Eine bewegende Geschichte in bewegten Zeiten

Hohenzollernhaus, Swakopmund
Nach 115 Jahren befindet sich das Hohenzollern Haus, eines der ältesten verbliebenen Gebäude in Swakopmund, immer noch in bester Verfassung. (Fotosammlung Georg Erb)

Zu Lebzeiten erlangte Hermann Dietz nie großen Ruhm in Namibia. Er stammte aus dem Thüringer Wald, wo seine Eltern die Gaststätte „Die Waldschänke“ in Klein Schmalkalden führten. Er wurde im November 1877 im Sternzeichen Skorpion geboren. Als junger Teenager, im Alter von 14 oder 15 Jahren, verließ er die Schule und ging nach Köln, um dort in der Gegend eine Maurerlehre zu absolvieren.

Es waren harte Zeiten und Dietz hatte ein Jahr im Militär zu dienen. Nach der Entlassung war er mittellos. Er verdiente sich seine Überfahrt nach Buenos Aires, Argentinien, indem er auf einem Frachtschiff, das sich auf dem Weg in den tiefen Süden Südamerikas befand, Kohle schaufelte und die Dampfmaschinen befeuerte. Dort angekommen stellte er verzweifelt fest, dass es auch hier schwer sein würde, sich einen Lebensunterhalt zu verdienen. Kurz darauf bot sich die Gelegenheit, eine Schiffsladung Pferde nach Kapstadt zu begleiten.

Zeitungsausschnitt
Das Gasthaus im Thüringer Wald in Deutschland, in dem Dietz seine Kindheit verbracht hatte.
“Die Waldschänke” bei Klein-Schmalkalden ist bis heute ein beliebtes Restaurant. (Fotosammlung Georg Erb)

Nach seiner Ankunft in Südafrika wurde ihm klar, warum die Nachfrage nach Pferden im Lande so groß war: Hermann Dietz fand sich mitten im Zweiten Burenkrieg. Es war das Jahr 1901, und sein deutscher Hintergrund bereitete ihm auch hier Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche. Als er sich 1902 als blinder Passagier auf die Rückreise nach Deutschland begab, machte das Schiff in Swakopmund Halt. Dietz blieb daraufhin in diesem kleinen Dorf an der Küste der Namibwüste zurück. Obwohl nicht viel über sein erstes Jahr dort bekannt ist, muss er schnell erkannt haben, dass dieses kleine Dorf großes Potenzial hatte. Zu dieser Zeit näherte sich die Swakopmunder Mole der Fertigstellung, der Bahnhof und der Leuchtturm wurden gebaut. Inmitten dieser vielen Ereignisse befand sich Hermann Dietz als ein energischer, tatkräftiger junger Maurer.

Im Jahr 1903, besaß Dietz bereits eine kleine Hütte aus Holz und Wellblech mit vier Zimmern. Er fertigte ein großes Schild an und hängte es über die Eingangstür: “Hotel Hamburger Hof”.  Die einzige örtliche Brauerei unter Besitz von Rudolf Jauch befand sich gleich um die Ecke des Hotels. Abends arbeitete Dietz in dessen Bar, wo er ein Bier nach dem anderen ausschenkte. Nach einer Weile war es ihm möglich, die gesamte Kneipe zu mieten und unter seinem eigenen Namen zu betreiben.

Im September 1904 reichte der 26-jährige Dietz seine Baupläne für ein “zweistöckiges Wohnhaus” an der Ecke Moltke- & Brückenstraße ein. Die Pläne wurden rasch genehmigt, und das Projekt wurde bereits Ende 1905 abgeschlossen. Der Stil des Wohnhauses erwies sich als etwas extravagant und erhielt daher den Namen “Haus Hohenzollern”, nach der deutschen Königsdynastie. Kunstvolle Stuckfiguren schmückten diesen ungewöhnlichen Palast inmitten der Wüstenlandschaft.  Eine Skulptur des Atlas, flankiert von einem Löwenpaar, krönte den Eckgiebel des neobarocken Gebäudes. Gleichzeitig erbaut, ragte nur der Turm der Damara & Namaqua Trading Company höher als das Dietz-Gebäude.

