THEMA: 1996 (35 Tage Namibia, Chobe, Vicfalls)
04 Aug 2013 13:21 #298803
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@ Nunanani

....das wäre ja ein Witz . Reisezeit war ab Ende Mai. Ich stelle schon mal die Route ein (handgemalt B).
Hoffe, das Einfügen klappt - mein PC ist nicht der Schnellste.....
Anhang:
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04 Aug 2013 17:01 #298841
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Dies ist ein nicht immer ganz ernst zu nehmender Reisebericht vom männlichen Teil der Reisegruppe, gewidmet R., die auf den folgen Seiten soviel erdulden muß und die bei der Bearbeitung des Textes soviel Kreativität bewiesen hat! ;) ;)


V O R W O R T (vom weiblichen Teil der Reisegruppe)


Zur Beziehung der Zweimann/frau-Kleinreisegruppe:

Dies ist ein sehr persönlicher Reisebericht, in dem der Erzähler endlich mal sein latent vorhandenes Machogehabe so richtig zur Entfaltung bringen kann. Zwangsläufig muß der Leser / die Leserin (man beachte in diesem Fall die Gleichberechtigung!), zunehmend den Eindruck gewinnen, daß es sich bei der Reisebegleiterin um ein zumindest etwas minderbemitteltes, kleines, schutz-bedürftiges, unselbständiges weibliches Wesen handelt, dem das unsägliche Glück beschieden war, mit einem seinerseits allmächtigen, besserwissenden, verständnisvollen, ausgeglichenen, über den Dingen stehenden, kurz gesagt fast gottgleichen männlichen Wesen unterwegs sein zu dürfen. Sei’s drum - wenn es den Unterhaltungswert steigert .... :P

Zur Vorgeschichte:

Die Idee für die Reise entstand bereits im Jahr 1994 nach einer 4-wöchigen ebenfalls auf eigene Faust durchgeführten PKW-Tour durch Südafrika. Dieses Land hat uns mit seinen herrlichen Landschaften, seinem unvergleichbaren Wildtierbestand und der für uns Mitteleuropäer doch teilweise so fremden Kultur dermaßen fasziniert, daß wir beschlossen, auch einmal das „echte Afrika“ zu bereisen. Aus persönlichen Gründen erfolgte die Realisierung erst im Frühsommer 1996.

Geplant wurde die Reise anhand von diversen Reiseführern, Ferienkatalogen und dem Informationsmaterial des namibianischen Fremdenverkehrsverbandes. Um dem ganzen den Hauch von ein bißchen Abenteuer zu verleihen und auch den hintersten Winkel erreichen zu können, mein Mann außerdem als begeisterter Autofahrer unbedingt mal mit einem vierradgetriebenen Geländewagen durch die Gegend düsen wollte (später stellte sich heraus, daß es wohl eher schon immer mein Wunsch gewesen war, in so einem Wagen mitzufahren), mieteten wir uns von Deutschland aus direkt bei der Firma A. (gibt es nicht mehr) in Windhoek einen Toyota-Hilux mit Dachzeltaufbau und Campingausrüstung. Über A.ließen wir lediglich für 2 Nächte die Stellplätze auf einem zumeist stark frequentierten Campingplatz (Sesriem) reservieren; alle anderen Übernachtungsmöglichkeiten suchten wir uns direkt vor Ort.

Zur Reise:

Nach der Ankunft in Namibia stellten wir relativ schnell fest, daß Theorie und Praxis wie meistens im Leben weit auseinander liegen. Da wir bisher über keinerlei Erfahrung im Umgang mit Geländewagen verfügten und bis heute nicht in der Lage sind, Pannen am Fahrzeug selbst zu beheben, haben wir extrem schlechte Strecken vermieden. Unsere ursprüngliche Planung, von Victoria Falls aus über Savuti, Moremi und Maun nach Windhoek zu fahren, wurde - der Vernunft oder der Vorsicht gehorchend - verworfen. Aber die anderen Regionen, die wir hierfür ins Programm nahmen, waren mehr als ein Ersatz, ohne daß es hierzu des allerletzten „Kick’s“ bedurfte (für manche Wüstenfahrer soll es das Größte sein, zur Bewältigung von 5 km Piste mehr als einen halben Tag zu benötigen).
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05 Aug 2013 12:50 #298920
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So, es folgen jetzt die ersten Tage. Bilder füge ich später ein. ich habe gerade festgestellt, dass es nicht nur mengenmässig sondern auch qualitativ grosse Unterschiede zu heute gibt. :( Sind halt nur Erinnerungsaufnahmen.....

Entweder sind die Bilder verblasst, oder es liegt an der Jahreszeit und am Wetter. 1996 war ein sehr trockenes Jahr, Palmwag hatte anscheinend schon seit 2 Jahren keinen Tropfen Regen gesehen. Meine Bilder aus 2000 sind deutlich besser, obwohl mit derselben Spiegelreflex gemacht. War aber auch ein Regenjahr - Sossusvlei hatte Wasser.... Vielleicht stelle ich vergleichsweise ein paar ein. Mal sehen, wie lange das dauert.....

Schluss mit dem Vorgequatsche - es geht los:

Montag, 27. 5. 1996

Pfingstmontag, 13:45 Uhr: nun geht es also endlich los, hat die lange Vorbereitungszeit mit Planen, Organisieren und Packen ein Ende. Wieviel Reiseführer wurden gewälzt, wieviel Karten studiert, wieviel Kataloge besorgt und durchgearbeitet, wie oft die wahrscheinliche Kilometerleistung berechnet, die Routenführung wieder geändert?

Bis zu diesem Zeitpunkt herrscht katastrophales Wetter, aber auf der Fahrt über die Autobahn nach München gibt es gottseidank nur einen erheblichen Regenschauer. Wir stellen unser Auto bei einem ehemaligen Kollegen ab und lassen uns von ihm zum Flughafen bringen.

Wie bei uns nicht anders zu erwarten, sind wir viel zu früh am Flughafen - fast vier Stunden Wartezeit, incl. einer 35-minütigen Verspätung. Wir bummeln noch ein wenig über den Flughafen, schlabbern eine Goulaschsuppe und versuchen, die Aufregung mit ein oder zwei Weizenbier zu bekämpfen. Wer weiß, wann man so ein schön frisches Bierchen wieder bekommt?!

Der Nachtflug nach Windhoek gestaltet sich insgesamt als angenehm, Verpflegung und Service bei LTU sind in Ordnung, aber die Boeing 767 ist fast voll besetzt, und es ist ziemlich warm in der Maschine. Trotz einiger weiterer Bierchen ist bei mir an Schlafen nicht zu denken. Und R. tut auch nur so, als ob sie schläft, sie hört ebenfalls jede Veränderung bei der Lautstärke der Turbinen oder der anderen Teile des Fliegers, die sich akustisch bemerkbar machen. Fliegen gehört nicht zu unseren Lieblingsbeschäftigungen – und fast zehn Stunden Flugzeit ziehen sich... Nach einiger Zeit weiß man nicht mehr, wie man sitzen soll, und es scheint so, als ob der Steißknochen sich durch die Haut bohrt. Aber auch der längste Flug geht einmal zu Ende, und wir landen problemlos zum zweiten Mal auf afrikanischem Boden.

