stolz tragen sie ihre wirklich außergewöhnlichen Frisuren und den symbolträchtigen Schmuck, die Maiden laufen barbusig. Die Opuwo - Himbas sind jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit keine Nomaden mehr, denn sie kommen mit Plastiktragetaschen in den Händen aus kleinen Supermärkten, promenieren zu zweit oder dritt über die Hauptstraße des Ortes und warten auf Touristen, um ihnen gegen einen entsprechenden Obulus die Möglichkeit zum Photographieren zu geben. Dabei werden die Maiden sehr viel öfter frequentiert als die Männer...



Auch ich mache eine Aufnahme von einem weiblichen Trio und erstehe zusätzlich einen quastenartigen, mit Metallringen versehenen Gegenstand. Wofür oder wogegen dieses Stück zu gebrauchen ist oder eventuell helfen kann, bleibt mir allerdings verborgen, mein himbaisch ist denn doch zu dürftig.

Die Weiterfahrt nach Kaoko Otavi führt über kleinere Pässe und an wildzerklüfteten Canyons entlang. Einige winzige Himbaansiedlungen liegen links und rechts der Straße. Sobald sich unser Auto nähert, laufen uns sofort zerlumpt gekleidete Kinder entgegen und bitten um Süßigkeiten, aber außer einigen kleinen Tüten Erdnüssen haben wir diesmal leider nichts bei uns.



In Kaoko Otavi, das nur aus wenigen Häusern besteht, suchen wir vergeblich eine auf unserer Straßenkarte eingezeichnete Pad nach Sesfontein. Später erfahren wir, daß diese Strecke schon lange nicht mehr existiert! Notgedrungen müssen wir also umkehren und eine andere Route wählen. Wir sind mit der alternativen Streckenführung aber sehr zufrieden, denn zu unserer Freude sehen wir unterwegs herrliche Baobabs, die ihre Äste wirr wie Wurzelwerk zum Himmel strecken.



Kurz vor Ende der Etappe erklimmen wir eine steile Auffahrt. Oben angekommen, stockt uns fast der Atem: es geht noch steiler, fast senkrecht, nach unten auf einen schmalen Damm zu. Dieser wird gerade mittels einiger Baufahrzeuge mit frischem Schotter aufgefüllt. Es wird also darauf ankommen, die Abfahrt so vorsichtig wie möglich zu bewältigen und dennoch genug Schwung mitzunehmen, um nicht in dem frischen, tiefen Schottersand steckenzubleiben. R. ist wieder verdächtig ruhig, das kann nur bedeuten, daß sie „Fracksausen“ hat. So ganz geheuer ist mir die Sache jedoch auch nicht.... Doch ich beherrsche den Toyota jetzt schon so gut, daß wir auch diese haarige Klippe erfolgreich meistern. Aber ich muß zugeben, daß ich ganz schön schwitzige Hände habe, als wir wieder „sicheres“ Terrain erreichen. Ohne weiteren Nervenkitzel, auf den wir nach dieser superlangen, strapaziösen Etappe auch sehr gut verzichten können, erreichen wir Sesfontein. Das ehemalige deutsche Fort ist zu einer komfortablen Lodge umgebaut, wir essen sehr gut, tauschen anschließend mit anderen Touristen eine Weile Reiseerfahrungen aus, erquicken unsere süße, kleine Leber mit dem einen oder anderen Bierchen und sinken anschließend in einen tiefen, erholsamen Schlaf.


Letzte Änderung: 17 Aug 2013 10:52 von afra.
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