Hohenzollern Haus um 1900
Das Hohenzollern Haus kurz vor der Fertigstellung 1905 (links) und zum Geburtstag von Kaiser Wilhelm II. am 27. Januar 191, der in größter Extravaganz gefeiert wurde. (Fotosammlung Georg Erb)

Der exzentrische Dietz versuchte sich eine Zeit lang als Hotelbetreiber, doch schon bald hatte eine Rezession Swakopmund erreicht, und er war gezwungen, sein Geld anders zu verdienen. Glücklicherweise jedoch bekam Swakopmund seine erste Stadtverwaltung, und der Stadtrat war nur allzu begierig darauf, das gesamte Erdgeschoss des Hohenzollern-Hauses zu mieten.

Nachdem er damit einen Langzeitmieter gefunden hatte, fuhr Dietz mit einem Schiff nach Deutschland. Hier lernte er eine junge Frau kennen, heiratete sie und brachte sie daraufhin nach Swakopmund. Ein Jahr später wurde ein Sohn geboren. Die drei-köpfige Familie wohnte in der mittleren Etage des Hauses, auf der Nordseite, hinter dem kleinen Balkon.

1913, einen Tag vor dem 36. Geburtstag von Hermann Dietz, starb die junge Mutter Anna Dietz unerwartet. Er blieb als alleinerziehender Vater mit dem Kleinkind Fritz zurück.

Hohenzollernhaus : Atlas und Stuckarbeiten
Atlas – mit dem Gewicht der Welt auf seinen Schulter (links) und Details der reich verzierten Stuckarbeit am zentralen Eckerker. (Fotosammlung Georg Erb)

Kaum ein Jahr später brach der Erste Weltkrieg aus, und im September 1914 wurde Swakopmund von zwei britischen Hilfskreuzern, der “Kinfauns Castle” und der “Armadale Castle”, bombardiert.

Die gesamte deutsche Bevölkerung von Swakopmund war gezwungen, ihre Häuser zu evakuieren. Hunderte von Swakopmundern, darunter Hermann Dietz und der junge Fritz, verbrachten 11 Monate in Windhoek, um den Krieg abzuwarten ohne jegliche Gewissheit über ihre Zukunft. Glücklicherweise wurde der Witwer Dietz als alleinerziehender Vater nicht zum Militärdienst eingezogen und wurde auch nicht in eines der Konzentrationslager geschickt.

Als das Leben Ende August 1916 langsam wieder zur Normalität zurückkehrte, war in Swakopmund nichts “normal”. Alle Hafenaktivitäten waren bereits nach Walvis Bay verlegt worden, und die örtlichen Geschäfte kamen zum Erliegen.

Wiederum war es ein Glück, dass die Stadtverwaltung das Erdgeschoss seines Gebäudes mietete. Aber das Geld war trotzdem knapp, und Dietz wollte nicht tatenlos zusehen, wie sein Vermögen schwinden würde. So nahm Dietz 1917 eine Stelle als Maurer und Steinmetz bei der südafrikanischen Eisenbahn an. Er war in Usakos stationiert und bekam den Auftrag, Eisenbahnbrücken über alle kleineren und größeren Trockenflussbetten entlang der Swakop-Windhoek-Eisenbahnstrecke zu bauen, und auch die ehemalige OMEG-Strecke zu den Kupferminen in Tsumeb.

Eisenbahnbrücke
Eine der Eisenbahnbrücken von Dietz bei Karibib, hundert Jahre nach ihrer Fertigstellun. (Fotosammlung Georg Erb)

Die Spanische Grippe-Pandemie von 1918 fand auch ihren Weg in unsere Gefilde, und trotz fürsorglicher Betreuung fiel sein Sohn, der junge Fritz Dietz, der Grippe zum Opfer. Hermann Dietz begrub seinen Sohn auf dem Gehöft, das seiner Baustelle am nächsten lag, auf der Farm Etiro unterhalb der imposanten Klippen des Erongo-Gebirges.

Im Laufe des Jahres 1920, während viele andere Männer nach Deutschland zurückgeschickt wurden, lernte der schweigsame und kurz angebundene Eisenbahnarbeiter Dietz die schöne 23-jährige Marta kennen und fand den Mut, um ihre Hand anzuhalten.