Dienstag, 28. 5. 1996

Erfreulich das Auschecken: binnen einer halben Stunde sind wir durch die Zollkontrolle, das Gepäck ist vollständig vorhanden, und Tina M. von A. erwartet uns.

R. geht erst einmal Geld tauschen, eine sehr zeitaufwendige Geschichte! Zwischenzeitlich erzählt Tina mir von ihren letzten Kunden: die mußten ihren Urlaub vorzeitig abbrechen, weil sie einen ziemlich heftigen Unfall gebaut hatten. Die Frau saß wohl zum ersten Mal am Steuer, geriet auf ein tiefsandiges Wegstück, bremste fälschlicherweise und kippte dadurch den Wagen um. Dabei hat sie sich neben anderen Blessuren auch noch das halbe Ohr abgerissen... Das gibt mir doch arg zu denken, und ich nehme mir vor, daß ich, wenn es irgend geht, R. nicht ans Steuer lasse.

Wir beschließen, den bestellten Toyota - Hilux gleich zu übernehmen. Nach der Abwicklung der administrativen Geschichten bekommen wir unseren Weggefährten für die nächsten fünf Wochen das erste Mal zu Gesicht: sieht ganz gut aus, beige mit ein paar Streifen, wie ein Auto mit Vierradantrieb eben aussieht. Aber was hinten drin, oben drauf und unten drunter ist, unterscheidet sich doch ganz erheblich von den Fahrzeugen, die wir bisher benutzt haben. Hinten drin: Kisten und Kästen und Schüsseln und Schaufel und Grill und Kanister für Wasser und Sprit und Tisch und Stühle und Schalen und Kocher und Leuchten und Gasflaschen und Krims und Krams. Was sollen wir damit, und wie sollen wir mit diesem Zeug nur umgehen? Und obendrauf das Zelt - na ja, das ist wirklich leicht zu handhaben. Tina sucht uns noch zwei saubere Schlafsäcke heraus. Also, damit werden wir fertig!

Höflichkeitshalber höre und sehe ich mir an, was unter dem Auto ist - nämlich zwei Reservereifen. Aber das ist eigentlich ziemlich uninteressant, so etwas habe ich schließlich noch nie gebraucht.... Dann die ersten Meter mit der Kiste ins Hotel, Pension Steiner. Linksverkehr kenne ich ja aus Südafrika, aber das Einparken mit dieser sperrigen Kiste auf dem ziemlich engen Hotelparkplatz ist doch schon etwas heikel.

Da das Hotelzimmer noch nicht frei ist, bummeln wir erst einmal durch die City von Windhoek. Wir informieren uns, was in den diversen Lebensmittelgeschäften angeboten wird, besorgen in einer Apotheke die erforderlichen Tabletten für die Malariaprophylaxe, sehen erste Hererofrauen in ihren Trachten sowie unzählige kleine Kunstgewerbestände, die von meist jungen Schwarzen betrieben werden. In der „Kaiserkrone“ nehmen wir einen Salat zu uns, bevor wir im Hotel Siesta halten. Anschließen checken wir den Wagen noch einmal genau durch und entdecken weitere interessante Einzelheiten wie Braai-Topf, Werkzeuge für das Auto, Handfeger (!?) usw. Wir essen im Hotel, und an der Bar lernen wir später die Besitzer kennen. Der Mann ist Deutscher, war jahrelang im Außendienst in Süddeutschland tätig, hat hier auch seine Frau (Französin) kennengelernt, die beiden haben dann in Westdeutschland einen Campingplatz geführt, bis sie in Namibia eine Gästefarm übernommen haben. Aus irgendwelchen Gründen hat das nicht so geklappt, und nun versuchen sie ihr Glück mit der Hotel-Pension Steiner. Also auch ein unternehmungs- und reiselustiges Paar, und es wird ein informativer und fröhlicher Abend. Wir erfahren hier zum ersten Mal, daß die Deutschen und die Deutschstämmigen in Namibia eng zusammenhalten und praktisch jeder jeden kennt.

Mittwoch, 29. 5. 1996

Um 8:30 Uhr starten wir unsere Safari. Von anderen Touristen haben wir gehört, daß in einem Touristenoffice in der City weiteres Informationsmaterial zur Verfügung steht. Also hin! Auch eine gute Gelegenheit, R.s Qualitäten als Beifahrerin und Führerin zu testen... Nachdem sie dreimal vergeblich versucht hat, mich in verkehrter Richtung in eine Einbahnstraße zu lotsen, gibt sie schließlich auf, und wir finden das Office und anschließen auch den Weg aus der Stadt, Richtung Keetmanshoop. Schon kurz hinter Windhoek bekommen wir einen Eindruck davon, wie karg und öde, wie trocken und sandig, wie menschenleer und einsam, aber auch wie weitläufig und grandios dieses Land ist. Im Augenblick überwiegt jedoch ein wenig Enttäuschung - das hatten wir uns trotz der im Vorfeld dieser Reise durchgeführten umfangreichen Recherchen etwas anders vorgestellt... In die Informationen aus den Reiseführern haben wir wohl zuviel Wunschdenken hineininterpretiert.



Unser "Schlachtschiff"

Aber der Wagen läuft gut, nach anfangs etwas vorsichtigerer Fahrt bringe ich auf guter Teerstraße eine Geschwindigkeit von 120 km/h zuwege. Unseren Lunch nehmen wir in Mariental ein. Wir sind guten Mutes, fühlen uns wieder wohl auf der Straße, die ersten 270 km liegen ohne Probleme hinter uns, sind gut in der Zeit, um unser Etappenziel, den Kokerboomwald, rechtzeitig zum Sonnenuntergang zu erreichen. Aber kurz hinter Mariental schlägt jedoch das für mich von den himmlischen Mächten vorgesehene Autofahrerschicksal gnadenlos zu: der Wagen fängt mehr als gewöhnlich an zu schlingern, so daß ich ihn kaum auf der Fahrbahn halten kann. Gottseidank habe ich wegen einer vorher angezeigten Baustelle die Geschwindigkeit sowieso schon reduziert, ich kann den Wagen ohne Probleme am Fahrbahnrand abstellen. Aussteigen, nachschauen, erbleichen..., der linke Hinterreifen ist platt. Jetzt weiß ich, warum ich zwei Reservereifen mitführe!

