Namibias Politik auf den Punkt März 2020

Namibias (Alt-)Präsidenten
Während der Amtseinführung von Präsident Hage Geingob (R) am 21. März wurde ein N$30 Geldschein vorgestellt, Gründungspräsident Sam Nujoma (L) und Altpräsident Hifikepunye Pohamba waren ebenfalls anwesend. Foto: Präsidialamt

Das dreißigste Unabhängigkeitsjubiläum von Namibia und der Beginn der neuen Legislaturperiode wurden durch die Corona-Krise überschattet, die Mitte März auch Namibia erreichte. Das öffentliche Leben wurde durch die Erklärung des nationalen Notstands weitgehend ab dem 28. März eingeschränkt. Die Ausgangsperre gilt vorerst bis einschließlich 17. April. Auch die Arbeit der Amtsgerichte und Obergerichte im ganzen Land wurde eingeschränkt: Gerichtsverhandlungen sind vorerst bis Ende April ausgesetzt worden. Dringlichkeitsanträge können aber gestellt werden. Alle Richter wurden angewiesen, von zu Hause zu arbeiten.

Präsident Hage Geingobs Vereidigung für seine zweite und auch letzte Amtszeit am 21. März fand daher in kleinem Rahmen statt, ebenso die Vereidigung des neuen Kabinetts zwei Tage später. Bei der Vereidigung der neuen Parlamentsabgeordneten wurde ihnen wegen der restriktiven Maßnahmen verboten, Angehörige und Freunde mitzubringen. Das gleiche galt für Kabinettsmitglieder. Bis zum 31. März sind in Namibia bisher 11 Covid-19 Fälle offiziell bestätigt worden.

Mitte März hat Namibias Nationalversammlung kurz vor Ende der sechsten Legislaturperiode die Empfehlung eines parlamentarischen Ausschusses angenommen, einen nationalen ‚Genozid-Gedenktag‘ einzuführen.

Anfang März fanden kleine, aber friedliche Demonstrationen für und gegen Präsident Hage Geingob statt. Sie sollten ursprünglich über längere Zeit wiederholt werden, fanden aber durch den am 17. März erklärten Covid-19-Notstand ein jähes Ende. Die SWAPO-Partei hat Panduleni Itula, der vorigen November bei den Präsidentschaftswahlen kurioserweise gegen seinen eigenen Partei-Chef Geingob kandidierte, diesen Monat aus der Partei ausgeschlossen. Itula darf binnen einer gesetzten Frist Berufung dagegen einlegen.

Der ehemalige UN-Generalsekretär Perez de Cuellar ist im Alter von hundert Jahren verstorben. Während seiner Amtszeit erlangte Namibia am 21. März 1990 die Unabhängigkeit. De Cuellar war damals anwesend und hatte auch Gründungspräsident Sam Nujoma in Windhoek vereidigt. Präsident Hage Geingob würdigte De Cuellars Verdienste für Namibia in einem Kondolenzschreiben.

Neue Regierung setzt auf Kontinuität

Nach den ersten freien und demokratischen Wahlen Ende November 1989 in Namibia wurde das Land am 21. März 1990 – vor 30 Jahren – unabhängig. Seitdem finden alle fünf Jahre Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt, so geschehen im November. Die neue Regierung wurde am 21. März vereidigt. Wegen der Corona-Krise fanden die Feierlichkeiten in kleinem Rahmen statt. Präsident Geingob wird weiterhin mit Vize-Präsident Nangolo Mbumba regieren, auch Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila und ihre Stellvertreterin Netumbo Nandi-Ndaitwah wurden wieder ernannt. Nandi-Ndaitwah bleibt weiterhin Außenministerin. Geingob hat sein Kabinett von 26 auf 19 Ministerien verkleinert und auch weniger Vizeminister ernannt. Einzelheiten über das neue Kabinett finden sie hier.

Das neue Parlament hielt seine erste Sitzung am 24. März und vertagte sich wegen der Corona-Krise auf unbestimmte Zeit.

Genozid-Gedenktag soll eingeführt werden

Die Nationalversammlung hat am 17. März die Empfehlungen eines parlamentarischen Ausschusses, einen Gedenktag für deutsch-koloniale Gräueltaten an Herero- und Nama-sprechende Namibier einzuführen, angenommen. Der 28. Mai soll künftig als Erinnerungstag an den Genozid (‚genocide rememberance day‘) gelten. Darauf hatte sich der Ausschuss nach Beratungen in den verschiedenen Regionen Namibias geeinigt.

Die deutsche Kolonialverwaltung hatte am 28. Mai 1908 angeordnet, alle Gefangenenlager zu schließen und die dort gefangengehaltenen Nama und Herero freizulassen.

