Namibia bietet Veterinären Fortbildung im Umgang mit Wild
Wie trifft man aus einem Hubschrauber heraus eine Giraffe mit Betäubungspfeil? Was ist bei der Dosierung von Betäubungs- und Gegenmitteln zu beachten? Wie versieht man eine Oryx-Antilope mit einem GPS-Sender?
Antwort auf diese und viele weitere Fragen erhielten acht junge Veterinäre aus Namibia und anderen Ländern Afrikas. In Theorie und Praxis. Auf einem zehntägigen Fortbildungskurs, der vor kurzem im Etosha Heights Private Reserve südwestlich des Etosha Nationalparks stattfand. Nicht als reine Übung, sondern im Rahmen des Wild-Managements. Zur Vorbereitung gab es einen dreitägigen Theorie-Kurs in Windhoek.
Warum fand die Fortbildung ausgerechnet in Namibia statt? Weil der Veranstalter, die Giraffe Conservation Foundation (GCF), seinen Hauptsitz in Windhoek hat. Weil die GCF in Namibia auf ein gutes Netzwerk kompetenter Partner-Institutionen zurückgreifen kann. Was allerdings auch auf andere Länder Afrikas zutrifft. Hauptgrund für die Wahl Namibias war, dass das Land mit seinem Tierarztwesen im internationalen Vergleich hervorragend aufgestellt ist. Vor allem, was Wildtiere angeht.
Zehn Tage Praxis für acht Veterinäre
Hinzu kam, dass im Etosha Heights Private Reserve zwei Operationen im Rahmen des Wildtier-Managements anstanden. So mussten zwei Wildarten in ein anderes Kamp, sprich: Teilgebiet, des 600 km² großen Reservats umgesiedelt werden. Für eine Studie zu den Bewegungen von Wildtieren war es zudem nötig, Bergzebras, Oryx- und Elen-Antilopen sowie Giraffen und einen Elefant mit GPS-Sendern zu versehen. Die Sender wurden für Rinder in Australien entwickelt. Sie lassen sich ganz einfach mit zwei Stiften ans Ohr der Tiere heften.
Die Studie ist breiter angelegt. Es geht um das Gebiet der Greater Etosha South-West Landscape (GESWL). Fast 20.000 km² groß, umfasst es Teile des Etosha Nationalparks, Privatreservate, kommerzielle Wildfarmen und Teile kommunaler Hegegebiete. Untersucht wird, wie sich verschiedene Formen der Landnutzung auf biologische Vielfalt und ökologische Produktivität auswirken. Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation von GCF und Biodiversity Research Centre (BRC) der Namibia University of Science & Technology (NUST). Viele namibische und internationale Partner und Institutionen wirken mit.
Schulung, Training und Austausch
Ideale Gelegenheit für junge Veterinäre, Erfahrungen zu sammeln. Unter Anleitung erfahrener Kollegen führten die Kursteilnehmer alle nötigen Maßnahmen durch. Vom Durchgehen der Betäubungsmittel-Protokolle. Über das jeweils geeignete Mittel oder eine Mischung, die Dosierung und die Wahl des Pfeils. Die detaillierte Planung der Aktion, ob zu Fuß, per Auto oder Hubschrauber.
Bis hin zur Nachbesprechung und Auswertung der Aktion: Was hat gut geklappt, was kann in welcher Weise verbessert werden? Wie haben die Betäubungsmittel und Dosierungen gewirkt, auch im Vergleich zu bestehenden Erfahrungen und Protokollen? Generelle Themen wie Ethik der Wildtier-Markierung, Gesetzgebung sowie Naturschutz und -management kamen ebenfalls zur Sprache.
In den Diskussionen wurden Erkenntnisse und Erfahrungen nicht nur „gelehrt“, sondern vor allem ausgetauscht. Anregend auch wegen der zum Teil unterschiedlichen Praxis in verschiedenen Ländern. Zwei der Kursteilnehmer waren Namibier, jeweils zwei kamen aus der Demokratischen Republik Kongo und aus Mosambik und jeweils einer reiste aus Uganda und Tansania an. So wurden auch Kontakte geknüpft für den künftigen Austausch von Informationen und Aufbau von Partnerschaften.
Drei Tage Theorie für 38 (Para-)Veterinäre
Vor der Praxis kam die Theorie. In Windhoek fand ein dreitägiger Kurs statt. In Kooperation mit der School of Veterinary Medicine der University of Namibia (UNAM). Er stand auch weiteren interessierten Fachkräften offen, gegen eine nominale Gebühr von 500 Namibia Dollar pro Person.
Der Kurs richtete sich an Wildtier-Praktiker, die sich über Techniken und Verfahren für Wildtier-Aktionen auf dem Laufenden halten wollten. Auch sprach er Tierärzte an, die damit ihre Kenntnisse der Wildtiermedizin in Namibia vertiefen konnten. Die Vorträge wurden von Mitarbeitern der UNAM gehalten. GCF-Veterinärin Sara Ferguson, die den Kurs organisiert hatte, sprach über Giraffen.
Zusätzlich zu den acht jungen Tierärzten nahmen 30 namibische Veterinäre und Para-Veterinäre teil. Sie sammelten damit 20 ihrer 60 Fortbildungspunkte, die sie im Rahmen ihrer Zulassung alle drei Jahre benötigen.
Namibia als Basis für Giraffenschutz in Afrika
Anlass für die Kurse war jedoch vor allem die Fortbildung der sechs Veterinäre aus dem Ausland. Und der Schutz der Giraffen in verschiedenen Ländern Afrikas, wie die GCF hinzufügt. Für den sie sich mittlerweile, 13 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 2009, in 17 afrikanischen Ländern einsetzt. Immer wieder ist die GCF bei ihrer Arbeit auf erfahrene Tierärzte angewiesen.
Bei der Betäubung von Giraffen muss man besonders vorsichtig vorgehen. Aufgrund ihres langen Halses und ihres Kreislaufs. Und auch, weil sie Wiederkäuer sind und in betäubtem Zustand leicht ersticken können. Oft gibt es im betreffenden Land keine Veterinäre, die speziell im Umgang mit Wildtieren ausreichende Erfahrung oder Selbstvertrauen haben. Dann bringt die GCF ihre Wildtier-Experten mit. Allerdings dürfen sie dann meist nur als Berater oder unter Aufsicht des örtlichen Tierarztes agieren, der im Land zugelassen ist.
GCF und ihre Partner
Die Giraffe Conservation Foundation (GCF) hat diese Kurse in Kooperation mit ihren Partnern durchgeführt: mit dem namibischen Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus (MEFT), UNAM, BRC/NUST und dem African Wildlife Conservation Trust (AWCT).
Die Kosten von insgesamt rund 50.000 US Dollar (zurzeit 47.500 Euro, fast 800.000 Namibia Dollar) trug allein die GCF. Kraft ihrer Spender, darunter die Ivan Carter Wildlife Conservation Alliance und der Oklahoma City Zoo. Besonderer Dank gilt der Lodge-Gruppe Natural Selection für die Unterkunft einiger Teilnehmer in der Etosha Mountain Lodge und dem AWCT für die Hubschrauber-Einsätze, die nicht berechnet wurden.
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und lebt seit 1998 in Windhoek. Seit 1986 arbeitet er als Journalist und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter .
Original Link:
https://namibiafocus.com/namibia-bietet-veterinaeren-fortbildung-im-umgang-mit-wild/