Offensichtlich machen wir einen besonders hilflosen Eindruck, denn kurze Zeit später kommt der Kappo des Baustellentrupps (ein Weißer) und erkundigt sich nach unseren Schwierigkeiten. Nach einigem Suchen finden wir das erforderliche Werkzeug, er legt sich wie selbstverständlich unter das Auto und wechselt mir den Reifen. Das liest sich jetzt so einfach, aber bevor das Schloß an der Kette um die Reservereifen geöffnet, die Reifen heruntergekurbelt, die Kette gelöst, ein Reifen herausgewuchtet, der Wagen aufgebockt, der platte Reifen demontiert, das neue Rad angepaßt und festgeschraubt, das defekte Rad unter den Wagen gehoben, mit der Kette festgezurrt und mit dem Schloß gesichert, das Werkzeug verstaut und unser Gepäck eingeladen ist, vergeht sicherlich eine geschlagene Stunde. Und das, obwohl uns nach einiger Zeit noch ein schwarzer Arbeiter des Baustellentrupps zu Hilfe kommt... Ich leiste dabei mehr oder weniger nur Handlangerdienste und schwitze trotzdem aus allen Poren, denn die Sonne brennt gnadenlos. Ich freue mich riesig über die spontane Hilfe, so daß ich mich viel zu großzügig bedanke: der Kappo, der die Hauptarbeit geleistet hat, bekommt von mir 100 N$, sein Adjudant 50. Einheimische Weiße hätten da sicherlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen - wieder solche blöden Touries, die die Preise verderben. In diesem Augenblick ist mir das die Sache jedoch wert, denn allein wäre ich sehr, sehr hilflos gewesen.

Und R. erstaunt mich wirklich während dieser Stunde - sie hält mehr oder weniger ihren Mund, zeigt sich sehr kooperativ, erteilt keine guten Ratschläge und macht mir vor allen Dingen keine Vorwürfe, daß ich anders hätte fahren sollen oder mich besser informieren oder, oder, oder. Da ist man mit seiner Tussi (!!!) über dreißig Jahre verheiratet und kennt sie immer noch nicht richtig! Es verspricht also, trotz dieser Reifenpanne, ein harmonischer Urlaub zu werden.

Die Weiterfahrt zum Kokerboom Forest gestaltet sich ohne Schwierigkeiten. Wir sind sogar so rechtzeitig da, daß wir diese nur in Namibia beheimateten Riesenaloen vor der untergehenden Sonne photographieren können.



Unsere Unterkunft ist einmalig: wir haben einen Vierzimmerbungalow für uns alleine und einen Riesentisch mit drehbarem Mittelteil im Wohnzimmer. Das Essen wird uns im Bungalow serviert, der Wein ist kühl und fruchtig, und es steht eine Menge Bier im Kühlschrank. Wir genießen den Abend, lassen die Ereignisse des Tages an uns vorüberziehen, werden uns allmählich bewußt, daß uns ein abenteuerlicher Urlaub bevorsteht, einigen uns darüber, welches das Kreuz des Südens ist (ein weiteres Indiz für einen harmonischen Urlaub), trinken noch ein, zwei Bierchen und schlafen tief und fest.
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05 Aug 2013 18:23 #298974
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Donnerstag, 30. 5. 1996

Wir frühstücken früh und gut und fahren anschließend eine kurze Strecke zum „Giants Playground“. Der Name besteht absolut zu Recht: wir laufen ca. eine Stunde durch ein irres Gewirr von Felsen, Felsformationen, anscheinend willkürlich aufgehäuften Felsbrocken unterschiedlichster Farben und Formen, bewachsen mit einzelnen Köcherbäumen, die hier viel besser wirken als im Köcherbaumwald direkt bei der Farm. Dieses Areal erweckt wirklich den Anschein, als ob sich hier Riesen ausgetobt hätten. Wir sind begeistert, das ist so ganz nach unserem Geschmack.

In Keetmanshoop tauscht R. noch einmal und genauso zeitaufwendig Geld. Nur mit dem Unterschied, daß man sie hier um 800 N$ „betuppen“ will. Aber die kennen R. noch nicht - mit Händen und Füßen, mit Kugelschreiber und Papier und mit dem, was ihr verbal in englischer Sprache einfällt, also kurz, mit allem, was ihr zur Verfügung steht, korrigiert sie den „Irrtum“.

Seeheim liegt laut Karte ca. 50 km von Keetmanshoop entfernt. Hier wollen wir noch einmal etwas Proviant einkaufen und evtl. zu Mittag essen. Doch trotz intensivster Suche, drei- oder viermaligem Anlauf: dieses Kaff ist nicht zu finden. Also: Ohne Nahrungsaufnahme zum Fish River Canyon, ca. 120 km Staubstraße zum View Point. Am Parkeingang können wir Gottseidank Wasser und ein paar Kleinigkeiten kaufen. Am Aussichtspunkt öffne ich dann, nicht ganz ohne Blutvergießen (unbekannte Dosenöffner haben es in sich, „scheiß Technik“), zwei Dosen Bohnen, und wir picknicken das erste Mal.



Der Canyon, zumindest an dieser Stelle, ist eher enttäuschend. Kein Vergleich mit dem Grand Canyon, und auch andere Schluchten, die wir gesehen haben, waren viel imposanter. Außerdem knallt die Sonne wieder gnadenlos vom Himmel, außer am Picknickplatz kein Fleckchen Schatten, es weht ein heißer, starker Wind, alles kommt uns so öde, so trocken, so trostlos vor, kurzum, wir beschließen, nicht in Ais - Ais zu übernachten, sondern in Richtung Lüderitz weiterzufahren. Sind ja schließlich nur ca. 400 km, und es ist noch nicht einmal zwei Uhr nachmittags. Unterwegs soll es laut Beherbergungsführer ja auch zwei Hotels geben, also jede Menge Sicherheit für uns.







Aber die Strecke zieht sich, schon um wieder auf die Teerstraße zu kommen, brauchen wir weit mehr als eine Stunde, und das Hotel in Goageb besteht nur noch aus Ruinen. Also weiter nach Aus, doch ab jetzt wird es richtig bergig, der Gegenwind erreicht fast Sturmstärke, bläst so stark, daß es das Dachzelt auseinanderfaltet. Auf den langen Steigungen ist sogar der dritte Gang gefordert, nur mit Mühe und Vollgas erreiche ich 60 km/h. Es ist schon dunkel, als wir endlich Aus erreichen. Hier soll es gemäß Beherbungsführer das zweite Hotel geben, das Bahnhofshotel. Wir fahren eine steile Straße hinunter in den Ort hinein und versuchen, uns zu orientieren. Der Bahnhof liegt links von uns, also kann das Hotel doch auch nicht weit entfernt sein! Der ganze Ort ist fast dunkel, man kann kaum etwas erkennen. Plötzlich entdecke ich im Restlicht ein Schild: „Bahnhofshotel“, wir parken direkt davor, aber das Haus liegt wie ausgestorben vor uns. R. geht trotzdem über eine lange Veranda bis zur Bar. Drinnen brennen zwei Kerzen, ein Weißer hockt hinter und ein Schwarzer vor dem Thresen, sie knobeln. Das Hotel ist geöffnet, lediglich der Generator ist defekt, und Aus ist nicht an das Elektrizitätsnetz angeschlossen. Im Schein einer Petroleumlampe besichtigen wir unser Zimmer, mit Hilfe der Taschenlampe entladen wir das Fahrzeug. R. nimmt ein heißes Bad, denn es ist bitter kalt geworden, inzwischen hat der defekte Generator seinen Dienst wieder aufgenommen.