Der parlamentarische Ausschuss wurde schon 2016 beauftragt, diesen Bericht zu erstellen, nachdem der damalige Abgeordnete der SWANU-Partei, Usutuaije Maamberua, am 26. April des Jahres einen dementsprechenden Antrag gestellt hatte. Dieser wurde damals angenommen mit dem Zusatzbeschluss, dass ein Ausschuss nach Beratungen einen Bericht mit Empfehlungen vorlegen sollte. Knapp fünf Jahre später wurde der Bericht nun vorgelegt. Allerdings wird nicht direkt empfohlen, ob der 28. Mai ein Feiertag werden soll.

Mitglieder des Ausschusses bereisten alle 14 Regionen, um bei öffentlichen Treffen die Meinung der Einwohner einzuholen. Die meisten befürworteten den 28. ai als Genozid-Tag, einige Herero-sprechende Namibier plädierten für den 2. Oktober. Generalleutnant Lothar von Trotha hatte am 2. Oktober 1904 seinen Vernichtungsbefehl gegen die Herero bekanntgegeben. Ein ähnlicher Befehl gegen die Nama erfolgte am 22. April 1905.

Der parlamentarische Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten hatte nur vermerkt, dass das Feiertagsgesetz abgeändert werden soll, um den Erinnerungstag hinzuzufügen. Das Bildungsministerium soll gemeinsam mit dem nationalen Rat für Kulturerbe und den Nachfahren der betroffenen Gemeinschaften Orte erfassen, in denen Scharmützel und Gefechte stattfanden. Ferner sollen sie nicht markierte Grabstätten aus den Jahren zwischen 1904 und 1908 ausfindig machen, um sie zu identifizieren. Dann sollen Gedenksteine an den Gräbern errichtet werden. Später sollen an diesen Stellen auch Denkmäler für gefallene Helden errichtet werden. In dem Bericht wird empfohlen, die Ereignisse zwischen 1904-1908 mit Bezug auf den Widerstand gegen die deutsche Kolonialverwaltung in Namibias Schullehrplan aufzunehmen. Ebenso soll das Bildungsministerium ein Gremium gründen, um den Beitrag dieser Gemeinschaften gegen den Kolonialismus zu dokumentieren und wissenschaftlich zu erforschen.

Baden-Württemberg stellt Gelder bereit

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst von Baden-Württemberg will für die weitere Aufarbeitung der Kolonialgeschichte mit Namibia in den nächsten zwei Jahren rund 3,25 Millionen Euro (etwa N$62 Mio.) bereitstellen. Das teilte Ministerin Theresia Bauer diesen Monat während einer Konferenz im Linden-Museum in Stuttgart mit. Hintergrund ist die Rückgabe der Bibel und der Peitsche des Nama-Chiefs Hendrik Witbooi im Februar 2019 in Gibeon seitens des Bundeslandes. Beide Gegenstände wurden jahrzehntelang im Linden-Museum ausgestellt. Damals kündigte Bauer N$20 Millionen als erste Tranche für 2019 an.

Die baden-württembergische Namibia-Initiative umfasst vier Themenbereiche und sechs Projekte: die historische Aufarbeitung und – damit verbunden – die Vermittlung im Schulunterricht, den Umgang mit musealen Sammlungsgegenständen, Kolonialismus in der Literatur sowie zeitgenössische künstlerische Perspektiven auf das koloniale Erbe.

Neuer Befehlshaber der namibischen Streitkräfte

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Der neue Befehlshaber der NDF, Martin Kambulu Pinehas (L), mit seiner Ehefrau und Präsident Hage Geingob nach seiner Ernennung. Foto: Präsidialamt

Im Rahmen der neuen Regierungsbildung hat Präsident Hage Geingob am 23. März Admiral Peter Hafeni Vilho, bisher Vize-Kommandeur der namibischen Streitkräfte, zum Verteidigungsminister ernannt. Der Kommandeur der Namibia Defence Force (NDF), Generalleutnant John Mutwa, seit Dezember 2013 im Amt, ist schon längere Zeit nicht mehr öffentlich aufgetreten. Am 31. März teilte das Präsidialamt mit, dass Präsident Hage Geingob Luftwaffenmarschall Martin Kambulu Pinehas zum Befehlshaber der NDF befördert hat. Die Ernennung fand ohne die Presse statt. Präsident Geingob ist, wie seine beiden Amtsvorgänger, Oberbefehlshaber der namibischen Streitkräfte.

Brigitte Weidlich

Original Link:

https://namibiafocus.com/namibias-politik-auf-den-punkt-maerz-2020/