Im April 1921 wurde eine Tochter, Helga, geboren, und ein Jahr später ein Sohn, wieder Fritz genannt.

Hermann Dietz und Familie
Hermann Dietz (links, aus: Fotosammlung Walter Rusch) und seine zweite Ehefrau Marta mit Tochter Helga und Sohn Fritz im Haus in Usakos, 1928 (Fotosammlung Georg Erb).

Nach einigen weiteren Jahren bei der Eisenbahn konnte sich Hermann Dietz die Farm Tsawisis am Khan-Fluss, etwa 25 km unterhalb von Usakos, leisten.  Er baute ein Farmhaus und versuchte sich in der Viehzucht. Während der Dürrejahre konnte er seine Schafe und Rinder auf der Farm Kubas, etwas weiter östlich, weiden lassen. In den wohlhabenderen Jahren war er sogar in der Lage, die Farm zu verpachten. Nach den Rekord-Regenjahren 1931/34 zog Dietz in die Hochfeld-Gegend, wo er schließlich zwei Rinderfarmen kaufte.

Der Zweite Weltkrieg brach aus und dauerte sechs Jahre. Nach einer kurzen Krankheit verstarb Hermann Dietz 1946 in Swakopmund. Trotz aller Höhen und Tiefen, trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen, die er in seinem Leben bewältigen musste, hatte er es geschafft, das Hohenzollern-Haus als seinen Besitz zu erhalten. Seine Witwe und die beiden Kinder (Mitte 20) erbten die Hochfeld Farmen, einen ¾ Tonner Chevrolet-Pickup und das Hohenzollern-Haus, das damals 900 Pfund wert war.

1970 starb Marta Dietz in Swakopmund und wurde in der Nähe ihres Mannes auf dem örtlichen Friedhof begraben.

Das Hohenzollern-Haus wurde 1983 zum Nationalen Denkmal erklärt.

Helga Dietz und ihr Bruder Fritz, zwei der bescheidensten Menschen der Welt, waren Mitte Sechzig, als sie  lokale Architekten und Bauunternehmer 1986/87, nur wenige Jahre vor Namibias Unabhängigkeit, mit größeren Renovierungsarbeiten beauftragten. Das Hohenzollern-Haus wurde, im Rahmen der vom Denkmalrat festgelegten Vorschriften, in mehrere Wohneinheiten unterteilt.

Renovierung Hohenzollern Haus
1986 wurde das Hohenzollern Haus umfassend renoviert. (Fotosammlung Georg Erb)

Wenn Sie also das nächste Mal am Hohenzollern-Haus in Swakopmund vorbeigehen, betrachten Sie es als ein Denkmal der Belastbarkeit und tapferen Ausdauer von Menschen, die hier in frühen Zeiten gelebt und gearbeitet haben, und als ein Denkmal für die Beharrlichkeit jener Menschen, die ihre Umstände immerzu verbessern wollten. Und wenn Sie an einem regnerischen Tag auf der B2 Richtung Windhoek fahren und die Riviere fließen, versuchen Sie, die wunderschön gearbeiteten Steinbrücken von Dietz unter der Eisenbahnlinie zwischen Karibib und der Farm Vogelsang zu erspähen.

Georg Erb

*Die Einzelheiten erzählte Fritz Dietz 2007 in einem Interview mit Georg Erb. Er versicherte, dass die ersten Diamanten in Namibia erst 1908 entdeckt wurden und dass er seinen Vater nicht eines Verbrechens oder irgendwelcher korrupter Vorgehensweisen verdächtige. Er sagte, er habe keine Ahnung, wie sein Vater als 26-jähriger Junggeselle die Inspiration und die Mittel fand, das Hohenzollern-Haus zu bauen.

*Seit der deutschen Einigung von 1871 waren die Hohenzollern zu den erblichen deutschen Kaisern geworden. Kaiser Wilhelm I. (reg. 1871 – 1888), Friedrich III. (reg. 1888 für drei Monate) sowie Kaiser Wilhelm II. (reg. 1888 – 1918) gehörten zur Hohenzollern-Dynastie. Der Name Hohenzollern leitet sich wiederum von der altertümlichen Burg Hohenzollern ab, die zwischen dem Bodensee, dem Schwarzwald und Stuttgart im Süden Deutschlands liegt.

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