In der Nacht wachen wir von einem seltsamen Geräusch auf: es regnet. Wir sind erst drei Tage in Namibia und haben genau das Wetter, mit dem wir Deutschland verlassen haben, nämlich Novemberwetter. Alle, die wir morgens treffen, begrüßen uns mit dem Ausspruch „Oh, what a nice weather! We are lucky!“ Vorerst denken wir noch, daß die Leute hier ganz schön beknackt sind, aber für ihre Freude sollten wir im weiteren Verlauf unserer Reise noch Verständnis empfinden.



Auf dem Weg zum Bahnhofshotel Aus
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06 Aug 2013 20:39 #299181
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Freitag, 31. 5. 1996

Nach Lüderitz sind es noch ca. 200 km, der Himmel ist wolkenverhangen, es regnet, die hohen Berge, die es hier geben soll, bleiben für uns unsichtbar. Es weht nach wie vor ein starker Wind, und kurz vor Lüderitz hat der Sand die Straße verweht. Aber das kann hier so außergewöhnlich nicht sein, schon etliche Zeit vorher warnen entsprechende Verkehrsschilder. Wir beziehen ein Zimmer im Bay View Hotel und freuen uns auf einen gemütlichen Tag, denn die letzten beiden Etappen waren doch relativ lang und anstrengend, beide ca. 500 km. Nach einem kurzen Stadtbummel - der Regen hat aufgehört - nehmen wir unseren Lunch in Kapp’s Hotel ein. Ich habe Kotelett bestellt, die Portion ist so reichlich, daß ich mir das zweite Kotelett einpacken lasse.

Am frühen Nachmittag telefoniere ich mit Tina M. von A. wegen des defekten Reifens. Sie empfiehlt uns, den Reifen reparieren zu lassen, und kann unsere Aufregung gar nicht so recht verstehen. Wir wissen eben noch nicht. daß defekte Reifen in Namibia sozusagen zum Autofahreralltag gehören. Im Hotel lasse ich mir eine entsprechende Werkstatt empfehlen, die aber nur mit einem Mann besetzt ist, der auch noch alle Hände voll zu tun hat. Also muß ich selbst unter den Wagen, um das kaputte Rad aus der Halterung zu lösen. Das Procedere dazu habe ich ja schon beschrieben, nur diesmal gibt es einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied: die Kette hat sich irgendwie verhakt oder verzurrt, verklemmt oder vertoddert, oder wie man das bei Ketten auch immer nennen mag. Jedenfalls läßt sich dieses Scheißding nicht lösen. Bis ich einmal kräftig rüttele: da öffnet sich die Kette sehr plötzlich, und beide Reifen kommen zusammen herunter. Und sie fallen weich, denn ich hatte vorausschauend, wie ich nun einmal bin, meinen rechten Unterarm zur Vermeidung irgendwelcher Schäden an den Reifen darunter plaziert. Und den Reifen ist auch nichts passiert... An dieses Ereignis werde ich jedenfalls durch buntschillernde Flecken an meinem Arm noch einige Tage lang erinnert.

Nachmittags besichtigen wir den kleinen Hafen von Lüderitz. Dazu brauchen wir natürlich ein Permit. Und für das Permit benötigen die Hafenbeamten den Reisepaß. Im Hafen liegen schließlich zwei Frachtschiffe und einige Fischkutter, da kann man gar nicht vorsichtig genug sein... Na ja, wenn es zur Sicherung des Arbeitsplatzes beiträgt. Es Ist aber ganz urig in dem Hafen, und man hat einen schönen Blick auf die Stadt. Anschließend pilgern wir über den Campingplatz zum Leuchtturm und lassen uns die frische Atlantikbrise um die Nasen wehen. Später im Hotelzimmer bewahrt mich R. davor, daß ich meine Brille schrotte, die ich auf dem Bett abgelegt habe. Ich will mich gerade auf selbiges fallen lassen, da kommt ein schriller Warnschrei von meinem Frauchen. Geistesgegenwärtig halte ich mitten in der Fallbewegung inne, obwohl sich der Körperschwerpunkt schon bedenklich dem Spekuliereisen genähert hat. Wenn mein Schatz da nicht aufgepaßt hätte...

Am Abend gönnen wir uns nach den Aufregungen und Strapazen der letzten Tage eine Meeresfrüchteplatte von imposanten Ausmaßen. Und auch das Volumen auf der Platte entspricht durchaus meinen Erwartungen. Bei dieser Gelegenheit weihe ich meine Weste ein: etliche Spritzer einer würzigen, pikanten, roten Sauce landen auf dem neuen Stück. Aber auch das nimmt R. ziemlich gelassen, was ist nur los mit ihr? Später an der Bar lernen wir zwei junge Deutsche kennen, die kurz vor dem Ende ihres Namibia-Trips stehen. Die beiden haben einen Großteil dessen schon gesehen, was noch vor uns liegt, und sie können uns wertvolle Tips geben. Eine nette Unterhaltung.

Nachts wachen wir durch agressives Schreien und Grölen auf der Straße auf. Es stellt sich heraus, daß gegenüber eine Disco ist und daß sich offensichtlich einige Gruppen in die Haare geraten sind. Nach einer halben Stunde ist der Lärm vorbei, und wir schlafen wieder ein.

Samstag, 1. 6. 1996

Bevor es heute das erste Mal richtig ins Gelände geht, holen wir den reparierten Reifen ab. Vorgewarnt durch die gestrigen Erfahrungen, montiere ich den Reifen nicht wieder unter dem Fahrzeug, sondern verstaue ihn hinten auf der Ladefläche. R. geht zwischenzeitlich in einem nahegelegenen Supermarkt einkaufen. Auf einmal werde ich angesprochen. Vor mir steht ein junges Paar, auch aus Deutschland, das wir schon am Köcherbaumwald getroffen haben. Ich kann dem jungen Mann mit einer speziellen Photobatterie aushelfen, die er anscheinend in Lüderitz nicht nachkaufen kann. In Keetmanshoop hat er sie angeblich auch nicht bekommen können, und der nächste erfolgsversprechende Ort ist weit: Windhoek in cirka achthundertfünfzig Kilometern. Wir quatschen ein wenig über unsere bisherigen Erlebnisse und erfahren, daß beide eine ganz ähnliche Tour wie wir planen. Na ja, vielleicht trifft man sich ja einmal wieder.

