Welttag der Giraffe mahnt: “Gentle Giants” gefährdet

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Angola-Giraffen im Nordwesten Namibias. Foto: GCF

Die Zahlen sind alarmierend: In fast 90% ihres Verbreitungsraums um 1700 gibt es sie nicht mehr. Und nur knapp 30 Prozent der Gebiete, in denen sie heute vorkommt, stehen in Form von Nationalparks unter Schutz. Kein Zweifel: Die Giraffe, eines der Wappentiere Afrikas, gehört zu den gefährdeten Arten.

Wie ernst ist die Lage? Dieser Frage geht NamibiaFocus anlässlich des heutigen Welttages der Giraffe nach. Mit einem Blick in die aktuelle Faktensammlung “Africa’s Giraffe – A Conservation Guide” der Giraffe Conservation Foundation (GCF).

Tag für die sanften Hünen

Denn die GCF hat dafür gesorgt, dass der 21. Juni den “gentle giants”, den sanften Hünen, gewidmet ist. Seit 2014. Der längste Tag im Jahr, zwischen Aufgang und Untergang der Sonne, zumindest auf der Nordhalbkugel, für das längste (höchste) Landtier der Erde. Um auf die Gefährung der Art hinzuweisen.

Die erst seit 2016 offiziell festgestellt wird, von der International Union for Conservation of Nature (IUCN). Sie hat die Giraffe damals auf ihre Rote Liste gesetzt und als gefährdet eingestuft.

Dabei ist der Gesamtbestand der Giraffe in Afrika von 1980 bis 2020 um fast ein Viertel geschrumpft, schätzt die GCF: von etwa 155.000 auf rund 117.000 Tiere. Ohne einen internationalen Aufschrei auszulösen. Im Gegensatz zum Afrikanischen Elefanten, von dem es 2018 laut World Wildlife Fund (WWF) mit 415.000 Tieren fast viermal soviele Individuen gab.

Nicht eine, sondern vier Arten

Bei genauerem Hinschauen verdüstert sich das Bild noch. Denn es gibt nicht eine Giraffenart, Giraffa camelopardalis, mit neun Unterarten, wie Experten jahrzehntelang meinten. Eine gentechnische Studie der GCF von 2021 kommt auf vier Arten mit sieben Unterarten:

1. die Nord-Giraffe (G. camelopardalis) in Nord- und Zentralafrika, mit den drei Unterarten Nubische (G. c. camelopardalis), Kordofan- (G. c. antiquorum) und Westafrikanische Giraffe (G. c. peralta);

2. die Massai-Giraffe (G. tippelskirchi) in Sambia, Tansania und Kenia, mit den Unterarten Luangwa- (G. t. thornicrofti) und Massai-Giraffe (G. t. tippelskirchi);

3. die Netz-Giraffe (G. reticulata) im Nordosten Kenias;

4. die Süd-Giraffe (G. giraffa) im südlichen Afrika, mit den zwei Unterarten Angola- (G. g. angolensis) und Südafrika-Giraffe (G. g. giraffa).

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Verbreitungsgebiete der Giraffen in Afrika, um 1700 und heute. Grafik (2020, Legende bearbeitet): GCF

Als besonders stark gefährdet erscheinen die Netz-Giraffe mit knapp 16.000 Tieren und die Nördliche Giraffe mit 5.900 Tieren. Die Massai-Giraffe dagegen stellt mit knapp 45.000 Individuen fast 40 Prozent der Gesamtzahl an Giraffen in Afrika.

Der Südlichen Giraffe geht es sogar ausgesprochen gut. Ihre Bestände haben sich laut GCF von 25.000 um das Jahr 1990 herum auf knapp 50.000 Ende 2020 praktisch verdoppelt. Auch aufgrund des florierenden Tourismus, der Lodges und Farmer motiviert, Giraffen anzusiedeln und zu schützen.

Zwei Unterarten der Giraffe vom Aussterben bedroht

Die IUCN hat ihre Rote Liste in den Jahren 2018 und 2019 verfeinert. Acht der neun Unterarten wurden nun separat eingestuft, auf Basis der geschätzten Zahlen der GCF und Entwicklungen der vergangenen Jahre.

Nubische Giraffe (3.000) – vom Aussterben bedroht
Kordofan-Giraffe (2.300) – vom Aussterben bedroht
Westafrikanische Giraffe (600) – gefährdet

Luangwa-Giraffe (650) – gefährdet
Massai-Giraffe (44.750) – stark gefährdet

Netz-Giraffe (15.950) – stark gefährdet

Angola-Giraffe (20.200) – nicht gefährdet

Die Südafrika-Giraffe (29.650) hat die IUCN noch nicht erfasst. Außerdem führt sie auch noch die Rothschild-Giraffe auf, die jedoch genetisch identisch mit der Nubuschen Giraffe ist.