So, jetzt aber wirklich ab ins Gelände! Wir fahren auf die Lüderitz vorgelagerte Halbinsel mit unzähligen Buchten, Fjorden, Lagunen, Stränden und Aussichtspunkten. Dabei beobachten wir Flamingos in der Meeresbrandung, aber auch in einer Lagune, Pinguine und Robben auf dem Festland vorgelagerten Inseln, unzählige Möven und andere Wasservögel, die an einem gestrandeten toten Wal herumpicken. Wir picknicken schließlich an einem breiten, einsamen Strand. Der Wind hat zwischenzeitlich wieder so sehr aufgefrischt, daß ich den Wagen als Windschutz parken muß. Und heute findet das Kotelett von gestern begeisterte Abnehmer. Uns umfängt eine ganz eigenartige, von uns noch nie erlebte Atmosphäre: vor uns die wilde Brandung des Atlantik und hinter uns dehnen sich mehr als 100 Kilometer weit ins Landesinnere die Sanddünen der Namib aus.

Am Nachmittag setzen wir uns am Swimmingpool in die Sonne und lesen ein wenig. Das ist bislang wirklich zu kurz gekommen. Aber sobald die Sonne verschwunden ist, wird es lausig kalt. R. genießt ein heißes Bad und ich mein Pfeifchen bei einem Sundowner.

Unser Abendessen nehmen wir außerhalb des Hotels in einem anderen Restaurant ein. Wir essen gut und kommen anschließend mit dem Besitzer der Kneipe ins Gespräch. Er berichtet von den Schwierigkeiten der Einwohner von Lüderitz, die von der Außenwelt fast abgeschnitten und nur über eine einzige Straße erreichbar sind. Sie leben beinahe ausschließlich vom Nostalgietourismus und ein wenig vom Fischfang. Der Typ wird uns dann aber zu aufdringlich, so daß wir uns bald verabschieden und nach einem kleinen Bummel ins Hotel zurückkehren. Insgesamt der bisher schönste Tag in Namibia!

Sonntag, 2. 6. 1996

Jetzt geht es in die Namib... Wir starten um 7:30 Uhr wieder in Richtung Aus. Unterwegs merken wir erst, was uns vorgestern durch die schlechte Sicht und den Regen alles entgangen ist. Am Anfang der Strecke dominieren riesige Sanddünen die Umgebung, der starke Südwind treibt den Sand über die Fahrbahn und schichtet ihn zu gefährlichen Sandverwehungen auf. Die Dünen werden allmählich abgelöst von großartigen Gebirgs- und Felsformationen, die dunkel von den weitläufigen hellsandigen Flächen der Namib abstechen. Vereinzelt tauchen in der Ferne auf der gleißenden Ebene dunkle Punkte auf - Strauße! Und dann sehen wir auch unsere erste Oryxantilope. Einsam, den Kopf nach unten gebeugt, trottet sie auf ein fernes, für uns nicht erkennbares Ziel zu. Wie können so hoch entwickelte Lebewesen in einer derartig feindlichen Umwelt überleben?



Kurz vor Aus ist das Gelände wieder eingezäunt, untrügliches Zeichen für Farmland, hier muß es also mehr Wasser geben. Danach hat die Herrlichkeit mit Teerstraßen erst einmal ein Ende, ab jetzt gibt es nur noch Gravel, Sand, Kies, Schotter, Steine und somit kilometerlange Staubfahnen hinter unserem Fahrzeug. Wir fahren am Ostrand der Namib mit herrlich rot und ockergefärbten Dünen entlang, zu unserer Rechten ein von etwas Weideland unterbrochener skuriler Bergzug. Wiederholt bewundern wir majestätische Strauße, die mit hoch erhobenen langen Hälsen empört davonstieben, wenn wir uns nähern. Etliche Schakale und Oryxe kreuzen unseren Weg, und als Krönung entdecken wir nur wenige Meter von der Pad entfernt die so seltene Namtibralle, die aussschließlich hier in der Dürreregion Südnamibias vorkommt. Perfekt getarnt, fast unsichtbar, steht sie bewegungslos auf einer kiesigsandigen Fläche und stellt sich tot. Atemlos beobachten wir eines der letzten Exemplare dieser Spezies, wir wagen nicht einmal zu photographieren, aus Angst, daß die Ralle davonfliegt. Nach etwa gefühlten zwei Stunden kann R. sich dann jedoch nicht mehr beherrschen, sie räuspert sich. Die Nambtibralle flattert erschrocken auf - ein herrlicher Anblick, schmutziggraubraungelbes Gefieder, ein wenig gepunktet, aber das können auch durch die Sonne verursachte Lichtreflexe sein, eher klein und unscheinbar, im Fluge unbeholfen und tolpatschig. Sie gesellt sich in fünfzig Meter Entfernung zu Hunderten ihrer Kameraden. Vielleicht war es ja doch nur so etwas ähnliches wie ein Rebhuhn oder eine Wachtel...







Die Namtib - Farm, auf der wir eigentlich übernachten wollen und die verschiedentlich lobend erwähnt wird, ist leider geschlossen. Als Alternative bietet sich die Sinclair Gästefarm an. Wir sind positiv überrascht: das Ehepaar Hoffmann hat hier eine Oase in der Wüste geschaffen. Orangen, Zitronen, Pampelmusen, Granatäpfel, Wein, Gemüse und jede Menge Blumen gedeihen rund um das Farmgebäude und den Gästetrakt. Zusätzlich, und natürlich vor allen Dingen auch als Attraktion für die Touristen, halten sie Pfauen, anderes Federvieh wie seltene Gänse und Hühner, etliche Hunde und einen kleinen Affen.



Der lebt zwar in einem Käfig, kann sich jedoch mit einer dünnen Kette um den Hals durch ein Loch im Maschendraht um einige Meter daraus entfernen. Und er hat einen geduldigen Spielkameraden gefunden: einen jungen Hütehund, der, so hat es für uns den Anschein, ihm für allerlei Schabernack zur Verfügung steht. Der wird gezwickt und gezwackt, ins Ohr und ins Bein und sonstwohin gebissen, und wenn der Hund sich dann ein wenig wehrt und es für den Affen gefährlich wird, ist er wie der Blitz durch das Loch im Käfig verschwunden und feixt. Aber nur für kurze Zeit, dann wiederholt sich das Spiel.

Rechtzeitig vor Sonnenuntergang starten wir zu einer alten Kupfermine, die sich auf dem Farmgelände befindet. Gegen die tiefstehende Sonne kann ich kaum die Fahrspur erkennen, zudem ist das letzte Stück ziemlich steinig, steil und holperig. Als wir aussteigen, entdeckt R., daß wir wieder einen Platten haben, abermals der linke Hinterreifen. Ich schnappe mir fluchend die Luftpumpe und wuchte soviel Luft in den Reifen, daß wir den Rückweg zur Farm schaffen. Das kann ja noch heiter werden...



Beim Abendessen, richtig deutsche Hausmannskost, wenn man einmal von der geschmorten Kuduzunge absieht, erzähle ich von unserem erneuten Mißgeschick. Herr Hoffmann verspricht für den nächsten Morgen Hilfe. Die beiden berichten beim Essen eindringlich über die Schwierigkeiten des Farmlebens im Süden Namibias: der nächste Nachbar wohnt 30 Kilometer entfernt, die Post wird einmal in der Woche aus dem 50 Kilometer weit gelegenen Helmeringhausen geholt, über den seltenen und zudem sehr unregelmäßigen Regen in dieser Region, daß ein Quadratkilometer Farmland gerade ein Rind ernährt, über die handwerklichen Fähigkeiten, die ein Dürrefarmer benötigt, Probleme mit den Farmarbeitern und Dienstboten usw. usw. Mir kommen jetzt schon erhebliche Zweifel, ob mein Plan (Utopie!!), eine Gästefarm in Namibia zu führen und zu bewirtschaften, bei meinen beiden linken Händen das Richtige für mich ist; von dem Klima einmal ganz abgesehen.

Nachtrag

Hier noch einige Fotos aus dem Jahr 2000 auf der Strecke von Aus nach Sesriem.







Letzte Änderung: 09 Aug 2013 19:17 von afra.
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Montag, 3. 6. 1996

Schon um sieben Uhr bin ich mit einem Angestellten von Hoffmanns zur erneuten Reifenreparatur verabredet. Diesmal sehe ich mir alles ganz genau an, denn wenn uns ein derartiges Malheur noch einmal passieren sollte, will ich nicht mehr ganz so blöd dastehen wie bisher. Anschließend fahren wir in Richtung Sesriem, immer noch östlich am Namib - Naukluft Park entlang, und wieder kreuzen Oryxantilopen, Springböcke, Schakale und Löffelhunde unseren Weg. Die letzten 100 Kilometer vor Sesriem wird die Strecke sehr rauh, sie führt teilweise durch schroffe Berge, Gegenden, die wie Mondlandschaften anmuten. Direkt vor unserem heutigen Zielort ist die Pad derart von Sand verweht, daß ich das erste Mal den Vierradantrieb einlegen muß. Es macht richtig Spaß, sich da durchzuwühlen. Vor dem Office in Sesriem (hier haben wir die einzigen Übernachtungen auf dem Stellplatz vorgebucht, weil nur eine begrenzte Anzahl zur Verfügung steht), treffen wir erneut die jungen Leute vom Köcherbaumwald und aus Lüderitz. Natürlich wieder ein lautes „Hallo“ und jede Menge zu erzählen.



Am Nachmittag bereiten wir uns auf unsere erste Nacht im Zelt und unser erstes warmes Outdoorabendessen vor. Sämtliche Kisten und Schüsseln, Stühle, Tisch und anderes Zubehör werden abgeladen, Kocher- und Lampenaufsatz ausprobiert, Holz für das Lagerfeuer und Bier zum Löschen besorgt. Das Zelt aufzubauen dauert tatsächlich nur zwei Minuten, die Technik funktioniert hervorragend. Nachdem wir bisher soviel Fleisch gegessen haben, freuen wir uns auf Pasta. Es gibt Spaghetti mit Tomatensauce, natürlich mit viel Zwiebeln und Knoblauch. Daß wir anschließend im Zelt auf kleinster Fläche und wenigen Kubikmetern Raum die ganze, lange Nacht gemeinsam verbringen müssen, haben wir bei der Zusammenstellung des Menus natürlich nicht bedacht... Eine ganz neue Erfahrung für mich ist, das Essen lediglich mit einer Kochflamme im spärlichen Licht einer Taschenlampe zuzubereiten. Die andere Gasflasche mit dem Lichtaufsatz benötigt nämlich R., die anhand ihrer Unterlagen die Detailplanung für den nächsten Tag vornimmt.

Das Kochen dauert zwar ein wenig länger als in meiner funktionell eingerichteteten Küche zu Hause, aber schließlich ist es soweit: nur noch die Spaghetti „al dente“ sind abzugießen. Dazu benötige ich Hilfestellung: R. muß das Sieb halten. Dabei wird meine kleine Hilfskraft von der Wucht des Wassergusses und dem Gewicht der Teigwaren derartig überrascht, daß die Hälfte der so mühsam gekochten Spaghetti im Wüstensand landet. Na ja, ein spätes Festfressen für die Schakale, die nachts das Lager besuchen, und ich muß sowieso abnehmen...

Später sitzen wir mit einem Bierchen am flackernden Lagerfeuer und bewundern den trotz strahlenden Vollmonds prächtigen Sternenhimmel, lassen die Ereignisse der ersten Woche Revue passieren und erfreuen uns an der auch nachts herrlichen Kulisse der dunklen Berge mit den davorliegenden hellen Sandflächen. Es herrscht vollkommene Ruhe, die für uns Zivilisationsmenschen schon fast beängstigend ist. Für namibianische Winterverhältnisse ist es erstaunlich mild, erst relativ spät schlüpfen wir in unsere Schlafsäcke und verschließen das Zelt für den Rest der Welt - nur ein kleines Fensterchen muß wegen der Zwiebeln und des Knoblauchs geöffnet bleiben...

Dienstag, 4. 6. 1996

R. schafft vollkommen nahtlos - ich hatte es auch gar nicht anders erwartet - den Übergang vom Kramnachmittag in den Krammorgen. Aber das ist eben der Nachteil bei einem Dachzelt: man muß alles wieder einpacken und verstauen, zusammenklappen und verzurren, absichern und verschließen. Wir starten jedoch rechtzeitig vor Sonnenaufgang und nehmen die 60 Kilometer bis zum Sossusvlei unter die Räder.

Die Sonne wirft ihre ersten Strahlen über die dunklen Berggipfel, die helleren Dünen und die ebene Wüste mit ihrem ockergelben Sand, der teilweise rötlich zu leuchten beginnt - eine atemberaubende Atmosphäre.



An der Düne 41 oder 49 (spielt das überhaupt eine Rolle bei den tausenden von Dünen?) sind wir leider nicht allein, andere sind offenbar auch sehr früh aufgestanden. Sehnsüchtig warten wir darauf, daß die „blöden Touries“ verschwinden, denn wir wollen möglichst ohne irgendwelche störenden Fremdkörper photographieren. Diese Düne ist insofern besonders interessant, weil am Fuße des riesigen Sandberges mitten in der Wüste zwei Bäume wachsen. Offensichtlich reichen ihre Wurzeln an das hier vorhandene Grundwasser heran.