In Namibia lebt vor allem die Angola-Giraffe. Sie wird durch mehrere Nationalparks, private Naturreservate, Wildfarmen und kommunale Hegegebiete geschützt.

Giraffen bei Gondwana

So auch im Konzessionsgebiet Palmwag im Nordwesten Namibias. Man mag sich fragen, wie Giraffen in einem derart karg bewachsenen Gebiet überleben. Antwort: Indem sie vor allem in den Rivierläufen (Trockenflussbetten) umherziehen, die von Busch und Bäumen gesäumt sind.

Der Süden Namibias ist ein Paradebeispiel für das Schrumpfen der Lebensräume in Afrika: Giraffen und anderes Wild mussten der Farmwirtschaft weichen. Mit dem Aufblühen des Tourismus seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 jedoch feierten die sanften Hünen hier und da ein Comeback.

Von der Farm zum Park

Ein Beispiel für die erfolgreiche Umwandlung von Farmland in Naturschutzgebiete mittels Tourismus ist die Gondwana Collection. Seit ihrer Gründung 1995 folgt sie dem Prinzip “Give back to nature what belongs to nature”.

In ihrem Gondwana Kalahari Park hat sie 2011 sieben Giraffen ausgesetzt. Heute sind es 24. Auch an den Fischfluss Canyon ist das Wappentier Afrikas zurückgekehrt.

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Giraffen im Gondwana Kalahari Park östlich von Mariental. Foto: Gondwana

2012 wurden im 1.160 km² großen Gondwana Canyon Park 13 Tiere ausgesetzt. 2017 kam dort das erste Giraffen-Kälbchen zur Welt – das erste am Canyon seit mehr als 100 Jahren. Mittlerweile besteht die Gruppe aus 22 Tieren.

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Giraffen im Gondwana Canyon Park am Fischfluss Canyon. Foto: Gondwana

Stars auf YouTube

Am meisten staunen Reisende jedoch, wenn sie selbst am Rande der Namibwüste Giraffen begegnen. Wie im Gondwana Namib Park, wo 18 Giraffen gezählt werden. Sie wurden nicht ausgesetzt, sondern sind regelmäßige Besucher aus dem benachbarten Namib-Naukluft Park. Die Grenze ist ohne Zäune.

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Giraffenkuh mit ihrem Kalb im Gondwana Namib Park nördlich von Sesriem/Sossusvlei. Foto: Gondwana

Diese 18 Giraffen der Namib sind mittlerweile sogar YouTube-Stars. Mehr als 210.000 Fans weltweit haben den Live-Stream-Kanal “NamibiaCam” mit der Videokamera an der Wasserstelle im Park abonniert.

Giraffen für Mosambik

Die Giraffe Conservation Foundation will den heutigen Giraffen-Welttag will die GCF dazu nutzen, die Zukunft der Giraffe in Mosambik zu sichern. Aufgrund jahrzehntelanger Unruhen wurde der Bestand der Süd-Giraffe dort auf rund 250 Tiere reduziert.

Mit der mosambikanischen Regierung und ihren Partnern will die GCF über 350 Giraffen in vier wichtigen Gebieten wieder ansiedeln: in den Zinave und Banhine Nationalparks, im Maputo Special Reserve und im Karingani Game Reserve. Das würde über 30.000 km² erstklassigen Lebensraum im historischen Verbreitungsgebiet der Süd-Giraffe erschließen.

Dazu wirbt die GCF um Spenden. Als Ziel hat sie sich die Summe von 250.000 US Dollar (zurzeit knapp 238.000 Euro / 3,96 Mio. Namibia Dollar) gesteckt.

Giraffe adoptieren

Die GCF informiert mit einer umfangreichen Website über Erforschung und Schutz der Giraffe in Afrika. Sie bietet ihre aktuelle Faktensammlung “Africa’s Giraffe – A Conservation Guide” als PDF-Dokument an, das man sich herunterladen kann. Auch kann man dort die Arbeit der GCF aktiv unterstützen. Etwa mit einer Spende.

Oder indem man Giraffen adoptiert. Ja, das geht. Giraffen lassen sich nämlich identifizieren. Genau wie Zebras. Aber das ist eine andere Geschichte ;))

Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und lebt seit 1998 in Windhoek. Seit 1986 arbeitet er als Journalist und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter .

Original Link:

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