Die letzten fünf Kilometer sind nur für Fahrzeuge mit Vierradantrieb ausgewiesen. Eigentlich wollten wir diese Strecke laufen, aber in Anbetracht der jetzt schon sehr hohen Temperaturen, des tiefen Sandes und des starken Windes entschließe ich mich, doch zu fahren. R. wird ein wenig bleich um die Nase, obwohl ihr Gesicht schon recht anständig gebräunt ist. Und sie wird noch bleicher, als die ersten sehr tiefen Sandridges auftauchen. Und sie wird kreidebleich, als ich zum ersten Mal stecken bleibe, ich bin mit zu wenig Schwung in den Tiefsand gefahren.



Mit Schaukelbewegungen, abwechselnd erster Gang und Rückwärtsgang, befreie ich mich aus dieser mißlichen Lage. Aber schon zwei Kilometer weiter erwischt es mich dann endgültig. Ich sitze derartig fest, daß der Motor abstirbt. Mit Schaukelbewegungen ist da nichts mehr zu machen. Also: aussteigen und freischaufeln. Zusätzlich lasse ich noch Luft aus den Reifen, um eine bessere Traktion zu erreichen. Ich will gerade wieder starten, da taucht hinter uns ein weiteres Fahrzeug auf, offensichtlich ein Profi, denn mit Schwung zieht er rechts an mir vorbei. Er kommt aber auch nur fünf Meter weit, dann sitzt sein Wagen ebenfalls fest. Das kann oder will der Fahrer wohl nicht so ohne weiteres akzeptieren, denn er versucht permanent, mit Vollgas freizukommen. Mit dem Ergebnis, daß das Fahrzeug anschließend bis zu den Achsen im Sand versunken ist. Er steigt aus, mit ihm drei oder vier Fahrgäste, gemeinsam begutachten sie die Situation. Man beschließt: die Touries müssen schieben. Auch ich helfe mit, das Fahrzeug versinkt jedoch immer weiter im Sand, weil der Bengel einfach zuviel Gas gibt. Mit süffisantem Grinsen leihe ich diesem „Profi“ dann unsere Schaufel, und der Junge hat ganz schön zu schippen... R. unterhält sich unterdessen mit seinen Gästen, die berichten, daß ihr Guide ein recht großer Klugscheißer sei. Als er uns feststecken sah, kündigte er an, ihnen und mir zeigen zu wollen, wie solche Passagen zu fahren seien... Diese Episode könnte wirklich unter der Überschrift stehen: „Hochmut kommt vor dem Fall“.

Kurze Zeit später erreichen wir die Pfanne und frühstücken erst einmal ausgiebig. Dann hinauf auf die Dünen. Ist das anstrengend in dem weichen Sand! Immer wieder rutschen wir abwärts, unser Atem pfeift, die letzte Kondition raubt uns der scharfe Gegenwind. Aber die Plackerei lohnt sich, oben erwartet uns ein grandioser Ausblick über das Dünenmeer der Namib und die ausgetrocknete Pfanne. Ein erstes, wirkliches Highlight unserer Tour.





Der Rückweg durch die tiefen Sandridges verläuft ohne Probleme; ich bin schließlich noch lernfähig. Im Camp bauen wir unser Zelt wieder auf und erfreuen uns anschließend an einer ausgiebigen Dusche. Doch als R. von ihrer Säuberungs- und Entsandungsaktion zurückkehrt, traue ich meinen Augen kaum. Ihr Gesicht ist blutig und verschrammt. Was ist passiert? Aufgeregt, fast den Tränen nahe, berichtet sie, daß sie beim Überziehen ihres T - Shirts nach der Dusche ihre Brille - ihre neue Brille im Wert von mehr als tausend Mark - auf der Nase gelassen habe, garantiert das erste Mal und ganz gegen übliche Gewohnheit, und nur, weil es in der Duschkabine keine geeigneten Ablageflächen gegeben habe, sie ist doch sonst, das wüßte ich doch auch, immer so vorsichtig, und daß diese Brille, bevor sie zu Boden fiel und der Bügel sich verkrümmte, ihr das Gesichtchen blutig gekratzt habe und wie man überhaupt solche Brillen konstruieren könne... Es gelingt mir, sie mit dem Hinweis auf ihre Ersatzbrille zu trösten, die sie in weiser Voraussicht bewußt in einem Hartschalenetui mitgenommen hat. Aber insgeheim feixe ich doch ein wenig, daß ausgerechnet meiner übervorsichtigen Frau so etwas passiert.

Der Nachmittag ist der Regeneration gewidmet. Wir lesen endlich wieder einmal einige Seiten, planen die Touren für die nächsten Tage und genießen die herrliche Umgebung. Am späteren Nachmittag treffe ich bereits einige Vorbereitungen für die Zubereitung unseres heutigen Abendessens. Obwohl ich gerade geduscht habe, umschwirren mich dabei belästigend etliche Fliegen. Mit wedelnden Handbewegungen versuche ich, die Plagegeister zu verscheuchen. Dabei bemerke ich ein Paar mittleren Alters, das mir aus etwa zehn Meter Entfernung zuwinkt. Freundliche Leute, denke ich. Sie kommen näher und wir begrüßen uns. Es stellt sich heraus, daß sie mein Fliegenwedeln ebenfalls als Winken gedeutet haben... Sie berichten, sie seien aus Südafrika, aus der Nähe von Hermanus, und daß sie mich und meinen kleinen S o h n schon in Lüderitz auf dem Zeltplatz gesehen hätten. Das mit dem Datum stimmt, aber das ich mit irgendeinem Bengel auf dem Campingplatz gewesen bin, streite ich strikt ab. Sie beharren jedoch auf ihrer Aussage und deuten dabei auf R., die sich in ca. zwanzig Meter Entfernung aufhält. Ein offensichtlicher Irrtum, den ich natürlich sofort korrigiere. Meine Gesprächspartner bleiben skeptisch. Doch ich versichere hoch und heilig, daß es sich wirklich um eine, nämlich um meine Frau handelt und nicht um meinen S o h n , daß man im äußersten Notfall auch den Beweis dafür antreten könne - irgendwie werde ich R. schon überreden können, es geht ja schließlich um ihre Reputation. Ihre Friseuse aus unserem Heimatort in Deutschland hat es mit der Kurzhaarfrisur eben doch etwas übertrieben! Schließlich gelingt es mir mühselig, die beiden zu überzeugen, daß sie einer Fehleinschätzung aufgesessen sind. Wir unterhalten uns zu dritt noch eine Weile, ich erzähle, daß wir Südafrika 1994 bereist hätten und daß es uns in Hermanus besonders gut gefallen habe.

Schließlich brenne ich darauf, meinem lieben, kleinen Söhnchen diese unglaubliche Geschichte zu erzählen und natürlich darauf, sie ordentlich durch den Kakao ziehen zu können. Ich benötige nur noch einen mehr oder weniger eleganten Ausstieg, um das Gespräch mit den beiden Südafrikanern zu beenden. Meine Bemerkung „Nun ist es aber Zeit für einen Sundowner“ wird von ihnen jedoch als Einladung aufgefaßt, und sie folgen mir auf unseren Stellplatz. So hatte ich das nicht gemeint, aber vielleicht ist mein Englisch doch nicht so perfekt. Notgedrungen muß ich meine eiserne Reserve von einem Sixpack Bier anbrechen und anbieten. Ich berichte R. von dem „Irrtum“. Erfreulicherweise nimmt sie die ganze Geschichte mit viel Humor, unser gemeinsames Gelächter ist so laut, daß andere Campbewohner etwas pikiert zu uns herüberschauen. Wir ratschen noch ein wenig, und ich wundere mich, wie selbstbewußt und gut R. sich englisch unterhält. Es endet schließlich damit, daß wir von den beiden Südafrikanern zu einem typischen Braaiessen eingeladen werden.

Beim Essen sind wir zu sechst, ein weiteres, junges Paar aus der Nähe von Kapstadt ist ebenfalls dabei. Der Mann sieht ein wenig aus wie Götz George, Rambotyp, Jagdbogenschütze und auf dem Wege zu einer Jagdfarm, um mit Pfeil und Bogen einen Kudu zu erlegen. Das Essen ist vorzüglich, wir unterhalten uns blendend, wenn auch ein wenig stockend, denn alles muß ins Englische transferiert werden, bei uns aus dem Deutschen und bei den Südafrikanern aus dem Afrikaans. Man versucht vehement, aber erfolglos, uns eine Farm zu verkaufen (alle Deutschen sind doch so reich), wir erhalten eine Einladung, wieder einmal Hermanus zu besuchen, und versprechen, nach unserer Rückkehr nach Deutschland zu schreiben. Erst relativ spät schnappe ich meinen kleinen S o h n, denn für ihn wird es höchste Zeit, schlafen zu gehen...

Nachtrag

Diese beiden Bilder sind in 2000 aufgenommen. Damals stand Wasser in der Pfanne!





Mittwoch, 5. 6. 1996

Es wird doch acht Uhr, bis wir unsere Siebensachen zusammengepackt haben und Richtung Swakopmund starten können. Der erste Teil der Fahrt führt noch einmal durch eindrucksvolle Berg- und Dünenformationen des Naukluftgebirges mit ihren faszinierenden Farbspielen. Hinter Solitaire lesen wir einen Schwarzen auf, der sich mühsam auf ein winzigkleines, freies Plätzchen auf der Rückbank zwängt. Er ist allein bei sengender Sonne in endloser Weite unterwegs und will anfangs nur bis auf die nächste Bergkuppe mitgenommen werden. Aber er rührt und rührt sich nicht, und ich fahre und fahre, und erst nach mindestens zwanzig Kilometern gibt er ein Zeichen, daß er offensichtlich am Ziel seiner Wünsche angekommen ist. In einem Talgrund an einem der sehr seltenen Schattenplätze warten schon etliche Kumpel mit einem Pickup auf ihn. Ob die auch so lange gewartet hätten, wenn er den ganzen Weg zu Fuß hätte zurücklegen müssen? Erst im Nachhinein kommt uns zum Bewußtsein, daß unser Verhalten ganz schön leichtsinnig war: wie leicht hätte das ein Hinterhalt sein können...

Kurz darauf erklimmen wir den Kuiseb Pass und durchqueren den gleichnamigen Canyon. Danach wird’s langsam happig, die Pad wird schlecht und schlechter, die Sonne gleißt, der fast weiße Sand und Kies, aus dem die Fahrbahn und die ganze Umgebung besteht, reflektiert dieses unangenehme Licht, der allgegenwärtige Staub tut ein übriges, um die Augen zu reizen und Kopfschmerzen zu verursachen. Zudem zwingt mich ein starker Seitenwind zu vorsichtiger Fahrt. So sehr hat mich auf dieser Reise noch keine Tour angestrengt. Auch R. spürt die Auswirkungen, aber bei ihr sind offenbar nicht nur die Augen gereizt. Sie fühlt sich kurz vor Erreichen von Swakopmund durch meine Bemerkung provoziert, daß sie heute für die Quartiersuche zuständig sei und nachmittags verabredungsgemäß mit Fa. A. telefonieren müsse. Sie wird richtig stinkig und unterstellt mir, daß ich sie damit ärgern wolle. Ich und jemanden ärgern, unfaßbar! Oder doch nicht so ganz? Wir legen diesen Streit schnell bei, R. bucht unser Hotelzimmer, und ich telefoniere mit Fa. A.. Beim Ausladen bemerke ich, daß meine Pfeifentasche fehlt. Wir stellen den ganzen Wagen auf den Kopf, sie bleibt verschwunden. Als einzig plausible Erklärung fällt uns ein, daß diese blöde Tasche mit drei meiner Lieblingspfeifen, zwei davon Geschenke von meiner Tochter, und auch noch der „gute“ Pfeifenstopfer von R., den ich bislang so „geschont“ habe, bei einer unserer kurzen Pausen von der Rückbank in den Sand gefallen ist. Meine Holde nimmt’s aber sehr gelassen, vielleicht ist sie auch ein wenig froh, daß es jetzt praktisch pari steht, so mit Brille und Pfeifentasche. Von nun an müssen wir jedoch ein wenig vorsichtiger sein, sonst wird es ein sehr teurer Urlaub, es ist erst eine Woche herum, und vier Wochen liegen noch vor uns.

Swakopmund, eine etwas größere Ausgabe von Lüderitz, könnte auch eine Kleinstadt in Deutschland sein. Wir bummeln durch die „Kaiser-Wilhelm-Straße“, sehen uns die Auslagen in der „Adlerapotheke“ an und informieren uns, welche Speisen in der „Krone“ und im „Grünen Kranz“ angeboten werden. Vom Landungssteg aus beobachten wir eine Robbe, die sich mit einem riesigen toten Fisch abmüht. Um Stücke herausreißen und fressen zu können, wirbelt sie den Riesenfisch unermüdlich mit erstaunlicher Kraft durch die Luft und klatscht ihn anschließend auf das Wasser. Auch bei uns macht sich jetzt ein kleiner Hunger bemerkbar. Mir fällt ein, daß ich in der Stadt ein Schild mit der Aufschrift „Bratwurstbude“ gesehen habe. Also, nichts wie hin! Einen guten Riecher muß der Mensch haben, selten haben wir bisher eine so gute Thüringer Bratwurst gegessen, und mit dieser Aussage meine ich Deutschland und nicht Namibia. Wie deutsch geprägt Swakopmund tatsächlich noch ist, beweist sich später am Abend. Nach dem Essen rauche ich in einer Kneipe ein Pfeifchen (ich habe Gottseidank noch vier weitere dabei) und trinke ein Bier. Dabei kann ich bei einigen Südwestlern, so nennen sich die Deutschstämmigen hier selbst, beim Skat kiebitzen. Dafür muß man nun um die halbe Welt fliegen...
Letzte Änderung: 09 Aug 2013 19:28 von afra.
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